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Die Veränderungen des DSA-Rastullah-Glaubens durch die zweite Offenbarung

Ausgangslage

In der neuen DSA5-Regionalspielhife „Wüstenreich – Die Wüste Khom und Thalusien“ wird eine zweite Offenbarung Rasthullahs beschrieben bzw. festgelegt, die den Rasthullah-Glauben dahingehend modifiziert, als dass nunmehr eine weitgehende Gleichstellung von Männern und Frauen vorsieht.

Rezeption und Einordnung

Diese Geschehnisse haben sowohl positive wie negative Reaktionen hervorgerufen. Auch mich lassen sie nicht unberührt zurück.

Mitunter lese ich, dass diese Änderung einen „Retcon“ darstelle. Wie ich an anderer Stelle schrieb, sind mir als Simulationist derartige „Retcons“ zuwider. Allein – es handelt sich nach meiner Sicht bei den geschilderten Anpassungen im Rasthullah-Glauben nicht um eine Retcon. Vielmehr wird genau das getan, was ich angeraten hätte: Änderungen der Welt werden durch innerweltliche Ereignisse herbeigeführt – für mich eine Stärke und Voraussetzung der Dichte der DSA-Spielwelt.

Fraglich könnte sein, ob diese Änderungen begrüßenswert sind. Hier fallen mir zwei Dimensionen ein, die zur Würdigung herangezogen werden könnten:

  1. Ergeben sich aus der Änderung realweltliche Vorzüge?
  2. Bietet die Änderung spieltechnische Vorzüge?

Ad 1.)

Mir wurde im persönlichen Gespräch jüngst gesagt, die Novadi-Kultur in Aventurien sei ohnehin ein Fehler gewesen; man hätte sich nicht so eng an einer irdischen Kultur orientieren (gemeint war der Islam), und diese zudem klischeebehaftet darstellen dürfen. Eine anderer Diskussionsteilnehmer meinte hingegen, es sei ratsam sich bei der Gestaltung einer Rollenspiel-Welt an der realen Welt zu orientieren – sonst sei der Zugang zur Welt deutlich erschwert.

In der Tat sehe ich diesen letzten Punkt: Der Zugang zu einer Welt, die wenig Anleihen an der wirklichen Welt nimmt (oder an Dinge angelehnt ist, die ich nicht kenne), ist für mich schwieriger – auch wenn die Innovationskraft einer solchen Spielwelt höher sein mag.

Die klischeebehaftete Darstellung könnte aus demselben Grunde nicht maßgeblich sein: Letztlich werden beim Rollenspiel dauernd Klischees bedient – schon aus Praktikabilitätsgründen. Sie erleichtern damit den Zugang zum Spielsystem.

Dennoch ist der Verweis auf realweltliche Gründe für die Begründung der Änderung des Rastullah-Glaubens sicherlich naheliegend. Von Befürwortern der Änderungen wurde unter anderem ausgeführt, dass man kein novadisches Patriachat mehr wolle; die Novadis bislang kaum spielbar gewesen seien und nun „modernisiert“ wären. Außerdem sei die Kultur bisher an die Karl May-Romane angelehnt und nicht mehr zeitgemäß.

Zudem wird dargelegt, dass durch die Änderungen die Kalifats-Region spielbarer werde. Ich las auch oft, dass in der eigenen Gruppe (des jeweiligen Diskutanten) noch nie ein Novadi gespielt worden wäre (und dass sich dies nun ändern könnte).

In der Tat kann ich die vorstehenden Punkte nachvollziehen. Die Änderungen könnten mit Blick auf diese gutgeheißen werden. Dies geschieht auch allenthalben – die OrkenspalterTV-Rezession folgt beispielsweise im Wesentlichen dieser Sicht der Dinge.

Man kann es jedoch ebenfalls einen genau entgegengesetzten Standpunkt einnehmen und anführen, dass man froh gewesen wäre, wenn die Spielwelt „altmodisch“ (bei einem Fantasy-Rollenspiel kein fernliegender Gedanke) und damit auch wie bekannt und gemocht geblieben wäre. Oder weil man Anlehnungen an Karl May sehr schätze und genau diese Art von Welt DSA ausmache. Zudem sei es doch gerade großartig, beim Rollenspiel auch Charaktere zu spielen, die ein völlig anderes Weltbild beziehungsweise andere Moralvorstellungen haben.

Ergänzend ließe sich wohl anführen, dass in vielen Runden auch zahlreiche andere Charaktere nie gespielt werden. Hierzu gehört der sprichwörtlich gewordene Zuckerbäcker – aber vermutlich auch der ein oder andere Geweihte. Das Argument, dass Novadis nie gespielt würde, wäre damit nur bedingt wesentlich, um eine Änderung des Rastullah-Glaubens zu begründen.

Aus meiner Sicht kann man beiden Standpunkten folgen (oder auch eine Position dazwischen einnehmen) – schlussendlich ist es eine subjektive Abwägung, welchen Aspekten mehr Gewicht eingeräumt wird. Objektiv lässt sich meines Erachtens keine vorziehenswürdige Vorgehensweise auf Basis realweltlicher Erwägungen ausmachen.

Ad 2.)

Eine große Umwälzung Aventuriens war die Schaffung der Schwarzen Lande im Zuge des Borbarad-Krieges. Diese Änderung wurde ausdrücklich damit begründet, dass man „Horror“ als neues „Setting“ erlebbar machen wollte. Zu diesem Zwecke wurde das, teilweise als wenig ikonisch betrachtete, Tobrien aufgegeben.

Auch wenn es zahlreiche Kritik an dieser Entwicklung innerhalb der Spielwelt gab: Meines Erachtens kann zweifelsohne festgestellt werden, dass das Spielangebot durch diese veränderten Regionen erweitert wurde. Landstriche, in denen Dämonen verehrt werden und entsprechende Beschwörungen an der Tagesordnung waren, gab es vorher nicht.

Für meine Begriffe ist dies bei der Entwicklung des Rastullah-Glaubens jedoch gerade nicht gegeben. Es gibt in Aventurien schon mehrheitlich Regionen, in denen Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern herrscht. Es wird, wenn man diesem Gedanken folgt, sogar eher eine Angleichung an die anderen Regionen vorgenommen und hierdurch Spielpotential aus der Welt entfernt.

Insoweit wird Aventurien durch die Änderung des Rastullah-Glaubens ärmer.

Aus der simulationistischen Warte kann man zudem anführen, dass es „unlogisch“ sei, dass der Wandel im Rasthullah-Glauben schnell vollzogen ist und nicht mehrere Jahrzehnt Religionskrieg mit sich bringt und vielleicht auch ein Schisma der Religion. Gleichwohl ist zu beachten, dass auch beispielsweise die Bildung der Schwarzen Lande unweit des Mittelreichs die Glaubwürdigkeit der Welt für einige belastete – und das ist nur ein Beispiel für vermeintlich oder tatsächlich „unlogische“ Setzungen. Die Spielwelt hat solche „unlogischen“ Entwicklungen trotzdem überstanden.

Gesamtwürdigung

In Kombination der beiden Aspekte (realweltlich und spieltechnisch) zeigt sich für mich jedoch eine latente Gefahr. Möchte man nämlich konsistent „modern“ sein, so müsste man das Patriachat auch bei den Orks und das Matriarchat bei den Goblins und in Aranien ändern. Noch gravierender wären die erforderlichen Änderungen bei den Amazonen, die gegenwärtig Männer vollständig ausschließen. Gerade letzteres würde die Amazonen zudem auch völlig ihrem irdischen Klischee entheben, was, wie oben dargelegt, nachteilig sein kann.

Von all dem möchte ich aber aus einem anderen Grund abraten: Aventurien ist eine Fantasy-Welt. Für mich geht eine erwachsene Fantasy-Welt damit einher, dass sie Konflikte ermöglicht, auch solche, die jenseits eines klaren Schwarz-Weiß-Musters verlaufen.

Gerade unterschiedliche Weltanschauungen sind meiner Erfahrung nach gut geeignet, interessantes Rollenspiel zu ermöglichen. Persönlich würde ich sogar eher zu einer Vertiefung solcher weltanschaulichen Konflikte raten und nicht zu einer Nivellierung. Daher hätte ich eine unveränderte Beibehaltung des Rastullah-Glaubens bevorzugt, auch unter Berücksichtigung der realweltlichen Argumente. Aus demselben Grund wären für mich natürlich auch weitere, insoweit schlüssige, „Modernisierungen“ anderer aventurischer Kulturen abzulehnen.

Andererseits kann (sollte?) mir, bei Lichte betrachtet, die Änderung des Rastullah-Glaubens völlig egal sein: Ergänzend dazu, dass jede Gruppe ihre individuelle Spielwelt ausgestalten kann wie es jeweils beliebt, ist nicht mal im entferntesten absehbar, dass ich die Zeiten bespiele, welche die derzeitige aventurische Gegenwart sind. Was in den aktuellen Regionalbänden steht, ist für mich daher bedeutungslos; selbst, falls ich streng dem „offiziellen“ Aventurien folgen würde.

Gleichung(en) zur Berechnung der Kosten einer Einheit bei Demonworld (?)

Motivation und Vorbemerkung

Demonworld fing ich als Teenager an zu spielen – damals mit der ersten Edition. Ich spielte Isthak (im Wesentlichen, weil Zwerge schon „vergeben“ waren) – aber auch alle anderen Völker, ausgenommen Thain, hatten Spieler. Es herrschte bei uns hierbei Konsens, dass die Elfen „das beste“ Volk waren – einfach deshalb, weil dessen Spieler immer gewann. Auch heute sind die Elfen noch quasi unbesiegt – ich meine, einmal wurde ein Unentschieden erzielt. Meine These war freilich, dass die Elfen schlichtweg viel zu gute Einheiten haben. Besonders bei Tauros (den wir „He-Man“ nannten) und der Bel Ludain Ritter („Superreiterei“) war ich dieser Überzeugung.

Mein Gedanke als Oberstufenschüler damals war, die Gleichung, mit der die Punkte der Einheiten und Helden errechnet werden, mit Hilfe eines Gaußalgorithmus auflösen zu können. Hierbei überlegte ich, dass jeder Wert auf der Vorderseite der Rekrutierungskarte einen bestimmten Betrag an Punktekosten zur Folge haben sollte. Man hätte also eine Gleichung mit so vielen Unbekannten („N“), wie Eigenschaften auf der Rekrutierungskarte vorhanden sind. Die Punktekosten („PK“) würden damit folgender Gleichung folgen:

$$PK = E_{1} * x_{1} + E_{2} * x_{2} + … + E_{N} * x_{N}$$

E1 könnte beispielsweise die Bewegungsreichweite darstellen. Wenn man nun so viele Einheiten oder Helden hat, wie es Unbekannte gibt (also die Anzahl N an Einheiten), so ließe sich das Gleichungssystem vermutlich auflösen. Dann würde ich die Punkte von He-Man und der Superreiterei errechnen und es wäre offenkundig, dass diese zu günstig sind. Das waren meine Gedanken. Heute habe ich einen etwas anderen Blick auf diese Sache und erkenne einige Schwächen meines Vorgehens. Dennoch schreite ich nun zur Tat und setze meine Gedanken von über 20 Jahren nun um – wenn auch verbessert, wie ich finde.

Welche Schwächen hatte mein damaliges Konzept?

  1. Zum einen muss man sehen, dass die Überlegung, dass die Gleichung zur Ableitung der Punktekosten linear ist, nicht zwingend ist. Bei vielen Rollenspielen steigen die Kosten eines weiterer Fertigkeitspunkte progressiv an. Daher wäre es denkbar, dass die x-Faktoren meiner Gleichung einen Exponenten größer 1 aufweisen.
    Letztlich bin ich zum Ergebnis gekommen, diesen Gedanken zu verwerfen: Im Demonworld-Regelwerk der ersten Edition finden sich am Seite 136 Regeln, um DSA-Charaktere nach Demonworld zu konvertieren. Diese Ausführungen lassen eine lineare Beziehung wahrscheinlich werden – auch wenn Punktekosten nicht errechenbar sind.
  2. Eine Gleichung der vorstehenden Art würde sich vermutlich nicht eindeutig lassen, da zum einen mehrere Lösungen existieren können (nämlich dann, wenn die Determinante der Matrix mit den E-Werten gleich null ist) und auch, weil die sich ergebenden Punktekosten gerundet sein dürften. Die Punktekosten aller Einheiten und Helden sind durch zehn teilbar. Es wäre es erstaunlich, wenn eine, wie auch immer gestaltete Gleichung immer Ergebnisse ausgibt, die durch zehn teilbar sind.
  3. Vor allen Dingen ermöglicht eine derartige Gleichung keine Aussage darüber, ob der He-Man oder die Superreiterei gameistisch zu teuer sind (also eine normative Aussage). Sie beschreibt nur (deskriptiv) die Preisgestaltung und gestattet damit nur eine Aussage, ob diese Truppen konsistent zu allen anderen Helden oder Einheiten bepreist sind. Das Bepreisungssystem selbst kann aber konsistent unangemessen sein. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Panzerung keinen Effekt auf die Punktekosten hätte – und zwar über alle Einheiten hinweg! Selbst wenn He-Man also konsistent bepreist wäre, kann er dennoch zu günstig sein, weil die Bepreisung bei Demonworld per se nicht sachgerecht ist.
  4. Ergänzend ist es denkbar, dass besonders hohe oder besonders niedrige Werte spielmechanisch überproportional gut oder schlecht wären. Für Demonworld ist dies in für Angriffswürfe aller Regel nicht der Fall, da die finalen Werte praktisch ausnahmslos zwischen 1 und 20 liegen und mit einen W20 gewürfelt wird, was eine Gleichverteilung zur Folge hat.
  5. Es ist nicht per se klar, dass eine ermittelte Gleichung für alle Völker konstant ist. Schließlich könnten völkerspezifische Synergien dazu führen, dass beispielsweise einzelne Einheiten für bestimmte Völker viel wertvoller sind – und daher höher bepreist werden sollten. Mit Blick darauf, dass bei Demonworld teilweise auch völkerübergreifend aufgestellt werden darf (Goblins-Orks, Zwerge-Imperium), sind völkerspezifische Gleichungen jedoch unwahrscheinlich.

Vor allem Punkt 3. ist von großer Relevanz. Mein Teenager-Ziel, den „Beweis“ zu erbringen, dass insbesondere He-Man zu günstig ist, ist mit dem vorgestellten Ansatz nicht lösbar. Nur eine (vermutete) inkonsistente Bepreisung wäre nachweisbar.

Punkt 2 lässt sich umgehen, indem man statt eines (deterministischen) Gauß-Algorithmus auf ein statistisches Schätzverfahren zurückgreift.

Eine Analyse, ob Völker (und deren Truppen), obgleich konsistent bepreist, trotzdem normativ „zu gut“ sind, erfordert entweder ein umfassendes Experiment, bei dem viele etwa gleich gute Spieler immer wieder mit unterschiedlichen Völkern gegeneinander spielen. Zeichnet sich nach zahlreichen Spielen ab, dass ein Volk (z.B. die Elfen) überdurchschnittlich oft siegt, wäre dessen regeltechnische Überlegenheit fast zwingend. Meine Teenager-Erfahrung hilft hier kaum, weil es auch denkbar ist, dass der Elfenspieler einfach der beste Spieler war.

Alternativ kann man modellhaft Spielsituationen simulieren. Auch dann kann sich zeigen, dass bestimmte Einheiten statistisch überlegen sind. Dieses Vorgehen hat aber Schwächen, weil Aspekte wie Magie oder eine hohe Mobilität bestenfalls unzureichend berücksichtigt werden. Will man diese Schwäche umgehen, landet man schnell beim vorstehenden Experiment.

Ich habe mich von all diesen Einwänden nicht abhalten lassen und versucht, sowohl für Helden als auch für Einheiten, die Gleichungen zur Berechnung von Punktekosten herzuleiten.

Die Kostenberechnung von Demonworld-Helden

Damit kommen wir zur Frage der Bepreisung von Tauros („He-Man“). Helden (und Befehlshaber; hier identisch verwendet) werden regelseitig anders gehandhabt als Einheiten. Daher muss eine spezielle Matrix (mit den „E’s“) für Helden aufgestellt werden. Hierbei betrachtete ich nur Helden ohne Fernkampfangriff, die über keine (weiteren) Sonderregeln verfügen und natürlich nicht auch gleichzeitig Magier sind. Derartige Helden können durch folgende regeltechnische Faktoren abschließend beschrieben werden:

  • Befehlssterne (S)
  • Nahkampfkampfkraft (KK)
  • Initiative (Ini)
  • Initiativabzug in der ersten Runde durch verwendete Waffe (ER)
  • Größe (G)
  • Panzerungswert (PW)
  • Kontrollbereich (KB)
  • Nahkampfwaffenfertigkeit (NKF)
  • Furchtfaktor (FF)
  • Trefferpunkte (TP)
  • Fähigkeit, Feuer zu entfachen (F)
  • Verursachter Schaden (SP)

Bewegungspunke für Helden eine Funktion der Größe und der Panzerung. Dies liegt daran, dass die im folgenden ausgewählten Helden für jede Größe nur eine Bewegungstabelle gilt (vgl. Demonworld-Regelwerk, 1. Edition, S. 137). Dies wäre anders, wenn einer der Helden ein Oger wäre, da für diese, obgleich Größe 3, eine andere Bewegungstabelle gilt als für Reiter (ebenfalls Größe 3).

Ergänzend ist zu beachten, dass ich die Größe von der Nahkampfkampfkraft und vom Nahkampfpanzerungswert subtrahiert habe. Zudem führte es dazu, dass die Panzerungswert für Nah- und Fernkampfpanzerung identisch wurden.

In beiden Fällen tat ich dies, um Multikollinearität (Korrelation der abhängigen Variablen) zu verhindern. Im Falle der Bewegung liegt habe ich vorab mit einer „Neben-Regression“ geprüft, ob Multikollinearität besteht und dies mit Blick auf das Ergebnis bejaht. Zudem sind die Schätzergebnisse ohne Bewegung als Parameter weit besser (auch, weil der Koeffizient für Bewegungspunkte negativ ist).

In einem nächsten Schritt durchsuchte ich die alten offiziellen Armeebücher nach Helden, welche die oben genannten Eigenschaften erfüllten. Ergänzend musste ich Skorrak entfernen, da er, obgleich Größe 3, die Bewegungstabelle eine Größe 2-Figur hat. Es ergaben sich folgende 16 Helden:

  • Argam Rostbart
  • Bradon die Axt
  • Demar Tharuk
  • Dungail Schmetterschlag
  • Farran Rotpelz
  • General Caliar Ildriel
  • Gobbelsnut
  • Groblogin Käferfreund
  • Kanngrott Schädeltrümmerer
  • Khelben
  • Niehenwe die Blutdürstende
  • Rolb
  • Shertrak
  • Trazzag
  • Wahngrok der Schlächter
  • Wudbin

Der Versuch der deterministischen Lösung

Wenn man daran glaubt, dass es tatsächlich eine Gleichung zum Errechnen der Punktekosten gibt, so hat man nun ein überbestimmtes Gleichungssystem: 16 Gleichungen für 12 Unbekannte – oder 13, wenn man eine Konstante aufnimmt. Dieses Gleichungssystem kann mit 12 (oder 13) Helden aufgestellt werden und besitzt dann (in Matrizenschreibweise) eine Determinante, die ungleich null ist. Daher hat das Gleichungssystem jeweils genau eine Lösung. Es zeigte sich allerdings, dass die Frage, welche der insgesamt 16 Helden ich für die Lösung meines Gleichungssystems verwende, einen erheblichen Effekt auf die Parametrisierung der Gleichung hat.

Dies ist bei Lichte betrachtet, und wie oben dargelegt, nicht verwunderlich – es wäre überraschend, wenn es eine Gleichung gäbe, die immer genau einen Punktwert ausgerechnet, der durch Zehn teilbar ist.

Die statistische Lösung

Daher führte ich im nächsten Schritt eine multivariate lineare Regression durch. Hierbei verwendete ich nunmehr alle 17 Helden um die 13 Unbekannten (und die Konstante) zu bestimmen. Ich errechnete folgende Parameter (alles im Folgenden auf zwei Nachkommastellen gerundet):

VariableKoeffizient
Konstante-124,89
S25,55
KK1,53
Ini4,68
ER0,44
G8,83
PW1,93
KB-0,48
NKF7,74
FF2,05
TP9,67
F-4,32
SP60,44
Quelle: Eigene Berechnung.

Diese Regressionsgleichung beschreibt die Punktekosten der Helden sehr gut. Für Argam Rostbart ergibt sich beispielsweise:

Quelle: Hobby Products GmbH: Demonworld Armeen -Zwerge, Oberhause 2001, S. 52.
$$ PK = -124,89+25,55*2+1,53*9+4,68*2+0,44*(-1)\\ +8,83*1+1,93*3-0,48*16+7,74*3+\\ 2,05*1+9,67*4-4,32*0+60,44*1\\ = 80,25 $$

Die folgende Tabelle zeigt die errechnete Punktekosten und stellt diese den Punktekosten gemäß Rekrutierungskarte gegenüber.

 Punktekosten errechnetPunktekosten laut
Rekrutierungskarte
Differenz
Argam Rostbart80,25800,25
Bradon die Axt147,45150-2,55
Demar Tharuk132,551302,55
Dungail Schmetterschlag102,341002,34
Farran Rotpelz60,00600,00
General Caliar Ildriel86,2790-3,73
Gobbelsnut58,0460-1,96
Groblogin Käferfreund57,8260-2,18
Kanngrott Schädeltrümmerer66,2670-3,74
Khelben70,98700,98
Niehenwe die Blutdürstende71,10701,10
Rolb41,15401,15
Shertrak70,96700,96
Trazzag118,62120-1,38
Wahngrok der Schlächter85,43805,43
Wudbin30,77300,77
Quelle: Eigene Berechnung.

Die Regressionsgerade beschreibt die Bepreisung der Helden meines Erachtens sehr gut.

Exkurs: Ein paar Worte zur Güte der Schätzung aus statistischer Sicht

Regressionen werden regelmäßig auf statistische Güte untersucht. Dies kann auch im vorliegenden Fall geschehen – ist aber inhaltlich fraglich: Da es sich nicht um Zufallsvariablen handelt, könnte die Untersuchung der Signifikanz der Koeffizienten per se als nicht sinnvoll betrachtet werden. Man „weiß“ schließlich, dass die Werte auf der Rekrutierungskarte die Punktekosten beeinflussen (sollten). Im Grunde nutze ich das Regressionsverfahren ja (gewissermaßen „missbräuchlich“) düfür, eine Gleichung aufzulösen.

Ignoriert man diesen Einwand ist die Schätzung aus statistischer Sicht angreifbar. Die hohe Zahl der Parameter (13) und die geringere Zahl der Beobachtungen (16 Helden) sorgen dafür, dass viele Parameter nicht signifikant auf dem (üblichen) 5 %-Niveau geschätzt werden. Da im vorliegenden Fall ein Zusammenhang fast zwingend ist, setzte ich mich darüber hinweg. In der Gesamtschau ist die Schätzung augenscheinlich recht gut. Die diversen R²-Maße liegen mitunter über 0,99; das Schlechteste bei 0,97. Die F-Statistik zeigt ebenfalls einen hochsignifikanten Zusammenhang an. In diesem Fällen muss man aber auch wieder sehen, dass die große Zahl exogener Variablen hierzu beiträgt.

Grundsätzlich besteht damit auch die Gefahr von Multikollinearität – da diese aber nach meinen Anpassungen nicht vorliegen sollte, habe ich hierauf nicht weiter getestet: Dass die Variablen exogen sind, habe ich zudem durch die Subtraktion der Größe von der Kampfkraft und der Nahkampfpanzerung versucht sicherzustellen. Gleiches gilt, wie oben dargelegt, für die Bewegung, die von der Größe und der Panzerung abhängig ist.

Homoskedastizität setze ich voraus – bei 16 Beobachtungen kann man das kaum sinnvoll testen.

Die ermittelten Koeffizienten sind dennoch teilweise unplausibel. Dass ein größerer Kontrollbereich (KB) oder ein höherer Furchtfaktor zu einer Verminderung der Punktekosten führen soll, ist offensichtlich unangemessen. Aber auch der sehr hohe Koeffizient der Sterne wirkt auch mich zumindest unplausibel. Daher stellt sich für mich die Frage, ob die Festlegung der Punktekosten von Helden, obgleich in sich konsistent, grundlegend (auch insoweit auch konsistent) unangemessen ist.

Zwischenbetrachtung I

Die errechnete Gleichung ist Konsequenz der Werte für Helden in den offiziellen Armeebüchern. Dass z.B. ein höherer Furchtfaktor oder ein höherer Kontrollbereich die Kosten eines Helden vermindern ist zwar hochgradig irritierend – aber gleichwohl Ergebnis der Gleichung.

Dieser Befund lässt die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Parameter aufkommen. Wie Eingangs geschildert, kann die Konsistenz der Bepreisung von Demonworld-Helden oder -Einheiten untersucht werden, nicht aber, ob die Prämissen dieser Bepreisung sachgerecht sind.

Bepreist man nun Tauros „He-Men“ entsprechend der Gleichung (und ignoriert seine zufällige Bewegung), so ergeben sich Kosten von 155,76 Punkten. Tauros kostet laut Regelwerk 140. Nimmt man an, dass seine (nachteilige) Zufallsbewegung 16 Punkte Rabatt „wert ist“, kommt man fast genau auf seine Kosten. Er wäre dann konsistent bepreist. Ich bin davon unbenommen aber subjektiv der Meinung, dass seine Zufallsbewegung keine 16 Punkt „wert“ ist.

Um einen Vergleich anzustellen, habe ich ergänzend Barsak den Verrückten bepreist. Auch er verfügt über einen Nachteil: Er ist ungestüm und entzieht sich damit, ähnlich wie Tauros, teilweise der Kontrolle des Spielers. Allerdings ist Ungestümtheit weit weniger gravierend als die Zufallsbewegung Tauros‘. Barsak kommt nach meiner Gleichung auf Punktekosten in Höhe von 84,62. Hierbei habe ich den Effekt aus der Ungestümtheit auf seine Kampfkraft und seine Initiative nicht bereinigt, weil ich den Effekt des fehlenden Steuerung durch den Spieler isolieren wollte. Da Barsak laut Armeebuch 70 Punkte kostet, schlüge seine Ungestümtheit mit 15 Punkten zu Buche – mehr als der Nachteil Taurus. Im Quervergleich ist Taurus damit als zu teuer oder Barsak als zu günstig zu beurteilen. Allerdings erscheinen mir auch hier die 18 Punkte „Rabatt“ als deutlich zu hoch.

Anders verhält es sich, wenn man bedenkt, dass sich weder Barsak noch He-Men einer Einheit anschließen können. Bei Barsak wird dies so geregelt, dass dies auf der Rückseite der Rekrutierungskarte angegeben ist und (deshalb) der Stern, der ihn auf der Vorderseite als Helden auszeichnet, in Klammern steht. Ich habe ihn für die Gleichung aber voll berücksichtigt, um 87,69 Punkte zu errechnen. Bei Tauros gibt es schlicht keinen Stern, so dass er sich (deshalb) keiner Einheit anschließen kann. Ergo wurde auch kein Stern berücksichtigt, um seine rechnerischen 155,76 Punkte zu ermitteln. Unterstellt man das Tauros einen Stern hat, so ergäben sich für ihn 181,31 Punkte – und der implizite Abschlag für seine Zufallsbewegung läge bei 41,31 Punkten. Das wäre zu der etwas weniger gravierenden Ungestümtheit Tauros (17,69 Punkte) zwar konsistent – erscheint mir aber subjektiv ein sehr hoher Rabatt für die Zufallsbewegung zu sein.

Die Kostenberechnung von Demonworld-Einheiten

Mein Vorgehen für die Demonworld-Einheiten war identisch zu dem der Helden. Ich habe Einheiten ohne Zusatzregeln gesucht und die folgenden Einheiten zur Bestimmung meiner Regressionsgraden finden können.

Wolfsschützen und Luthari Bogenschützen habe ich nicht betrachtet, da dies auch fernkämpfen können. Oger, gepanzerte Oger und Eisbärreiter schieden aus, weil sie, obgleich Größe 3, eine geringere Bewegung aufweisen (vgl. die schon erwähnte Bewegungstabelle). Bel Ludain Ritter aus dem entgegengesetzten Grund – ihre Bewegung war aber für ihre Größe und Panzerung „zu hoch“ (was an dem Mithrilrüstungen liegt, die eine geringeren Verminderung der Bewegung führen). Gleiches gilt für die Ponyreiter, die, obgleich Größe 2, die Bewegungstabelle der Reiterei nutzen.

Für jede der Einheiten habe ich die Kosten pro Element errechnet und diese ab abhängige Variable verwendet. So fanden folgende Einheiten Eingang:

  • Adlige Lanzenreiter
  • Adlige Sturmreiter
  • Cailander Schwertkämpfer
  • Clankrieger
  • Clanveteranen
  • Fußvolk
  • Krieger vom Orden des reinigenden Lichtes
  • Lanzenreiter
  • Novizen vom Orden des reinigenden Lichtes
  • Ordenskrieger der reinigenden Finsternis
  • Ordensmeister
  • Ordensritter der reinigenden Finsternis
  • Ponyreiter
  • Schwere Clankrieger
  • Schwere Clanveteranen
  • Schwertträger
  • Torwachen
  • Wolfsreiter

Folgende abhängige Variablen wurden für die Regression verwendet:

  • Nahkampfkampfkraft (KK)
  • Angriffsbonus (AB)
  • Initiative (Ini)
  • Initiativabzug in der ersten Runde durch verwendete Waffe (ER)
  • Größe (G)
  • Nahkampfpanzerungswert (NPW)
  • Nahkampfwaffenfertigkeit (NKF)
  • Furchtfaktor (FF)
  • Erster Moralwert (M1)
  • Zweiter Moralwert (M2)
  • Anzahl der Manöver (M3)
  • Anzahl der möglichen Formationen (AF)
  • Vorhandensein eines Musikers (MK)
  • Fähigkeit, Feuer zu entfachen (F)

Den Angriffsbonus habe ich um eins erhöht, falls in der ersten Runde eines Nahkampfes Lanzen eingesetzt werden (diese haben dann eine höhere Kampfkraft). Die Moralwerte habe ich jeweils um die Zahl der Elemente reduziert (dies hat regeltechnische Gründe). Nahkampfpanzerungswerte wurden wieder um die Größe reduziert. Da die Fernkampfpanzerung bei den Einheiten nicht identisch zu der um die Größe verminderte Nahkampfpanzerung war, habe ich für die Fernkampfpanzerung die Differenz zur dieser angepassten Nahkampfpanzerung ermittelt. Auch dies vor dem Hintergrund, Multikollinearität zu vermeiden.

Der Fernkampfpanzerungswert entspricht genau der Binärvariable für die Fähigkeit Feuer zu entfachen, wenn man diesen als Differenz zum Nahkampfpanzerungswert bestimmt (perfekte Multikollinearität). Da alle Einheiten einen Standardtenträger haben, konnte ich diese Variable nicht testen.

Mir ist klar, dass Vereinfachungen teilweise angreifbar sind. Auch könnte argumentiert werden, dass es nicht auf die Anzahl der Formationen ankommt, sondern auf die möglichen Formationen im Einzelnen. Zwecks Operationalisierbarkeit bin ich gleichwohl wie geschildert vorgegangen. Folgende Koeffizienten wurden abgeleitet:

VariableKoeffizient
Konstante-35,57
KK0,88
AB-0,50
Ini8,75
ER1,87
G1,60
NPW1,12
NKF1,97
FF6,17
M1-0,19
M22,20
M32,18
AF1,33
MK-0,74
F-0,27
Quelle: Eigene Berechnung.

Auch hier sind die statistischen Kennzahlen gut – und mit derselben Vorsicht zu genießen, wie bei den Helden. Für die untersuchten Einheiten werden folgende Punktekosten ermittelt:

 Punktekosten errechnetPunktekosten pro Element gemäß RekrutierungskarteDifferenz
Adlige Lanzenreiter22,0022,000,00
Adlige Sturmreiter20,0020,000,00
Cailanir Schwertkämpfer30,0030,000,00
Clankrieger17,9418,00-0,06
Clanveteranen25,0625,000,06
Fußvolk15,0015,000,00
Krieger vom Orden des reinigenden Lichtes25,0125,000,01
Lanzenreiter19,0019,000,00
Novizen vom Orden des reinigenden Lichtes16,2516,250,00
Ordenskrieger der reinigenden Finsternis19,9920,00-0,01
Ordensmeister33,7433,75-0,01
Ordensritter der reinigenden Finsternis27,0127,000,01
Schwere Clankrieger19,0619,000,06
Schwere Clanveteranen26,1826,25-0,07
Schwertträger17,5017,500,00
Torwachen27,5127,500,01
Wolfsreiter16,9917,00-0,01
Quelle: Eigene Berechnung.

Auch hier werden die auf den Rekrutierungskarten wiederzufindenden Punktekosten sehr gut nachvollzogen.

Allerdings sind auch bei der Schätzung für die Einheiten unplausible Parameter vorhanden. Es ist offensichtlich unlogisch, dass ein höherer Angriffsbonus oder das Vorhandensein eines Musikers die Punktekosten reduzieren soll. Beim Angriffsbonus könnte ich mir vorstellen, dass hier eine schwache Multikollinearität eine Rolle spielt: Ich meine, der hängt mit der Panzerung zusammen – regelseitig ist dies meines Wissens jedoch nicht klar definiert. Ein Störgefühl bleibt aber.

Zwischenbetrachtung II

Die vorstehenden Vorbehalte gelten unverändert: Auch wenn die Schätzung „auf dem Papier“ sehr gut aussieht, sind einige, wenn auch nur wenige, Implikationen schlicht nicht der Spielrealität entsprechend. Davon unbenommen soll nun analog zur vorherigen Betrachtung eine Einheit, nämlich die „Superreiterei“ (Bel Ludain Ritter) auf Plausibilität bei der Bepreisung untersucht werden. Ein Element der Einheit würde gemäß der obenstehenden Gleichung 47,75 Punkte kosten. Es kostet aber tatsächlich nur 43,33 Punkte. Wie schon angesprochen ist allerdings die Bewegung der Superreiterei auch höher als sie sein „sollte“, wenn man die Bewegungstabelle heranzieht. Damit wird deutlich, dass die Bel Ludain Ritter inkonsistent günstig sind. Den die errechneten 47,75 Punkte gehen von 24 Bewegungspunkten beim Bewegenbefehl aus – die Einheit hat aber 32. Sie müsste jedoch schon mit nur 24 Bewegungspunkten rund 4,5 Punkte teurer sein!

Demgegenüber werden die Oger und gepanzerten Oger, die beide für ihre Größe von 3 „zu wenig“ Bewegungspunkte haben, von der Gleichung mit 16,98 Punkte pro Element (Oger) und 18,29 Punkten (Gepanzerte Oger) bepreist. Die Punktekosten laut Rekrutierungskarte liegen aber nur bei 16 und 19 Punkten. Die ergibt eine Abweichung von nur  plus 0,98 und minus 0,71 Punkten. Den Ogern „fehlen“ 24 Bewegungspunkte (beim B-Befehl) zu den 40 Bewegungspunkten, die ungepanzerte Reiter hätten. Beide Ogereinheiten sind daher relativ zu teuer. Ähnlich sieht es bei den Eisbärreitern aus. Diese sind ebenfalls Größe 3 und ungepanzert, haben aber nicht 40 sondern nur 24 Bewegungspunkte. Erwartbar wäre daher, dass auch hier die Gleichung zu hohe Punktekosten bestimmt. Dem ist so aber nicht: Währen die Kosten pro Element laut Rekrutierungskarte bei 18,75 Punkten liegt, ermittelt die Gleichung nur Kosten von 19,26 Punkten – und das trotz ihrer geringen Bewegungspunkte. Die Eisbärreiter sind daher im Quervergleich gesichert „zu teuer“.

Erweiterungen

Fernkampf

In einem nächsten Schritt habe ich mir die Frage gestellt, wie man Fernkampfeinheiten aufnehmen kann. Hierfür war es für mich naheliegend, die beiden Einheiten mit der Gleichung zu bepreisen, die ich vorher ausgeschlossen hatte: Die Wolfsschützen und die Luthari Bogenschützen.

Geht man so vor, so ergeben sich für die Wolfsschützen Punktekosten von 12,80 pro Element, wobei sich auf Basis der Rekrutierungskarte 12 pro Element ergeben. Für die Luthari Bogenschützen ergeben sich 32,55. Die Rekrutierungskarte ergibt 30 pro Element. Da meine Gleichung keinen Fernkampf beachtet, bedeutet dies, dass bei den Wolfsschützen die Fähigkeit zum Fernkampf fast „kostenlos“ ist (nur 0,80 Punkte) und bei den Luthari Bogenschützen negativ bepreist wurde: Die Fähigkeit zum Fernkampf reduziert die Kosten pro Element um 2,55 Punkte. Diese Ergebnisse sind verstörend. Ich habe daher weitere Fernkampfeinheiten betrachtet. Ohne weitere Sonderregeln stehen zur Verfügung:

 VolkEinheitPunktekosten errechnetPunktekosten pro Element gemäß RekrutierungskarteDifferenz
ImperiumAdlige Schützen (Armbrust)20,4721,000,53
ImperiumAdlige Schützen (Langbogen)20,4721,000,53
ImperiumArmbrustschützen13,8816,002,12
OrksArmbrustschützen12,3614,001,64
OrksBogenschützen13,5012,00-1,50
OrksPlänkler14,3414,00-0,34
ZwergePlänkler17,7019,001,30
Quelle: Eigene Berechnung.

Die ermittelten Punktedifferenzen sind insgesamt unplausibel. Zum einen stellt sich die Frage, warum diese negativ sind – wo doch die Fähigkeit zum Fernkampf einen höheren Preis rechtfertigen würde. Zum anderen sind die Fernkampf-Spielwerte der drei Armbrusteinheiten genau gleich. Die Mehrkosten variieren aber von 0,53 bis 2,12.

Ich stelle daher fest, dass mein Methode an ihr Ende kommt. Gründe hierfür könnten sein:

  1. Fernkampfeinheiten werden anders als Nahkampfeinheiten bepreist – vielleicht sogar negativ.
  2. Meine Schätzung ist schlecht.

Zwischenbetrachtung III

Aber auch bei den Nahkampfeinheiten muss gesehen werden, dass ich nur 19 Einheiten untersuche und 17 Parameter betrachte. Es kann daher gut sein, dass meine Schätzung nur für meine Einheiten gute Ergebnisse liefert, sonst aber nicht. Die geringer Stichprobengröße sollte aber eine untergeordnete Rolle spielen, wenn der Zusammenhang de facto gar nicht stochastisch, sondern deterministisch ist. Ich zwecksentfremde nur statistische Verfahren zur Herleitung des deterministischen Zusammenhangs „Punktekostengleichung bei Demonworld“. Folgt man dem, so gibt es entweder keine solche Gleichung – oder sie wird nicht konsistent angewendet. Im Ergebnis würde dies bedeuten, dass die Festsetzung der Punktekosten bei Demonworld vermutlich aus „dem hohlen Bauche“ heraus erfolgt. Hierfür spricht auch die augenscheinlich völlig erratsiche Bepreisung bei Fernkampfeinheiten.

Einfluss der „Errata“

Demonworld wird mittlerweile als Community-Projekt weitergeführt. Interessant ist es daher zu sehen, ob die hiermit verbundenen Änderungen an den ursprünglichen Regeln eine Verbesserung mit sich brachten.

Um dies zu untersuchen, habe ich die vorstehende Analyse wiederholt – nur diesmal mit den Werten der vorstehenden Helden aus dem sog. Errata zum 31. Dezember 2019.

Es ergaben sich die folgenden Parameter und Punktekosten:

Variable Koeffizient
Konstante-124,89
S25,55
KK1,53
Ini4,68
ER0,44
G8,83
PW1,93
KB-0,48
NKF7,74
FF2,05
TP9,67
FF-4,32
SP60,44
Quelle: Eigene Berechnung.

Farran Rotpelz hat nun einen Angriffsbonus von 1, der aber keine Rolle in der Gleichung spielt, da ebenfalls (nur bei ihm) eine 1 bei „Kein Feuer“ steht – die beiden Parameter sind daher für alle Helden gleich und stellen keine Zusatzinformationen zur Verfügung.

In der Gleichung auf Basis der Errata-Werte fließt der Furchtfaktor negativ ein, was unangemessen ist. Dafür ist der Kontrollbereich nun mit einen positiven Koeffizienten versehen. Die Zahl der Sterne spielt eine weniger große Rolle, die Kampfkraft und die Initiative-Kennzahlen dafür eine wichtigere.

 Punktekosten errechnetPunktekosten laut
Rekrutierungskarte
Differenz
Argam Rostbart81,36801,36
Bradon die Axt148,59150-1,41
Demar Tharuk131,411301,41
Dungail Schmetterschlagt98,09100-1,91
Farran Rotpelz60,00600,00
General Caliar Ildriel88,2190-1,79
Gobbelsnut65,2670-4,74
Groblogin Käferfreund48,5050-1,50
Kanngrott Schädeltrümmerer66,9270-3,08
Khelben70,13700,13
Niehenwe die Blutdürstende68,7570-1,25
Rolb45,18405,18
Shertrak74,61704,61
Skorrak58,4460-1,56
Trazzag121,481201,48
Wahngrok der Schlächter83,10803,10
Wudbin29,9630-0,04
Quelle: Eigene Berechnung.

Für mich wirken die Zahlen nicht per se „besser“ oder „schlechter“. Für die Errate-Werte spricht aber, dass die höchte errechnete Differenz etwas niedriger ist. Daher ist die implizte Bepreisung von Helden nach den Errata-Regeln konsitenter. Die Standardabweichung der Differenzen ist jedoch etwas höher.

Mein persönlicher Freund Tauros wird nun nur noch mit 122,20 Punkte bepreist (ohne Stern; mit Stern 137,90), was andeuten würde, dass er mit 140 Punkte sogar zu teuer ist – und zwar ohne, dass ein Abzug für seine Zufallsbewegung zum Tragen kam! Barsak soll dafür 79,87 Punkte zu haben sein, was einen Rabatt in Höhe von knapp zehn Punkten für seine Ungestümtheit mit sich bringt. Das ist höchst unschlüssig und stellt die Angemessenheit der Bepreisung von Helden basierend auf den Errata-Werten in Frage.

Bei den Einheiten fällt auf, dass die Errata die Oger schneller gemacht haben – diese für Größe drei aber immer noch „zu langsam“ sind – im Vergleich zur Reiterei, weshalb sie nicht mit in die Betrachtung einfließen. Es ergeben sich folgende Parameter:

Variable Koeffizient
Konstante-16,00
KK0,29
AB0,19
Ini4,44
ER0,40
G2,90
NPW1,54
NKF3,12
FF-0,64
M1-2,07
M22,57
M3-1,58
AF-0,76
MK-2,28
F0,17
Quelle: Eigene Berechnung.

Folgende Punktekosten ergeben sich für die Einheiten:

 Punktekosten errechnetPunktekosten pro Element gemäß RekrutierungskarteDifferenz
Adlige Lanzenreiter24,1224,000,12
Adlige Sturmreiter18,6719,00-0,33
Cailanir Schwertkämpfer31,6731,670,00
Clankrieger17,7918,00-0,21
Clanveteranen25,0825,000,08
Fußvolk15,0015,000,00
Krieger vom Orden des reinigenden Lichtes24,7525,00-0,25
Lanzenreiter18,7719,00-0,23
Novizen vom Orden des reinigenden Lichtes16,1516,25-0,10
Ordenskrieger der reinigenden Finsternis20,3520,000,35
Ordensmeister34,2133,750,46
Ordensritter der reinigenden Finsternis26,5427,00-0,46
Schwere Clankrieger19,3319,000,33
Schwere Clanveteranen26,6226,250,37
Schwertträger17,5017,500,00
Torwachen30,6931,25-0,56
Wolfsreiter17,4417,000,44
Quelle: Eigene Berechnung.

Bei Einheiten ist die Bepreisung gemäß der Errate weniger konsistent; die Abweichungen liegen schon augenscheinlich höher; auch die Standardabweichung ist größer.

Vor allem aber sind nach der Errate-Gleichung für Helden einge Parameter offensichtlich unangemessen bzw. noch unangemessener als zuvor: Nunmehr fließt die Zahl der Formationen und Manöver mit einen negativen Koeffizient in die Bepreisung ein; der negativen Faktore eines Musikers ist nochmal größer. Demgegenüber ist der Angriffsbonus nun nicht mehr negativ und die fehlende Fähigkeit Feuer zu machen ist ebenfalls plausibel bepreist.

Insgesamt scheint mir die Gleichung nach Errata an dieser Stelle inkonsistenter und weniger belastbar, als die Gleichung vor Errata.

Nach meiner Befassung mit den Daten wundert mich das nicht: Die Änderungen durch die Errate sind augenscheinlich nicht erklärbar: Wird ein Held oder eine Einheit etwas besser, so findet nur manchmal eine andere Bepreisung statt. Die Anpasssungen wirken aber unschlüssig. Die folgende Übersicht gibt Beispiele für Helden:

HeldÄnderung 1Änderung 2Änderung 3Änderung Punkte
Bradon die AxtKK +1-20
General Caliar IldrielKK +1FKP +1+Sonderfertigkeit+10
GobbelsnutKK -1FF +1 -10
TrazzagKK +1NKF +2FF +10
Quelle: Eigene Berechnung.

Mein subjektiver Eindruck beim Vergleich der Werte ist, dass diese in den Errata nach Gefühl verändert wurden.

Aber immerhin: Die Bel Ludain Ritter kommen nach der Gleichung für die Errata auf Punktekosten pro Element von 39,15. Mit Blick auf ihre höhere Bewegung könnten die Punktekosten gemäß Rekrutierungskarte in Höhe von 43,33 damit angemessen sein.

Für die Oger ergäben sich 24,25 Punkte pro Hex; für die gepanzerten Oger 27,86. Die Kosten belaufen sich laut Rekrutierungskarte auf 17, bzw. 19 Punkte. Damit wurde auch hier, dem Grunde nach richtig, der Nachteil der geringeren Bewegung mit einem Rabatt vergolten.

Zudem: Für die Bel Ludain Ritter hat jeder zusätzliche Punkt in der Bewegung einen implizten Punktewert in Höhe von rund 0,7. Für die Oger und gepanzerten Oger sind es rund 0,45 und 0,74. Die 0,7 und 0,74 liegen recht nahe beieinander; die 0,45 sind mit Blick auf die abschließende Runde der Punktekosten von Einheiten auf voll Zehn auch vertretbar. Insofern also eine Verbesserung.

Auch die Fähigkeit zum Fernkampf wird nach Errate durchweg postiv bepreist. Die Armbrustwerte liegen aber so weit auseinander, dass sie nicht plausibel sind (Mehrkosten zwischen 1,1 und 4,92 pro Element).

Schlussbetrachtung

Um diesen Beitrag zu schreiben habe ich zahlreiche Rechnungen vorgenommen – was man hier sieht, ist nur der „letzte Stand“. Dabei fielen mir methodische Unzulänglichkeiten auf – die ich aber löste oder hinnahm (oder nicht bemerkte). Nach langem Überlegen bin ich zudem zu dem Schluß gelangt, dass mein Ansatz, für einen vermutet determinischen, aber unbekannten Zusammenhang, eine statistische Regression anzuwenden, hier akzeptabel ist.

Allein, nach all den Analysen komme ich zu dem Ergebnis, dass es einen deterministischen Zusammenhang wohl nicht gibt: Meine Gleichungen erklären die verwendete Stichprobe immer recht gut – liefern bei der Übertragung auf andere Einheiten aber oft nicht mehr brauchbare Ergebnisse. Sobald man Fernkampfeinheiten betrachtet, wird dies offenbar. Zudem sind einige Koeffizienten offensichtlich unplausibel.

Meine Schätzungen dürften daher überspitzt vergleichbar sein mit der Schätzung der Körpergröße von Menschen, wobei ich genau so viele Parameter habe, wie meine Stichprobe beträgt. Wenn ich nun einen Menschen aus dieser Stichprobe messe, so springt eine Logik-Variable für diesen Menschen auf 1 und alle anderen Variablen betragen null. Damit habe ich meine Stichprobe toll beschrieben – kann aber die Körpergröße von Menschen außerhalb meiner Stichprobe nicht bestimmen. So schlimm ist es bei mir nicht, aber in die Richtung könnte es schon gehen.

Gäbe es den Eingangs von mir vermuteten (und im Grunde, so finde ich, auch gerechtfertigt geforderten) Zusammenhang, so müsste jede Variable ein plausibles Vorzeichen aufweisen (das Vorhandensein eines Musiker also die Punktekosten der Einheit erhöhen und nicht vermindern) und meine Schätzungen auch für Einheiten und Helden außerhalb meiner Stichprobe (immer) plausible Ergebnisse liefern. Das ist aber nicht so. Ergo gibt es meines Erachtens keine allgemeingültige lineare Gleichung zum Bepreisen von Demonworld-Einheiten.

Wie Eingangs erläutert, könnte natürlich die gesuchte Gleichung auch nicht-linear sein. Nach all meinen Überlegungen halte ich dies aber für ausgeschlossen. So etwas überlegen sich die Macher eines Regelwerkes nicht. Ich halte es schon für unwahrscheinlich, dass die Macher des Regelwerks überhaupt alles bedachten, was ich schrieb. Bestenfalls normativ könnte die Gleichung nicht-linear sein. Dann wäre sie aber praktisch nicht deskreptiv ermittelbar, weil die de facto-Bepreisung von Demonworld-Helden und -Einheiten vermutlich nicht genau dieser gamistisch idealen Gleichung folgt.

Etwas enttäuscht stelle ich daher fest, dass die Demonworld-Bepreisung von Einheiten offenbar unsystematisch erfolgt – oder, weniger höflich formuliert, zu einem gewissen Grad beliebig ist. Das Errata macht es, im Rahmen dieser Analyse nicht besser – hier werden zwar für Einheiten außerhalb der Stichprobe bessere Schätzungen abgegeben, die Gleichung ist aber dafür (noch) unplausibler: Basierend auf den Ergebnissen hier sind die Punktekosten zwar etwas konsistenter, aber auch konsistent unangemessen. Man könnte aber optimistisch davon ausgehen, dass die Errata-Änderungen aufgrund empirischer Evidenz erfolgt sind. Ob das so ist, weiß ich nicht. Diese wöge aber weit schwerer, als die deskripitve Analyse hier und wäre ein Schritt in Richtung der normativ-gameistisch-richtigen Gleichung.

Ich vermute, der Mangel eines konsistenten „Punktekostensystems“ ist bei jedem System vorhanden: Weil der Spielehersteller beim Schreiben des Regelwerkes nicht wissen kann, welche Kosten für eine Fähigkeit gameistisch angemessen sind, muss er schätzen. Spätere Anpassungen führen aber nicht, zumindest nicht ersichtlich oder zwingend, zu Veränderungen an anderer Stelle für vergleichbare Fähigkeiten. Ich halte es nach dem Schreiben dieses Beitrags für völlig abwegig, dass für komplexere Systeme als Demonworld (und das dürften die meisten Tableotop-Systeme sein) eine Punktegleichung aufgestellt wurde – nur um diese bei der ersten Anpassung des Regelwerkes zu verwerfen.

Ergänzung 2. Juli 2023: Ich wurde gebeten, noch eine explizite Antwort auf die Frage zu geben, ob die Elfen denn nun zu günstig für ihre Fähigkeiten sind. Mit Blick auf alles Vorstehende ist diese Frage wohl (so) nicht beantworten. Rekuriert man aber, im Wissen die Bepreisung vermutlich ohnehin unsystematisch ist, auf den Teil, der noch als systematisch gelten könnte (Einheiten ohne Fernkampf und Helden), so sind jedenfalls die Superreiterei und Tauros im Orginalsystem zu günstig. Beim Regelwerk nach Beachtung des sog. Errata ist der systematische Teil nochmals deutlich kleiner. Der Rest zeigt aber keine Überpreisung an. Die Superreiterei wäre konsistent bepreist, He-Man zu teuer. Letztere Erkenntnis dürfte aber dem unsystemtischen Teil zuzuordnen (d.h. die Bepreisung ist einfach erratisch) und nicht belastbar sein.

Analyse der (wichtigen) Ankündigungen zu DSA auf der CCC 2023

Auf der Collector’s Club Convention („CCC“) Ulisses‘ am vorvergangenen Wochenende wurden vor allem zwei erwähnenswerte Neuigkeiten für DSA verkündet. Hierzu habe ich mir ein paar Gedanken gemacht. Voilá:

1. Trennung zwischen Regel- und Hintergrundbänden

Als Folge der Turbulenzen rund um die Open Gaming Licence („OGL“) und hierbei insbesondere der Ankündigung, die DSA-Regelwerke im Zuge einer Open RPG Creativ („ORC)-Version für Ulisses-Regelwerke allgemein und unentgeltlich verfügbar zu machen, ist eine Trennung der Regelwerke von Hintergrundmaterialien (d.h. der Weltbeschreibung) nur folgerichtig.

Wir erinnern uns: Ulisses kündigte an, eigene Regelwerke in einer Art zur Verfügung zu stellen, wie es heute schon für das D&D-Regelwerk („D20“) der Fall ist – welches für eine Vielzahl von, auch fremden, Hintergrundwelten verwendet wird. Diese Verwendung des D&D-Regelwerkes erfolgt für die Verwender kostenfrei und wird über die sog. OGL, einem Lizenzvertrag, abgedeckt. Dieser umfasst aber nur das Regelwerk. Die (originären, Wizards of the Coast gehörenden) Hintergrundwelten sind nicht frei verfügbar. Auch die Marken, allen voran „Dungeons & Dragons“, nicht.

Dies soll perspektivisch auch für die Ulisses-Regelwerke möglich sein. Hierdurch könnte, zumindest theoretisch, erreicht werden, dass diese Regelwerke eine größere Verbreitung erfahren und hierdurch als Nebeneffekt Werbung für Ulisses gemacht wird.

Allein dieses Vorhaben macht eine strikte Trennung von Regel- und Hintergrundbänden zumindest zwecksmäßig: Durch eine solche Trennung ist auch im Zweifel klar, welche Teile des Spielsystems (als Überbegriff für Regelwerk und Hintergrundmaterial) frei verfügbar sind, und welche nicht. Dies wäre dann schon daran erkennbar, in welchem Band diese veröffentlicht worden sind.

Ergänzend war der von DSA5 beschrittene Weg, Hintergrundbände mit Regelelementen anzureichern auch vorher nicht immer wohlgelitten. Das ist verständlich: Eine Trennung in Regel- und Hintergrundbände ist alles andere als unüblich.

Die Ankündigung ist damit nicht nur konsequent sondern auch begrüßenswert, da sie zu einer besseren Struktur innerhalb des Spielsystems führen dürfte.

Freilich gibt es etwas Wasser im Weine.

Grundlegend frage ich mich, wie viele Spieler, die nicht die offizielle DSA-Welt bespielen möchten, Interesse an Regeln für Regionen in just dieser Welt haben. Aber gut – das mag für bestimmte Spezialregeln oder –ausrüstungsgegenstände auch der Fall sein.

Zudem soll es nunmehr für DSA-Hintergrundbände, die Regionen beschreiben, nicht, was erwartbar gewesen wäre, zwei, sondern drei Bände geben. Der dritte Band soll sog. Meisterinformationen beinhalten (nur für den Spielleiter bestimmte Informationen) und zudem ein zu der jeweilige Region passendes Abenteuer. Obgleich auch die Trennung zwischen Spieler- und Spielleiterwissen schon vielfach gefordert und gut begründbar ist, stelle ich mir zwei Fragen:

  1. Die Kombination aus Abenteuer und Meisterinformationen könnte etwas gekünstelt werden – einfach deshalb, weil das Abenteuer oft in keiner Verbindung zu dem Großteil der Meisterinformationen stehen dürfte.
  2. Kunden (wie ich), die bislang nur die Abenteuer kauften, werden über dieses neue Kuppelprodukt nun auch die Meisterinformationen erwerben. Umgekehrt gibt es sicher Kunden, die bislang keine Abenteuer kauften, sondern die Meisterinformationen nutzten, um eigene Abenteuer zu entwerfen. Diese Kunden werden nun diese offiziellen Abenteuer „zwingend“ miterwerben müssen.

Ich nehme an, dass der zweite Punkt ursächlich für die Entscheidung Ulisses‘ ist, drei Bände anzubieten. Die Kuppelprodukte werden naheliegenderweise, da sie mehr Inhalt bieten, teurer sein und die beschriebenen Kundengruppen daher höhere Preise zu entrichten haben – was für dem Ulisses-Umsatz zuträglich ist. Das umgekehrte Risiko, dass sich die beschriebenen Kunden dazu entschließen, die Produkte gar nicht mehr zu kaufen, wird Ulisses-seitig vermutlich weniger stark gewichtet. Aus meiner Sicht eine wohl realistische Einschätzung.

Weniger schwer wiegt aus meiner Sicht dass Käufer, die bereits die kombinierten Produkte für bislang abgedeckte Regionen erwarben, nunmehr nicht damit rechnen dürfen, dass künftige Regionen auch in dieser kombinierten Form angeboten werden – den dies würde nicht nur die Ankündigung konterkarieren, sondern auch mit erheblichen Mehrkosten einhergehen.

Erforderlich wäre eine solche „Doppelauflage“ auch nur, um den geschilderten Käufern die Möglichkeit zu geben, ihre Sammlung mit einheitlich gestalteten Büchern fortzuführen. Dieses Interesse dürfte seitens Ulisses als weniger wichtig gewertet werden – zumal auch während DSA3 ein Umbruch in der Gestaltung erfolgte – nämlich als Fanpro das Spielsystem von Schmidt Spiele übernahm. Man mag jedoch einwenden, dass eine solche Übernahme einen herberen Einschnitt darstelle und andere Ursachen hatte als die aktuelle Entwicklung.

Vielmehr zeigt sich aus der künftigen Gestaltung der Hintergrundbände meines Erachtens noch ein anderes Vorhaben Ulisses‘: Deren Gestaltung ist gegenwärtig sehr schlicht vorgesehen und nicht der aktuellen Edition entsprechend. Ich kann mir daher gut vorstellen, dass derartige Bände auch (sonst) von Regeleditionen unabhängig sein sollten, und keiner erwarten darf, dass die Weltbeschreibung noch während der aktuellen fünften Regeledition komplettiert werden wird. Sie könnte vielmehr nahtlos bei möglichen künftigen Regeleditionen weitergeführt werden.

Mit Blick auf das Editionsproblem begrüße ich dies.

2. DSA4.1 wird wieder aufgelegt

Das ist wirklich ein Ding. Es wurde angekündigt, die alten Wege-Bände wieder aufzulegen. Später wurde zudem annonciert, ergänzend dazu auch noch die Bücher Liber Cantiones und Liber Liturgium neu aufzulegen.

Dieses Vorhaben lässt einige Thesen zu.

These 1: Es gibt eine große Nachfrage nach DSA4.1-Regelwerken

Dass allein vergriffene Bücher wieder aufgelegt werden, hat jüngst eine gewisse Regelmäßigkeit erfahren. Es begann mit der „Kaiser-Retro-Box“ und setzte sich zuletzt über vergriffene Abenteuer fort. Insofern könnte man anführen, dass die Wiederauflage von DSA4.1 nur ein weitere Schritte in dieser Tradition sind. Das ist bei Lichte betrachtet aber nicht so: Ausgenommen der Kaiser-Retro-Box, die DSA1 zum Inhalt hatte, wurden Hintergrundbände und Abenteuer neu aufgelegt. Und bei DSA1 ist unbedingt davon auszugehen, dass dieses Regelwerk aus verschiedenen Gründen nicht in Konkurrenz zur aktuellen fünften Auflage des Regelwerkes zählt. Bei DSA4.1 ist dies jedoch so: Ich ließ mir jüngst sagen, dass über 50% der Spieler DSA4.1 spielten. Ob das stimmt kann ich nicht sagen – aber in meinem Umfeld ist DSA4.1 weit weiter verbreitet als DSA5. Und aus zahlreichen Foren-Diskussionen lässt sich entnehmen, dass DSA4.1 weiterhin viele Spieler hat. Davon gehe ich aufgrund meiner Datenlage nachfolgend aus und unterstelle damit, dass Netzwerkeffekte keine der beiden Editionen begünstigen (was sonst der entscheidende Faktor sein dürfte).

DSA5 ist deshalb aber nicht gescheitert – vielmehr scheint die Zahl der DSA4.1-Spieler so groß zu sein, dass es sich Ulisses nicht (mehr) leisten kann, diesen Markt nicht zu bedienen. Allein – wird dies kommerziell erfolgreich sein?

In der Tat sind auf dem Sekudärmarkt die Preise für DSA4.1-Regelwerke sehr hoch. Es läge daher der Schluss nahe, dass es eine große Nachfrage nach DSA 4.1-Produkten gibt. Allein – das kann so sein, muss es aber nicht: Alternativ zu einer hohen Nachfrage würde auch eine unelastische Nachfrage die hohen Preise erklären: Das bedeutet, dass es nur ein paar wenige Interessenten für die alten Regelwerke gibt (und zwar etwas mehr als Anbieter) – diese Interessenten aber bereit sind, sehr hohe Preise zu bezahlen. Sobald aber diese wenigen Interessenten fündig geworden wären, würde der Preis fallen. Der Markt wäre schnell gesättigt.

Aufgrund dieser Zusammenhänge werden im Übrigen Abenteuer, nach denen die Nachfrage schon grundsätzlich geringer ist, selten neu aufgelegt. Dies ist bei Regelwerken grundsätzlich anders: Diese nutzen nicht nur dem Spielleiter, sondern auch den Spielern. Die Nachfrage und damit auch die Zahl der verkauften Exemplare ist daher höher.

Zudem kann gehofft werden, dass Ulisses aufgrund der Erfahrungen mit den bereits erfolgten Neuveröffentlichungen eine Vorstellung hat, welche Nachfrage nach neuen DSA4.1-Regelwerken besteht. Im Übrigen sollen, ausweislich der vorhandenen Bilder, die Einbände der Bücher mit den Illustrationen der DSA4.0-Boxen versehen sein. Das bedeutet zum einen, dass Sammler einen „Grund“ haben, diese neuen Auflagen auch zu erwerben, da sie insoweit verschieden sind. Zum anderen aber auch, dass Kunden, wie ich, welche die Umschlag-Illustrationen der Wege-Bände für missraten halten, sich möglicherweise die Neuauflagen kaufen werden.

In meinem Umfeld schätze ich, dass rund zehn Spieler die neuen Bände erwerben werden. Ich werde dies allein der anderen Titel-Illustrationen wegen tun. Meine Mitspieler meistenteils deshalb, weil sie erst vor einiger Zeit bei uns mit DSA (und damit DSA4.1) angefangen haben, und die Regelbände gerne besäßen.

Nicht nur deshalb, sondern auch aufgrund der anderen genannten Punkte, gehe ich davon aus, dass die DSA4.1-Bände freudige Abnehmer finden werden. Im Übrigen sind für Ulisses die Kosten minimal, da die Bücher bereits druckfertig existieren. Es müsse keine Kosten für das Verfassen von Texten, das Lektorat etc. gedeckt werden – der Deckungsbeitrag ist weit höher und die Amortisation beginnt schon bei kleineren Stückgrößen. Ich denke daher, dass Ulisses profitieren wird.

These 2: DSA 4.1 läuft DSA5 den Rang ab

An anderer Stelle habe ich mich über das Editionsproblem im Rollenspiel ausgelassen. Und – die Wiederauflage der Wege-Bände könnte genau dieses Problem aus Spielersicht mindern. Da die beiden Regelwerke ohnehin schon de facto im Wettbewerb miteinander stehen, könnte fraglich sein, welche Edition nach der Ankündigung wohl langfristig besser angenommen wird. Folgende Aspekte könnten eine Rolle spielen:

Aktualität

Für DSA5 spricht mit Sicherheit, dass es schlichtweg die jüngste Edition ist und daher die, zu der Neueinsteiger wohl am ehesten greifen werden – nur könnte die Zahl der Rollenspiel-Neueinsteiger überschaubar sein, da diese eher D&D wählen, welches durch die sozialen Medien eine umfassende Bewerbung erfährt. Inwiefern dies durch die Zurverfügungstellung des DSA-Regelwerks durch eine ORC-Variante eine Änderung erfährt, bleibt zunächst abzuwarten (ich bin aber skeptisch).

Weitere Punkte sprechen für DSA5: Die neuen Abenteuer werden mit Sicherheit für die Standardversion, das heißt gegenwärtig DSA5, erscheinen. Wer DSA4.1 spielt, müsste diese also „konvertieren“. Erfahrenen Spielleitern dürfte dies leichtfallen (ich konvertiere die Werte von Gegnern üblicherweise, während der Würfel rollt), andere mögen damit hadern.

Vollständigkeit

Ergänzend ist bislang keine Ankündigung dahingehend erfolgt, ob auch die weiteren „regelnahen“ DSA4.1-Bände neu aufgelegt werden. Allen voran ist das Zoo Botanica Aventurica zu nenne, welches die Werte von Kreaturen (und ferner: Pflanzen) enthält. Des Weiteren könnten die Wege der Alchemie, das Aventurische Arsenal und der Meisterschirm als fehlend empfunden werden. All diese Werke stehen für DSA5 zur Verfügung oder sind erwartbar. DSA5 wäre also insofern zu präferieren.

Ganz anders fällt die Würdigung aus, wenn man eine Gruppe hat, welche die Spielwelt DSAs „ganzheitlich“ bespielen möchte: Für Myranor, Tharun, Rakshazar und auch Die Dunklen Zeiten stehen keine DSA5-Regeln zur Verfügung. Solche Spieler werden daher höchstwahrscheinlich auf DSA4.1 zurückgreifen. Allerdings – und dies kann kaum hoch genug bewertet werden – Bände für die oben genannten Schauplätze sind gegenwärtig nur mit großer Mühe und unter hohen Kosten erwerbbar – die Neuauflage nur der Wege-Bände hilft solchen Spielgruppen daher nur wenig. Schwerer wiegt vermutlich, dass die „großen“ ikonischen Kampagnen (7G, Phileasson, Simyala, Königsmacher, Jahr des Greifen, Jahr des Feuers) alle für DSA4.1 verfügbar sind – gegenwärtig nicht aber für DSA5. Für DSA5 gibt es „nur“ die jüngeren Theaterritter– und die Sternenträger-Kampagne.

Ein Punkt für DSA5 könnte die Verfügbarkeit einer englischen Ausgabe sein. Ich meine zwar, dass internationale Runden selten sind (ich kenne nur eine, bei der aber alle deutsch sprechen) – aber für solche Spielgruppe dürfte wenig an DSA5 vorbeiführen.

Ergänzend, aber keineswegs nachrangig, muss gesehen werden, dass es (nur) für DSA5 eine vernünftige VTT-Unterstützung gibt. Online-Runden dürften dieses „Manko“ DSA4.1s vermutlich hoch gewichten und das Regelwerk daher eher weniger schätzen. Auch das DSA5-Regelwiki ist ein ähnlich gelagerter Vorteil.

Struktur

Auch wenn DSA-Regelwerke nicht gerade für ihre intuitive Struktur gelobt werden, mag diese für Käufer doch eine Rolle spielen. Ich wage zu behaupten, dass DSA4.1 besser strukturiert ist, bzw. war: Die große Schwäche von DSA5, Regeln über zahlreiche Bände zu verteilen oder nicht frei von Redundanzen zu sein, könnte über die Kodex-Bände geheilt werden. Die Regelwerke könnten hier also vergleichbar sein bzw. werden.

DSA5 liegt aber vermutlich vorne, wenn es um die Struktur innerhalb eines Buches geht – aber hier bin ich mir keineswegs sicher.

Stil

Sehr subjektiv – aber dennoch relevant: Bei DSA5 wird die vollfarbige Aufmachung oft gelobt. DSA4.1 war stets in schwarz-weiß gehalten. Nach meiner Einschätzung finden farbige Seiten mehr Anklang. Eine völlig andere Frage ist, inwiefern die Sprache der Edition 5 oder 4.1 vorziehenswürdig ist. In meinem Umfeld wird oft (aber keinesfalls unisono) beklagt, dass DSA5 „gegenderte“ Texte hat. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass andere, insbesondere jüngere Spieler, genau dies vorziehenswürdig finden.

Fazit

Mir scheint, als ob die Wiederauflage der DSA4.1-Bände für „Altspieler“ erfolgt, die möglicherweise neue Mitspieler haben, oder die Exemplare ihres Regelwerkes ersetzen möchten. Hierfür spricht insbesondere:

  1. Insbesondere derartige Spieler dürften noch DSA4.1. spielen.
  2. VTT und dergleichen spielt für langjährige Spieler, die feste Gruppen haben dürften, eine untergeordnete Rolle.
  3. „Altspielern“ ist es eher egal, ob die neuen Abenteuer zu ihrem verwendeten Regelwerk passend sind. Wenn sie solche überhaupt spielen, fällt ihnen die Konvertierung leicht.
  4. Solche Spieler dürfte auch am Ehesten die anderen Kontinente bespielen – diese waren schon immer speziell und wurden meines Erachtens kaum von Einsteigern gewählt.
  5. Zudem dürfte diese Spielergruppe am meisten Sammler aufweisen und die höchste Bereitschaft sowie die finanzielle Möglichkeit, für alte Regelwerke nochmal in die Tasche zu greifen. Ob sie, DSA5 gekauft haben, darf in eigen Fällen wohl in Zweifel gezogen werden.

Es liefe damit auf eine (verlagsseitig gewissermaßen akzeptierte oder gar geförderte) Teilung der Spielerschaft hinaus. Außerhalb von Cons dürfte das keine große praktische Rolle spielen.

Ein „Rang ablaufen“ gibt es dann nicht, sondern eine Koexistenz. In Kombination mit der Trennung von Spielregeln und Hintergrundbänden besteht für Ulisses sogar die Hoffnung, dass Spieler früherer Editionen (allen voran Spieler von DSA4.1) die neuen Hintergrundbände kaufen, da diese nun nicht im Widerspruch zu ihrem Regelwerk stehen. Jeder weitere so verkaufte Hintergrundband ist für Ulisses ein gutes Geschäft. Für den Verlag daher ein kommerziell sinnvoller Zug.

Und weiter? Eine Vision.

Ich versuchte schon aufzuzeigen, welche Synergien für Ulisses aus der Kombination der beiden Ankündigungen denkbar sind.

Darüber hinaus wird aber auch die Möglichkeit sichtbar, DSA zu einem gezielt „regelagnostischen“ System zu machen. Dies geht weit über die Ankündigungen im Zusammenhang mit der OGL hinaus, die keinesfalls das Nachdrucken alter Editionen zwingend machten (auch Hasbro druckt die alten D&D-Regelwerke meines Wissens nicht nach): Ulisses möchte nun DSA4.1-Regelwerke publizieren. Das Ilaris-Regelwerk gibt es ebenfalls als gedruckte Ausgabe im f-shop. Den Band „Harteschales Hausregeln“ gab es ebenfalls mal gedruckt zu erwerben, wenn auch nicht von Ulisses unterstützt. Über einen Nachdruck von DSA3 und DSA2 wird zumindest spekuliert.

Mit jeder unterstützten Regelvariante hat Ulisses die erhöhte Chance, dass deren Anhänger die neuen „regelagnostischen“ Bände (das heißt Hintergrundbände) erwerben. Gleichzeitig geht der Verlag das Risiko ein, sein primäres Regelwerk (DSA5) und dessen Verkäufe zu schwächen. Jede Drucklegung muss daher von Ulisses sorgsam abgewogen werden, wenn man nicht darauf baut, dass Sammler ohnehin alles kaufen (was bis zu einem bestimmten Grad aber denkbar ist). Grundsätzlich dürften aber die Fixkostendegressionseffekte pro als Buch erhältlicher Regelversion sinken. Allen voran gilt dies für die aktuelle Version, deren ungedeckte Fixkosten am höchsten sind, da sie in Erstellung befindlich ist.

Interessant könnte ein DSA-Regelwerk auf D20-Basis sein (gibt es inoffiziell auch schon). Damit könnnten vor allem Spieler angesprochen werden, die durch die sozialen Medien bei D&D gelandet sind. Wäre dies für Ulisses ein Problem, wenn sie DSA-D20-Regelbücher unter der OGL verkaufen können? Wohl kaum: Ich denke, das Erschließen dieser Zielgruppe wäre für Ulisses hochinteressant. Dies würde auch dann gelten, wenn diese neuen Spieler so zahlreich wären, dass die DSA-D20-Version über Netzwerkeffekte der neue Standard würde. Für Ulisses könnte dies sogar von Vorteil sein, weil man sich keine Mühe machen müsste, neue Regeleditionen grundständig zu entwickeln, sondern auf die D20-Vorlagen zurückgreifen könnte. Auch etwas kleinere Auflagen (wegen Kunden, die beispielsweise das DSA4.1-Regelwerk kaufen), wären dann profitabel.

Unbenommen von einem DSA-D20-Regelwerk ist künftig eine Koexistenz verschiedener DSA-Regelwerke denkbar. Für die Community bietet sich damit die Möglichkeit, die Editionsstreitigkeiten ad acta zu legen. Jede Spielgruppe könnte nach ihrer Façon glücklich werden – da der Wettbewerb um das „bessere“ Regelwerk weniger wichtig würde. Ein zumindest denkbares und doch auch schönes Szenario.

Ein Tabletop-System als „Community“-Projekt (weiter)betreiben?

Einleitung

Vor drei Wochen fand bei „uns“ ein Warmahordes-Spieltag in der Pilsquelle statt. Beim Abendessen kam die ubiquitäre Frage auf, wie es wohl weitergeht mit dem System. Kurze Zeit später traf ich einen der Spieler zum Mittagessen. Hierbei wurde diskutiert, ob man nicht eine „Community-Edition“ von Warmahordes machen könnte – basierend auf MK3.

Interessanter Gedanke, fand ich. Ich wage zu behaupten, dass ich diesen Prozess schon einmal passiv begleitet habe: Bei Demonworld. Daher versuche ich die Genese dieses Community-Projekts als Vergleich für ein hypothetisches Warmahordes-Community-Projekt heranzuziehen. Die Überlegungen lassen sich aber vermutlich auf andere Fälle übertragen.

Als Vergleich würden möglicherweise auch andere Systeme taugen – diese kenne ich aber nicht.

Zunächst zu Demonworld: Nach dem Einstellen des Spielsystems, wurde dieses zunächst von der Community vervollständigt. Es fehlten Armeebücher für die zweite Edition, die (meiner Meinung nach), aufgrund allgemeiner Trägheit nicht mehr von Hobby Products, dem Hersteller, auf den Markt gebracht wurden und deren Fehlen den Niedergang sicher nicht gerade aufgehalten hat. Mit den schließlich erscheinenden inoffiziellen Armeebüchern konnte die Community weiterspielen. Der Nexus derselben war zunächst die Seite dw4all.de, dann mal demonweb.de. Heute ist dies demonworldfreunde.de. Das Spiel wird dort weiter betreut und ein Forum ermöglicht den Austausch mit anderen Spielern.

Über die Seite erfolgt auch die Verteilung des Regelwerks sowie der Armeebücher. Zudem wurde das Regelwerk inoffiziell weiterentwickelt, und zwar in Form sog. Errata zum alten, offiziellen Regelwerk. Auch die Armeebücher liegen in weiter aktualisierten, aber unverändert inoffiziellen, Versionen zum Herunterladen bereit. Ergänzend wurde ein neues Volk erschaffen und mit Regeln ausgestattet. Auch sonst wurden vereinzelt neue Einheiten erstellt.

Die Miniaturen gab es lange nicht. Irgendwann (ca. 2010-2012) kaufte aber Ral Partha die alten Formen, stellt diese Figuren seitdem wieder her und verkauft sie auch – wenn auch in anderen Packungsgrößen. In Deutschland werden diese unter anderem (und ich denke initial) vom Impshop in Ulm wieder geführt. Gleiches gilt übrigens für die DSAArmalion-Figuren, die ehemals ebenfalls von Hobby Products hergestellt wurden.

Für die neuen Völker und Einheiten gibt es teilweise Figuren von Ral Partha (möglicherweise waren diese in ähnlicher Weise von Hobby Products geplant), teilweise muss man kreativ werden. Die Community hilft hierbei.

Um die Seite mit den Inhalten zu betreiben, verfügt der Inhaber über eine Genehmigung der Rechteinhaber.

Man könnte also meinen: Das ist doch toll! Auf geht’s zum Warmahordes-MK3-Community-Projekt!

Voraussetzungen

Falls man diese Entwicklung Demonworlds zu einem „Community-Projekt“ als Erfolg sehen möchte, so waren meines Erachtens die folgenden Voraussetzungen hierfür maßgeblich:

  1. Die Miniaturen standen weiter zur Verfügung. Auch wenn nach dem Konkurs Hobby Products die Figuren für einige Zeit nicht hergestellt wurden, waren sie in aller Regel doch auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich – ggf. war etwas Geduld erforderlich.
  2. Das Spiel wurde nicht mehr durch den Hersteller vertrieben. Daher bestand nie ein Wettbewerb zwischen dem Community-Projekt und dem offiziellen Spiel.
  3. Es fanden sich überhaupt Engagierte, welche das Spiel „fortführten“.

Für eine Übertragung auf ein Warmahordes MK3 Community-Projekt sollten diese Voraussetzungen naheliegenderweise ebenfalls gegeben sein.

Übertragbarkeit auf Warmahordes

Ad 1.)

Der erste Punkt ist bei Warmahordes aber nur eingeschränkt erfüllt. Zwar sind aktuell die meisten Figuren mit etwas Mühe erhältlich (und etwas Mühe hatte man bei Warmahordes schon immer). Es ist meines Erachtens aber fraglich, ob dies in Zukunft noch so sein wird. Privateer Press versucht gerade die verbliebenen Bestände loszuschlagen. Zudem sollen künftig Figuren mit einem anderen Fertigungsverfahren, nämlich mit 3D-Druck, hergestellt werden. Diese neuen Figuren werden ein anderes Design aufweisen, eine „Abwärtskompatibilität“ für MK3 wird voraussichtlich nur bedingt gegeben sein (sofern man nicht unpassende Proxies verwenden möchte). Es erscheint auch nicht naheliegend, dass die alten Figuren von einem Dritthersteller durch Erwerb der Formen gefertigt werden können. Zum einen ist Privateer Press nicht insolvent und die Formen stehen auch sonst nicht zum Verkauf. Zum anderen sind die meisten Figuren Warmahordes‘ mittlerweile zumindest teilweise aus Resin oder Plastik. Resin- und Plastikformen müssen häufiger ausgetauscht werden, als Formen für Metall (Demonworld hatte nur Metallfiguren). Daher ist eine künftige Nutzbarkeit der Formen fraglich.

Da die Miniaturen Warmahordes‘ auch eher einzigartig sind, ist die Verwendung anderer Miniaturen nicht ohne Weiteres, bzw. überwiegend nur dann möglich, wenn man unpassende Proxies akzeptiert.

Es bleibt damit zunächst nur der Gebrauchtmarkt für Miniaturen. Auch hier zeigt sich Resin als teilweise nachteiliges Material: Das Entfärben von Resin- oder Plastik-Miniaturen ist, im Vergleich zu Metallfiguren, erschwert (Biostrip 20 klappt wohl sehr gut).

Perspektivisch kann man natürlich hoffen, dass vergleichbare Modelle über Etsy etc. angeboten werden. In ähnlicher Weise gibt es auch zahlreiche „nachgemachte“ Modelle für Games Workshop-Miniaturen. Je nach Ähnlichkeit mit der Originalminiatur können rechtliche Fragestellungen eine Rolle spielen. Es ist für mich aber denkbar, dass der Tabletop-Markt auf Sicht ohnehin erheblich durch nicht offizielle, aber gleichwohl passende Modell geprägt sein wird.

In jedem Fall dürfte das Angebot solcher Modelle eine entsprechende Nachfrage voraussetzen.

Ad 2.)

Privateer Press ist weiter am Markt aktiv und konzentriert sich auf MK4. Daher ist davon auszugehen, dass Privateer Press eine MK3 Community nicht unterstützen und vielleicht sogar sabotieren würde. Dies könnte durch den Entzug des Rechtes geschehen, die Regeln online zur Verfügung zu stellen und auch zum Abschalten der Warmachine University führen. Ebenfalls ist es denkbar, dass die Warroom App oder die Karten mit den Werten der Modelle nicht mehr zum Download bereitstehen könnte. In diesem Fall könnten diese Dateien nur „unter der Hand“ (und möglicherweise unrechtmäßig) weitergegeben werden – sofern vorab entsprechende private Kopien angefertigt wurden.

Anders würde es sich darstellen, falls Privateer Press mit MK4 final Schiffbruch erleiden würde – und dafür gibt es Anhaltspunkte. Dann wäre die Situation vergleichbar zu Demonworld damals. Derzeit sieht es nach meiner Wahrnehmung aber wieder etwas hoffnungsvoller für die neue Edition aus.

Ad 3.)

Auch bezüglich dieses Punktes bin ich bestenfalls nur verhalten optimistisch. Mit der Ankündigung von MK4 sind die wichtigsten Multiplikatoren, aus der Community abgesprungen und im Wesentlichen zu Games Workshop abgewandert.

Nur für den Fall, dass MK4 scheitert, sehe ich Hoffnung, dass sich wieder ein paar finden, die das System am Laufen halten – einfach, weil es sonst gar nicht weitergehen würde.

Auch darf nicht übersehen werden, dass einige aus alten MK2-Tagen hoffen, mit MK4 wieder hierhin zurückkehren zu können. Es ist daher, so es überhaupt so weit kommen sollte, möglich, dass (auch) ein MK2-Wiederaufleben avisiert wird.

Insgesamt bin ich daher skeptisch, ob aktuell eine Warmahordes Community-Edition entstehen kann.

Weitere Lehren aus Demonworld als Community-Projekt

Auch die Fortführung von Demonworld als Fanprojekt ist nicht perfekt. Neben einer Betrachtung dessen, was dieses Community-Projekt überhaupt ermöglicht hat, soll im Folgenden untersucht werden, welche Schwierigkeiten bei Demonworld aus meiner Sicht bestehen.

Neue oder veränderte Inhalte

Das Aktualisieren von Regeln in Form sog. Errata kann nicht nur als (positives) Aufrechterhalten der Lebendigkeit des Spieles betrachtet werden.

Negativ gewendet können Regeländerungen zu einer Entwertung von Spielfiguren führen. Im Falle Demonworlds wurde sogar zwischenzeitlich die Splittung einer Fraktion (ausgerechnet bei Isthak – meiner Fraktion) in Betracht gezogen, weil man eine Vampir- oder Untotenfraktion einführen wollte. Dies ist im Grunde die Fortführung des Editionsproblems. Mit Blick darauf, dass hierfür keine kommerzielle Notwendigkeit besteht, ist für mir dieses Verhalten völlig ungerechtfertigt und kurzsichtig. Vermutlich wurden die inhärenten Schwierigkeiten eines solchen Handelns nicht gesehen.

Formal unklare Entscheidungsrechte

Änderungen wie die Vorstehenden werden nicht konsensual verabschiedet. Bei Demonworld gibt es einen (mir in der Zusammensetzung unbekannten) Zirkel, der die Weiterentwicklung des Spielsystems, insbesondere in Form der Erratas, vorantreibt. Dieser Zirkel hat aber bestenfalls Legitimation durch einen impliziten, aber potentiell fragilen, Konsens der Spielerschaft. Die Legitimation ist mit der eines Rechteinhabers nicht vergleichbar.

Das muss kein Problem sein, kann es aber. Wie vorstehend erläutert, ist die Splittung einer Fraktion aus meiner Sicht konfliktanfällig. Bei Demonworld ist zudem die Bepreisung der Einheiten mit Punkten in den Errata intransparent; der Kreis der Entscheider exklusiv. Ich unternahm hier mal einen Versuch, Einblicke zu erlangen. Dies war anscheinend nicht gewünscht und verlief im Sande.

Der guten Form halber möchte ich klarstellend darauf hinweisen, dass ich den aktuellen Stand des Demonworld Community-Regelwerks (von Dezember 2019) im Wesentlichen für gelungen halte.

Bei Warmahordes bestünde die angedeutete, mögliche Gefahr, dass Dissens darüber besteht, ob ein Community-Projekt in Richtung MK2 oder MK3 ginge. Eine mögliche Strömung in Richtung MK4 erscheint mir gegenwärtig nicht absehbar.

Die vorstehenden Probleme sind Community-Projekten inhärent. Sie wiegen umso schwerer, wenn die Spielerschaft größer ist und viel Begeisterung und Engagement einbringt. In aller Regel sind die Ideen nicht gleichgerichtet und die Community wird durch das Projekt geschwächt und nur teilweise erhalten. Ich höre immer wieder, dass gerade die Tabletop Community besonders harsch sei – ich persönlich finde das aber nicht.

Fazit

Ein erfolgreiches Community-Projekt erfordert von den Beteiligten Flexibilität und möglichst wenig Dogmatismus. Es sollte versucht werden eine möglichst hohe Kompatibilität zu alten Spielerfahrungen herzustellen.

Für Warmahordes kann man für meine Begriffe zwei Standpunkte einnehmen:

  1. Wenn man MK4 mag: Hoffen, dass die neue Edition doch noch fliegt. Dann bleibt alles, wie gehabt und man umgeht viele Probleme.
  2. Wenn man MK4 nicht mag: Weiter in seiner jeweiligen aktuellen Spielgruppe MK3 (oder MK2) spielen und, idealerweise, Kontakt zu Gleichgesinnten außerhalb der eigenen Spielgruppe aufbauen. Hierbei dürfte fast automatisch ein Community-Projekt entstehen – ob es sich auswächst, bliebe abzuwarten (und ist wohl eher zweifelhaft) und wäre für die Partizipierenden zunächst unerheblich.

Tabletop mit unbemalten Figuren oder mit „Proxies“

In meinem Umfeld ist es eher unüblich mit unbemalten Figuren oder Proxies zu spielen– aber natürlich kenne ich dennoch viele solcher Fälle. In der guten alten Demonworld-Zeit kannte ich einen Spieler, der Orks spielte und vorzugsweise Bogenschützen aufstellte. Allerdings hatte er diese Figuren nicht, dafür aber mehrere Einheiten Oger. Also nahm er die Oger-Figuren als Proxy für die Bogenschützen. Die Oger waren obendrein nicht bemalt – nicht mal grundiert. Insgesamt war die Darstellung der Bogeschützen daher, für meine Begriffe, bescheiden.

Jahre später begann ich mit Warmahordes. Hier hatten wir einen Retribution-Spieler, der stets unbemalte (und ebenfalls auch nicht grundierte) Figuren verwendete. Das wurde zumindest von mir kritisiert, da mir sonst bekannte Spieler den Anspruch hatten (beziehungsweise entwickelt hatten), stets bemalt und ohne Proxies zu spielen (die Figuren sind zumindest „Battle Ready“, was oft heißt, dass sie grundiert sind und mit mindestens drei Farben bemalt wurden).

Auch aktuell haben wir einen Spieler in unserer Warmahordes-Gruppe, dessen Figuren aktuell noch nicht bemalt und nicht grundiert sind. Er ist damit aber der Einzige – alle anderen haben Figuren, die mindestens „Battle Ready“ sind. Bei unserem letzten Spieletag schlug ein potentieller neuer Spieler scherzhaft vor, dass nicht-bemalte Figuren minus 4 auf ihen Angriffswurf erhalten sollten.

Im Grunde sind die Argumente weithin bekannt: Nicht jeder mag alle Figuren kaufen – gerade beim Ausprobieren neuer Modelle. Und nicht jeder findet die Zeit zum Bemalen. Gerade wenn man anfängt, kann das Bemalen, je nach System, in der Tat sehr schnell überhandnehmen. Und wieder andere wollen einfach nicht bemalen – schon gar nicht mehrfach die gleiche Figur.

Demgegenüber steht ein möglicherweise schöneres Spielerlebnis, welches durch bemalte Nicht-Proxy-Figuren oder auch dreidimensionales Gelände entstehen könnte. Fraglich könnte sein, ob dieser Aspekt überhaupt (zwingend) dem Tabletop-Hobby immanent ist. Der vorgenannte Retribution-Spieler war der Meinung, mann könne auch mit beschrifteten Pappscheiben in Größe der jeweiligen Figurenbasis spielen. Es gäbe mithin für Figuren eigentlich keinen Grund.

Also gut. Folgende Fragestellungen könnten beleuchtet werden:

1. Gibt es spieltechnische Gründe, mit Figuren zu spielen?

Ich ziele hiermit auf den (insofern extremen) Gedanken des Retribution-Spielers ab, man könne auch beschriftete Pappscheiben statt Miniaturen verwenden. Dies stimmt nach meinem Dafürhalten nur auf den ersten Blick: Die Unterscheidung von Figuren ist häufig aus spieltechnischen Gründen erstrebenswert – man weiß, was man vor sich hat. Bei Pappscheiben ist die Unterscheidung deutlich schwieriger und Verwechselungen wahrscheinlich. Hierdurch kann man sich in der unangenehmen Situation wiederfinden, dass ein Spieler aufgrund einer solchen Verwechslung die „Rückabwicklung“ eines Zuges fordert. Das wäre unschön.

In ähnlicher Weise finde ich auch die Unterscheidbarkeit von nicht bemalten Figuren oft problematisch. Falls ergänzend auch noch Proxies verwendet werden, kann sogar ein falscher (unterbewusster) Eindruck erzeugt werden – man denke nur an die Bogenschützen, die durch (viel größere) Oger-Figuren dargestellt wurden. Als ich mal eine Figur vergessen hatte, nahm ich als Proxy eine andere. Mein Mitspieler (und auch ich) ordneten diese Figur immer wieder falsch ein und mussten uns ins wiederholt Gedächnis rufen, was sie eigentlich darstellen soll.

Im Extremfall kann es daher mühsam sei, sich zu merken, welche Figuren spieltechnisch (und nicht tatsächlich) vorhanden sind.

Darüber hinaus spielt die Dimensionierung der Figur aber oft keine Rolle. Bei Warmahordes ist die spielrelevante Größe der Miniaturen fast ausnahmslos in Abhängigkeit der Größe der Basis vorgegeben – unabhängig davon, wie groß die Miniatur physikalisch ist. Bei Demonworld ist die Größe auf der Einheitenkarte notiert und orientiert sich an grundsätzlichen Festlegungen, wie groß beispielsweise ein berittener Mensch ist.

Daher kommt der Gestaltung der Figur regeltechnisch hier keine Bedeutung zu. Insofern sind Pappscheiben oder Proxies genauso gut wie bemalte oder unbemalte Figuren.

Bei Warhammer Fantasy und 40k ist es offenbar anders: Hier haben die Abmessungen der tatsächlichen Miniatur (aber, wenn ich es richtig verstehe, ohne Arme und Waffen) Einfluss auf die regeltechnische Deckung. Daher wären hier Proxies in anderer Größe potentiell schädlich für die Spielbalance.

Im Einzelfall können Pappmarker aber auch einen spieltechnischen Vorteil haben: Manche Modelle ragen weit über die Basis hinaus. Sollen solche Modelle nebeneinander stehen verhaken sich diese möglicherweise – oder ist realiter gar nicht möglich, diese direkt nebeneinander zu platzieren – obgleich dies regeltechnisch möglich sein sollte. Pappscheiben haben dieses Problem nicht.

Dennoch bin ich der Meinung, dass im Ergebnis die Verwechslungsgefahr als Argument schwerer wiegt. Falls ein Spieler ohne Proxies nur bemalte Figuren aufstellt und der andere Spieler unbemalte Figuren oder sogar Proxies verwendet, kann dies im Extremfall sogar für den Spieler mit bemalter, nicht Proxy-Armee ein spieltechnischer Nachteil sein. Dieses Problem besteht nur dann nicht, wenn die Proxies sehr ähnlich dem Aussehen und die Größe der Ursprungsminiatur haben.

Aber auch beidseitig nicht bemalte (und insofern „fair“ bemalte) Figuren können die Spielmechanik beeinträchtigen: Sind beide Armeen im selben Zustand der Nicht-Bemalung, kann man die Figuren möglicherweise nicht mehr einer Partei zuordnen.

2. Welches Gewicht ist dem Argument einzuräumen, bemalte Nicht-Proxy-Figuren verschlechtern das Spielerlebnis?

Diese Frage ist nur subjektiv zu beantworten. Grundsätzlich fällt mir aber bei der Besprechung aller Tabletop-Systeme auf, dass die Gestaltung der Figuren eine große Rolle spielt. Und neue Systeme oder Editionen werden an dem Design ihrer Miniaturen gemessen, so dass dieses für den wirtschaftlichen Erfolg eine Rolle spielt. Daher meine ich, dass der typisierte Spieler dem Aussehen der Figuren eine zumindest gewisse Wichtigkeit beimisst.

Auch Neueinsteiger werden oft durch schöne Szenen „geködert“. Dies umfasst jedoch nicht nur bemalte und originale Figuren, sondern auch ein ansprechendes Spielfeld. Daher scheint mir im Ergebnis, dass das Spielerlebnis des Durchschnittsspielers tatsächlich durch nicht bemalte Figuren, oder auch durch Proxies, vermindert sein dürfte.

3. Welcher Standpunkt wird in offiziellen Publikationen vertreten?

Ich stütze mich hier vornehmlich auf Warmahordes, da ich hier Wissen mitbringe und zudem überhaupt Regelungen enthalten sind. Dort finden sich im Steamroller-Regelwerk 2021 folgende Hinweise:

„Privateer Press encourages players to have a fully painted force on the table. Games with painted armies are more interesting to watch and generally enhance the experience for all. Although painting is not required, players are encouraged to show off all aspects of the hobby.“ (S. 2)

Und es werden folgende Regelungen für Veranstaltungen festgelegt:

BASELINE – Painted armies are not required.

Basic Painting Required – All models must be primed and basecoated. Players must present the intended final color scheme on all parts of the model. Bases can be unfinished.

Advanced Painting Required – All models must be completely painted and based. This means that every model must be painted with a reasonable diversity of color and that individual elements of the miniature must be distinguishable by color, shading, and highlighting. For instance, flesh must be a different color than hair or clothing, and metal must be a different color than leather. Bases must be finished with sand or flock or otherwise modeled and painted. Whether a model is completely painted and based is the decision of the EO [Hinweis – dies meint: Event Organizer]. As a general rule, if a player feels the need to justify why a model is acceptable, it probably isn’t.“ (S. 12)

Bezüglich Proxies ist Privateer Press eindeutiger:

„All models used in Privateer Press organized play events must be Privateer Press models from the WARMACHINE or HORDES lines. Each model must be fully assembled and mounted on a round-lipped base of the size specified on its stat card. The use of non–Privateer Press models, unassembled models, or inappropriately based models is not permitted.“ (S. 2)

Es wird also deutlich, dass das Spielen mit bemalten Modellen vorziehswürdig ist, aber aus Sicht des Herstellers, nicht per se, erforderlich. Allerdings wird dem Organisator das „Recht“ eingeräumt, höhere Standards zu verlangen.

Und hiervon wird teilweise auch Gebrauch gemacht: Auf der Tabletop-„Weltmeisterschaft“, der WTC, sind nur bemalte Armeen (und keine Proxies) zugelassen. Man muss aber ehrlicherweise sagen: Realiter wird sonst viel mit unbemalten Figuren gespielt.

Meines Wissens gab es bis circa 2004 bei Warhammer Fantasy und 40k einen „Bemalzwang“, da die Grand Tournament Rules und die „Hausordnung“ der Games Workshop-Läden nicht bemalte Figuren nicht zuließen. Letzteres wurde meines Wissens aber circa 2004 geändert.

Warhammer World schreibt jedoch (auch heute noch) bemalte, nicht „geproxyte“ Figuren auf Games Workshop-Veranstaltungen vor:

  • Each model must be Citadel or Forgeworld miniatures
  • Each miniature must be fully assembled
  • Each miniature must be painted to a minimum battle ready standard (including bases)
  • Each miniature must accurately represent its entry on your army roster

Dass Privateer Press Proxies oder Warhammer World nicht offizielle Figuren verbieten möchten, ist rein durch kommerzielle Interessen getrieben und daher hier unerheblich. De facto kann zudem der Organisator oder der Mitspieler auch Proxies zulassen – und dies geschieht auch regelmäßig. Ich wurde schon oft gefragt, ob man eine Figur oder Einheit, die ähnlich zu der gewünschten aussieht, verwenden darf. Pflichtschuldig stimmte ich immer zu.

Auch der „Wunsch“, möglichst bemalte Figuren zu verwenden, dürfte kommerziellen Interessen geschuldet sein: Wenn man davon ausgeht, dass Bemalung das Spiel attraktiver macht, ist es nur naheliegend, dass der Hersteller ein möglichst gutes Marketing auf diese Weise erzielen möchte. Dem gegenüber steht, dass ein „Bemalzwang“ die Einstiegshürde höher setzt und Kunden erst gar nicht gewonnen werden können. Die Änderung bei Games Workshop Anfang der 2000er-Jahre läßt vermuten, dass dieser zweite Aspekt überwiegt. Die Wertung gerade aktiver Spieler kann davon abweichen.

Einschätzung

In der Gesamtschau komme ich daher zum Ergebnis, dass bemalte, Nicht-Proxy-Figuren zumindest sehr wünschenswert sind. Dies dürfte das Spielerlebnis verbessern, zumindest zunächt für Neueinsteiger attraktiver machen und das Spiel fairer machen. Damit stellt sich die Frage, wie man dieses (hehre) Ziel erreicht.

Zu Frage der Bemalung

Die Argumente wider der Bemalung einer Armee sind weiter präsent. Dennoch: Überhaupt bemalte Figuren sind oft ausreichend. Die Miniaturen müssen daher nicht aussehen wie im Tabletop-Katalog. Die Ansprüche an die Bemalung sind also grundsätzlich niedrig anzusetzen. Und mittlerweile gibt es zahlreiche Techniken (jüngst sog. Speed Paints), schnell ein akzeptables Ergebnis zu erzielen.

Sowohl mangelnde Zeit als auch Bemalfreude lässt sich zudem grundsätzlich mit einem Bemalservice lösen. Ich habe hiervor ausgiebig Gebrauch gemacht; ich male, insbesondere aus Zeitgründen, nur noch vereinzelt Figuren selbst an. Die meisten meiner fremd bemalten Figuren wurden vom Phantasos Studio bemalt; vereinzelt aber auch vom Flügelschlag Studio oder von Fane of Illusion.

Ich komme aber nicht umhin, zuzugeben, dass dies teuer werden kann. Die Kosten hängen jedoch von der gewünschten Qualität ab – und hier muss keineswegs ein besonders hoher Standard angestrebt werden. Dennoch mag diese Lösung nicht nur eine Frage des Wollens, sondern auch des Könnens sein.

Eher anekdotischen Charakter hat, dass ein früherer Mitspieler einer DSA-Runde, der mehrfacher Warhammer 40k-Weltmeister war, seine (zahlreichen) Armeen von seiner jeweiligen Freundin bemalen ließ. Auch das ist natürlich denkbar – aber wohl nicht in allen Fällen umsetzbar.

Ein alternativer Ansatz besteht im Erwerb gebrauchter aber bemalter Armeen. Für Warmahordes gibt es, bedingt durch den Editionswechsel, da gerade einige gute Angebote. Für die Games Workshop-Systeme gibt es grundsätzlich immer wieder Angebote. Häufig sind bemalte Figuren sogar günstiger, als unbemalte.

Im Übrigen werden für viele heutige Systeme nicht viele Figuren benötigt. Das relativert das Problem der Bemalung – sei es gemessen in Zeit, Bemalfreude oder Geld. Und für andere Systeme kann man sich oft auf auf kleinere Listen (bei Warmahordes MK3 sog. Theme Forces) fokussieren.

Zu den Proxies

Mir fallen nur wenige Argumente ein, warum man (nicht sehr ähnliche) Proxies nutzen sollte. Wenn man man ein Modell ausprobieren möchte oder dieses zu Hause vergessen hat, leuchtet mir die Verwendung eines Proxies ein. Sonst aber scheint mir die Verwendung von Proxies ganz überwiegend nachteilig.

Zu beachten ist jedoch, dass ich hiermit nicht alternative Figuren meine, welche die orignären Figuren gut darstellen. Ich kenne jemanden, der Probleme hatte, offizielle Warmahordes-Figuren zu bekommen – und sich daher kurzerhand selbst Figuren gebastelt hat. Ziemlich gute sogar, die von den offiziellen Miniaturen kaum unterscheidbar waren. Auch die Verwendung ähnlicher Miniaturen alternativer Hersteller wird durch meine vorstehenden Argumente nicht berührt (rechtliche Aspekte könnten dies aber): Wenn die regeltechnische Miniatur klar durch die verwendete Miniatur erkennbar ist, besteht keine Verwechslungsgefahr. Diese Art von „passenden“ Proxies ist für mich unproblematisch. Die Anforderungen, damit ein Proxy passend ist, sind aber recht hoch für mich.

Eine Einschränkung zur Wahrung der Zugänglichkeit

Um die Einstiegshürden für Neueinsteiger niedrig zu halten, möchte ich Anfänger (oder solche, die gerade eine neue Armee anfangen oder eine Figur ausprobieren möchten), von den vorstehenden Vorschlägen ausnehmen. In solchen Fällen finde ich auch unbemalte Figuren in Ordnung oder auch die Verwendung unpassender Proxies. Falls der Neueinsteiger aber bei dem System bleiben möchte, fände ich es jedoch schön, wenn er schließlich eine bemalte Nicht-Proxy-Armee zum Spielen verwendet.

Mit einem neuen Pen & Paper-Rollenspielsystem anfangen

Immer wieder werde ich mit der Situation konfrontiert, dass ein neues Rollenspiel ausprobiert oder sogar gleich langfristig gestartet werden soll. Mir wird hierbei zunehmend klar, dass mir dies immer mehr schwerfällt.

Hierbei bin ich nicht (so) dogmatisch wie andere („Wenn wir Fantasy spielen, können wir auch gleich DSA spielen, das ist am besten.“ – womit zahlreiche Systeme per se keine Chance haben), aber einfach aufgrund meiner Präferenzen schwierig.

Zur Welt

Einerseits erwarte ich von der Welt, dass sie so innovativ ist, dass es sich „lohnt“ diese auszuprobieren. Auch kann ich nur anhand einer solchen Welt einen für mich schönen Charakter erstellen oder aber, als Spielleiter, mir eine Geschichte ausdenken. Dazu bedarf es in beiden Fällen einer recht guten Beschreibung der Spielwelt – den sonst finde ich nur schwer Anknüpfungspunkte. Andererseits, meine gerade angebrachte Forderung konterkarierend, möchte ich mich möglichst wenig einlesen. Diese beiden Anforderungen schließen praktisch einander aus – und (leider) fallen damit viele System hinten runter. Dennoch gibt es zwei mögliche Auswege:

  1. Ich kann die Welt anderweitig erfahren. Hier sind Romane an erster Stelle zu nennen. Sowohl das Witcher- als auch das Splittermond-Universum habe ich mir über Romane erschlossen und könnte mir nun gut vorstellen, hier mal zu spielen. In ähnlicher Weise haben sich die Iron Kingdoms über das Tabletop für mich erschlossen.
  2. Das System spielt auf der Erde. Hexxen ist hier für mich das jüngste Beispiel. Wenn man sich ein wenig mit Geschichte auskennt, kann man mit „echtem“ Wissen die Spielwelt erfahren. Problematisiert wird dies allein dadurch, dass Spielwelten in aller Regel einem alternativen Geschichtsverlauf folgen, was die Nutzbarkeit eigenen Wissens einschränkt.

Zu den Regeln

Ich lese im Grunde keine neuen Regeln mehr. Das ist nicht einmal böse gemeint. Selbst wenn ich es mir fest vornehme und ein neues System gerne spielen möchte – ich tue es einfach nicht. Zu einem konkreten Zeitpunkt, wenn ich das Regelwerk lesen könnte, scheint mir stets eine andere Beschäftigung attraktiver.

Zudem schätze ich narrativistische Elemente nicht, wie sie heute in Regelwerken üblich sind. Ich verweise hierzu auf meinen Beitrag zur Spielphilosophie.

Zum Spielsystem

Mich interessieren heutzutage kampflastige Systeme weniger. Der Fokus sollte für mich auf der Charakterdarstellung liegen. Das ist aber weniger etwas, was aus dem Spielsystem erwächst, sondern ist eine Spielstilfrage, die durch die Spielgruppe maßgeblich beeinflusst wird. Aus meiner Sicht bietet jedes System die Möglichkeit, ein intensives Charakterspiel zu betreiben.

In Kürze: Ich bin vermutlich ein schwerer Fall, wenn man neue Systeme ausprobieren möchte. Aber zum Glück habe ich genug Runden und Spielsysteme.

Vielleicht bin ich auch einfach alt und eingefahren.

Beitragshäufigkeit

Ich deutete es ja schon an – ich bin mir nicht sicher, ob ich weiterhin so oft etwas posten kann. Der Grund ist schlicht: Es gibt gerade eher wenig, zu dem ich etwas schreiben möchte. Ein paar Dinge habe ich noch im Hinterkopf und diese reifen heran. Aber wöchentlich wird es wohl keine neuen Beiträge mehr geben.

Werteübertragung aus der Realität und „gerechte“ Bezahlung von Charakteren im Liverollenspiel – eine Erweiterung

In meinen letzten beiden Beiträgen versuchte ich, Lösungen für das mögliche Problem der gerechten Entlohnung von Charakteren und einer möglichen Übertragung realweltlicher Werte in die Spielwelt, in beiden Fällen beim Pen & Paper-Rollenspiel, aufzuzeigen.

Nunmehr soll es darum gehen, ob diese Lösungen auch für das Liverollenspiel denkbar sind. Dem vorgelagert ist sachlogisch die Frage, ob die Probleme überhaupt bestehen. Damit kommen wir zu

  1. „Gerechte“ Bezahlung von Charakteren im Liverollenspiel

Beim Liverollenspiel stellt sich die Frage nach einer (monetären) Entlohnung in der Regel nicht. Ich habe nur in Ausnahmefällen erlebt, dass die Lösung des von dem Veranstalter geplanten Plots eine Belohnung in Form von Münzen mit sich brachte.

Das ist nicht verwunderlich. Im Gegensatz zum Pen & Paper-Rollenspiel haben Münzen beim LARP praktisch keinen Gegenwert. Man kann in der Spielwelt mit diesem praktisch nichts erwerben. Selbst Nahrungsmittel müssen auch in Euro bezahlt werden. Nur Intime-Dienstleitungen sind mit dem Spielgeld bezahlbar. Hierunter fallen unter anderem einfache Botendienste, die Benutzung eines Badezubers oder gelegentlich Sölderdienste oder magische Dienstleitungen. In der Regel ist das Spielgeld daher vor allem als Einsatz für Intime-Spiele (vor allem Karten- oder Würfelspiele) wichtig.

Damit ist das Geld seiner wesentlichen Funktion beraubt. Es wird als Tauschmittel nicht oder nur für vereinzelte Dienstleistungen verwendet. Man kann aber keine Gegenstände, vor allem keine magischen, damit erwerben. Da alle Gegenstände ein realtweltiches Pendant haben, ist hierfür auch immer reales Geld zu entrichten. Daher besteht für niemanden die Möglichkeit mit viel Spielgeld den Charakter mit besserer Ausrüstung auszustatten, wie es beim Pen & Paper-Rollenspiel möglich ist.

Ergänzend ist zu sehen, dass das LARP-Geld „Fiat-Money“ par excellence ist. Man kann sehr günstig gewaltige Münzvorräte outttime kaufen und diese intime verwenden. Dies ist beim Pen & Paper-Rollenspiel naheliegenderweise nicht möglich (wenn man davon absieht, dass es bestechliche Spielleiter geben könnte). Allein dies macht die praktische Irrelevanz des Spielgeldes beim LARP deutlich.

Daher besteht de facto nur ein verhaltenes Interesse daran, Spielgeld zu haben. Es muss daher nicht gerecht verteilt werden – wenn es überhaupt als Belohnung in Betracht gezogen wird. Im Ergebnis ist auch ein spielerischer Vorteil reicher Charaktere fernliegend.

  1. Übertragung von realweltichen Werten in die LARP-Spielwelt

LARP ist in vielen Fällen, „anything goes Fantasy“. Ein einheitlicher Werte-Referenzrahmen liegt nicht vor und ist auch de facto auf Cons, die keine vordefinierte, allgemein bekannte Welt bespielen, nicht implementierbar.

Man ist daher gut damit beraten, bei der Einforderung von Werten sehr anspruchslos zu sein. Schon naturgemäß werden je nach realzeitlicher Vorlage die Werte der Charaktere divergieren (z.B. Revolutionszeit versus Mittelalter). Dazu kommen noch mögliche Ausprägungen in Bezug auf die Fantasy-Stoßrichtung. Zwischen dem Elfenbild des Hexer-Universums und dem Tolkiens liegen Welten. Mein Ratschlag ist daher, dass ein LARP-Charakter „in sich“ stimmig sein sollte und möglichst wenig auf die Akzeptanz bestimmter Setzungen außerhalb seiner selbst, oder seiner Gruppe, angewiesen ist. Im Extremfall ergibt sich sonst das Problem der LARP-Stasi.

Im Kern ist diese Empfehlung des Setzen eines Rahmens, der möglichst omni-kompatibel mit anderen Charakteren ist, der Ersatz dafür, dass der Spielleiter beim Pen & Paper-Rollenspiel einen solchen definiert.

Im Kern ist dieser Gedanke in den „zwei Regeln“ niedergelegt: Wenn Du angespielt wirst, zeige irgendeine plausible Reaktion. Spiel irgendwas, egal was, aber spiel. Und: Wenn Du jemanden anspielst, erwarte keine bestimmte Reaktion. Akzeptiere, was Dein Gegenüber draus macht.

Bei bereitwilliger Einhaltung der zwei Regeln ist die Frage nach dem Wertereferenzrahmen gelöst. Spieltechnische Effekte sind hiervon nicht zwingend abgedeckt.

Alternativ dazu kann man freilich geschlossene Setzungen für LARP-Veranstaltungen festlegen. Diese könnten zum Beispiel in der Hexer-Welt, oder im Herr der Ringe-Universum angesiedelt sein. Diese „Lösung“ funktioniert in weiten Teilen, weil hierdurch der Wertereferenzrahmen gesetzt wird. Sie scheitert aber insoweit, als dass selbst eine sehr ausgearbeitete Spielwelt wie Aventurien noch Diskussionen über den „richtigen“ Umgang mit allem Möglichen erforderlich zu machen scheint. Gerade deshalb diskutierte ich in meinem anderen Beitrag über Interpretationserfordernisse und mögliche Lösungen.

Die vermeintliche Idee, dass der LARP-Veranstalter, anstelle des Spielleiters im Pen & Paper-Rollenspiel, diese Setzungen vornimmt scheitert aus meiner Sicht aus zwei Gründen:

  1. Meiner Erfahrung nach befassen sich die Spieler vor einer Veranstaltung nicht oder kaum mit solchen Setzungen. Gelegentlich auch die Mitglieder der Spielleitung nicht.
  2. Eine LARP-Veranstaltung ist in vielen Fällen, und immer zunächst, eine einmalige Sache. Hierfür wird in aller Regel kein neuer Charakter entwickelt, schon allein deshalb, weil dieser in vielen Fällen auch den Erwerb neuer Ausrüstung erforderlich machen könnte. Es werden vielmehr schon bestehende Charaktere für die Veranstaltung verwendet. Solche Charaktere sind mit Setzungen, die von ihrem Charakter-Konzept abweichen, aber folgerichtig nur bedingt kompatibel. Da die Setzung der Veranstaltung vorab auch oftmals gar nicht gelesen wird (es ist ja nur eine Veranstaltung! – siehe Punkt 1.), ist diese de facto nicht durchsetzbar.

Aus meiner Sicht landet man dann wieder bei den zwei Regeln.

Nur im Falle des wiederholen Bespielens einer Reihe kann ein verbindlicher Referenzrahmen gesetzt werden. Damit wird mit der „anything goes Fantasy“ aufgeräumt.

In beiden Fällen zeigt sich für mich, dass insbesondere der wenig ausgeprägte Simulationismus ursächlich für die Unterschiede sind: Wo Geld de facto kaum oder keine Kaufkraft hat, kann man nicht erwarten, dass es relevant ist. Andererseits ist dies aus gameistischer Sicht ein Vorteil mit Blick auf die Probleme, die bei unterschiedlichen Finanzniveaus von Spielercharakteren entstehen können. Das objektiv kein Grund besteht, im LARP Geld haben zu wollen, kann auch narrativistisch kompensiert werden, in dem man sich über diese Tatsache spielerisch hinwegsetzt.

Im Falle der fehlenden Werte- oder Weltsetzung ist es nicht ganz so einfach. Ich wage zu behaupten, dass dies überwiegend ein Nachteil ist. Man kann dem mit gameistischen Ideen entgegentreten (was ich im Grunde mit meinem Vorschlag, dass jeder für sich einen in sich stimmigen Ansatz für seinen Charakter finden soll ohne fremde Charaktere zu tangieren, in gewisser Weise anrate). Am befriedigendsten dürfte die Festlegung eines (langfristig) verbindlichen Wertereferenzrahmens durch den jeweiligen LARP-Veranstalter sein.

Übertragung von Werten in die Spielwelt

In meinem letzten Beitrag befasste ich mich mit dem Thema, dass Spielercharaktere beim Pen & Paper-Rollenspiel oft die gleiche Entlohnung für alle einfordern, andere aber mit Blick auf ihren Stand oder seltene Fähigkeiten genau dem nicht zustimmen wollen. Ich identifizierte als Ursachen die Übertragung der Gleichheit am Spieltisch auf die Gleichheit der Charaktere.

Ähnlich gelagert ist die Frage einer Übertragung von realweltlichen (hier: europäisch-westlichen in der aktuellen Zeit) Werten auf die Spielwelt beim Pen & Paper-Rollenspiel. Während realweltlich die Demokratie akzeptiert ist, ist dies beim Fantasy-Rollenspiel oft gerade nicht der Fall: Bei DSA ist die meistverbreitete Staatsform die Monarchie. Bei Battletech ebenfalls bzw. die Aristokratie. Bei den Warhammer-Systemen sind meines Wissens sogar Diktaturen prägend.

In gleicher Weise ist es mit der Gleichheit. Realtweltlich gilt ein rechtlicher Gleichheitsgrundsatz. In den Spielwelten muss dies keineswegs so sein. Es gibt oft Stände (Adel, Klerus, Rest), Leibeigenschaft, Sklaverei, Rassentrennung – je nach System das volle Programm. Nun soll es mir nicht, zumindest nicht vordergründig, darum gehen, zu hinterfragen, ob solche Systeme als Spielweltsysteme akzeptabel sind. Mir geht es um die beizeiten vorzufindende Beobachtung, diese Systeme aus Sicht der Charaktere in Frage zu stellen – weil die Spieler sie realweltlich nicht teilen.

Vor einiger Zeit spielte ich kurz bei einer DSA-Gruppe mit, die in Mirham zu Gast an der dortigen Akademie war. Mirham ist Teil des Al’Anfanischen Imperiums, das ein Sklavenhalterstaat ist. Die Charaktere stammten demgegenüber mehrheitlich aus dem Mittelreich, wo man Sklaverei ablehnt. Soweit so gut – die Charakter konnten also begründet gegen Sklaverei sein, ohne aus der typischen Rolle zu fallen. Erstaunlich fand ich aber, dass Spieler und Charaktere übereinkamen, dass es richtig wäre, nunmehr in Mirham gegen die Sklaverei vorzugehen. So wurden bei einer Exkursion in den Dschungel die Sklavenfänger der Akademie festgesetzt und die „Wilden“ unterstützt. Gleichzeitig war man sich aber aufgrund der realweltlichen Akzeptanz dieses Tuns, sicher, dass die Akademieführung damit kein Problem haben würde. Das fand ich, gelinde gesagt, grotesk.

Ein häufiger auftretendes Spannungsfeld, liegt in der sozialen „Hackordnung“ der Charaktere begründet. Grundsätzlich ist einer mittelalterlichen Ständegesellschaft zu eigen, dass Mitglieder höherer Stände über die niederen Stände „verfügen“ können. Ergänzend werden niedere Stände höheren Ständen in einer solchen Gesellschaft Respekt entgegenbringen. Beides passt natürlich in kleinster Weise in das realweltliche Wertekonstrukt. Wenn Spieler sich darüber mokieren und eine Ständegesellschaft nicht darstellen zu wollen, dann meiner Erfahrung nach, weil, zumindest implizit, Gleichberechtigung der Realität entsprechend eingefordert wird.

Diese realweltliche Forderung kann grundsätzlich um am einfachsten in die Spielwelt übertragen werden, indem die betreffenden Spieler Revoluzzer oder Vertreter anderer Kulturen spielen. Sie geht aber oft darüber hinaus und wird auch sonst vertreten.

Wie geht mit einem solchen Konflikt um? Im Grunde gibt es meines Erachtens drei Lösungen:

  1. Man passt die Spielweise dergestalt an, bis sie eine für alle hinreichende Kompatibilität mit realweltlichen Werten aufweist. So könnte die Ständegesellschaft aufgeweicht sein, vielleicht sogar teilweise mit historischem Vorbild, wo Kaufleute große Macht erlangen konnten. Oder die Spieler adliger Charaktere spielen diese liberaler.
  2. Es wird der Konflikt akzeptiert. Im besten Fall bleibt dieser im Spiel, also auf Charakterebene. Dies klappt vor allem dann, wenn, wie oben dargestellt, zum Beispiel ein Revoluzzer gespielt wird. Die Parteien versuchen sich dann mit ihren innerweltlichen Mitteln durchzusetzen. Im schlechtesten Fall bricht der Konflikt aus der Spielwelt auf die Realwelt aus und führt zu Kontroversen, wie „richtig“ zu spielen sei. Hierbei wird schnell über die Meinungshoheit bezüglich der Funktionsweise respektive Setzung der Spielwelt gerungen – man ist damit im Punkt 1.
  3. Man ist sich des Problems realweltlich bewusst und nutzt die Macht der Charaktere höheren Standes dazu, Anweisungen und dergleichen zu erteilen, welche die Spieler der Charaktere niederen Standes ohnehin wünschen.

Variante 3 ist vermutlich der Königsweg. Aber auch dieser ist nicht ohne Hindernisse. Zum einen erfordert diese Lösung Abstimmung zwischen den Spielern, damit klar wird, welche Anweisungen zu erteilen sind. Zum anderen darf nicht per se vorausgesetzt werden dass die Spieler der höhergestellten Charaktere auch tatsächlich genau die von Spieler der niedriger gestellten Charaktere gewünschten Anweisungen durch seinen Charakter geben möchte. In diesem Falle scheidet Lösung 3 aus.

Sowohl die Variante 1, wie die Variante 2 führen schnell zu der realweltlichen Frage, wie die Spielwelt zu gestalten ist. Dies kann und sollte natürlich grundsätzlich konsensual festgelegt werden – im Zweifel ist es für mich aber am Spielleiter, Festlegungen zu treffen. Er schafft, interpretiert und repräsentiert die Spielwelt. Bei seinen Festlegungen kann er Vorstellungen und Wünsche wie in Variante 1 angesprochen, berücksichtigen. Er muss es meines Erachtens aber nicht.

Nach einer solchen Festlegung und Kommunikation des Ergebnisses durch den Spielleiter steht einer innerweltlichen Lösung des Konfliktes im Sinne der Lösung 2 nichts im Wege. Dies dürfte auch rollenspielerisch am interessantesten sein.

Im Ergebnis plädiere ich damit für

  1. eine Festlegung und Kommunikation der Interpretation durch den Spielleiter vorab im Allgemeinen. Im Speziellen kann er natürlich, wenn die Spielsituation es verlangt, die maßgebliche Interpretation klarstellen.
  2. Hierbei sollen die Spieler anstreben, dass Situationen, bei denen ein Charakter und der Spieler düpiert werden, möglichst vermieden werden, und
  3. sind Konflikte innerweltlich zu lösen. Hierbei dient die Weltinterpretation des Spielleiters als Referenzrahmen.

Nach meinem Dafürhalten ist damit auch das Problem des Umgangs mit der einer Sklavenhaltergesellschaft in der Spielwelt gelöst: Der Spielleiter entschied in meinem Fall (wohl implizit), dass eine solche Gesellschaft Kritik akzeptiert und wertschätzt. Meine persönliche, anders gelagerte Vorstellung ist unerheblich.

Wichtig ist freilich, dass man den Interpretationsreferenzrahmen des Spielleiters vorab kennt, da dies Auswirklungen auf die Auswahl des Charakters haben kann. Auch können sich Spieler aufgrund der getroffenen Festlegungen im Extremfall entschließen, die Runde zu verlassen – oder, alternativ, sich freilich selbst als Spielleiter mit anderen Festlegungen vorschlagen. Im Ergebnis könnnten sich so alle mit dem Referenzrahmen anfreunden.

Unterschiedliche Entlohnungen von Charakteren innerhalb der Spielwelt

Kürzlich kam mal wieder die Frage auf, ob alle Mitglieder einer Abenteurergruppe im Fantasy-Pen & Paper-Rollenspiel die gleiche Entlohnung für einen Auftrag erhalten sollten. Für mich treffen hierbei zwei mögliche Ansichten aufeinander:

  1. Die innerweltliche Logik. Häufig gibt es entweder Stände oder ökonomische Gründe oder beides, zur Rechtfertigung einer unterschiedlichen Bezahlung. Dass der Adel mehr erhält (einfach weil er adlig ist), ist eine Standesfrage – und findet ihre Entsprechung in der historischen Standesgesellschaft. Dass hingegen ein Magiekundiger mehr Entlohnung enthält, ist, zumindest ergänzend, mit der Seltenheit seiner Fähigkeiten begründet – in der Regel gibt es nicht viele Zauberer, auch in Fantasy-Welten. In beiden Fällen liegt ein simulationistisches Argument vor.
  2. Der Fairness-Gedanke. Wichtig ist, dass im hier skizzierte Fall nicht allein die Gegebenheiten der Realwelt übertragen werden. Zwar ist die Ständegesellschaft in der hier besprochenen Form nicht mehr existent. Das ökonomische Argument ist aber einschlägig: Es gibt auch realiter unterschiedlich hohe Löhne und Gehälter. Vielmehr kommt beim Fairness-Gedanken die Gleichheit der Spieler zu Tragen und wird auf die Charaktere übertragen. Da jeder Spieler (für gewöhnlich) gleiche Rechte hat, sollten dies auch die Spieler haben. Damit handelt es sich um ein gameistisches Argument.

Im Besonderen ist zu beachten, dass die Frage nach dem Mehr an Geld unmittelbare Auswirkungen auf die Stärke (d.h. die Macht) der Charaktere haben kann: Wenn der adlige Zauberer, oder ein anderer im Folgenden deshalb als „Privilegierter“ bezeichneter, viel mehr Geld hat, wird es sich in der Spielwelt oft auch eine bessere Ausrüstung leisten können und dadurch nur deshalb „besser“ sein. Dies dürfte für viele Spieler ein gewichtiges Problem sein.

Falls die Stärke des Charakters den Spielern wichtig ist, könnten diese daher einen Anreiz haben, nur noch Charaktere zu spielen, die einen hohen Stand haben. Falls man dies nicht möchte, müsste man überlegen, den Zugang zu solchen gesellschaftlichen Charakteren zu limitieren. Zum Beispiel könnte ein adliger Charakter weniger sonstige Fähigkeiten haben (umgesetzt dadurch, dass der Vorteil „Adlig“ Erschaffungs- oder Generierungspunkte benötigt, die nicht für Anderes zur Verfügung stehen – so regelmäßig auch regelseitig umgesetzt). Dies ist aber ebenfalls unschön, da eigentlich davon ausgegangen werden könnte, dass Vertreter privilegierter Schichten zumindest keine schlechteren Fähigkeiten mitbringen (wegen der besseren Ausbildung) und nicht körperlich beeinträchtigt sind (wegen besserer Ernährung und Gesundheitsvorsorge).

Aus diesem Grund ist das ökonomische Argument, zumindest auf den ersten Blick, weniger schwerwiegend: Wer viel Zeit in die Ausbildung zum Beispiel zum Zauberer gesteckt hat, wird in der Regel andere Fähigkeiten weniger stark entwickelt haben. Hintergrund hierfür ist, dass jeder gleich viel Zeit hat. Es hat aber nicht jeder gleich viel Geld. Die Geldmenge wird bei der Charaktererschaffung durch den Stand der Eltern bestimmt. Wobei jedoch Geld teilweise in Zeit getauscht werden kann (bessere Lehrer). Auf den zweiten Blick folgt das ökonomische Argument damit dem „Ständeargument“.

Die ganze Sache kann leicht ins Weltanschauliche abdriften. Eine einfache Lösung könnte sein, dass der Stand der Eltern schlicht ausgewürfelt wird. Das dürfte aus Sicht Vieler auch der realen Situation am ehesten, wenn auch unter Vorbehalten, entsprechen.

Dieser Gedanke führt aber Charaktere potentiell per se ad absurdum: Man möchte vielleicht ganz gezielt einen Ritter spielen. Oder einen (mittellosen) Dieb. Daher kommt dieser „Auswürfelmechanismus“ vermutlich mit größeren Problemen einher, als er welche löst. Die Schwierigkeit, dass man einfach mehrfach würfeln könnte, bis das „richtige“ Ergebnis feststeht, ist davon unbenommen vorhanden.

Aus meiner Sicht ist das ganze Argument der Ungleichheit aber auch ein Stück weit konstruiert. Mir leuchtet durchaus ein, dass fremde Dritte sich in der Spielwelt so verhalten, dass sie ihrem Stande nach bezahlt werden. In aller Regel sind die Spielercharaktere jedoch nach kurzer Zeit keine fremden Dritten mehr, sondern Gefährten und Freunde. Und dann sollte das Argument, dass auch am Spieltisch für Gleichheit sorgt, greifen: Wenn die Charaktere wissen, dass ihnen allen besser geholfen ist, wenn der (arme) Dieb zum Beispiel den magischen Bogen bekäme, so werden sie dies (hoffentlich) so entscheiden und die monetären Mittel entsprechend allokieren – was zumindest im Ergebnis einer Gleichverteilung der Belohnung entspricht. Damit ist das gewichtige Problem, dass nur oder eher die privilegierten Charaktere die Mittel haben, bessere Ausrüstung zu erwerben, gemindert oder gelöst.

Aber auch mit diesem Ansatz bleiben (mindestens) zwei mögliche Probleme bestehen:

  1. Wie verhält es sich mit dem „Lebensstand“? Wer schläft in der Taverne in der Suite, wer im Stall? Wer kann sich teure oder günstige Kleidung leisten etc.?
  2. Was ist, wenn der oben geschilderte, kollaborative Einigungsprozess nicht zustande kommt, weil die Spieler der privilegierten Charaktere auf ihrem Stand pochen?

Ad 1)

Wenn im Laufe der Zeit eine Gleichverteilung der Belohnungen eintritt, stellt sich schnell der (m.E. unschöne) Effekt ein, dass die Einkommensverhältnisse der Charaktere identisch werden. Der adlige Zauberer wird nicht mehr im Stande sein, die Suite im Gasthaus zu beziehen; der (eigentlich) mittellose Dieb hat keinen Grund mehr, im Stall zu nächtigen. Das ist für mich deshalb nicht wünschenswert, weil sich die Spieler ja gerade dazu entschieden haben, einen reichen oder armen Charakter zu spielen – mithin also ihren Charakter nicht mehr wie vorgesehen (glaubhaft) darstellen können.

Ich kenne hierzu drei mögliche Lösungen, dargestellt am Beispiel der Unterbringung:

  1. Der „arme“ Charakter wird so gespielt, dass er das Geld fortlaufend sinnlos verprasst. Er hat daher im Ergebnis immer weniger Mittel übrig und muss im Stall schlafen. Ich bin kein Freund dieser Lösung, weil es auch reiche Charaktere geben kann, die ihr Geld verprassen und auch (ursprünglich) arme, die ihr Geld sparen.
  1. Es wird zwar die Belohnung augenscheinlich gleich verteilt. Der Spielleiter nimmt jedoch hintergründig eine Ungleichverteilung vor. Diese erfolgt aber nicht explizit sondern implizit in der Gestalt, dass „reiche“ Charaktere immer das bessere Zimmer mieten können. Hierfür muss auch nichts explizit aus dem Vermögen des Charakters bezahlt werden, dies erfolgt implizit. In gleicher Weise muss der arme Charakter auch nichts für den Stall zahlen. Dessen Bezahlung erfolgt ebenfalls implizit. Nur wenn ein Charakter über seinen Stand hinaus etwas möchte, muss er hierzu auf seinen explizites Geldvermögen zurückgreifen.

    Diese Lösung ist angelehnt an das Konzept des Lebensstils bei Shadowrun. Für zum Beispiel 5.000 Euro oder Nuyen pro Monat hat ein Charakter dort einen mittleren Lebensstil, der alle damit verbundenen Ausgaben abdeckt. Übertragen auf das Fantasy-Rollenspiel würde bei Belohnungen immer ein Fixbetrag zur Seite gelegt, der die jeweiligen Lebensstile der Charaktere finanziert. Bei DSA5 gibt es den bereits erwähnten Vorteil Einkommen, der aber meines Wissens nur bei Charaktererschaffung erworben werden kann, während der Shadowrun-Lebensstil flexibel anpassbar ist – aber auch monatlich Kosten veursacht. Die Spieler werden jedoch in beiden Fällen an den Lebensstil nicht erinnert, es passiert völlig automatisch im Hintergrund. Im Spiel könnte auch nur die Belohnung genannt werden, welche die Charakter explizit als Geldvermögen erhalten.

    Ich finde diese Lösung hat einiges für sich. Die implizite „Lebensstilfinanzierung“ hat jedoch manchmal etwas Abstraktes und Künstliches an sich – kann aber auch willkommene Erleichterung sein. Meines Erachtens ist ein denkbares Problem, dass auch mal eine Situation angestrebt werden könnte, in der die Charakter mittellos sind. Im Falle einer impliziten Verwaltung des Lebensstils wäre dies in der Darstellung leicht unglücklich und könnte als beliebig aufgefasst werden („Gerade jetzt reicht das Geld nicht, dabei habe ich nie soviel ausgegeben.“).
  2. „Reiche“ Charaktere bekommen eine Geldquelle zugesprochen (im Myranor-Regelwerk als Vorteil Apanage in ähnlicher Form erwerbbar, vergleichbar bei DSA5 als Vorteil Einkommen) für die Diskussion hier nun quasi Folge eines hohen Sozialstatus). Zum Beispiel könnte ein reicher Charakter jeden Monat 50 Goldstücke von seiner Familie erhalten, um seinen Lebensstandard zu finanzieren. Es scheint mir plausibel, dass Charaktere mit einem gewissen sozialen Stand Zugriff auf einen Vermögensstock haben. Hierdurch gibt es auch keine indirekte und intransparente Schattenbuchhaltung. Zudem mag ein drohender Wegfall der Geldquelle (wie kriegerische Aktivitäten in der Heimat des Charakters), Anknüpfungspunkt für Abenteuer sein.

    Im Einzelfall könnte überlegt werden, wie dieses Geld zum Charakter gelangt (falls es kein Bankwesen gibt). Zudem klappt die Idee vor allem bei Charakteren, die ihre Privilegien durch Geburt erlangt haben. Für Charaktere, die durch ihre Ausbildung Spezialisten geworden sind (die also aus ökonomischen Gründen eine höhere Bezahlung erhalten), muss oft noch eine Brücke geschlagen werden, woher das Geld innerweltlich kommt. Denkbar könnten aber Lizenzerträge für Forschungsergebnisse sein. Meiner Erfahrung nach besteht realiter das Problem der „gerechten“ Entlohnung aber eher bei Charakteren, die durch ihre Familie privilegiert sind (wie Adlige), weniger für solche, die durch ihre Fähigkeiten privilegiert sind.

Ad 2)

Die mögliche Schwierigkeit, dass Spieler der privilegierten Charaktere, deren Privilegien bei der Entlohnung auch dann voll einfordern, wenn die Charaktere einander gut kennen und aufeinander angewiesen sind, ist meines Erachtens durch Rollenspiel zu lösen. So könnten die anderen Charaktere den auf sich bedachten Charakter zur Rede stellen oder, im Extremfall, auch verlassen. Hier hilft es sich vielleicht zu fragen, warum ein Charakter ursprünglich die Heimat verlassen hat. Diese Gründe könnten innerweltlich der Grund sein, sich von der Gruppe zu trennen. Idealerweise bleibt freilich der nur auf sich bedachte Charakter zurück.

Eng mit dem hier skizzierten Problem, gerade im letztgeannten Punkt der Werte innerhalb der Gruppe, steht die Frage nach der Gültigkeit von Werten im Allgemeinen: Akzeptiert ein Charakter oder auch ein Spieler Zustände in der Spielwelt, die aus Sicht der Realwelt inakzeptabel sind? Zum Beispiel ist die Realwelt in Europa stark durch demokratische Prozesse gekennzeichnet – im Fantasy-Rollenspiel sind oft Monarchien vorherrschend; bei Warhammer 40k sogar eine Diktatur. Realweltlich gilt in Europa die rechtliche Gleichheit aller Menschen. In der Rollenspielwelt mag Sklaverei oder Leibeigentum Usus sein.

Zum Umgang damit mit solchen Werten der Spieler im Rollenspiel mit den Charakteren werde ich mich demnächst äußern.

Änderung am 9. April 2023: DSA 5-Vorteil „Einkommen“ nach Hinweis ergänzt.