Bild des Monats

Tabletop mit unbemalten Figuren oder mit „Proxies“

In meinem Umfeld ist es eher unüblich mit unbemalten Figuren oder Proxies zu spielen– aber natürlich kenne ich dennoch viele solcher Fälle. In der guten alten Demonworld-Zeit kannte ich einen Spieler, der Orks spielte und vorzugsweise Bogenschützen aufstellte. Allerdings hatte er diese Figuren nicht, dafür aber mehrere Einheiten Oger. Also nahm er die Oger-Figuren als Proxy für die Bogenschützen. Die Oger waren obendrein nicht bemalt – nicht mal grundiert. Insgesamt war die Darstellung der Bogeschützen daher, für meine Begriffe, bescheiden.

Jahre später begann ich mit Warmahordes. Hier hatten wir einen Retribution-Spieler, der stets unbemalte (und ebenfalls auch nicht grundierte) Figuren verwendete. Das wurde zumindest von mir kritisiert, da mir sonst bekannte Spieler den Anspruch hatten (beziehungsweise entwickelt hatten), stets bemalt und ohne Proxies zu spielen (die Figuren sind zumindest „Battle Ready“, was oft heißt, dass sie grundiert sind und mit mindestens drei Farben bemalt wurden).

Auch aktuell haben wir einen Spieler in unserer Warmahordes-Gruppe, dessen Figuren aktuell noch nicht bemalt und nicht grundiert sind. Er ist damit aber der Einzige – alle anderen haben Figuren, die mindestens „Battle Ready“ sind. Bei unserem letzten Spieletag schlug ein potentieller neuer Spieler scherzhaft vor, dass nicht-bemalte Figuren minus 4 auf ihen Angriffswurf erhalten sollten.

Im Grunde sind die Argumente weithin bekannt: Nicht jeder mag alle Figuren kaufen – gerade beim Ausprobieren neuer Modelle. Und nicht jeder findet die Zeit zum Bemalen. Gerade wenn man anfängt, kann das Bemalen, je nach System, in der Tat sehr schnell überhandnehmen. Und wieder andere wollen einfach nicht bemalen – schon gar nicht mehrfach die gleiche Figur.

Demgegenüber steht ein möglicherweise schöneres Spielerlebnis, welches durch bemalte Nicht-Proxy-Figuren oder auch dreidimensionales Gelände entstehen könnte. Fraglich könnte sein, ob dieser Aspekt überhaupt (zwingend) dem Tabletop-Hobby immanent ist. Der vorgenannte Retribution-Spieler war der Meinung, mann könne auch mit beschrifteten Pappscheiben in Größe der jeweiligen Figurenbasis spielen. Es gäbe mithin für Figuren eigentlich keinen Grund.

Also gut. Folgende Fragestellungen könnten beleuchtet werden:

1. Gibt es spieltechnische Gründe, mit Figuren zu spielen?

Ich ziele hiermit auf den (insofern extremen) Gedanken des Retribution-Spielers ab, man könne auch beschriftete Pappscheiben statt Miniaturen verwenden. Dies stimmt nach meinem Dafürhalten nur auf den ersten Blick: Die Unterscheidung von Figuren ist häufig aus spieltechnischen Gründen erstrebenswert – man weiß, was man vor sich hat. Bei Pappscheiben ist die Unterscheidung deutlich schwieriger und Verwechselungen wahrscheinlich. Hierdurch kann man sich in der unangenehmen Situation wiederfinden, dass ein Spieler aufgrund einer solchen Verwechslung die „Rückabwicklung“ eines Zuges fordert. Das wäre unschön.

In ähnlicher Weise finde ich auch die Unterscheidbarkeit von nicht bemalten Figuren oft problematisch. Falls ergänzend auch noch Proxies verwendet werden, kann sogar ein falscher (unterbewusster) Eindruck erzeugt werden – man denke nur an die Bogenschützen, die durch (viel größere) Oger-Figuren dargestellt wurden. Als ich mal eine Figur vergessen hatte, nahm ich als Proxy eine andere. Mein Mitspieler (und auch ich) ordneten diese Figur immer wieder falsch ein und mussten uns ins wiederholt Gedächnis rufen, was sie eigentlich darstellen soll.

Im Extremfall kann es daher mühsam sei, sich zu merken, welche Figuren spieltechnisch (und nicht tatsächlich) vorhanden sind.

Darüber hinaus spielt die Dimensionierung der Figur aber oft keine Rolle. Bei Warmahordes ist die spielrelevante Größe der Miniaturen fast ausnahmslos in Abhängigkeit der Größe der Basis vorgegeben – unabhängig davon, wie groß die Miniatur physikalisch ist. Bei Demonworld ist die Größe auf der Einheitenkarte notiert und orientiert sich an grundsätzlichen Festlegungen, wie groß beispielsweise ein berittener Mensch ist.

Daher kommt der Gestaltung der Figur regeltechnisch hier keine Bedeutung zu. Insofern sind Pappscheiben oder Proxies genauso gut wie bemalte oder unbemalte Figuren.

Bei Warhammer Fantasy und 40k ist es offenbar anders: Hier haben die Abmessungen der tatsächlichen Miniatur (aber, wenn ich es richtig verstehe, ohne Arme und Waffen) Einfluss auf die regeltechnische Deckung. Daher wären hier Proxies in anderer Größe potentiell schädlich für die Spielbalance.

Im Einzelfall können Pappmarker aber auch einen spieltechnischen Vorteil haben: Manche Modelle ragen weit über die Basis hinaus. Sollen solche Modelle nebeneinander stehen verhaken sich diese möglicherweise – oder ist realiter gar nicht möglich, diese direkt nebeneinander zu platzieren – obgleich dies regeltechnisch möglich sein sollte. Pappscheiben haben dieses Problem nicht.

Dennoch bin ich der Meinung, dass im Ergebnis die Verwechslungsgefahr als Argument schwerer wiegt. Falls ein Spieler ohne Proxies nur bemalte Figuren aufstellt und der andere Spieler unbemalte Figuren oder sogar Proxies verwendet, kann dies im Extremfall sogar für den Spieler mit bemalter, nicht Proxy-Armee ein spieltechnischer Nachteil sein. Dieses Problem besteht nur dann nicht, wenn die Proxies sehr ähnlich dem Aussehen und die Größe der Ursprungsminiatur haben.

Aber auch beidseitig nicht bemalte (und insofern „fair“ bemalte) Figuren können die Spielmechanik beeinträchtigen: Sind beide Armeen im selben Zustand der Nicht-Bemalung, kann man die Figuren möglicherweise nicht mehr einer Partei zuordnen.

2. Welches Gewicht ist dem Argument einzuräumen, bemalte Nicht-Proxy-Figuren verschlechtern das Spielerlebnis?

Diese Frage ist nur subjektiv zu beantworten. Grundsätzlich fällt mir aber bei der Besprechung aller Tabletop-Systeme auf, dass die Gestaltung der Figuren eine große Rolle spielt. Und neue Systeme oder Editionen werden an dem Design ihrer Miniaturen gemessen, so dass dieses für den wirtschaftlichen Erfolg eine Rolle spielt. Daher meine ich, dass der typisierte Spieler dem Aussehen der Figuren eine zumindest gewisse Wichtigkeit beimisst.

Auch Neueinsteiger werden oft durch schöne Szenen „geködert“. Dies umfasst jedoch nicht nur bemalte und originale Figuren, sondern auch ein ansprechendes Spielfeld. Daher scheint mir im Ergebnis, dass das Spielerlebnis des Durchschnittsspielers tatsächlich durch nicht bemalte Figuren, oder auch durch Proxies, vermindert sein dürfte.

3. Welcher Standpunkt wird in offiziellen Publikationen vertreten?

Ich stütze mich hier vornehmlich auf Warmahordes, da ich hier Wissen mitbringe und zudem überhaupt Regelungen enthalten sind. Dort finden sich im Steamroller-Regelwerk 2021 folgende Hinweise:

„Privateer Press encourages players to have a fully painted force on the table. Games with painted armies are more interesting to watch and generally enhance the experience for all. Although painting is not required, players are encouraged to show off all aspects of the hobby.“ (S. 2)

Und es werden folgende Regelungen für Veranstaltungen festgelegt:

BASELINE – Painted armies are not required.

Basic Painting Required – All models must be primed and basecoated. Players must present the intended final color scheme on all parts of the model. Bases can be unfinished.

Advanced Painting Required – All models must be completely painted and based. This means that every model must be painted with a reasonable diversity of color and that individual elements of the miniature must be distinguishable by color, shading, and highlighting. For instance, flesh must be a different color than hair or clothing, and metal must be a different color than leather. Bases must be finished with sand or flock or otherwise modeled and painted. Whether a model is completely painted and based is the decision of the EO [Hinweis – dies meint: Event Organizer]. As a general rule, if a player feels the need to justify why a model is acceptable, it probably isn’t.“ (S. 12)

Bezüglich Proxies ist Privateer Press eindeutiger:

„All models used in Privateer Press organized play events must be Privateer Press models from the WARMACHINE or HORDES lines. Each model must be fully assembled and mounted on a round-lipped base of the size specified on its stat card. The use of non–Privateer Press models, unassembled models, or inappropriately based models is not permitted.“ (S. 2)

Es wird also deutlich, dass das Spielen mit bemalten Modellen vorziehswürdig ist, aber aus Sicht des Herstellers, nicht per se, erforderlich. Allerdings wird dem Organisator das „Recht“ eingeräumt, höhere Standards zu verlangen.

Und hiervon wird teilweise auch Gebrauch gemacht: Auf der Tabletop-„Weltmeisterschaft“, der WTC, sind nur bemalte Armeen (und keine Proxies) zugelassen. Man muss aber ehrlicherweise sagen: Realiter wird sonst viel mit unbemalten Figuren gespielt.

Meines Wissens gab es bis circa 2004 bei Warhammer Fantasy und 40k einen „Bemalzwang“, da die Grand Tournament Rules und die „Hausordnung“ der Games Workshop-Läden nicht bemalte Figuren nicht zuließen. Letzteres wurde meines Wissens aber circa 2004 geändert.

Warhammer World schreibt jedoch (auch heute noch) bemalte, nicht „geproxyte“ Figuren auf Games Workshop-Veranstaltungen vor:

  • Each model must be Citadel or Forgeworld miniatures
  • Each miniature must be fully assembled
  • Each miniature must be painted to a minimum battle ready standard (including bases)
  • Each miniature must accurately represent its entry on your army roster

Dass Privateer Press Proxies oder Warhammer World nicht offizielle Figuren verbieten möchten, ist rein durch kommerzielle Interessen getrieben und daher hier unerheblich. De facto kann zudem der Organisator oder der Mitspieler auch Proxies zulassen – und dies geschieht auch regelmäßig. Ich wurde schon oft gefragt, ob man eine Figur oder Einheit, die ähnlich zu der gewünschten aussieht, verwenden darf. Pflichtschuldig stimmte ich immer zu.

Auch der „Wunsch“, möglichst bemalte Figuren zu verwenden, dürfte kommerziellen Interessen geschuldet sein: Wenn man davon ausgeht, dass Bemalung das Spiel attraktiver macht, ist es nur naheliegend, dass der Hersteller ein möglichst gutes Marketing auf diese Weise erzielen möchte. Dem gegenüber steht, dass ein „Bemalzwang“ die Einstiegshürde höher setzt und Kunden erst gar nicht gewonnen werden können. Die Änderung bei Games Workshop Anfang der 2000er-Jahre läßt vermuten, dass dieser zweite Aspekt überwiegt. Die Wertung gerade aktiver Spieler kann davon abweichen.

Einschätzung

In der Gesamtschau komme ich daher zum Ergebnis, dass bemalte, Nicht-Proxy-Figuren zumindest sehr wünschenswert sind. Dies dürfte das Spielerlebnis verbessern, zumindest zunächt für Neueinsteiger attraktiver machen und das Spiel fairer machen. Damit stellt sich die Frage, wie man dieses (hehre) Ziel erreicht.

Zu Frage der Bemalung

Die Argumente wider der Bemalung einer Armee sind weiter präsent. Dennoch: Überhaupt bemalte Figuren sind oft ausreichend. Die Miniaturen müssen daher nicht aussehen wie im Tabletop-Katalog. Die Ansprüche an die Bemalung sind also grundsätzlich niedrig anzusetzen. Und mittlerweile gibt es zahlreiche Techniken (jüngst sog. Speed Paints), schnell ein akzeptables Ergebnis zu erzielen.

Sowohl mangelnde Zeit als auch Bemalfreude lässt sich zudem grundsätzlich mit einem Bemalservice lösen. Ich habe hiervor ausgiebig Gebrauch gemacht; ich male, insbesondere aus Zeitgründen, nur noch vereinzelt Figuren selbst an. Die meisten meiner fremd bemalten Figuren wurden vom Phantasos Studio bemalt; vereinzelt aber auch vom Flügelschlag Studio oder von Fane of Illusion.

Ich komme aber nicht umhin, zuzugeben, dass dies teuer werden kann. Die Kosten hängen jedoch von der gewünschten Qualität ab – und hier muss keineswegs ein besonders hoher Standard angestrebt werden. Dennoch mag diese Lösung nicht nur eine Frage des Wollens, sondern auch des Könnens sein.

Eher anekdotischen Charakter hat, dass ein früherer Mitspieler einer DSA-Runde, der mehrfacher Warhammer 40k-Weltmeister war, seine (zahlreichen) Armeen von seiner jeweiligen Freundin bemalen ließ. Auch das ist natürlich denkbar – aber wohl nicht in allen Fällen umsetzbar.

Ein alternativer Ansatz besteht im Erwerb gebrauchter aber bemalter Armeen. Für Warmahordes gibt es, bedingt durch den Editionswechsel, da gerade einige gute Angebote. Für die Games Workshop-Systeme gibt es grundsätzlich immer wieder Angebote. Häufig sind bemalte Figuren sogar günstiger, als unbemalte.

Im Übrigen werden für viele heutige Systeme nicht viele Figuren benötigt. Das relativert das Problem der Bemalung – sei es gemessen in Zeit, Bemalfreude oder Geld. Und für andere Systeme kann man sich oft auf auf kleinere Listen (bei Warmahordes MK3 sog. Theme Forces) fokussieren.

Zu den Proxies

Mir fallen nur wenige Argumente ein, warum man (nicht sehr ähnliche) Proxies nutzen sollte. Wenn man man ein Modell ausprobieren möchte oder dieses zu Hause vergessen hat, leuchtet mir die Verwendung eines Proxies ein. Sonst aber scheint mir die Verwendung von Proxies ganz überwiegend nachteilig.

Zu beachten ist jedoch, dass ich hiermit nicht alternative Figuren meine, welche die orignären Figuren gut darstellen. Ich kenne jemanden, der Probleme hatte, offizielle Warmahordes-Figuren zu bekommen – und sich daher kurzerhand selbst Figuren gebastelt hat. Ziemlich gute sogar, die von den offiziellen Miniaturen kaum unterscheidbar waren. Auch die Verwendung ähnlicher Miniaturen alternativer Hersteller wird durch meine vorstehenden Argumente nicht berührt (rechtliche Aspekte könnten dies aber): Wenn die regeltechnische Miniatur klar durch die verwendete Miniatur erkennbar ist, besteht keine Verwechslungsgefahr. Diese Art von „passenden“ Proxies ist für mich unproblematisch. Die Anforderungen, damit ein Proxy passend ist, sind aber recht hoch für mich.

Eine Einschränkung zur Wahrung der Zugänglichkeit

Um die Einstiegshürden für Neueinsteiger niedrig zu halten, möchte ich Anfänger (oder solche, die gerade eine neue Armee anfangen oder eine Figur ausprobieren möchten), von den vorstehenden Vorschlägen ausnehmen. In solchen Fällen finde ich auch unbemalte Figuren in Ordnung oder auch die Verwendung unpassender Proxies. Falls der Neueinsteiger aber bei dem System bleiben möchte, fände ich es jedoch schön, wenn er schließlich eine bemalte Nicht-Proxy-Armee zum Spielen verwendet.