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Monthly Archives: Dezember 2022

Die Idee des Co-Spielleiters (mit Stellenanzeige!)

In einem anderen Beitrag wies ich auf die Mühen hin, die (nur) der Spielleiter hat. Ein Ansatz, diese zu mindern, ist der Co-Spielleiter.

Wir hatten ein solches Spielleitergespann für einige Jahre im Einsatz. Der „Haupt-Spielleiter“ wurde durch einen Co-Spielleiter unterstützt. Vorab mussten die beiden sich freilich abstimmen, was zusätzlichen Zeit- und Organisationsaufwand mit sich brachte. Demgegenüber standen aber Vorteile beim Spieltermin:

  1. Szenen im Abenteuer konnten aufgeteilt werden.
  2. Bei Kämpfen konnten zahlreiche Aufgaben zwischen beiden geteilt und die Kämpfer hierdurch beschleunigt werden.
  3. Bei einem Gespräch mit mehreren Nichtspielercharakteren konnten diese auf die Spielleiter aufgeteilt werden – ein unschätzbarer Vorteil!
  4. Man konnte, im Falle einer getrennten Gruppe, beide Gruppenteile simultan betreuen.
  5. Falls ein Charakter gerade im Mittelpunkt stand, konnten die anderen durch den Co-Spielleiter dennoch eine kleine Szene erleben.
  6. Sofern erforderlich, konnte ein Spielleiter eine Regel nachschlagen, ohne das das Spiel ausgebremst wurde.

Diese Vorteile sind für meine Begriffe erheblich.

Gleichwohl habe ich ein Störgefühl dahingehend, dass, gerade bei komplexen Plots, der Abstimmungsaufwand recht groß sein kann. Der vermeintliche weitere (offensichtliche) Vorteil, dass der Plot gemeinsam ersonnen werden kann, könnte im Falle unterschiedlicherer Präferenzen eingeschränkt sein.

Ein weiterer Vorteil, nämlich dass auch bei Abwesenheit eines Spielleiters ein Spieltermin dennoch stattfinden kann, könnte durch eine geringe Verbindlichkeit zu einer Last werden, wenn ein Spielleiter schlicht oft fehlt. Dies geschah übrigens bei uns, so dass der Co-Spielleiter mehr oder weniger Haupt-Spielleiter wurde.

Dennoch bin ich mit etwas Abstand zu dem Ergebnis gekommen, dass ich das Konzept klasse finde. Ich möchte es daher einfach ausprobieren. Daher die folgende (nur halb scherzhafte)

Stellenanzeige für Co-Spielleiter (m/w/d)

Anforderungen:

  • Spaß an Fantasy-Rollenspielen, vor allem DSA
  • Anpassungsfähigkeit – an neue Situationen und Rollen
  • Zumindest grundlegende Kenntnisse der DSA-Welt (primär Aventurien) und der Regeln in der Version 4.1
  • Freude an einem Rollenspiel, das im besten Fall Emotionen auslöst
  • Akzeptanz, oder besser noch: Teilen, meiner Spielphilosphie
  • Wohnsitz im Großraum München

Ich biete:

  • Frei Entscheidung, welche Teile der Spielleitung übernehmen werden
  • Aktuell drei Gruppen – für jedes Erfahrungslevel ist was dabei
  • Tolle Spieler
  • Komplexe Plots mit einer Vielzahl von Handlungssträngen
  • Im Falle von Präsenzterminen einen großartige Darstellung von Kämpfen mit zahlreichen bemalten Zinnfiguren und Gelände
  • Zugriff auf eine umfassende DSA-Bibliothek
  • Erinnerungen für die Ewigkeit

Bei Interesse gerne melden!

Spielphilosphie – ein Selbstporträt

Vor einigen Wochen diskutierte ich mit einigen Freunden lustig die halbe Nacht über diverse Nerd-Themen. Hierbei hingen wir recht lange bei Rollenspiel-Theorie fest und ich erfuhr einiges über mich als Spielertyp, was mir in dieser Deutlichkeit bislang nicht klar war. Da diese Einstellungen meine Wertungen hier maßgeblich beeinflussen gebe ich dieses „Selbstporträt“ im Folgenden wieder. Es wird also subjektiv und oberlehrerhaft. Das Folgende bezieht sich zudem ausdrücklich auf das Pen & Paper-Rollenspiel, nur im weiteren Sinne auf LARP und gar nicht auf Tabletop.

Wir griffen bei unserem Austausch auf die Unterscheidung in einen gameistischen, narrativen und simulationistischen Spielstil zurück. Ohne hierbei ins Detail zu gehen – das wurde im Internet schon ausufernd getan – hier nur eine schlagwortartige Beschreibung:

  1. Gamestischer Spielstil legt Wert auf Fairness. Alle Spielern soll also durch das Spielsystem gleichwertige Möglichkeiten eingeräumt werden. Dies bezieht sich mitunter auch auf den Einbezug anderer Charaktere in die Handlung. Mir wurde zudem zugetragen, dass auch im Verhältnis Spielleiter-Spieler Ausgewogenheit herrschen sollte. Teilweise wird auch ein Spielziel als gamestischer Aspekt angefügt. Insgesamt sind die Anforderungen nahe denen, die man an ein typisches Brettspiel stellt.
  2. Der narrativistische Spielstil möchte die Geschichte in den Vordergrund rücken. Diese soll funktionieren. Konsistenz oder Entscheidungsfreiheit sind diesem unterzuordnen. Ein wenig erinnert mich dies an ein Theaterstück, dass wohl die größtmögliche Ausprägung in dieser Weise darstellt. Hier wird praktisch „nur“ die Geschichte rezipiert. Ich habe eine Freundin, die aus dem Theater kommt und nun LARPs veranstaltet – und ihre narrativistische Sichtweise ist unverkennbar.
  3. Beim simulationistischen Spielstil wird versucht, die Spielwelt möglichst schlüssig und „realistisch“ zu gestalten. Mit dem Realismus ist das so eine Sache. Einer meiner Mitspieler sage hierzu: „Realismus ist halt die einfachste Methode zumindest die Illusion von Konsistenz zu haben, da wir einfach nur aus dem echten Leben interpretieren und -polieren, und keine komplexen eigenen Mechanismen erfinden muss.“ Dies im Blick soll Realismus im Folgenden eher im Sinne von Konsistenz oder Schlüssigkeit verstanden werden – wobei ich denke, dass realweltliche Maßstäbe für diese Einwertung Pate stehen.

Ich wusste, dass ich vor allem Simulationist bin. Wie sehr dies jedoch richtig ist, wurde mir erst in diesem Gespräch klar.

Wie ist meine Entwicklung zu einem Vertreter dieses Spielstils zu erklären? Mich fasziniert beim Rollenspiel vor allem die Unendlichkeit der Möglichkeiten. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich beim DSA-Videospiel „Schatten über Riva“ nicht in den Magierturm kam, weil man hierzu einen Schlüssel (oder etwas Vergleichbares) benötigte. Das Spiel bot jedoch nicht die Möglichkeit an, einfach durch das Fenster rechts oberhalb der Türe in den Turm einzusteigen. Das war für mich ein Beleg, dass das Videospiel „unrealistisch“ und Pen & Paper-Rollenspiel viel besser ist: Den dort hätte man mir die Idee nicht so einfach verwehren können.

Im Grunde stelle ich an alle Rollenspiele die Erwartungshaltung, dass sie als Startpunkt eine realweltliche Epoche haben, und diese dann um Aspekte erweitern, welche die Spielwelt ausmachen (geographische Gegebenheiten außen vor gelassen).

In diesem Sinne ist Fantasy für mich in etwa „Mittelalter + Magie + Fabelwesen“. Folglich kann ich mit einem System, dass vereinfachend festlegt, dass ein Magier-Spielercharakter zum Beispiel keinen Zweihänder tragen kann (D&D), nichts anfangen. Denn, realiter, konnte mit Sicherheit jeder Mensch, unabhängig von der Profession, im Mittelalter dem Grunde nach einen Zweihänder führen – wenn auch nicht notwendigerweise gut.

Daher folgend meine Einstellung zum…

1. Narrativismus

Narrativistische Systeme legen aus meiner Sicht häufig zahlreiche unzulässige Beschränkungen auf. So versuchen narrativistische Systeme durch Abstraktion der Regeln diese in den Hintergrund zu drängen um der vorgesehenen Geschichte mehr Raum einzuräumen. In ähnlicher Weise (oder daher) werden die Handlungsmöglichkeiten der Spielercharaktere beschränkt – auch hier vor dem Hintergrund, dass die Geschichte „ungestörter“ ablaufen kann. Typischen Beispiele sind Systeme, die zum Beispiel eine bestimmte Handlung nur ermöglichen, wenn abstrakte Ressourcen dafür vorhanden sind. So könnte eine Behandlung im Krankenhaus die Ressource „Einfluss“ erfordern – egal, ob man die Ärzte besticht oder erpresst oder sogar selbst Arzt ist (Fragged Empire).

Mit Blick auf das obenstehende sollte klar sein, dass ich hierfür wenig übrig habe. Gleichwohl hat der Gedanke des Narrativismus als Spielleiter einen Platz bei mir: Bevor eine Tatsache in der Spielwelt verankert wird, überlege mich mir, ob diese der Geschichte hilft. So erwarte ich, dass die Spieler Charaktere erschaffen, die grundsätzlich in die Handlung passen, diese bereichern – oder zumindest nicht stören. Dies kann sich auf die geographische Herkunft der Charaktere beziehen, aber auch auf deren Einstellung. Auch erwarte ich, dass nur Charaktere erschaffen werden, die eine grundsätzliche Motivation oder zumindest Motivationspotential mitbringen, um an einer Kampagne mitzuwirken.

Sobald ein Charakter aber die „Eignungsprüfung“ bestanden hat, gibt es meinerseits keine Einschränkungen mehr, was der Charakter „tun darf“.

In ähnlicher Weise weiche ich von meinen vorherigen Überlegungen, wie eine bestimmte Gegebenheit in der Spielwelt gestaltet ist, ab, wenn es der Geschichte dienlich ist sowie sonst nicht schädlich – und hier noch keine Festlegung getroffen wurde. War beispielsweise mein eigentlicher Plan, dass die Charaktere eine wichtige Person an Ort A suchen, diese von mir aber an Ort B vorgesehen war, so verschiebe ich sie geschwind an Ort A, wenn dies hilfreich ist – aber nur, wenn keiner weiß, dass sie eigentlich an Ort B sein sollte. Die Spieler merken daher von diesem narrativistischen Eingriff nichts; in der Außenwahrnehmung ist die Welt also konsistent.

Ein weiterer narrativistisch geprägter Aspekt ist, dass ich es bevorzuge, wenn die Charaktere Probleme selbst lösen und nicht zum Beispiel Söldner anheuern. In praxi ist das oft kein Thema, weil die Spieler schließlich die Abenteuer selbst erleben wollen. Falls das im Einzelfall gleichwohl ein Problem ist, sollte sich das Anheuern von Mietlingen nicht per se lohnen: Wäre dem so, wäre der Markt in der Spielwelt „unvollkommen“ – die Spielercharaktere würden besser Konditionen bei Nichtspielercharakteren vorfinden als die Nichtspielercharaktere bei den Spielercharakteren. Das sollte, wenn auch aus simulationistischen Gründen, nicht der Fall sein.

Dem steht übrigens nicht entgegen, wenn Charaktere NSC-Begleiter haben wie Lehrlinge, Leibwächter oder -diener.

2. Gamismus

Gamismus in Sinne von Fairness zwischen den Spielern spielt bei mir eine deutlich untergeordnete Rolle. Da ich beobachten kann, dass reale Menschen unterschiedliche Erfahrungsniveaus haben können, erscheint es mir schlüssig, dass dies auch in der Spielwelt möglich ist. Daher haben Charaktere in meinem Spielrunden sehr häufig unterschiedliche Erfahrungsniveaus. Es ist mir auch ziemlich egal, wenn einzelne Charaktere zur Geschichte nichts beitragen können – solange dies ein temporärer Effekt ist: Wie oben geschildert, überlege ich mir ex ante, ob Charaktere überhaupt Raum in der Kampagne finden. Als „Ausgleich“ achte ich mittel- bis langfristig auf ausgewogene Partizipationsmöglichkeiten.

Hierbei achte ich als Spielleiter auch, gewissermaßen ebenfalls in gameistischer Tradition durchaus darauf, dass die Herausforderungen angemessen für die Charaktere sind. Bedingt durch den, insofern narrativistisch geprägte, „Zulassungsprozess“ der Charaktere, ist dies in praxi nur sehr selten ein Problem.

Es ist auch keineswegs so, dass bei mir als Spielleiter alle Spieler gleich viele Erfahrungspunkte erhalten. Sollte ein Charakter während eines Spielabends, verschuldet oder nicht, nicht an dem Abenteuer teilnehmen, so kann dieser Charakter bei mir weniger Erfahrungspunkte erhalten. In gleicher Weise gebe ich Charakteren, deren Spieler nicht zugegen sind, in der Regel nur 66% der Erfahrungspunkte. Gleichwohl muss ich darauf hinweisen, dass ich de facto in der Regel durchaus gleich viele Erfahrungspunkte verteile – aber eben nicht immer.

Mir völlig unverständlich ist eine gameistische Regel bei DSA 5, dass ein im Spiel erlittener Nachteil (z.B. der Verlust einer Hand), dem betreffenden Charakter Erfahrungspunkte in der Höhe einbringen sollte, als ob er den Charakter bei der Erschaffung gewählt habe.

Ein möglicherweise als gameistisch zu betrachtender Aspekt, im Sinne der Spieler-Spielleiter-Fairness, ist jedoch, dass ich gerne auch die (anderen Spieler) entscheiden lasse, auf welche Charaktere zusätzliche Erfahrungspunkte verteilt werden sollten, weil ich denke, nicht davon ausgehen zu können, dass allein sachgerecht einordnen zu können.

Obgleich mir als Spielleiter natürlich daran gelegen ist, dass die Spieler den Plot verfolgen, so lasse ich es durchaus zu, dass dieser aus dem Augen verloren wird. Wenn ich merke, dass die Hinweise zum Plot hin nicht verfangen, dann gebe ich dieses „Spielziel“ eben auf – und es geschieht etwas anderes. Oder auch, zumindest für den Moment, nichts.

Mit Blick darauf, dass ich aber vorab darauf achte, dass die Charaktere Interesse an den großen Linien haben, kam dieses „Liegenlassen“ beim Hauptplot noch nicht vor. Nebenplots wurden jedoch schon häufiger außer Acht gelassen.

3. Simulationismus

Die vorstehenden Argumentationslinien verdeutlichen bereits mein simulationistisch geprägtes Denken.

Gleichwohl soll im Folgenden meine Sichtweise noch etwas weiter untermauert werden.

Zum einen finde ich es, wie dargestellt, sehr wichtig, dass das Potential des Rollenspiels voll ausgenutzt wird. Das bedeutet für mich, dass den Spielern keine Einschränkungen auferlegt werden, was ihre Charaktere versuchen können. Bei einem Fantasy-Rollenspiel muss zumindest alles möglich sein, weil auch im Mittelalter möglich war. Regelmechanismen die dies verhindern empfinde ich als unzulässig. Hieraus ist nicht zu schließen, dass diese Handlungen von Erfolg gekrönt sein müssen – ein Fehlschlag ist sogar sehr wahrscheinlich, wenn das Streben (zu) ambitioniert ist. Oder, anders gewendet: Dem Grunde nach darf alles versucht werden – dem Erfolge nach muss man sehen, was die Spielwelt dem entgegenstellt.

Zum anderen möchte ich, dass die Welt glaubhaft und konsistent ist. Das kann ich im Folgenden anhand einiger Beispiele verdeutlichen:

  • Für den unglücklichen Fall, dass ein Konvertierung des Charakters erforderlich sein sollte, verfolge ich grundsätzlich nicht den Ansatz die vorhandenen Erfahrungspunkte (meinetwegen auch nach Multiplikation mit einer Zahl), neu zu verteilen. Ich finde es vielmehr angemessen, im neuen Regelwerk die alten Fähigkeiten des Charakters möglichst nachzuzeichnen und dann Erfahrungspunkte in einer Höhe zu vergeben, dass dieses Ziel genau erreicht wird.
  • In ähnlicher Weise bin ich der Meinung, dass eine Weiterbildung (z.B. ein Zweitstudium für Magier bei DSA) keine Erfahrungspunkte kostet, sondern Erfahrungspunkte bringt. Realiter ist es auch so, dass zum Besuch der Schule oder Universität nicht erst einige Jahre irdisches „Abenteuerleben“ erforderlich ist. Ich plädiere daher für die Vergabe von Erfahrungspunkten für ein Studium in der Höhe, dass dieses genau „bezahlt“ werden kann.
  • Einmal erreichte Setzungen will ich unverändert wissen. Das gilt zum einen für Aspekte, die ich selbst vornehme (Nichtspielercharakter X ist an Ort A wohnhaft – nicht an Ort B; siehe oben) als auch von solchen Setzungen, die durch die Rollenspielproduzenten vorgenommen werden: (Auch) aus diesem Grund bin ich in der Regel auch gegen neue Editionen eines Regelwerks, da diese Setzung häufig missachtet wird. Aus meiner Sicht ist eine neue Regeledition schlicht nicht ermächtigt, Eingriffe in die Spielwelt vorzunehmen. Dies darf nur im Rahmen der organischen Entwicklung innerhalb der Spielwelt selbst geschehen (so aber möglicherweise eine Änderung im Regelwerk begründen oder rechtfertigen). DSA 5 hat hierbei durch das (zwischenzeitliche) Weglassen des ikonischen Reversalis für mich den Erzfrevel begangen. Anders der Wechsel von DSA 3 zu 4: Das Ändern von Spezialgebieten zu Merkmalen hin wurde mit inneraventurischer Forschung begründet – und zudem konnte man sich nach beiden Regelwerkseditionen einen Charakter mit sehr vergleichbaren Fähigkeiten konstruieren.
  • Ich vertrete die Meinung, dass ein bestimmte Herausforderung „für sich“ besteht. Wie stark die Spieler sind, ist nebensächlich. Ein Gegner z.B. ist genauso stark, wie er ist. Wenn nur zwei Charaktere gegen ihn kämpfen würden, wäre mir das gleich. Bestünde die Gruppe nur aus Nicht-Kämpfern (und käme gleichwohl in Konflikt mit diesem Gegner), auch.
  • In meinen Runden starten die Spielabende genau dort, wo der letzte endete. Zeit- oder Raumsprünge finden nicht statt, nur weil das nächste Abenteuer woanders belegen ist. Es ist immer eine Begründung innerhalb der Spielwelt zu finden, warum die Charaktere nun woanders sind und zum Beispiel Reisezeit einzuplanen.
  • Bei Kaufsystemen bei der Charaktererschaffung kosten Stände wie „Adlig“ mitunter Erschaffungspunkte. Das erscheint mir höchst unplausibel. Dies bedeutet nämlich, dass, ceteris paribus, adlige Menschen im Schnitt schwächer/ weniger gebildet etc. sind. Mit Blick auf deren in der Regel bessere Ausbildung und bessere Ernährungsmöglichkeiten, finde ich dies höchst fraglich. Ich neige daher dazu, adligen Charakteren die Punkte zum Erwerb des Vorteils „zurückzugeben“.
  • Solchen Charaktere würde ich auch ohne Weiteres mit NSC-Begleitern ausstatten (siehe oben; gemeint sind zum Beispiel Diener, Leibwächter etc. – auch als Spielercharakter sind solche Rollen natürlich möglich).
  • Die Regelmechanismen müssen grundsätzlich geeignet sein, eine einigermaßen plausible Weltsimulation sicherzustellen. Dies bedeutet nicht nur, dass sie nichts verbieten. Es meint vielmehr auch, dass die Ergebnisse den Erwartungen entsprechen. Ein schönes Beispiel, wo dies nicht erfolgt, ist D&D. Dort wird nur mit einem W20 gewürfelt. Die Standardabweichung ist sehr hoch, gleichzeitig sind alle Ergebnisse (1-20) gleichverteilt. Die Chance eine Probe nicht zu schaffen, ist damit, auch bei hohen Werten, recht hoch. Das entspricht jedoch nicht der Lebenserfahrung – erfahrungsgemäß gelingen erfahrenen Menschen übliche Tätigkeiten recht sicher. D&D hat damit einen unplausiblen Regelmechanismus.
  • In ähnlicher Weise erwarte ich auch, dass das Regelwerk die Spielwelt widerspiegelt. Dies erfolgt beispielsweise bei DSA 4.1 (möglicherweise auch bei 5, da bin ich mir nicht sicher) im folgenden Beispiel nur bedingt: Gemäß der Weltsetzung ist das Rufen von Dämonen mit großen Gefahren verbunden, verspricht aber auch große Macht. Entsprechend bedienen sich gerade mächtige Zauberer der Hilfe von Dämonen. So weit, so gut. Dummerweise ist jedoch das Rufen von Elementaren kaum schlechter (mit dem Ergänzungsband Elementare Gewalten bei DSA 4.1 vielleicht sogar besser). Da diese Spielart der Zauberei nicht mit Gefahren der Dämonologie einhergeht, ist die Regelsystematik hier missglückt. Unter diesen Umständen würde nämlich keiner Dämonen beschwören; das Rufen von Elementaren wäre dominant dazu.

Ich denke, das vorstehende macht meinen bevorzugten Spielstil deutlich. Ich kann mir gut vorstellen, dass dieser teilweise befremdlich wirken mag. Sei es drum: Ein Mitspieler sagte jüngst, dass Freunde langer Kampagnen oft Simulationisten seien. Ob das stimmt, weiß ich nicht. Aber falls ja, könnte ich beruhigt sein: Die meisten meiner Mitspieler schätzen lange Kampagnen.

Die Anforderungen an die Darstellung im LARP – bei Magie und sonst

Die LARP-Szene hat sich, seit dem es LARP gibt, vor allem (aber nicht nur), bei den Kostümen erheblich weiterentwickelt. Während in den Anfangstagen ein grauer Pulli ein Kettenhemd oder ein Bademantel eine Magierrobe darstellte, ist dies heute undenkbar. Es ist daher naheliegend, dass höhere Ansprüche auch sonst um sich griffen: Waffen sehen mittlerweile viel besser aus, es gibt mitunter schöne Dungeons, Iglo-Zelte sind zunehmend verpönt und dergleichen mehr. Wenig verwunderlich betrifft das auch die Darstellung von Magie im LARP. Aber so einfach ist die Sache nicht.

Im Grunde herrscht bei LAPR das Postulat, dass alles gut dargestellt werden soll. Das macht freilich Sinn. Diese Maxime geht soweit, dass klassische Regelwerke mittlerweile im weiten Teilen abgeschafft sind und häufig nach DKWDDK („Du kannst, was Du darstellen kannst“) oder sogar nach „DKWDK“ („Du kannst, was Du kannst“) gespielt wird. Weil DKWDK Magie de facto verbannt, ist das für die weitere Diskussion wenig hilfreich.

Aber auch DKWDDK kann als problematisch betrachtet werden. Da die Darstellung übernatürlicher Effekte naturgemäß schwierig ist, führte dieses „Regelwerk“ dazu, dass viele Zauber vom LARP verschwunden sind. Als Beispiel mag hier Unisichtbarkeit dienen. Während früher eine Faust auf der Schädeldecke üblich war, um Unsichtbarkeit anzuzeigen, ist dies heute kaum noch möglich. Auch Verwandlungszauber sind aus selbem Grunde seltener geworden. Teleportation und Zeitstopp ebenfalls.

Andererseits ist für andere Zauber die Darstellung in vielen Fällen seit Jahren unverändert. Kampfzauber werden unverändert über geworfene weiche Gegenstände simuliert. Für die Darstellung eines Windstoßes genügt in der Regel unverändert das Wedeln mit einem Fächer.

Die faktische Eliminierung schwer darzustellender Zauber resultiert in einen Trend in Richtung low fantasy. Das kann man begrüßen oder auch nicht.

Was mich stört ist, dass die Anforderungen an die Darstellung von Magie zwar dem allgemeinen Trend hin zu einer bessereren Darstellung entsprechen, jedoch mitunter inkonsistent sind. Dies soll anhand von Beispielen dargelegt werden:

  1. Der bereits dargelegten weggefallenen „Darstellungserlaubnis“ für Unsichtbarkeit steht entgegen, dass vor allem Nichtspielercharaktere sich weiterhin „outtime“ (das heißt, mit gekreuzten Armen laufend, was bedeutet, dass diese im Spiel nicht existieren) bewegen dürfen. Beides fordert exakt dieselbe Abstraktionsmühe von den Con-Teilnehmern. Dennoch ist Unsichtbarkeit unüblich und „Outtime“-Bewegungen allgegenwärtig. Man könnte jedoch einwenden, dass sich „outtime“ bewegende Nichtspielercharaktere für viele Handlungen zwingend sind, Unsichtbarkeit aber nur fallweise.
  2. Nur ist es so, dass keineswegs das Argument der zwingende Erfordernis im Allgemeinen sticht. Ich verweise auf das sog. Flatterband, ein in Brusthöhe gespanntes Seil, dass eine Palisade andeuten soll und die Vorstellungskraft damit arg strapaziert. Es wäre jedoch möglich, diese Palisade ohne Flatterband, nämlich in Form einer echten Palisade darzustellen.

Die Liste ließe sich erweitern. Der Zauber Zeitstopp ist oft ebenfalls nicht mehr vorhanden, den „Time Freeze“ der Spielleitung gibt es aber noch.

Ergänzend ist noch darauf zu verweisen, dass Nichtspielercharaktere häufig eine besonders schlechte Magie-Darstellung an den Tag legen. Oft wird sogar nur das Schlüsselwort gerufen – von einer Formel oder Komponenten ist nichts zu sehen. Gameistisch ist das unverständlich.

Ich würde mir daher etwas mehr Toleranz auch bei der Darstellung von Magie wünschen. Zumal, den obenstehenden Beispielen entgegenstehend, an anderer Stelle, die Möglichkeiten bei der Darstellung von Zauberei längst noch nicht ausgeschöpft sind. Hier könnte meines Erachtens angefangen werden:

  1. Softbälle, die magische Geschosse oder an einer Schnur über dem Kopf kreisend genutzt werden, um einen Schutz zu simbolisieren, könnten beleuchtet sein.
  2. Es gibt sogar kleine „Feuerballwerfer“, mit dem man, zur Darstellung von Kampfzaubern, kleine Flammenstöße ausstoßen kann.
  3. Magische Wälle können ebenfalls mit Leuchteffekten ausgestattet sein.
  4. Nebel hilft ebenfalls sehr bei der Darstellung von Zauberei.
  5. Bei Hellsichtmagie kann mit einem Laserpointer, der Muster wirft, die „magische“ Struktur dargestellt werden.
  6. In gleicher Weise kann Schwarzlicht vorher mit einem entsprechenden Stift angebrachte Runen sichtbar werden lassen.
  7. Gerade bei Ritualen bietet sich die Verwendung von Pyro-Effekten an. Damit wird der „magische“ Effekt deutlich plastischer. Ggf. ist auch Musikuntermalung klasse.

Unnötig zu erwähnen, dass ich all dies für meinen LARP-Magier habe und nutze. Für weitere Hinweise und Tipps bin ich aber sehr dankbar! Es ist sicherlich noch weit mehr möglich.

Die Erwartungshaltung ist jedoch schizophren: Solche realweltlich möglichen Verbesserungsmöglichkeiten bei der Darstellung werden nicht verlangt; man begnügt sich mit dem Bekannten – jedoch nur bei Spielercharakteren. Gleichwohl wird nicht mit Vehemenz die, gleichfalls realweltlich mögliche, Abschaffung beispielsweise des „Flatterbandes“ gefordert.

Demgegenüber wird die unmögliche Darstellung von beispielsweise Unsichtbarkeit verlangt – und aufgrund der faktischen Unmöglichkeit der Zauber verworfen. Dies gilt jedoch nur für Spielercharaktere – Nichtspielercharakteren oder der Spielleitung sieht man diese unvollkommene Darstellung nach.

Mein Appel: Alles (magisch oder nicht) sollte – freilich abhängig von Setting – grundsätzlich im Spiel möglich sein, erfordert aber das Maximum an Darstellung, das realweltlich denkbar ist.* Dies gilt für jeden Con-Teilnehmer.

*Ich weiß – hier könnte diskutiert werden, was „realtweltlich denkbar“ heißen mag. Ich bin der Meinung, dass die Untensilien zur Darstellung von einer Person ohne Weiteres am Körper getragen und genutzt werden können. Mir ist klar, dass eine andere Wertung möglich und legitim ist.

Geschlechterrollen (nicht nur) im Pen & Paper-Rollenspiel – im Spiel und am Spieltisch

Ich bin ja primär mit DSA „rollenspielsozialisiert“ – und da war Gleichberechtigung schon immer wichtig. Es gibt daher keine Boni oder Mali nach Geschlecht (man könnte ja annehmen, dass männliche Charaktere einen Bonus auf Körperkraft bekommen oder weibliche auf Intuition – all das gibt es aber nicht).

Nur in Einzelfällen gibt es eine Unterscheidung. Nur Frauen dürfen Amazonen sein. Und bis vor kurzem nur Männer (sofern sie Zwerge sind), Geoden. Geoden sind de facto Zwergen-Druiden.

Die Änderung bei den Geoden kam mit DSA 5. Vorher waren Geodinnen nicht möglich. Wer mich kennt, kennt meine Aversion gegen Änderungen in der Spielwelt – also finde ich auch diese Änderung schlecht. Zumal sie vermutlich rein realweltlich-politisch motiviert ist. Und das ist die schlechteste Ursache, die mir momentan einfällt. Zumal Amazonen weiter nur Frauen sein dürfen. Selbst wenn man der realweltlichen Logik folgen würde, wäre diese also inkonsequent umgesetzt. Gleichwohl kommt mir diese Inkonsequenz entgegen – sonst wäre ja noch etwas geändert worden.

Mit Blick darauf, dass die Zahl der Geoden schon gering war, ist die Änderung im Ergebnis wohl ohnehin für die allermeisten Spielgruppen egal.

Früher wurde diskutiert, ob es Ritterinnen geben sollte. Es wurde die Meinung vertreten, Ritter seien immer männlich – dafür seien Amazonen immer weiblich. Diese Argumentation hörte ich lange nicht mehr – und teile sie auch nicht, da ich mir Ritterinnen sehr gut vorstellen kann.

Neben dieser regeldogmatischen Betrachtungsweise gibt es eine Weitere. Ich frage mich als Spielleiter bei vielen Nichtspielercharakteren, was wäre, wenn diese das jeweils andere Geschlecht hätten. Häufig ändert sich hierdurch mein subjektiver Blick auf den Nichtspielercharakter. Das finde ich spannend (und vielleicht sagt es was über mein rückständiges Weltbild aus). Ich finde auch, dass man sich bei Nichtspielercharakteren immer die Frage stellen sollte, ob wie diese andersgeschlechtlich wirken würden. Als Beispiel könnte man Borbarad nehmen – den bösen Schwarzmagier-Antagonisten aus der 7G-DSA-Kampagne. Ich finde, wenn dieser weiblich gewesen wäre, hätte das der Kampagne einen anderen Spin gegeben. Man muss sich aber bewusst sein, dass eine solche Einschätzung vermutlich aufgrund eingefahrener Stereotypen erfolgt – obgleich diese im Rollenspiel, wo viel über Klischees zugänglich gemacht wird, kein Nachteil sein muss. Im Gegenteil: Diese Stereotypen sind oft Überbleibsel vergangener Zeiten – und gerade Fantasy-Rollenspiele sind in aller Regel mittelalterlich geprägt.

Bei der Wahl des Geschlechts von Spielercharakteren stellt sich schnell die Frage, ob X-Gender wünschenswert ist. Früher wurde das in vor allem einer meiner Runden abgelehnt. Mittlerweile wird dort X-Gender zugelassen. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass mittlerweile auch realweltlich, zumindest juristisch, das Geschlecht geändert werden kann, scheint es naheliegend, dass X-Gender im Rollenspiel allemal möglich sein sollte. Insbesondere auch deshalb, weil Spielleiter schon lange auch andersgeschlechtliche Charaktere darstellen.

Ich habe zum Beispiel eine Magierin (eine Chimärologin) als Spielercharakter, bei der ich bei der Erschaffung abwog, ob dieser Charakter nicht auch männlich funktionieren würde. Die Antwort, die ich mir gab, war ein klares Nein. Daher ist es eine Frau geworden.

In unserer Hexxen-Runde spielt eine Spielerin einen Mann (einen Priester). Auch sie schilderte, dass sie für sich zu dem Ergebnis kam, dass dieser für die Rolle einfach besser passe. Mit Blick darauf, dass Priesterinnen der katholischen Kirche bis zum heutigen Tage sehr selten sind, ist dies allein schon deshalb gut nachvollziehbar.

Dennoch gibt es in diesen Fällen recht oft Missverständnisse und der X-Gender-Charakter wird mituntern falsch angesprochen („ich gehe ‚ihr‘ hinterher“ anstelle von „ich gehe ‚ihm‘ hinterher“). Das kann man den anderen Mitspielern schwer verdenken. Ich glaube, vor allem die realweltlich weibliche oder männliche Stimme stört die Immersion, einen männlichen beziehungsweise weiblichen Charakter vor sich zu haben. Wie ich an anderer Stelle schrieb, ist die glaubhafte Darstellung der direkten Rede, der Kern der Darstellung eines Rollenspielcharakters überhaupt. Ich hörte, dass man lernen kann, seine Stimme ungezwungen höher oder tiefer klingen zu lassen – aber soweit bin ich noch nicht. Eine tolle Idee wären auch Geräte oder Software, welche die Stimme simultan verstellen – solche kenne ich aber nicht.

Neben dem, aus meiner Sicht maßgeblichem, „Stimmenproblem“, wird mitunter angeführt, dass man das jeweils andere Geschlecht per se nicht glaubhaft darstellen könne. Das sehe ich weniger. Ich weiß aber aus eigener Erfahrung, dass es Szenen geben kann (zum Beispiel mit amourösem Einschlag), bei denen man sich schwer tut, diese im anderen Geschlecht in der Ich-Perspektive darzustellen. Ich habe gute Erfahrungen gemacht, in solchen Fällen in die dritte Person zu wechseln. Hierdurch schafft man eine gewisse Distanz zum Charakter, die, obgleich sonst störend, hier hilfreich sein kann. Verlässt man die Welt des Pen & Paper-Rollenspiels und begibt sich in die Welt des LARP, wird die Darstellung eine X-Gender-Charakters deutlich schwieriger. Weil neben der Stimme die Erscheinung maßgeblich für die Charakterdarstellung ist, müsste diese andersgeschlechtlich gelingen. Das wird meist scheitern – und ist in den wenigen Fällen, die ich kenne, gescheitert. So wie ich zum X-Gender im Pen & Paper raten kann, so rate ich davon daher im LARP ab.