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Monthly Archives: Januar 2023

Der Wegfall des Editionsproblems beim Tabletop? Eine Szenariobetrachtung

In einem Beitrag kürzlich überlegte ich, wie das Editionsproblem in der Rollenspielbranche zumindest zurückgedrängt werden könnte. Diese Lösung ist für Tabletop-Systeme nicht unmittelbar möglich: Die dort skizzierte Idee, digitale Angebote zu erstellen und diese in Form eines Abonnement-Modells den Spieler zugänglich zu machen, um dauerhaft Einnahme zu generieren, ist bei Tabletop-Systemen nicht denkbar. Die Hauptprodukte, über welche die Umsatzerlöse genieriert werden, die Miniaturen, sind nicht prima facie digitalisierbar, ohne dabei die Branche hin zu Videospielen zu verlassen.

Doch der Reihe nach. Nähert man sich den beiden Märkten mikroökonomisch, so handelt es sich in beiden Fällen um quasi „bedingte“ Monopole: Sobald die Wahl für ein System getroffen wurde, kommt der Konsument ohne Weiteres nicht mehr heraus, ohne die bisherigen Ausgaben zumindest stark „abschreiben“ zu müssen. Bedingt dadurch, dass es sich letztlich um Gesellschaftsspiele handelt kommen zudem Netzwerkeffekte zum Tragen: Wenn die ganze Spielgruppe ein System spielt, ist ein Wechsel auf ein anderes sehr erschwert, da jeder Teilnehmer die Kompatibilität mit seinen Mitspielern wahren möchte. Nur falls die ganze Gruppe wechselt (und dadurch jeder die „Abschreibung“ erduldet), ist ein Systemwechsel möglich. Insofern haben Rollenspiel- und viel mehr noch Tabletop-Systeme Charakteristika natürlicher Monopole (bei denen es natülich ist, nur von einem Anbieter bereitgestellt zu werden). Hierfür spricht auch die hohe Konzentration der Spielerschaft beider Märkte auf je ein System (Dungeons & Dragons beim Rollenspiel, Warhammer 40k bei Tabletop).

Ergänzend dazu kommt die lange Lebensdauer der Produkte. (Rollenspiel-) Bücher halten sich bei guter Pflege sehr lang (wer hat nicht auch noch sein erstes Rollenspielbuch?); Miniaturen ebenfalls – vielleicht sogar noch länger. Es ist daher naheliegend, dass eine Sättigung eintritt, die durch (mehr oder weniger) Ergänzungsprodukte nur verschoben aber nicht aufgehalten werden kann. Irgendwann ist die Menge an Material zu groß. Dies schreckt zumindest Neueinsteiger ab. Gerade diese sind aber zwingend erforderlich, weil die Altspieler der Sättigung halber den Erwerb neuer Produkte sukzessive einstellen.

Im Ergebnis sind damit zwei Ursachen für diese spezielle Marktkonstellation erkennbar: Die Quasi-Monopol-Situation und die Langlebigkeit der Produkte.

Für das Rollenspiel empfahl ich, von dieser Warte gesehen, de facto die Langlebigkeit auszuschalten, weil nur bei fortlaufendem Bezug des Abonnements bestimmte „Funktionen“ des Spiels zur Verfügung stehen.

Beim Tabletop könnte der Weg ein anderer sein. Ich könnte mir vorstellen, dass beim Tabletop das Monopol kippt: Aufgrund von 3D-Druckverfahren können Figuren kostengünstig selbst hergestellt werden. Im Falle „offizieller“ vom Hersteller gestaltete (und damit urheberrechtlich geschützte) Mustern ist dies freilich rechtlich unzulässig. Wie ich jedoch aus einem Youtube-Video „Exxes“ und einem Antwortvideo des „Weekend Wizards“ erfuhr, ist die Tabletop-Gemeischaft gespalten: Ein Teil (ob dies die Mehrheit ist, ist mir unklar), druckt offenbar die Miniaturen auf dem heimischen 3D-Drucker; die Vorlagen hierfür sind scheinbar im Internet verfügbar. Damit ist das Monopol, dass der Hersteller bislang innehatte, aufgebrochen.

Hier sind für mich Parallelen zum Musik- und Filmmarkt erkennbar: Die Zeit der illegalen Tauschbörsen im Internet war für die Branchen disruptiv – der Verkauf von physischen Medien ging stark zurück und ein Abonnement-Modell stellte sich ein. Da es nunmehr mehrere Anbieter für die Medien gab, ist (zumindest im Durchschnitt) der Preis gesunken: Ein Spotify-Premium-Konto kostet am Tage, an dem diese Zeilen verfasst wurden im schlechtesten Fall 9,99 Euro pro Monat. Dafür kann man nicht mal eine CD kaufen. Auch wenn der Vergleich insofern nicht vollkommen ist, als dass die CD nicht nur für einen Monat zur Verfügung steht, ist für ich evident, dass der Preis des Musikkonsums gefallen ist.

Für Tabletop-Systeme könnte dasselbe gelten: Zwar wird sich im ersten Schritt kein derartiges Abonnement-Modell für Figuren einstellen können (da die Produkte eben nicht elektronisch sind). Die Erhöhung des Angebots (obgleich auf illegaler Weise) wird jedoch einen Preisdruck mit sich bringen. Im Extremfall könnte auch die Marge für die Herstellung (nicht die Gestaltung) der Figuren, dermaßen unter Druck geraten, dass alle Kunden die Möglichkeit des 3D-Drucks zu Hause fordern. Dann müssten die Tabletop-Hersteller die Vorlagen digital zur Verfügung stellen. Der Weg zum reinen Abonnement-Modell wäre frei.

Freilich erfordert das von mir skizzierte Szenario diskretionäres Verhalten der Kunden (zu dem ich nicht aufrufe, sondern es nur als Möglichkeit darstelle) – das Aufbrechen des jeweiligen Hersteller-Monopols wird vermutlich nur unrechtmäßig gelingen. Allein, ökonomische Konsequenzen scheren sich nicht um die Rechtmäßigkeit der Ursachen. Die Netzwerkeffekte dürften das von mir dargestellte Szenario begünstigen: Ich kann mir kaum vorstellen, dass Spielern, die im privaten Umfeld illegal produzierte Figuren nutzen (sofern dies überhaupt erkennbar ist!), die Teilnahme am Spiel verweigert wird. Es ist also insofern mit keinen Sanktionen zu rechnen – im Gegenteil: Die Spielerschaft könnte, bedingt durch den günstigeren Zugang, sogar größer werden, was, für sich genommen, begrüßt werden dürfte. Schnell könnten illegal hergestellte Miniaturen Realität oder sogar die Regel werden. Im Übrigen: Realiter machen sich (zu meinem Missfallen) nicht wenige nichts aus sog. Proxys, die eingesetzt werden, wenn die eigentlich richtige Figur nicht verfügbar ist. Warum sollte bei illegalen Miniaturen (vor allem wenn diese, anders als Proxys, nicht erkannt werden), anders verfahren werden?

Man könnte einwenden, dass die Hersteller dies nicht zulassen werden und mit Anwälten und Abmahnungen ihr gutes Recht durchsetzen werden. Mir ist völlig klar, dass dies versucht werden würde. Mit Blick auf das historische Scheitern zum Beispiel der Musikindustrie im gleicher Sache, könnte ein solches Unterfangen jedoch vergeblich sein. Zumal die Tabletop-Branche weitaus (!) weniger finanzkräftig ist, als die Musikindustrie.

Würde daran die Tabletop-Industrie zugrunde gehen? Nein. Freilich würden die Margen einbrechen, weil der entscheidende Umsatz- und Gewinnbeitrag aus dem Verkauf von Miniaturen wegfiele. Gleichwohl könnte noch über Regelwerke und digitale Vorlagen für die Miniaturen eine Monetarisierung stattfinden. Die digitalen Vorlagen für die Herstellung der Modelle auf Kundenseite wären im Preise deutlich niedriger, so dass der Anreiz, diese widerrechtlich zu beziehen, erheblich vermindert wäre. Auch bei der Musikindustrie wählen heute viel mehr das Spotify-Album als die Raubkopie. Und vielleicht kauft ja auch noch einer die Figur vom Hersteller – so wie heute auch noch CD verkauf werden.

Um zurück zur Mikroökonomie zu gehen: Es gäbe ein neues Gleichgewicht mit höherer Konsumenten- und niedrigerer Produzentenrente.

Hobbykombinationen: LARP, Tabletop und Pen & Paper vereint (?)

Die Schnittmenge derer die Tabletop und derer, die Pen & Paper-Rollenspiele spielen, ist meiner Erfahrung recht groß. In gleicher Weise ist die Schnittmenge von LARP-Spielern und Pen & Paper-Rollenspielern beachtlich. Gleichwohl sind Miniaturenspiele, die auf einem Pen & Paper-Rollenspiel basieren, oft nicht erfolgreich (Armalion und Schicksalspfade als Auskopplungen von DSA sind hier zu nennen) und auch in der anderen Richtung klappt es oft nicht (Die Rollenspiel von Warhammer [auch 40k] oder Warmahordes frist(et)en ein vergleichsweise trauriges Dasein). „Offizielle“ LARP-Kombinationen sind ebenfalls selten. Auf Aventurien-LARPs werde ich gesondert eingehen.

Dennoch: Was liegt also näher als diese „Personalunion“ von Spielern auf die Spielwelten zu übertragen? Ich habe dies mehrfach versucht – es gelang mir nie.

Mein erster Pen & Paper-Rollenspiel-Charakter war ein Zwerg. Ich war als Kind begeistert von dem Hobbit und mochte vor allem Thorin Eichenschild. Nachdem ich mit sieben Jahren (oder so) als solcher bei Karneval verkleidet war, sollte mein erster Rollenspielcharakter ebenfalls ein Zwergenprinz sein. Dieser DSA-Charakter hieß zunächst auch Thorin – ich habe ihn aber später zu Andrasch umbenannt (das würde ich heute freilich beides nicht mehr tun – weder die Namensgebung noch eine Umbenennung). Als ich mit circa 16 Jahren vom LARP erfuhr, wollte ich unbedingt meinen Zwergen genauso dort auch spielen. Ich schilderte schon, dass daraus nichts wurde – weder meine körperlichen noch meine finanziellen Voraussetzungen ließen dies zu.

Ich hatte jedoch einen neuen Charakter, von dem ich begeistert war – einen Magier. So sollte eben dieser mein LARP-Charakter werden. Und auf dem ersten Con 1999 trug dieser Magier, der heute Xarxe ist, auch noch den Namen des DSA-Charakters (Zondan). Die Änderung sowohl des Namens wie auch des Konzepts (letzteres eher im Laufe der Zeit), waren schon deshalb erforderlich, weil die Möglichkeiten des Pen & Paper-Rollenspiels keinesweg beim LARP darstellbar waren und sind – auch hierzu äußerte ich mich bereits. Allein die Machtfülle des DSA-Charakters ist mit dem Grundkonzept des LARP schlicht unvereinbar.

Bei Demonworld, mit dem ich auch irgendwann in den späten Neunzigern anfing, wollte ich eigentlich, der oben stehenden Begeisterung für meinen Zwergenprinz folgend, die Zwerge spielen. Diese waren aber schon an einen Mitspieler vergeben. So entschied ich mich für Isthak. Da der (Schwarz-)Magiercharakter Zondan im Entstehen war, war Isthak für meine Zwecke die nächstbeste Wahl – den dieses Volk hat sowohl Dämomen wie auch Untote in ihren Reihen.

Vor allem war es bei Demonworld in der ersten Edition so, dass man DSA-Charaktere zu Demonworld-Helden konvertieren konnte. Dafür gab es explizite Regeln. Den DSA-Magier gab es damals noch nicht in Gänze, aber seinen Lehrmeister, den ich damals nur für eine Abenteuer kreiert hatte (allerdings auf einer [erforderlichen] hohen Stufe). Bedingt durch die Anforderungen dieses einen Abenteuers, hatte der erstellte Magier sehr hohe Werte – mit die höchsten, die das Regelwerk überhaupt zuließ. Infolgedessen wäre auch der konvertierte Isthak-Held mit sehr hohen Werte einhergegangen – der Held wurde daher von einem Freund, der damals so etwas wie die Demonworld-Oberherrschaft innehatte, schlicht abgelehnt.

In gewisser Weise kam der eigentliche DSA-Magier (Zondan) später aber doch noch zum Zug: Ebenfalls in den späten 90ern und in den frühen 2000ern spielten wir AD&D. Der Spielleiter erfand eine eigene Welt und wir konnten Vorschläge zu deren Gestaltung einbringen. So wurde das Demonworld-Reich Isthak kurzerhand in diese Welt versetzt und mein DSA-Magiercharakter zum Gott dieses Reiches erklärt. Mein AD&D-Charakter war ein Priester-Magier, der just diesen Gott verehrte. Allein – hierbei wurden zwei Pen & Paper-Rollenspiele kombiniert. Eine Überschreitung der „Hobbygrenzen“ lag nicht vor.

Aus dieser Zeit stammt jedoch meine Vorliebe für Eisvölker. Bei Warmahordes war Legion of Everblight meine erste Fraktion, die mit Isthak einiges gemein hat.

Jedenfalls waren die Experimente der Hobbykombinationen für mich als Spieler Anfang des Jahrtausends zunächst erledigt. Zusammenfassend lässt sich sagen:

  1. Die Übernahme von Pen & Paper-Helden in die LARP-Welt scheiterte bei mir daran, dass diese Fähigkeiten hatten, die mit LARP nur schwer vereinbar sind – nicht nur in Bezug auf die Darstellung, sondern auch mit Blick auf das Spielgleichgewicht. Zumal LARP in der Regel ein Sammelpunkt von Helden ist, von denen regelmäßig keiner übermäßig heraussticht.
  2. Die Übertragung eines Pen & Paper-Charakters in eine Tabletop-Welt scheiterte aus einem ähnlichen Grunde: Dieser wäre mit der erforderlichen Spielbalance im Tabletop unvereinbar gewesen.

Vor einigen Jahren gab es einen weiteren Anlauf: Wir spielten eine Battletech/ Mechwarrior-Kampagne. Unsere Spielercharaktere waren Mechkrieger und Söldner. Nur die Gefechte mit den Mechs wurden mit den Battletech-Regeln ausgeführt, sonst griffen wir auf den Mechwarrior-Regel zurück. Das klappte ganz gut – als Problem stellten sich jedoch die simulationistischen Schwächen des Battletech-Regelwerks heraus, welche das Mechwarrior-Regelwerk in diesem Umfang nicht hatte. So hatten Handfeuerwaffen eine weit größere Reichweite als die Waffen der Battlemechs. Zudem war die Ökonomie unausgegoren – ein Aspekt der bei Battletech als Brett- oder Tabletop-Spiel so keine Rolle spielt – beim Rollenspiel aber sehr wohl, da die Charaktere derartige Überlegungen anstellen. Letztlich klappte es nicht – obwohl ich begeistert von dem Konzept war.

Da ich vom Rollenspiel her komme, waren meine Konvertierungsversuche stets von dort ausgehend. Was aber, wenn man es andersherum hält? Das scheint mir möglich! Auf dem Epic Empires werden die Warhammer-Armeen Imperium und Chaos bespielt. Ich sehe auch prima facie keine Probleme einen beliebigen LARP-Charakter in ein Pen & Paper-Rollenspiel zu überführen (freilich muss beides einen ähnlichen Rahmen, wie beispielsweise Fantasy, haben).

Es gibt auch Aventurien-LARPs, bei denen die Überschreitug der Hobbygrenzen augenscheinlich gelingt. Dies ist bei genauer Betrachtung aber nur bedingt richtig – die hier bespielten Charaktere sind keine (sehr) hochstufigen oder greifen auf ihre Fähigkeiten zumindest nicht wie im Pen & Paper-Rollenspiel zu. Ich habe jedenfalls noch keine erfolgreiche Anwendung und glaubwürdige Darstellung des DSA-Zaubers „Mit dem Wind in Sternenhöh“ auf dem LARP gesehen. Gleichwohl könnte man die Aventurien-LARP-Charaktere ins Pen & Paper-Rollenspiel überführen.

Vor einigen Jahren gelang Freunden von mir jedoch die Konvertierung von Pen & Paper-DSA-Helden zum LARP. Der wichtige Faktor, der den Erfolg erklären könnte, war jedoch, dass diese Charaktere zum großen Teil nicht magiebegabt waren oder bereit waren, ihre magischen Fähigkeiten nicht im vollen Umfang ins LARP zu übernehmen. Dadurch stellten sich viele Fragen, die aus der Machtfülle herrührten mitunter gar nicht. Auch die magischen Gegenstände (dieser sonst sehr, sehr erfahrenen) Helden wurden nicht übertragen.

Für mich als Spielleiter ergab sich damit aber eine neue Möglichkeit der Hobbykombination. Ich war Spielleiter dieser Gruppe, lebte damals aber im Ausland, daher scheiterte meine Teilnahme am LARP. Gespielt wurde per Videokonferenz. Um die Heldenerlebnisse miteinander zu verknüpfen, nahm ich vor dem Con Kontakt zur LARP-Orga auf. Diese war so freundlich, mir einen Hinweis für den LARP-Plot zu geben, den ich beim Pen & Paper-Spieltermin vor dem Con an die Spielercharaktere weitergab (ein verrückter Seher sprach zu den Helden). Zum Ende des Spieltermins gingen die Helden schlafen, so dass das LARP als Traum in die Pen & Paper-Welt integriert wurde.

Ergänzend erlangten diese (schlafenden, träumenden) Charaktere auf dem LARP Hinweise für den Pen & Paper-Plot.

Mit diesem „Kniff“ war auch die Konsistenz der Heldenerlebnisse gewahrt. Ich bin ex post noch immer sehr zufrieden über diese Kombination.

Leider musste ich feststellen, dass die Spieler beziehungsweise Charaktere die Parallelen nicht erkannten. Sie hatten zwar einen handfesten Hinweis zur Lösung des LARP-Plots aus dem Pen & Paper-Spieltermin und ebenfalls einen gewichtigen Hinweis für das Pen & Paper-Abenteuer aus dem LARP. Der Transfer gelang aber nicht: Den Spielern und Helden kam gar nicht in den Sinn, dieses Wissen zu kombinieren oder anzuwenden. Erst als ich nach LARP und nach Abschluss des Pen & Paper-Abenteuers auf die wechselseitigen Hilfen hinwies, wurde den Spielern die Verknüpfungen bewusst. Daher muss auch dieser Versuch von mir, die Hobbygrenzen zu überschreiten, als gescheitert gelten.

Eine Lösung für das Editionsproblem – oder: Die Zukunft des Rollenspiels

In meinem ersten Beitrag beschwerte ich mich ausführlich über die „Plage“ neuer Editionen. Ich schilderte dort auch, dass diese für Verlage wichtig sein können, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Das aus meiner Sicht (der Sicht des Marktgläubigen) frappierende ist, dass bei Rollenspiel- und Tabletop-Systemen nach einiger Zeit die Präferenzen von Kunden und Produzenten diametral auseinander liegen. Während die Kunden mit einem System möglicherweise noch glücklich sind, „braucht“ der Produzent eine neue Edition, um Umsatz zu erzielen.

Als Ökonom fragte ich mich daher lange, wie dieses Dilemma gelöst werden kann. Einen ersten Ansatz zeigte ich im ursprünglichen Artikel auch auf: Der Wechsel auf eine Abonnement-Modell. In den letzten Monaten habe ich diesen Gedanken weiter verfolgt. Viel Dank geht an das Team vom eskapodcast, die bereits vor einiger Zeit eine Folge veröffentlicht hatten, die ich nun hörte und viele ähnliche Gedanken aufnehmen konnte.

In dieser Folge wurden zunächst Parallelen zu anderen Medieninhalten gezogen, die mittlerweile im in der Regel im Abonnement konsumiert werden. Genannt wurden Musik, Filme und auch Videospiele. Warum sollte nicht also auch Rollenspiele diesen Weg gehen?

Meines Erachtens ist das eine solche Entwicklung in der Tat wahrscheinlich und unter einem bestimmten Blickwinkel auch wünschenswert. Wenden wir uns zunächst dem Editionsproblem zu. Gelänge es über eine Abonnement-Modell für die Verlage einen dauerhaften Zahlungsstrom zu generieren, wäre das Editionsproblem lösbar. Inhalte könnten sein:

  • Zugriff auf alle Regelwerke. Diese könnten so miteinander verknüpft sein, dass verwandte Regeln nur einen Klick entfernt sind.
  • Zugriff auf weitere Inhalte, wie Karten, Abenteuer, Regionalbeschreibungen – ebenfalls mit dem vorstehenden Vorteil. Vor allem bei Stadtplänen könnte bei einem Klick auf ein Haus dessen Beschreibung folgen.
  • Sofort einsetzbare Inhalte für Programme wie VTT oder roll20.
  • Passende Hintergrundmusik.
  • Ein Verwaltungsprogramm für den Spielleiter, dass nicht nur die vorstehenden Funktionen umfasst, sondern auch eine Datenbank mit Nichtspielercharakteren.

All dies freilich regelmäßig aktualisiert.

Des Weiteren könnte man anbieten:

  • „Miete“ von kleineren Gebieten durch Spieler mit entsprecherr Möglichkeit, auf die Welt Einfluss zu nehmen.
  • Einfügen von Spielercharakteren (gegen eine monatliche Gebühr) in die Welt, die damit offiziell werden.

Ich könnte mir vorstellen, dass Angebote wie die beiden Letzten nicht nur Freude hervorrufen. Gleichwohl glaube ich, dass gerade diese Angebote für viele andere reizvoll sind.

Bei einer geschickten Preisgestaltung bestünde somit die Möglichkeit, das Editionsproblem zu lösen. Ich kann mir vorstellen, dass die Zahlungsbereitschaft der Spielerschaft sehr uneinheitlich ist. Daher wären unterschiedliche Pakete hilfreich.

Als Nebeneffekt würden weitere Probleme gelöst werden:

  • Digitale Inhalte sind nie „vergriffen“. Wer einfach nur alte Abenteuer spielen möchte, braucht hierzu nicht mühevoll auf eBay zu suchen, sondern kann zum Beispiel das „Retro-Paket“ dazubuchen – und schon stehen alle Abenteuer zur Verfügung.
  • Rollenspielwerke sind selten arm an Fehlern. Redaktionelle Fehler können in digitalen Produkten sehr einfach korrigiert werden.
  • Notorisch schlecht strukturierte Werke werden durch Hyperlinks deutlich zugänglicher.
  • Denkbar wäre es auch, unterschiedliche Versionen von Werken anzubieten. Ein Freund von mir, der sich wirklich sehr an sog. Gender-Sprache stört, forderte jüngst, alle DSA-Werke (auch) orthographisch korrekt und nicht „gegendert“ anzubieten, damit er Letzterem entkommen kann. Eine solche Idee lässt sich bei digitalen Produkten viel einfacher und damit kostengünstiger umsetzen. In ähnlicher Weise könnten fallweise auch Jugendschutzüberlegungen berücksichtigt werden.

Gleichwohl stehen diese Idee Nachteile gegenüber:

  • Gerade Fantasy-Rollenspiel ist mit der digitalen Welt meines Erachtens nur bedingt vereinbar. Realiter wird versucht, am Spieltisch eine bestimmte Atmosphäre aufzubauen; z.B. durch Kerzen, alte Möbel etc. Moderne, elektronische Komponenten könnten demgegenüber als störend empfunden werden.
  • Viele Spieler dürften, schon aus Sammelleidenschaft, gedruckte Bücher bevorzugen. Ich gehe aber davon aus, dass diese ergänzend angeboten werden können.
  • Wie auch in der Folge des eskapodcast geschildert, besteht bei derartigen digitalen Inhalten, die in der Regel auch ein digitales Spiel begünstigen, die zumindest latente Gefahr, dass sich das Spiel immer mehr zu einem Online-Rollenspiel hinentwickeln und hierdurch ihre Spieltiefe verlieren.
  • Beide Aspekte bedeuten im Grunde, dass aus „Pen & Paper“ „Processor & Phablet“ werden könnte.
  • Die Verlage werden du diskretionärem Verhalten ermuntert. So könnte einfach der Preis für die Nutzung des Dienstes erhöht werden oder sogar doch eine neue Edition eingeführt werden. Dieses Problem ist sehr relevant, da, im Gegenzug zu anderen Medien, die Verlage das Monopol über ihre Spielsysteme besitzen.
  • Im Falle einer Verlagsinsolvenz oder der Einstellung des Spielsystems ist dieses nicht mehr zugänglich.

Einige dieser Nachteile dürften relativierbar sein. So ist es im Grunde jeder Runde selbst überlassen, ob sie sich in Richtung eines Online-Rollenspiels entwickelt oder nicht. In gleicher Weise genügt es, wenn nur der Spielleiter einen Rechner am Spieltisch hat. Bei uns ist das auch heute schon (nur) so. Auf dem Spielleiter-Rechner wird Musik abgespielt oder digitale Inhalte zur Unterstützung des Spielleiters angezeigt. In diesen Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass ich es sehr bevorzugen würde, wenn über VTT oder Roll20 nur eine (freilich bunte) Karte angezeigt werden kann, die in Form eines LCD-Monitors quasi die Tischplatte bildet. Hierauf könnten dann Zinnfiguren oder auch Gebäude gestellt werden, um zum Beispiel eine Kampfsituation darzustellen Dies wäre für mich die ideale Kombination aus digitaler und analoger Welt – und würde viel klassischen Rollenspielcharakter erhalten.

In gleicher Weise gibt es keine Erfordernis, Würfelwürfe über Software abzubilden. Selbst bei meinen Runden über Videokonferenz würfeln die Meisten ganz normal „für sich“ am Schreibtisch.

Lediglich die beiden letzten Punkte, das diskretionären Verlagsverhalten oder die Insolvenz bzw. Einstellung des Spielsystems, bleiben erhalten. Gleichwohl bestehen diese Probleme, in abgewandelter Form, auch im aktuellen Markt. Und zumindest die Plage der neuen Editionen wäre weit weniger virulent.

Kompliziertheit von Spielsystemen als Folge von Simulationismus?

Vor allem meine Behauptung, Battletech sei wenig komplex, führte zu kontroversen Reaktionen. Ich habe mir daher Gedanken gemacht, wie ein Regelwerk gestaltet sein müsste, um, in meinem Sinne, komplex zu sein. Hierbei greife ich auf viele Überlegungen zurück, die mit einigen Freunden zusammen vor Jahren angestellt wurden und für diesen Beitrag rekapituliert und erweitert wurden. Vielen Dank hierfür!

Grundsätzlich erfolgt die Würdigung bei mir vor dem Hintergrund des Simulationsmus. Wie ich an anderer Stelle schilderte, bin ich ein simulationistischer Spieler. Diese Einschränkung ist vornehmlich für Rollenspielsysteme von Belang.

Simulationismus möchte, nach meinem Verständnis, „unlogische“ Regelungen verhindern (z.B. sicherstellen dass bei einem Rollenspiel ein Charakter mehr als eine Waffe tragen darf – gleichzeitig aber nicht etwa 30). Oft wird in Folge ein möglichst weiter Möglichkeitenraum gefordert, der von dem Regelwerk abgedeckt werden sollte. Notfalls könnte (im Falle eines Rollenspiels) auch der Spielleiter Regeln aus dem bestehenden Regelwerk festlegen.

Die Gewährleitung einen möglichst großen Möglichkeitenraum abzudecken, führt, in der hier verwendeten Nomenklatur, zu einem komplexen Spielsystem.

Demgegenüber wird ein Spielsystem auch kompliziert, wenn Regeln zur Erreichung dessen den Spielfluss (subjektiv) hemmen, weil (auch) einfache Aktionen „verregelt“ werden oder über die richtige Anwendung der Regeln diskutiert oder nachgeschlagen werden muss.

In diesem Sinne könnte der Obersatz sein:

Die Abbildung der Spielwelt sollte über ein komplexes, nicht aber kompliziertes Regelwerk geschehen.

Anders gewendet heißt dies, dass der Aufbau der Regeln möglichst einheitlich sein sollte, die Regeln sich aber inhaltlich aber wenig (idealerweise gar nicht) überschneiden.

Eine „Entschlackung“ des Regelwerks sollte daher Komplexität wahren und Kompliziertheit abbauen.

In der Praxis kommt es zudem dazu, dass die Regeln strukturiert verfügbar sein sollten und nicht über mehrere Quellen verteilt. Auch dies macht ein System kompliziert – und zwar immer ohne irgendetwas für die Komplexität gewonnen zu haben.

Im Folgenden einige Beispiele anhand simulationistsicher Systeme. Hierbei wird untersucht, ob diese komplex oder (auch) kompliziert sind.

  • DSA ist ein simulationistisch orientiertes System. Den Spieler(charakteren) stehen viele Handlungsoptionen zur Verfügung – und die meisten davon sind in Regeln gegossen – bis hin zun Skurillen. Ein gutes Beispiel in dieser Hinsicht sind die Unterwasserreiterkampfregeln aus DSA 4.1 – diese sind nur für Randsituationen relevant. Die Regeln, wie lange der Brennvorrat für ein Lagerfeuer reicht, noch seltener. Damit ist das System in jedem Fall komplex – de facto aber auch kompliziert:
    • Bei DSA 4 waren die Regeln für übernatürliches Wirken für klerikale Mächte anders geregelt als für magische Mächte. Obgleich diese Mächte in der Welt verschieden sind, gibt es für eine unterschiedliche Regelung keinen Grund. Die Regeln sind insofern weder überschneidungsfrei noch inhaltlich gleich aufgebaut. DSA 5 kennt sowohl den Wert der übrigbehaltenen Talentpunkte als auch die Qualitätsstufe als Maß für die Qualität einer gelungenen Probe. Dies ist eine Dopplung, für die es keine inhaltliche Rechtfertigung gibt – zumal sich die Qualitätsstufe aus den übrigbehaltenen Talentpunkten errechnet. Hier sieht man ein gutes Beispiel unnötiger Kompliziertheit.
    • Zudem verfolgt DSA 5 bislang eine Publikationsstrategie mit hoher Redundanz. Viele Regeln sind repetitiv aufgeführt, andere über mehrere Werke verteilt. Mit den Kodex-Bänden könnte das besser werden. Die 3W20-Probe ist aus simulationistischer Sicht der 1W20-Probe, die ebenfalls zum Einsatz kommt, deutlich überlegen. In beiden Fällen ist der Erwartungswert 10,5. Im Falle der 1W20-Probe ist die Standardabweichung aber 5,8; bei der 3W20-Probe nur 3,3. Zudem ist bei der 1W20-Probe jedes Ergebnis gleich warhscheinlich. Die niedrigere Standardabweichung und Nicht-Gleichverteilung der Ergebnisse ist vorziehenswürdig, weil sonst (bei der 1W20-Probe) die Wahrscheinlichkeit auch für einen erfahrenen Charakter recht hoch ist, auch eine unmodifizierte Probe nicht zu schaffen. Das ist unrealistisch. Demgegenüber steht, dass die 3W20-Probe für Anfänger etwas schwerer zu lernen ist.
    • Die Zahl der Talente ist sehr umfassend und keineswegs überschneidungsfrei (Akrobatik, Athletik, Körperbeherrschung) oder decken ein zu großes Spektrum ab (Überreden, was Lügen, Feilschen und Vertuschen umfasst). Letzteres ist aber eher ein gamistischer Aspekt.
  • Shadowrun stellt von der Spielweltanlage schon den Anspruch an ein komplexes Regelwerk. Es musste immerhin drei Dimensionen abbilden: Physische Welt, Astralraum und Matrix. Damit geht schon eine gewissen Kompliziertheit einher – aber gegeben die Erfordernisse hält es sich, für meine Begriffe, im Rahmen. Allerdings kann ich nur für Shadowrun bis zur vierten Edition sprechen – die neueren Editionen kenne ich nicht. Shadowrun 3 war durch die „explodierenden“ Würfel unschön, weil hierdurch bei vergleichenden Proben die erwartbare Zahl der Erfolge immer niedriger wurde, je höher die Werte waren – und zwar auch dann wenn die Kontrahenten die gegeneinander probten, gleich hohe Werte hatten. Dies lag daran, dass die Standardabweichung bei höheren Werten immer größer wurde. Simulationistisch ist dies als unschön zu werten.
  • Warmahordes ist hoch komplex. Jedoch ist die Grundmechanik simpel und ermöglicht sehr viel. Die 2W6-Probe ist auch aus statistischer Sicht gut (auch hier liegt eine statistisch schöne Verteilung vor). Das Spiel wird meines Erachtens weniger durch die Sonderregeln der Modelle kompliziert (die stehen immerhin auf der Karte und haben konsitente Bezeichnungen) als mehr dadurch, dass man wirklich gut über alle (!) Modelle mit Sonderregeln informiert sein muss, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Es zeigen sich aber auch Nachteile:
    • Die MK3-Kavallieregeln sind nicht konsistent mit den anderen Mechaniken, da Bewegungs- und Angriffsphase vermengt werden.
    • Die MK4-Bewegungesregeln, sind ein gutes Beispiel dafür, wie man es bei einer Regelentschlackung nicht macht: Während früher jede Figur der Einheit bewegte, wird nun (nur) eine Figur bewegt und die anderen werden um diese herum teleportiert. Hierdurch wurde dem Spiel viel simulationistischer Anspruch und Komplexität genommen. Gleichsam ist die neue Regelung ebenfalls (oder noch mehr) kompliziert, weil sie nicht in das sonstige Regelwerk passt und per se schon kontraintuitiv ist.
  • Battletech ist aus meiner Sicht bedingt komplex.
    • Insgesamt gibt es Regeln für das Meiste, was man mit einem Battlemech anstellen möchte. Gleichwohl sind die Grundmechaniken recht simpel und, zumindest im Kampfe (nur) mit Mechs redundanzfrei. Die vielen Waffensysteme, die insbesondere die Mechs verschieden machen, sind auf dem Mech-Bogen alle verzeichnet.
    • Es gibt jedoch beispielsweise Unzulänglichkeiten bei der Deckung: Ein Berg gibt nur Deckung, wenn man direkt dahinter steht. Ein Kopftreffer ist unplausibel wahrscheinlich, wenn man diese Deckung hat, aber dennoch getroffen wird (Erschwernis aus Deckung: +1 (früher +3), dann aber Chance von 1/6 statt 1/36 auf Kopftreffer). Das Spiel ist insofern sogar unterkomplex. Das Spiel ist auch in anderer Hinsicht unplausibel (und damit simulationistisch schlecht): Bodenfahrzeuge mit Verbrennungsmotor sind Fahrzeugen mit Fusionsreaktor insofern überlegen, da erstere keine Wärme aufbauen. Die Unterscheidung ist unnötig kompliziert und gleichsam unlogisch.
    • Gleichsam verfügen die Waffen der Charaktere aus dem Rollenspiel zudem über eine größere Reichweite als die der Battlemechs – die zudem grundsätzlich über eine unrealistisch kurze Reichweite verfügen (Eine ER PPK [Extremreichweiten Partikelprotektorkanone] schießt gerade mal 690 Meter weit. Alles klar. Und die Waffensysteme sind auch sehr unpräzise was die Zielgenauigkeit betrifft, wenn man sie mit Waffen der realen Gegenwart vergleicht.
  • Warhammer 40k habe ich selbst nie gespielt. Mir wird aber unisono mitgeteilt, dass die Sonderregen Legion sind, sich regelmäßig ändern, in sich unschlüssig sind und überall verteilt stehen. Daher ist Warhammer 40k sowohl als komplex und mehr noch auch als kompliziert anzusehen.
  • Demonworld (wer noch weiß, was das ist?), ist meines Erachtens zwar komplex, aber wenig kompliziert.
    • Als ich das vor ein paar Wochen wieder mal spielte, war ich überrascht, wie elegant das System doch ist. Es gibt Formationen, Moralwerte, Magie, Sondermodelle und Vieles mehr – aber alles ist gut handhabbar und in (relativer) Kürze erlernbar. Redundanzen gibt es kaum. Das System leidet nur an einer etwas ungünstigen Mechanik mit nur einem W20 und der damit einhergehenden Standardabweichung beziehungsweise Gleichverteilung. Das mag bei den Angriffen einer ganzen Einheit zu verschmerzen seien. Bei dem Angriff eines sog. Großelements, wie einem Riesen oder bei dem Wirken eines Zaubers ist dies aber unschön, weil man so eine hohe Chance hat, dass selbst der erfahrene Magier oder Riese erfolglos ist.
    • Zudem, aber das ist jenseits des hier Interessierenden, ist die Spieltiefe insofern gering, als dass sich die verschiedenen Truppen nur anhand ihrer Werte aber weniger anhand von Sonderfertigkeiten unterscheiden und zudem auch nur bedingt Synergien zwischen diesen bestehen.
  • Dungeons & Dragons ist ein schwieriger Fall.
    • Das System hat ebenfalls einen simulationistischen Anspruch. Auch ist das Regelwerk in zahlreichen Szenarien, Welten und Hintergründen präsent. Dies macht deutlich, dass es komplex genug ist um Vieles abzubilden. Allerdings ist es mitunter unterkomplex, weil es zum Beispiel verbietet, dass ein Magier ein Zweihandschwert führt – man fragt sich, was denn ist, wenn er es einfach tut…? Solche Setzungen sind simulationistisch nicht begründbar. Zudem ist die 1W20-Probe eine sehr schlechte Spielmechanik, die zudem aber immerhin konsistent durchgezogen ist. Gleichwohl ist es wenig befriedigend, wenn ein schlechtes Konzept überall seinen Widerhall findet. In diesem Fall führt die hohe Standardabweichung und Gleichverteilung der Ergebnisse zu einer zu großen Streuung, so dass auch fähige Charaktere oft in Standardsituationen scheitern.
    • Unter „ferner liefen“ kann man noch einsortieren, dass Talente mitunter von den falschen Attributen („Ability Scores“) beeinflusst werden. So ist es zum Beispiel nicht naheliegend, dass die Trefferwahrscheinlichkeit mit einer Waffe von der Stärke des Kämpfers und nicht von der Geschicklichkeit abhängt. In gleicher Weise sind die Talente („Skills“) selbst deutlich kompliziert, was sich besonders gut im dem Metatalent „Dungeoneering“ der vierten Edition zeigt, dass nicht überschneidungsfrei zu zahlreichen anderen Talenten war. Unterkomplexität kommt hinzu, weil für viele Fertigkeiten kein passendes Talent existiert (z.B. Kutsche fahren).

Ich hoffe, hierdurch wird ein wenig ersichtlich, zumindest im Quervergleich, warum ich Battletech als wenig komplex einschätzte – ich bezog mich hierbei auf die 3025er-Technologiestufe und das Spiel nur mit Battlemechs. In jedem Fall sehe ich nicht, dass Battletech kompliziert ist.

Wie könnte nun ein gutes, im Sinne des vorstehenden Obersatzes, System ausgestaltet sein? Ein Freund von mir entwickelte ein Solches. Es wurde für Dark Heresy und Shadowrun konzipiert. Diese Welten zeichnen sich per se durch den Anspruch einer hohen Komplexität aus, da, wie erwähnt, verschiedene Dimensionen abgebildet werden müssen. Im Kern basiert dieses System auch einer Mechanik, die in ähnlicher Weise bei Fate zu finden ist. Der Mindestwurf ist immer Null. Der Talentwert des Charakters liegt regelmäßig leicht darüber, kann aber durch Zu- und Abschläge verändert werden. Geprobt wird mit 10W6, wobei jeder W6 nur, je zweimal, Plus, Minus und Neutral anzeigt. Ein Plus ist dem Talentwert hinzuzuschlagen, ein Minus zu subtrahieren. Ein neutraler Wert verändert nichts. Jeder Würfel verändert damit im Erwartungswert den Talentwert nicht – und auch alle Würfel zusammen tun dies nicht. Gleichwohl gibt es ein gewisses Zufallselement. Dieser Mechnismus kann auf sämtliche Proben angewendet werden und ist daher nicht kompliziert. In Anlehnung an DSA oder Dungeons & Dragons wird der initiale Talentwert um die Werte der Eigenschaften oder „Ability Scores“ modifiziert. Längst nicht alle Probleme sind hiermit gelöst – aber die Grundmechanik ist besser als alle Obenstehenden.

Ausführliche Informationen dazu gibt es hier:

https://drive.google.com/drive/folders/1ydz3-qTO_jKPPjNVeZy6WbslHxl-cCNV

Ich werde mir Gedanken machen, wie man dieses System auf mein „Heimatsystem“ DSA übertragen könnte.

Die Entwicklung von DSA-Illustrationen im Zeitablauf

Mein erstes DSA-Produkt war das Brettspiel „Die Burg des Schreckens“. Das Bild auf der Spielbox war für mich eine tolle Inspirationsquelle: Ich war vor allem von der Axt des Zwergen begeistert und diese war (und ist noch immer) meine Vorstellung der magischen Zweihandaxt.

Als ich ein paar Jahre später mit DSA als Rollenspiel anfing, erschien bald die Box „Mit Mantel, Schwert und Zauberstab“. Das Bild auf dieser Box gefiel mir damals schon sehr – ich kam zu der Einschätzung, es ist die beste farbige DSA-Illustration überhaupt. Das Bild regte meine Phantasie noch immer an und löst viele Fragen aus.

Ulrich Kiesow: Mit Mantel, Schwert und Zauberstab, 1992, Umschlag (Bild von Ugurcan Yüce)
  • Warum kämpfen die Beiden?
  • Weicht der Mann gerade zurück? Warum blickt er dennoch gelassen?
  • Ist die Frau zornig oder auch nur überlegt?
  • Warum schaut der Mann links am Tisch so gelassen auf den Kampf – ganz im Gegensatz zu der Frau auf der rechten Seite im Hintergrund?
  • Wer ist der dunkel gekleidete Mann auf der Treppe, der den Kampf beobachtet?

Ich bin mir sicher, ich könnte nur auf Basis dieses Bildes ein Abenteuer improvisieren – mehrmals sogar, mit unterschiedlicher Handlung.

Darüber hinaus finde ich den Stil des Bildes sehr ansprechend. Ohnehin war insofern Yüce der beste DSA-Illustrator für mich. Sehr gelungen finde ich insbesondere auch die Illustration von „Götter, Magier und Geweihte“. Einige meiner Freunde kauften überhaupt nur wegen der Boxenillustrationen DSA-Boxen – sie waren von den Bildern begeistert und wollten wissen, was sich dahinter verbirgt.

Ganz dementsprechend finde ich auch die dargestellten Figuren gelungen; sie entsprechen meinem Fantasy-Geschmack. Allerdings trifft der Künstler Herr Yüce nicht immer den Inhalt des Buches – die viel zu schönen Oger bei „Mehr als 1000 Oger“ sind hierfür bekannt.

Leider waren diese Illustrationen nicht von Dauer. Dies lag zweifelsohne auch am Tode Herrn Yüces. Darüber hinaus wurden in der Folge aber auch Künstler ausgewählt, deren Werke meines Erachtens (de gustibus non est disputantum) deutlich weniger gelungen sind.

Die Bilder Herrn Yüces wurden vor allem für Produkte bis DSA3 angefertigt. Mit DSA4 errreichten die DSA-Illustrationen für meinen Geschmack auch ihren Tiefpunkt – nämlich mit „Wege der Götter“.

Thomas Römer u.a.: Wege der Götter, 2015, Umschlag (Bild von Slawomir Maniak)

Bei Wege der Götter scheint mir das Titelbild Dumpfsinnige einer Nervenheilanstalt darstellen zu wollen (das Gebäude im Hintergrund? In den Bergen errichtet, um die Irren von anderen fern zu halten?). Die selten dämlichen Gesichtsausdrücke sind hierfür ursächlich. Oder liegt es daran, dass auf der Schriftrolle, welche die Frau in der Hand hält, rückseitig steht, dass kein Abendessen gibt heute? Vielleicht hat dies die strenge Frau in rot-weiß gerade verkündet – ist nun aber auch etwas traurig?

Im Übrigen ist aber auch die Maltechnik für meine Begriffe viel schlechter. Während die Yüce-Bilder präzise gezeichnet sind, ist das „Wege der Götter“-Bild eher verwaschen. Die anderen „Wege“-Bände sind etwas besser – überzeugen kann mich jedoch keines der Titelbilder der Kernbände. Nur die Umschlagillustrationen von „Wege der Alchimie“ und „Wege des Entdeckers“ brechen nach oben aus. Und natürlich das Bild von „Wege nach Myranor“! Letzteres sogar sehr deutlich. Als Myranor-Band ist es aber gesondert zu betrachten. Insgesamt sind die DSA4-Umschlagillustrationen dennoch für meinen Geschmack dürftig. Daher sind bei meinem DSA4-Spielleiterschirm alle Bilder mit DSA3-Bilder überklebt.

Zum Glück kommt nach Regen immer Sonnenschein – so auch bei DSA4, das insbesondere mit „Schlacht in den Wolken“ auch ein besonders gelungenes Titelbild hat.

DSA5 kam mit wieder einen veränderten Stil daher. Hierbei finde ich die Maltechnik überwiegend sehr gut. Ich störe mich jedoch an dem Gezeigten. In meinen Augen fehlt hier der Fantasy-Einschlag. Besonders gut wird dies für mich schon an dem Titelbild des Grundregelwerkes deutlich

Axel Spohr u.a.: Das Schwarze Auge Regelwerk, 2015, Umschlag (Bild von Anna Steinbauer)

An der Szene an sich ist wenig auszusetzen.

  • Eine Frau, vermutlich eine Magierin, inspiziert die Kristallkugel (die höchstwahrscheinlich ein schwarzes Auge ist).
  • Der Krieger schaut skeptisch-wohlwollend
  • Die anderen scheinen sich hierfür jedoch nicht zu interessieren – was man entweder als unschön empfinden kann, weil dies der Inspektion der Kugel die Wichtigkeit nimmt – aber auch als interessant – ob sich durch die Fenster Feinde nähern?)

Gegen die letztgenannte Interpretation spricht jedoch, dass dafür vor allem der Krieger in Vordergrund zu entspannt wirkt. Zudem haben die Figuren im Hintergrund des Bildes ihre Waffen nicht gezogen. Sie wirken auf mich eher ziellos den Raum dursuchend.

Künstlerisch-handwerklich ist das Bild toll! Allein die Spiegelung der Hand auf der Kristallkugel – und die Hand in der Kristallkugel, die diese zu greifen scheint. Der Blick der Frau hätte noch etwas mehr auf die Kugel gerichtet sein können – ich habe den Eindruck, dass sie nicht ganz bei der Sache ist und über die Kugel hinweg blickt.

Was mir jedoch nicht gefällt, und hier entlädt sich folglich die wesentiche Kritik, ist die Gestaltung der Figuren auf dem Bild. Gerade die mutmaßliche Magierin sieht für mich nicht nach einer solchen aus. Ihr fehlt jedwede magische Aura. Der Kleid könnte auch eine LARP-Klamotte sein. Die Frisur ist mir deutlich zu langweilig. In der Gesamtschau könnte man die Dame in eine Teehandlung in einer beliebigen Großstadt platzieren und sie würde nicht weiter auffallen. Auch ein Laden für Duftkerzen wäre denkbar.

In ähnlicher Weise finde in die Aufmachung des Begleiters langweilig. Dank Kettenhemd und Schwert passt dieser zwar nicht ohne Weiteres in die Neuzeit. Aber das sind auch die markantesten Ausrüstungsgegenstände – die ganze Gestalt könnte auf dem Mittelaltermarkt anzutreffen sein. Tauscht man aber gedanklich die Kleidung wäre er als Passant in einer Fußgängerzone denkbar. Ganz anders der Kämpfer des „Mit Mantel, Schwert und Zauberstab“-Bildes: Er würde in die Fußgängerzone, auch mit anderer Kleidung, keineswegs reinpassen. Zugegebenermaßen wäre die Kämpferin des Bildes schon eher hierfür geeignet – ihre Aufmachung ist aber sonst sehr phantastisch und wäre auf dem Mittelaltermarkt ein Blickfänger.

Während die DSA-Illustationen neueren Datums also handwerklich wirklich sehr gut ist, ist das Gezeigte für meinen Geschmack dröge.

Für mich wird dies an einem Bild-Vergleich besonders deutlich, bei dem die gleiche Figur (A’Sar al’Abastra) gezeigt wird.

Links: Lena Falkenhagen: Schlange und Schwert, 1996, Umschlag (Bild von Dieter Rottermund), Rechts: Thomas Michalski: Aventurisches Elementarium, 2022, S. 100, (Bildurheber mir nicht bekannt)

Die Figur A’Sar al’Abastra ist pure Fantasy. Als von einem Drachen geschaffenes Wesen, dass auserkoren ist, Erz zu beherrschen, nebenbei unsterblich aber immer immer wieder ihr Schaffen aus früheren Inkarnationen vergessend und dadurch stets auf der Suche, bietet sie so viele Anknüpfungspunkte für Geschichten, dass man ohne Weiteres ganze Kampagnen um sie schreiben könnte.

Dies wird für mich bei dem linken (DSA3)-Bild ersichtlich. Das ganze Bild ist pure Mystik für mich. Weiß dominiert neben dem Nachthimmel (A’Sar ist weiß), aber leuchteten Farben ziehen die Blicke des Betrachters an sich: Der helle rosa Stern und mehr noch der goldene Drache. Dabei blickt die Figur zur Seite – Verfolger? Oder hat sie etwas zurückgelassen? Bewusst, so scheint es. Wissend. Gleichsam sieht sie aber auch den Betrachter des Bildes. Zudem wehen ihre Haare auf der linken Kopfseite leicht nach vorne – eine Brise in der Nacht im Hochgebirge?

Ganz anders das Bild auf der rechten Seite. Mir fehlt hier jedwede Mystik. Hätte ich keine Betitelung würde ich sagen, man sieht eine Händlerin, die Kamele verkaufen möchte. Schade.

Das zweite Bild A’Sars stammt aus dem Aventurischen Elementarium. So gut das Buch im Grunde gelungen ist – die Illustrationen weiblicher Figuren scheinen fast immer mit einem großen Drang zur Langweile hin gemalt worden zu sein.

Zum Glück gibt es auch bei DSA5 Lichtblicke. Gerade das Titelbild von „Banner der Treue“ ist gelungen (leider kann man das von dem Abenteuer selbst nicht ohne Vorbehalte sagen). Bleibt zu hoffen, dass die Qualität der Zeichnungen erhalten bleibt – die Künstler aber vielleicht von der Muße künftig in einer Art geküsst werden, das die Bilder etwas mehr von fremden Welten, Mystik und Abenteuern erzählen.