Überblick
Nach nunmehr über einem Jahr nach der Ankündigung ist sie am 29. April 2025 im Entwurf veröffentlicht worden: Die sog. ELF: Ulisses’ „Extended Licence for Friends“. Und nicht nur das: Sie kommt zusammen mit einer umfassenden Fragen-und-Antwort-Liste und der Vorlage einer Handesvereinbarung.
Warum dauerte das so lange? Während die sog. ORC, die „Open RPG Creative License” bereits im August 2023 veröffentlicht wurde, hat es bei der ELF länger gedauert. Ich meine mich zu erinnern, dass vergangenes Jahr auf der RPV erwähnt wurde, dass man die betreuende Rechtsanwaltskanzlei gewechselt habe – das dürfte eine Rolle spielen.
Darüber hinaus ist die EFL als Ergänzung zur ORC zu verstehen. Während die ORC über eine Negativabgrenzung die Nutzung der Regelwerke gestattet (und zwar unentgeltlich und auch ohne weitere Genehmigung Ulisses’), ermöglicht die ELF die Nutzung der, bei der ORC als „Produktindentität“ bezeichneten und dort ausgeklammerten, Hintergrundwelten. Was das genau für die ELF umfasst, ist offen – denn die Anlage „ELF1“ fehlt augenscheinlich. Im Ergebnis soll es aber möglich sein, eigene Publikationen, z.B. (und vielleicht auch vor allem) in der DSA-Welt zu verfassen und kommerziell zu vertreiben. Im Gegensatz zur ORC ist hierfür das Einverständnis Ulisses’ erforderlich. Die ELF ist daher auch gleich als Entwurf eines solchen Antrags an Ulisses gehalten. Und kostenlos ist die Nutzung von Rechten durch die ELF im weiteren Sinne auch nicht: Auf durch Vorverkäufe (inkl. Crowd Funding) und elektronisch genierierte Erlöse sind Lizenzgebühren in Höhe von 10% an Ulisses abzuführen.
Die Werke müssen zudem immer auch im f-shop oder im pdf-shop Ulisses’ vertrieben werden – sofern es sich um physische beziehungsweise digitale Dokumente handelt.
Einschränkungen
Daneben gibt es ein paar kluge Details: So sind Übersetzungen oder Abschriften bestehender Werke nicht möglich, ebenso keine Videospiele. Vor allem die ersten beiden Aspekte sind aus Sicht Ulisses’ nachdrücklich wichtig, weil andernfalls Kopien der eigenen Werke, ggf. in einer anderen Sprache, legal von einem anderen veröffentlicht werden könnten.
Zudem ist es nicht gestattet, zum Beispiel diskriminierende oder pornograpische Inhalte in den selbsterstellten Werken darzulegen. Mit Blick darauf, dass viele Rollenspielprodukte in der Spielwelt diskriminierende Inhalte beschreiben – sei es als Problemstellung oder als Teil der Weltsetzung – mag dies verwundern. Mit Blick darauf, dass im eigentlichen Vertragstext aber deutlich wird, dass Inhalte ausgeschlossen sind, die gegen die guten Sitten verstoßen, dürfte dies für derartige rein spielweltbezogene Inhalte keine Hürde sein. Im der (augenscheinlich nicht vertragsgegenständlichen) Frage-und-Antwortliste, wird auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Einschränkung nur für „Outgame“-Texte gelte. Davon abgesehen würde sich Ulisses nur selbst schaden (und auch eigene Produkte für sittenwidrig erklären), falls rein spielweltbezogen derartige Inhalte für unzulässig erklärt werden sollten.
Ratio und Würdigung
Ich sehe durch die Veröffentlichung der ELF meine Einschätzung von vor etwa einem Jahr bestätigt: Ulisses möchte über die ELF zum einen weitere Erträge über Lizenzgebühren generieren und zum anderen die Verbreitung der eigenen Spielwelten über Werke Dritter fördern. Das ist aus meiner Sicht ein kluger Schachzug.
Die Vorstellung eigene Rollenspielprodukte zu erstellen, und diese einem größeren Adressatenkreis zugänglich zu machen, ist sicher für viele reizvoll. Im Grunde ist die Bereitstellung der Produkte auch über die Ulisses-eigenen Vertriebskanäle sogar für die Autoren ein toller Vertriebskanal. Ich kann mir daher gut vorstellen, dass der ein oder andere von der ELF Gebrauch machen wird.
Ein solches „Mitmachen“ wird von Ulisses ausdrücklich gefördert: Die beiliegenden Dokumente, allen voran die Fragen-Antwort-Liste (die dann auch mit „Der ELF-Ratgeber“ überschrieben ist) helfen potentiellen Neuautoren, den Start zu wagen und gehen auf zahlreiche, auch rechtliche Aspekte in diesem Zusammenhang ein. Ulisses ist hier ausdrücklich unterstützend.
Aus meiner Sicht kann Ulisses über die ELFauch praktisch nur gewinnen: Lizenzgebühren fallen (potentiell) im Erfolgsfalle an – bei nicht erfolgreichen Produkten hat Ulisses aber keinen Nachteil. Das ist eine Verbesserung aus Sicht Ulisses’ im Vergleich zu Erstellung von Produkten mit freien Mitarbeitern, die gegenwärtig die Regel ist: Diese Mitarbeiter muss Ulisses auch bezahlen, wenn das Produkt wenig erfolgreich ist (obgleich die Bezahlung nicht fürstlich ist).
Im besten Fall stellt sich sogar ein „self-selection“-Prozess ein, dass gute Autoren sich eher trauen, durch Arbeit ohne sichere Gegenleistung ins Risiko zu gehen und über die ELF zu publizieren.
Dieser Gedanke findet auch seinen Niederschlag darin, dass sich Ulisses 10% der Erlöse aus Vorverkaufsgebühren sichert. Falls sich der Autor über ein solches Verfahren absichert, so steigen automatisch auch für Ulisses die Erträge.
Nur wenn ein Autor den Weg über derartige Vorverkaufsgebühren nicht einschlägt (also nur bei Verkauf des fertigen Produktes Erlöse erlangt) und diese Erlöse auch nur aus physischen Produkten resultieren, geht Ulisses leer aus. Dies dürfte der Ausnahmefall sein: Ich glaube, kaum jemand wird heute Rollenspielbücher ohne elektronische Variante anbieten. Dieser, sehr klassische Ansatz, dürfte im Rollenspielmarkt nicht mehr sehr erfolgsversprechend ist – andernfalls hätte Ulisses ihm wohlmöglich mehr Bedeutung beigemessen.
Ulisses macht mehrfach deutlich, dass die unter der ELF publizierten Produkte nicht kanoisch werden und versucht hierdurch, die Konkurrenzsituation mit eigenen Produkten abzuschwächen. Wie vor einem Jahr schon erläutert, ist das auf dem Papier gut machbar – falls einzelne ELF-Inhalte aber weite Zustimmung erfahren, dürfte sich mindestens eine „de-facto“-Kanonisierung einstellen.
Mindestens uns Spielern (und in vielen Fällen auch Ulisses) dürfte das dann egal sein. Die Spielerschaft kann sich hoffentlich auf die Werke toller Autoren freuen!
