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Die Darstellung von Charakteren im Rollenspiel

Wenn man mit Rollenspiel erstmals beginnt, ist die Charaktergestaltung oft simpel: Es handelt sich mitunter einfach um den Spieler, der jedoch mit anderen Fähigkeiten und einem anderen Aussehen ausgestattet ist. Ein wirklich anderer Charakter findet sich zu Beginn oft nicht.

Genau hierum soll es nicht gehen.

Nach langer Zeit des Rollenspiels haben sich für einige Spieler in meinem Umfeld ikonische Rollen herausgestellt, die von diesen besonders gut dargestellt werden können. Das hat mit Erfahrung nur bedingt etwas zu tun. Im Gegensatz zum vorstehenden, eher negativen, Beispiel handelt es sich durchaus um individuelle und unterscheidbare Charaktere – sowohl unterscheidbar von dem Spieler als auch untereinander. Offenbar bringt der Spieler ein bestimmtes Talent mit, zum Beispiel eine bestimmte Charakterklasse, besonders gut darzustellen.

Da insbesondere (aber nicht nur) beim Pen & Paper-Rollenspiel die Darstellung ganz wesentlich durch die direkte Rede des Charakters geprägt wird, kommt dieses Talent vor allem hierbei zum Tragen. Nach meiner Erfahrung erkennt man die ikonische Rolle also daran, ob der Spieler es versteht, in zahlreichen Spielsituation fabelhafte Sätze für seinen Charakter zu formen.

In allen mir bekannten Fällen wurde die jeweils ikonischen Rollen nicht von dem betreffenden Spieler sondern von seinen Mitspielern entdeckt.

Kennt man die ikononischen Rollen seiner Mitspieler kann dies das Rollenspiel erheblich aufwerten – weil die Charakterdarstellung viel selbstverständlicher von der Hand, respektive der Zunge, geht. Vor allem werden diese Paraderollen dem Spieler in der Regel auch nicht über, da er selbst innerhalb seines Spektrums neue Charaktere findet, die sehr gut von den anderen unterscheidbar sind.

Ob jeder Spieler eine ikonsiche Rolle hat oder nicht, kann ich nicht sagen. Bei dem ein oder anderen suche ich schon recht lange erfolglos, ob es eine gibt. Dennoch können diese großartige Rollenspieler sein!

Häufiger ist es, meiner Erfahrung nach, dass viele Spieler Outgame-Veranlagungen haben und diese zumindest unterbewusst ins Spiel einfließen lassen – was jedoch nicht in allen Rollen hilfreich ist. Ist man per se vorsichtig oder schüchtern, scheiden oft die meisten extrovertierten Rollen aus oder sind nur mit Zugeständnissen darstellbar.

Freilich kann man sich hierüber hinwegsetzen. Ich habe jedoch beobachtet, dass dies auf lange Zeit oft nicht zufriedenstellend ist – gerade wenn andere Spieler ihre Paraderolle spielen oder zumindest sonst eine gute Darstellung an den Tag legen. In gewisser Weise ist dies ein Jammer – weil Rollenspiel ja gerade die Erfahrung neuer Rollen ermöglichen soll.

Damit kommen wir zu dem Gegenteil der ikonischen Rolle: Der Fehlbesetzung. Wer einen Gelehrten spielen möchte, aber von der Spielwelt keine Ahnung hat, sollte das nicht tun. Es ist wenig stimmungsvoll, wenn der Spielleiter die Informationen aus dem Wissen des Gelehrten „vorsagt“, damit diese dann von dem Charakter und Spieler „nachgesagt“ werden.

In einem anderen Fall mag Pöbeln wichtig sein – und auch das will gelernt sein! Im Grunde gilt umgekehrt zur Paraderolle: Man sollte die direkte Rede für seinen Charakter so beherrschen, dass man die Darstellung überzeugend ist.

Abstraktere Fähigkeiten, die nicht oder nicht oft in Form der direkten Rede zur Schau kommen, sind hingegen zur Darstellung oft weniger wichtig. Als Beispiele mögen hier in erster Linie körperliche oder handwerkliche Fähigkeiten oder auch taktisches Verständnis dienen.

Ich weiß, dass dies ein nicht unumstrittener Standpunkt ist. Gleichwohl würde ich davon abraten, einen Charakter darzustellen, der einem schwerfällt. Ich habe mehrfach die Erfahrung gemacht, dass ein intersubjektiv als unbefriedigend dargestellter Charakter für niemanden eine Freude ist. Und es muss ja nicht gleich die Paraderolle sein! Ich bin sicher, dass jeder eine Rolle findet, die er (intersubjektiv beurteilt) gut darstellt und dem Spieler Freude macht. Und vielleicht findet dieser ja doch noch seine ikonische Rolle.

Schwieriger wird es freilich beim LARP. Da muss neben der Rede auch die Erscheinung passen. Daher ist mein Zwergen-Champion nie etwas geworden…

Von einem, der auszog, auf ein LARP zu gehen

Irgendwann in der Mittelstufe kamen zwei meiner Freunde mit dem Liverollenspiel in Berührung – und das fanden wir alle gleich großartig! Wir übten fechten (mit Stöcken, nur später mit Polsterwaffen) und joggten sogar, um unsere Helden gut darstellen zu können. Denn wir wollten zunächst im Grunde unsere DSA-Charaktere spielen oder hatten zumindest das Bild einer Heldengruppe vor Augen. Ich wollte einen Zwerg spielen. Und so zerbrach ich mir den Kopf, wie ich ein Kettenhemd beschaffe (geworden ist es nur eine Lederweste), sowie eine Zweihand-Doppelkopfaxt bekomme. Letztlich bin ich nie als Zwerg aufs Liverollenspiel gegangen – ich konnte die Ausrüstung nicht zusammenbringen, wähnte mich nicht gut genug im Kampf und war zudem zu groß. Als ich 1999 dann zum ersten Mal auf einem „richtigen“ LARP war, merkte ich zudem, dass es ohnehin alles ganz anders ist, als ich es mir vorgestellt hatte…

1.) Fast jeder ist Protagonist

Ich hatte, wie erwähnt, eine Heldengruppe vor Augen und wollte meinen DSA-Charakter spielen. Das war nunmehr ein Magier (und kein Zwerg mehr), der mit dem Gasthaus „Zum lachenden Shruuf“ übrigens eine enge Verbindung hat. Ich dachte, wir würde auf dem LARP ähnliche Abenteuer erleben wie am Tische zuvor.

Das ist grob unzutreffend.

Naturgemäß fahren nämlich zum LARP fast nur „Helden“ – man ist also einer vor Vielen und keineswegs zwingend im Zentrum des Geschehens, wie es beim Tischrollenspiel der Fall ist. Allerdings nehmen sich schon sehr viele sehr wichtig und erwarten ihren Charakteren gegenüber ein bestimmtes Auftreten. Das führt mich zum Zweiten…

2.) Auf dem LARP ist „Anything goes Fantasy“

Die überwiegende Zahl der Cons spielt nicht in einem geschlossenen Setting. Das Conquest of Mythodea zum Beispiel spielt zwar in einem bestimmten Setting – es wird aber keineswegs darauf geachtet, dass Charaktere, die aus einer anderen Welt kommen, an der Veranstaltung nicht teilnehmen. Es kann also Jeder mit Allem dorthin – und regelmäßig auch auf andere Cons. Von diesem Regelfall wird im Folgenden ausgegangen – auch weil ich es kaum anders kenne.

Daher sind die LARPs oft ein Gemisch von Epochen, Welten und dergleichen. Es kann gut sein, dass sich ein rechtschaffender Ritter plötzlich einem Mob aus dem Zeitalter der Revolution gegenübersieht. Oder dass römische Legionäre mit Musketen angegangen werden.

Es ist also ratsam, möglichst wenig Erwartungen an eine Con oder die Erlebnisse dort zu haben. Jeder hat seinen eigenen Mikrokosmos und diese Kosmen sind oft nicht einmal in den Grundlagen aufeinander abgestimmt.

Hieraus ergibt sich auch, dass es oft eine andere Erwartungshaltung an das „Fantasy-Level“ gibt. Es gibt Spieler, die lehnen zum Beispiel mit großer Inbrunst Lederhosen ab – weil solche im Mittelalter (offenbar) nicht getragen wurden. Da Lederhosen aber von zahlreichen ikonischen Fantasy-Helden getragen werden (Herkules in der TV-Serie, Conan in den Filmen, Faramir in der Herr der Ringe-Verfilmung..), ist für mich gut nachvollziehbar, dass andere Spieler, diese für sehr stimmig halten.

Auch bestehen, wie angedeutet, ganz andere Vorstellungen von dem, was man spielen kann. Besonders gut in Erinnerung ist mir eine Spielerin, die einen Gott-Imperator spielte, beziehungsweise spielen wollte. Die hiermit verbundenen Erwartungen wurden von den anderen Spieler (wenig verwunderlich) nicht erfüllt. Im Gegenteil – diese fanden das Konzept in jeder Hinsicht schlecht. Auf dem Conquest gab es früher ein Lied unter Nichtspielercharakteren, dass diese auseinanderfallenden Vorstellungen überspitzt beschreibt:

„Hast mich gar nicht kommen sehen,
bin ein Nachtelf-Paladin,
Mein Flammenschwert macht Vier-Direkt –
SL schaff‘ diesen Spieler weg“

Auch wenn unsichtbare, flammenschwertschwingende Nachtelfen-Paladine sicher (meist) überzeichnete Extremfälle sind, wird hoffentlich klar, dass die Vorstellungen, was möglich, sinnvoll oder auch nur verständlich ist, weit auseinandergehen.

Hart trifft es auch die, die irgendeine Form von klerikalem Charakter spielen. Da die Gottheit im Zweifel keine kennt (manchmal hat man einen Outtime-Vorteil, wenn man zum Beispiel eine DSA-Gottheit wählt), ist jede Form der Verehrung unwahrscheinlich.

3.) LARP-Plots sind in der Regel unplausibel motiviert

Als LARP-Orga steht man initial vor der Frage, wie man es schafft, diese Herrscharen von Individuuen aus unterschiedlichen Welten, Zeiten und Dimensionen nun „intime“ in die Länder zu schaffen, in der die Con spielt. Hierzu werden die großen Probleme (wie Zeit und Dimension aber auch Geographie) üblicherweise übergangen und zum Beispiel Turniere bemüht, zu denen alle eingeladen werden. Auch sehr geläufig sind Hilfegesuche zum Beispiel eines Adligen (den freilich keiner kennt). Letztlich ist es aber so, dass sehr viele Spielercharaktere de facto keinen Grund haben, auf der Veranstaltung zu sein – weil sie vielleicht an keinem Turnier teilnehmen, realiter nie eingeladen werden würden oder auf ein bloßes Hilfsgesuch eigentlich nicht reagieren.

Dennoch sollen im nächsten Schritt diese sich fremden Weltenbummler unter Einsatz ihres Lebens gemeinsam den Plot lösen. Auch hier ist von einem zu tiefergehenden Hinterfragen dringend Abstand zu nehmen. In vielen Fällen haben die Charaktere nämlich keine, wirklich keine, Motivation, dies zu tun. Zugegeben: Die kann man sich Outtime vorab zusammenstricken, wenn man den Charakter erstellt oder auch dann überlegen, wenn man sich anmeldet.

4.) Die Darstellung ist oft mäßig

Viele Gewandungen (das sind die Kostüme) sind wirklich klasse. Ich persönlich finde aber auch, dass viele einfallslos sind – jedoch mittlerweile wirklich nur noch selten welche handwerklich schlecht. Darüber hinaus muss man in aller Regel schon Abstriche machen: LARP finden gerne auf Burgen statt – ganz klassisch ist hier die Burg Bilstein zu nennen. Diese Burg sieht schön aus und die Außenanlagen ist in weitern Teilen auch so gestaltet als ob sie in einem Fantasy-Film Platz finden könnten. Allein – es gibt auch Innenräume und bei denen ist es überwiegend anders: Gekachelte Jugendherbergs-Flure mit hellen Holztüren sind nun mal keine stimmigen Räumlichkeiten für einen epischen Kampf gegen Orks oder für phantastische Begegnungen mit Feen.

Und auf Cons gibt es praktisch nie Reittiere (ich kenne löbliche Ausnahmen!). Dabei wären gerade Pferde für Ritter mehr als nur stimmungsvoll.

Auf Zeltcons ist es meiner Meinung nach im Durchschnitt besser um das Ambiente bestellt. Die meisten Zelte sind „Intime“-Zelte, viele auch stimmig eingerichtet. Aber auch hier gibt es Tiefpunkte. Mein Negativ-Favorit in dieser Hinsicht ist das sogenannte Flatterband. Das ist eine etwa auf Brusthöhe gespannte Schnur, die eine Palisade (sic!) anzeigen soll.

Grundsätzlich gibt es zudem das damit verwandte Phänomen des „Telling“. Hierbei wird, aus Ermangelung einer Darstellung, flux von der Spielleitung (im Einzelfall auch von anderen) erzählt, was geschieht – willkommen im Pen & Paper-Rollenspiel (allerdings ohne Pen und Paper).

„Telling“ ist freilich höchst unpopulär. Dennoch zeigt es die (natürlichen) Grenzen von LARP auf. Vor vielen Jahren war ich Zeuge eines Gespräches im dem es darum ging, wo die Immersion besser wäre – beim LARP oder beim Pen & Paper-Rollenspiel. Mit Blick auf das Vorstehende sollte klar sein, dass diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden kann: Beim LARP werden die Möglichkeiten oft nicht genutzt (Stichwort: Flatterband) oder die Darstellung ist nicht oder nur mit prohibitivem Aufwand möglich (Teleportation bzw. fliegende Teppiche) und die Immersion kann geringer sein, als sie beim Pen & Paper-Rollenspiel üblicherweise ist. Schließlich ist die Unzulänglichkeit viel offenbarer und trifft zudem auf höhere Erwartungen. Das Pen & Paper-Rollenspiel kennt keine Darstellungsgrenzen, ist jedoch regelmäßig weniger immersiv in seiner grundsätzlichen Anlage.

Warum dennoch LARP?

Allen Schwächen zum Trotze ist LARP dennoch eine tolle Sache. Allein der Geruch des Leders der Ausrüstung, das Schmecken der Lagerfeuer in der Luft lassen Vorfreude aufkommen. Die Stimmung, die zum Beispiel eine Taverne mit einem Barden mit sich bringt, ist sonst unerreicht. Gefährliche Situationen sind auch viel authentischer bedrohlich: Ein dunkler Wald, in dem man sich tatsächlich verlaufen hat und in dem es Untote gibt, ist etwas anderes, als dies, vergleichsweise theoretisch, bei Tischrollenspiel zu erleben. Auch geht ein LARP Tage, nicht nur Stunden. Und, idealerweise zumindest, ohne Pause. Viele Situation sind urkomisch – ohne aus der Welt zu fallen. Hervorheben möchte ich auch die Zeit, die man mit Freunden verbringt und einen die Freundschaft nochmals anders, vielleicht sogar intensiver erfahren lässt. Und diese Erinnerungen halten ewig – gerade auch wegen der oben geschilderten Unzulänglichkeiten. Wie sagte jüngst ein guter Freund von mir: „Auch wenn die Con nicht so geil war – irgendwie war’s geil!”

Die imparitätische Lastenverteilung beim Pen und Paper-Rollenspiel

Immer wieder finde ich Gesuche von Rollenspielrunden für Spielleiter. Manchmal gar mit Vorgaben, was gespielt werden soll („Wir möchten gerne mit der Borbarad-Kampagne starten. Hierzu suchen wir Dich als Spielleiter“).

Es herrscht also, zumindest, tendenziell, Spielleitermangel. Ich persönlich habe meist mehr Rollenspiel spielen wollen, als ich konnte – oft weil keiner meistern wollte oder konnte. Daher machte ich aus der Not eine Tugend und wurde selbst Spielleiter. Seit über 30 Jahren bin ich daher ganz überwiegend Spielleiter gewesen – und es sieht nicht so aus, als ob sich dies ändern würde.

Warum ist das so? Ein großer Reiz des Rollenspiels macht die Charakterdarstellung aus. Und ich kenne es als Spieler und aus zahlreichen Gesprächen – man „verliebt“ sich in seinen Charakter. Diesen kann man dann immer weiter ausarbeiten, neue Facetten entdecken (lassen), weitere Fähigkeiten erlernen, immer diffizileres Charakterspiel erleben – es ist großartig!

Genau das kann der Spielleiter nicht. Es ist sogar schädlich. „Verliebt“ sich der Spielleiter in einen Nichtspielercharakter besteht die große Gefahr, dass dieser den Spielercharakteren die „Show“ stiehlt. Protagonisten sollen aber, zumindest mittel- bis langfristig, Spielercharaktere sein.

Ich habe als Spielleiter daher begonnen, mir nicht einen Charakter, sondern eine Spielwelt zu erschaffen. In „meinem“ Aventurien wird jedes Abenteuer nur einmal gespielt. Diese Spielercharaktere sind damit in meinem Aventurien dafür gruppenübergreifend definiert. Es kreuzen sich mitunter auch die Handlungsfäden verschiedener Gruppen. Es gibt Nichtspielercharaktere, die in unterschiedlichen Kampagnen auftauchen. Und was eine Spielgruppe macht, kann zum Guten oder Bösen für eine andere sein.

Damit habe ich diesen Aspekt, den ich am Spielersein schätze, einigermaßen nachgezeichnet. Einigermaßen, weil mich ein toller eigener Charakter oft nochmals mehr begeistert. Allerdings mag ich meine Geschichten ebenfalls schon sehr. Dann gibt es für mich insoweit häufig keinen Unterschied mehr. Ich glaube aber, dass es den meisten nicht so geht und das Erlebnis als Spieler vorgezogen wird. Zudem zerstören neue Regeleditionen oft, zumindest in der offiziellen Setzung die Konsistenz einer geschaffenen Spielwelt.

Es gibt darüber hinaus (weitere) Nachteile, die allein dem Spielleiter anheimfallen und die nur bedingt ausgeglichen werden können. Hier sind zum einen die Kosten für sämtliche Regelwerke und Abenteuer zu nennen. Ich lese zwar immer wieder, dass man die Kosten für Regelwerke ja aufteilen könne – nach meiner Erfahrung ist das aber unpraktikabel, weil man bei der Vorbereitung als Spielleiter die Regeln griffbereit haben möchte und sollte.

Viel schwerer noch wiegt genau diese Vorbereitungszeit. Zum einen müssen die Regeln gelernt werden. Auch hierzu wird mitunter vorgeschlagen, dass ja verschiedene Gruppenmitglieder unterschiedliche Regelbereiche verantworten könnten. Ich halte diesen Ansatz für untauglich. Als Spielleiter möchte ich vielmehr bei der Vorbereitung wissen, was die Spielercharaktere werden tun können und mich nicht auf eine diffuses Gefühl oder Halbwissen verlassen müssen.

Vor allem aber ist die individuelle Vorbereitungszeit pro Abenteuer zu beachten. Je nach Komplexität des Abenteuers und Erfahrung des Spielleiters ist es mit einem einmaligen Lesen keineswegs getan – und selbst ein einmaliges Lesen kann mitunter einige Zeit in Anspruch nehmen. Gleiches gilt bei selbstgestrickten Abenteuern, wenn nicht sogar in größerem Umfang. Hinzu kommen Vorbereitungen in Form von Anpassungen an die Gruppe oder für die Kampagne sowie Mühen für Handouts, Musik, Karten und dergleichen mehr. Ich habe zudem auch immer den Anspruch gehabt, zumindest wichtige Kämpfe mit passenden, bemalten Figuren darstellen zu können, was ebenfalls Zeit und Geld kostet. Dies kann aber als persönlicher Marotte abgetan werden und zudem teilweise auch von Spielern übernommen werden.

In jüngster Vergangenheit kommen, zumindest potentiell, weitere Vorbereitungstätigkeiten hinzu. Mittlerweile braucht es mitunter Karten für VTT oder Roll20. Auch das muss fast zwingend der Spielleiter übernehmen. Daher forderte ich an anderer Stelle, dass diese Dinge ohne weitere Vorbereitung einsetzbar sind.

Der Spielleiter hat damit nicht nur ein für viele weniger attraktives Spielerlebnis. Er muss auch deutlich mehr Arbeit (und Geld) für das Hobby bereitstellen.

Die letztgenannten Nachteile sind meiner Erfahrung nach deutlich schwieriger zu mitigieren. Eine Möglichkeit sind wechselnde Spielleiter. Das hat bei uns aber nie langfristig funktioniert. Ich finde es aber auch deshalb suboptimal, weil die Geschichte dann nicht mehr aus einer Hand heraus geplant wird und daher weniger konsistent oder zusammenhängend werden kann. Zudem gibt es ganz spezielle Gestalten, die sich selbst für die Spielleiterrolle kategorisch ausschließen.

Die Aufteilung der monetären Belastung auf alle Spieler ist sicher machbar. Das habe ich aber noch nie gesehen – und ist auch schwierig, weil vorab geklärt werden müsste, wem zum Beispiel das Abenteuerbuch am Ende gehören soll. Gedanklich könnte ich mir aber vorstellen, dass man sich darauf verständigt, dass die gemeinsam angeschafften Spielmittel dem Spielleiter gehören sollen – gewissermaßen als Ausgleich für seine Mühen. Auch das habe ich noch nie gesehen oder gar selbst vorgeschlagen – naheliegenderweise, denn da ich meist, trotz allem, Spielleiter bin, würde das schnell selbstsüchtig wirken.

Eine Variante, von der ich hörte, ist, dass der Spielleiter immerhin nicht die Outgame-Organisation verantworten muss. Das heißt, er muss nie Spieltermine koordinieren, sich nicht um die Verpflegung kümmern und dergleichen mehr.

Ich weiß, dass dies ein guter Freund von mir umzusetzen versucht. Seitdem hat es in dieser Runde keinen Spieltermin mehr gegeben.

Es wird spätestens damit für mich deutlich, dass den Spielleiter vor allem auch eine besonders große Passion für das Hobby auszeichnet. Das kann allerdings problematisch sein und weitere Probleme begründen.

Ich weiß von mir selbst, dass ich mich überaus zufrieden macht, wenn von den Spielern ein positives Feedback kommt. Einmal wurde nach dem Kampagnenabschluss sogar geklatscht. Das fand ich sehr rührend. Damit wären oder waren für mich alle Mühsal vergessen.

Leider ist aber oft das genaue Gegenteil der Fall: Die, von mir im Folgenden postulierte, geringere (nicht zwingend geringe!) Begeisterung von Spielern für das Hobby führt regelmäßig dazu, dass Prioritäten anders gesetzt werden. Das kann dazu führen, dass Spieltermine, auch kurzfristig, abgesagt werden. Die Gründe dafür mögen für den Absagenden subjektiv völlig einleuchtend sein – für den Spielleiter, der andere Präferenzen hat und vorab viel Arbeit investierte, könnten sie das jedoch, erneut subjektiv, gerade das nicht sein. Ich erlebte es daher oft, dass mir Absagen beziehungsweise deren Begründungen (erneut subjektiv) als Affront erschienen.

Als Teillösung hierfür plädiere ich dafür, dass sich Gruppen über ein Maß der Wichtigkeit des Spiels verständigen – und sich daran halten. Möglicherweise passen manchmal einfach die Erwartungshaltungen nicht zusammen und es braucht für den ein oder anderen eine andere Gruppe.

Zudem möchte ich, davon unabhängig, dazu raten, dem Spielleiter regelmäßig eine positive Rückmeldung zu geben. Das geht freilich über den vorgenannten Punkt des Mitmaches im Rahme des gemeinsamen Konsenz‘ hinaus. Und die anderen oben stehenden Punkte könnten doch auch wohlwollend in Betracht gezogen werden.

Rollenspiel per Videoschalte – Fluch oder Segen?

Ich lebte für etwa zwei Jahre in Singapur. Eine meiner größten Sorgen war, wie es wohl gelingen könnte, weiterhin (aktiver) Spielleiter meiner langjährigen DSA-Gruppe zu sein. Letztlich gelang das – ich kaufte mir in Singapur mit als Erstes einen LCD-Fernseher. Mit einem browserbasierten Videokonferenzprogramm konnten wir die Spielgruppe am Leben halten. Später kam noch Musik dazu (wobei ich einen Rechner in Deutschland aus Singapur fernsteuerte) und das Ganze war eine gute Sache. Nur die Zeitverschiebung war etwas knifflig: Im Ergebnis startete meine Gruppe in Deutschland um 8 Uhr morgens. Ich hingegen erst um 15 Uhr Ortszeit – aber dafür blieb ich bis 5 Uhr früh wach (22 Uhr in Deutschland).

In einem Fall spielten wir sogar Forbidden Stars per Videoschalte. Jeder hatte das Spiel vor sich aufgebaut. Die Bewegungen von Figuren der anderen Spieler mussten entsprechend nachvollzogen werden.

Als das Coronavirus kam, waren wir also gut vorbereitet. Da ich wieder in Deutschland war, gab es die Zeitzonenproblematik nicht mehr. Zudem wechselten wir auf Zoom als Konferenzprogramm. Nunmehr waren auch meine Mitspieler nicht mehr gesammelt in nur einem Raum. Stattdessen wählte sich jeder separat ein. Irgendwann setzte ich noch einen Icecast-Server auf und auf für die Hintergrundmusik war gesorgt. In der höchsten „Ausbaustufe“ gab es eine gesonderte, zweite Kamera, um gegebenenfalls Kämpfe mit Miniaturen für alle sichtbar visualisieren zu können. Ich war sehr zufrieden, dass es trotz Corona mit den Rollenspielgruppen weiterging. Mehr noch – ich spielte so viel, wie seit Jahren nicht mehr. Bis zu fünf Termine der Woche fanden vereinzelt statt. Viele hatten schlicht nichts Besseres zu tun.

Nun ist diese Zeit vorbei. Es gibt keine nennenswerten Restriktionen mehr. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich das nochmal ändern wird.

Gleichwohl ist Rollenspiel per Zoom – zumindest ein Stück weit – geblieben. In zwei Fällen geht es bei uns nicht anders: Die Spieler einer DSA-Runde sind in vier verschiedenen Ländern lebend. Beim zweiten Fall lebt der Spielleiter mittlerweile nicht mehr in München, so dass eine Zusammenkunft per Videokonferenz ebenfalls zwingend ist. Es gibt aber auch Fälle, wo das Spiel per Videoschalte das neue Normal zu sein scheint. Ich traf sogar mal einen, der wie ich in München lebt, der explizit nur nach einer Online-Runde suchte.

Ich merke jedoch, dass sich eine gewisse Zoom-Müdigkeit bei mir einstellt. Ich bin ohnehin schon dauernd beruflich in Videokonferenzen. Mitunter den ganzen Tag. Meine Freude, am Abend sich erneut in einer Videokonferenz – obgleich für Rollenspiel – wiederzufinden, ist allein deshalb schon überschaubar.

Ich finde, es geht auch Einiges verloren. Früher konnte man eine kurze Ingame-Szene parallel zur Hauptszene stattfinden lassen. Das geht nun nicht mehr. Es ist mitunter schwieriger zu Wort zu kommen, weil möglicherweise andere sprechen und man selbst nicht vernommen wird.

Zudem ist man, zumindest als Spieler, leichter abgelenkt. Ich weiß nicht, was da alles gemacht wird – aber von Internet-Bestellungen aufgeben bis nebenbei einfache Videospiele spielen, ist glaube ich alles dabei. Daneben gibt es immer wieder technische Probleme. Mal geht die Kamera nicht, dann ist die Internetverbindung weg und in wieder einem anderen Fall mag VTT oder Roll20 etc. nicht funktionieren.

Nicht nur aus diesen Gründen ist die Stimmung geringer. Daher empfinde ich das Rollenspiel per Videokonferenz daher mittlerweile mitunter als wenig erquicklich. Das scheint anderen auch so zu gehen: Neben dem Vorstehenden, scheint mir auch sonst, die Verbindlichkeit bei Online-Runden deutlich geringer zu sein – oft fehlt jemand oder kommt zu spät.

Hybrid-Runden sind nochmal speziell: Hier muss oft der Ort, an dem sich die Spieler in Präsenz treffen, vorbereitet werden, damit die Online-Spieler dabei sein können. Und Handouts sollten idealerweise online und offline zur Verfügung stehen. Die Übertragung von Kampfdarstellungen mit Miniaturen ist auch erschwert.

Ich bin daher nicht abschließend sicher, wie ich zu Rollenspiel via Videoschalte stehen soll. Einerseits ermöglichen sie Spielrunden, die sonst nicht möglich sind. Jedoch ist meines Erachtens die „Qualität“ des Rollenspiels vermindert.