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Die Darstellung von Charakteren im Rollenspiel

Wenn man mit Rollenspiel erstmals beginnt, ist die Charaktergestaltung oft simpel: Es handelt sich mitunter einfach um den Spieler, der jedoch mit anderen Fähigkeiten und einem anderen Aussehen ausgestattet ist. Ein wirklich anderer Charakter findet sich zu Beginn oft nicht.

Genau hierum soll es nicht gehen.

Nach langer Zeit des Rollenspiels haben sich für einige Spieler in meinem Umfeld ikonische Rollen herausgestellt, die von diesen besonders gut dargestellt werden können. Das hat mit Erfahrung nur bedingt etwas zu tun. Im Gegensatz zum vorstehenden, eher negativen, Beispiel handelt es sich durchaus um individuelle und unterscheidbare Charaktere – sowohl unterscheidbar von dem Spieler als auch untereinander. Offenbar bringt der Spieler ein bestimmtes Talent mit, zum Beispiel eine bestimmte Charakterklasse, besonders gut darzustellen.

Da insbesondere (aber nicht nur) beim Pen & Paper-Rollenspiel die Darstellung ganz wesentlich durch die direkte Rede des Charakters geprägt wird, kommt dieses Talent vor allem hierbei zum Tragen. Nach meiner Erfahrung erkennt man die ikonische Rolle also daran, ob der Spieler es versteht, in zahlreichen Spielsituation fabelhafte Sätze für seinen Charakter zu formen.

In allen mir bekannten Fällen wurde die jeweils ikonischen Rollen nicht von dem betreffenden Spieler sondern von seinen Mitspielern entdeckt.

Kennt man die ikononischen Rollen seiner Mitspieler kann dies das Rollenspiel erheblich aufwerten – weil die Charakterdarstellung viel selbstverständlicher von der Hand, respektive der Zunge, geht. Vor allem werden diese Paraderollen dem Spieler in der Regel auch nicht über, da er selbst innerhalb seines Spektrums neue Charaktere findet, die sehr gut von den anderen unterscheidbar sind.

Ob jeder Spieler eine ikonsiche Rolle hat oder nicht, kann ich nicht sagen. Bei dem ein oder anderen suche ich schon recht lange erfolglos, ob es eine gibt. Dennoch können diese großartige Rollenspieler sein!

Häufiger ist es, meiner Erfahrung nach, dass viele Spieler Outgame-Veranlagungen haben und diese zumindest unterbewusst ins Spiel einfließen lassen – was jedoch nicht in allen Rollen hilfreich ist. Ist man per se vorsichtig oder schüchtern, scheiden oft die meisten extrovertierten Rollen aus oder sind nur mit Zugeständnissen darstellbar.

Freilich kann man sich hierüber hinwegsetzen. Ich habe jedoch beobachtet, dass dies auf lange Zeit oft nicht zufriedenstellend ist – gerade wenn andere Spieler ihre Paraderolle spielen oder zumindest sonst eine gute Darstellung an den Tag legen. In gewisser Weise ist dies ein Jammer – weil Rollenspiel ja gerade die Erfahrung neuer Rollen ermöglichen soll.

Damit kommen wir zu dem Gegenteil der ikonischen Rolle: Der Fehlbesetzung. Wer einen Gelehrten spielen möchte, aber von der Spielwelt keine Ahnung hat, sollte das nicht tun. Es ist wenig stimmungsvoll, wenn der Spielleiter die Informationen aus dem Wissen des Gelehrten „vorsagt“, damit diese dann von dem Charakter und Spieler „nachgesagt“ werden.

In einem anderen Fall mag Pöbeln wichtig sein – und auch das will gelernt sein! Im Grunde gilt umgekehrt zur Paraderolle: Man sollte die direkte Rede für seinen Charakter so beherrschen, dass man die Darstellung überzeugend ist.

Abstraktere Fähigkeiten, die nicht oder nicht oft in Form der direkten Rede zur Schau kommen, sind hingegen zur Darstellung oft weniger wichtig. Als Beispiele mögen hier in erster Linie körperliche oder handwerkliche Fähigkeiten oder auch taktisches Verständnis dienen.

Ich weiß, dass dies ein nicht unumstrittener Standpunkt ist. Gleichwohl würde ich davon abraten, einen Charakter darzustellen, der einem schwerfällt. Ich habe mehrfach die Erfahrung gemacht, dass ein intersubjektiv als unbefriedigend dargestellter Charakter für niemanden eine Freude ist. Und es muss ja nicht gleich die Paraderolle sein! Ich bin sicher, dass jeder eine Rolle findet, die er (intersubjektiv beurteilt) gut darstellt und dem Spieler Freude macht. Und vielleicht findet dieser ja doch noch seine ikonische Rolle.

Schwieriger wird es freilich beim LARP. Da muss neben der Rede auch die Erscheinung passen. Daher ist mein Zwergen-Champion nie etwas geworden…