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Die imparitätische Lastenverteilung beim Pen und Paper-Rollenspiel

Immer wieder finde ich Gesuche von Rollenspielrunden für Spielleiter. Manchmal gar mit Vorgaben, was gespielt werden soll („Wir möchten gerne mit der Borbarad-Kampagne starten. Hierzu suchen wir Dich als Spielleiter“).

Es herrscht also, zumindest, tendenziell, Spielleitermangel. Ich persönlich habe meist mehr Rollenspiel spielen wollen, als ich konnte – oft weil keiner meistern wollte oder konnte. Daher machte ich aus der Not eine Tugend und wurde selbst Spielleiter. Seit über 30 Jahren bin ich daher ganz überwiegend Spielleiter gewesen – und es sieht nicht so aus, als ob sich dies ändern würde.

Warum ist das so? Ein großer Reiz des Rollenspiels macht die Charakterdarstellung aus. Und ich kenne es als Spieler und aus zahlreichen Gesprächen – man „verliebt“ sich in seinen Charakter. Diesen kann man dann immer weiter ausarbeiten, neue Facetten entdecken (lassen), weitere Fähigkeiten erlernen, immer diffizileres Charakterspiel erleben – es ist großartig!

Genau das kann der Spielleiter nicht. Es ist sogar schädlich. „Verliebt“ sich der Spielleiter in einen Nichtspielercharakter besteht die große Gefahr, dass dieser den Spielercharakteren die „Show“ stiehlt. Protagonisten sollen aber, zumindest mittel- bis langfristig, Spielercharaktere sein.

Ich habe als Spielleiter daher begonnen, mir nicht einen Charakter, sondern eine Spielwelt zu erschaffen. In „meinem“ Aventurien wird jedes Abenteuer nur einmal gespielt. Diese Spielercharaktere sind damit in meinem Aventurien dafür gruppenübergreifend definiert. Es kreuzen sich mitunter auch die Handlungsfäden verschiedener Gruppen. Es gibt Nichtspielercharaktere, die in unterschiedlichen Kampagnen auftauchen. Und was eine Spielgruppe macht, kann zum Guten oder Bösen für eine andere sein.

Damit habe ich diesen Aspekt, den ich am Spielersein schätze, einigermaßen nachgezeichnet. Einigermaßen, weil mich ein toller eigener Charakter oft nochmals mehr begeistert. Allerdings mag ich meine Geschichten ebenfalls schon sehr. Dann gibt es für mich insoweit häufig keinen Unterschied mehr. Ich glaube aber, dass es den meisten nicht so geht und das Erlebnis als Spieler vorgezogen wird. Zudem zerstören neue Regeleditionen oft, zumindest in der offiziellen Setzung die Konsistenz einer geschaffenen Spielwelt.

Es gibt darüber hinaus (weitere) Nachteile, die allein dem Spielleiter anheimfallen und die nur bedingt ausgeglichen werden können. Hier sind zum einen die Kosten für sämtliche Regelwerke und Abenteuer zu nennen. Ich lese zwar immer wieder, dass man die Kosten für Regelwerke ja aufteilen könne – nach meiner Erfahrung ist das aber unpraktikabel, weil man bei der Vorbereitung als Spielleiter die Regeln griffbereit haben möchte und sollte.

Viel schwerer noch wiegt genau diese Vorbereitungszeit. Zum einen müssen die Regeln gelernt werden. Auch hierzu wird mitunter vorgeschlagen, dass ja verschiedene Gruppenmitglieder unterschiedliche Regelbereiche verantworten könnten. Ich halte diesen Ansatz für untauglich. Als Spielleiter möchte ich vielmehr bei der Vorbereitung wissen, was die Spielercharaktere werden tun können und mich nicht auf eine diffuses Gefühl oder Halbwissen verlassen müssen.

Vor allem aber ist die individuelle Vorbereitungszeit pro Abenteuer zu beachten. Je nach Komplexität des Abenteuers und Erfahrung des Spielleiters ist es mit einem einmaligen Lesen keineswegs getan – und selbst ein einmaliges Lesen kann mitunter einige Zeit in Anspruch nehmen. Gleiches gilt bei selbstgestrickten Abenteuern, wenn nicht sogar in größerem Umfang. Hinzu kommen Vorbereitungen in Form von Anpassungen an die Gruppe oder für die Kampagne sowie Mühen für Handouts, Musik, Karten und dergleichen mehr. Ich habe zudem auch immer den Anspruch gehabt, zumindest wichtige Kämpfe mit passenden, bemalten Figuren darstellen zu können, was ebenfalls Zeit und Geld kostet. Dies kann aber als persönlicher Marotte abgetan werden und zudem teilweise auch von Spielern übernommen werden.

In jüngster Vergangenheit kommen, zumindest potentiell, weitere Vorbereitungstätigkeiten hinzu. Mittlerweile braucht es mitunter Karten für VTT oder Roll20. Auch das muss fast zwingend der Spielleiter übernehmen. Daher forderte ich an anderer Stelle, dass diese Dinge ohne weitere Vorbereitung einsetzbar sind.

Der Spielleiter hat damit nicht nur ein für viele weniger attraktives Spielerlebnis. Er muss auch deutlich mehr Arbeit (und Geld) für das Hobby bereitstellen.

Die letztgenannten Nachteile sind meiner Erfahrung nach deutlich schwieriger zu mitigieren. Eine Möglichkeit sind wechselnde Spielleiter. Das hat bei uns aber nie langfristig funktioniert. Ich finde es aber auch deshalb suboptimal, weil die Geschichte dann nicht mehr aus einer Hand heraus geplant wird und daher weniger konsistent oder zusammenhängend werden kann. Zudem gibt es ganz spezielle Gestalten, die sich selbst für die Spielleiterrolle kategorisch ausschließen.

Die Aufteilung der monetären Belastung auf alle Spieler ist sicher machbar. Das habe ich aber noch nie gesehen – und ist auch schwierig, weil vorab geklärt werden müsste, wem zum Beispiel das Abenteuerbuch am Ende gehören soll. Gedanklich könnte ich mir aber vorstellen, dass man sich darauf verständigt, dass die gemeinsam angeschafften Spielmittel dem Spielleiter gehören sollen – gewissermaßen als Ausgleich für seine Mühen. Auch das habe ich noch nie gesehen oder gar selbst vorgeschlagen – naheliegenderweise, denn da ich meist, trotz allem, Spielleiter bin, würde das schnell selbstsüchtig wirken.

Eine Variante, von der ich hörte, ist, dass der Spielleiter immerhin nicht die Outgame-Organisation verantworten muss. Das heißt, er muss nie Spieltermine koordinieren, sich nicht um die Verpflegung kümmern und dergleichen mehr.

Ich weiß, dass dies ein guter Freund von mir umzusetzen versucht. Seitdem hat es in dieser Runde keinen Spieltermin mehr gegeben.

Es wird spätestens damit für mich deutlich, dass den Spielleiter vor allem auch eine besonders große Passion für das Hobby auszeichnet. Das kann allerdings problematisch sein und weitere Probleme begründen.

Ich weiß von mir selbst, dass ich mich überaus zufrieden macht, wenn von den Spielern ein positives Feedback kommt. Einmal wurde nach dem Kampagnenabschluss sogar geklatscht. Das fand ich sehr rührend. Damit wären oder waren für mich alle Mühsal vergessen.

Leider ist aber oft das genaue Gegenteil der Fall: Die, von mir im Folgenden postulierte, geringere (nicht zwingend geringe!) Begeisterung von Spielern für das Hobby führt regelmäßig dazu, dass Prioritäten anders gesetzt werden. Das kann dazu führen, dass Spieltermine, auch kurzfristig, abgesagt werden. Die Gründe dafür mögen für den Absagenden subjektiv völlig einleuchtend sein – für den Spielleiter, der andere Präferenzen hat und vorab viel Arbeit investierte, könnten sie das jedoch, erneut subjektiv, gerade das nicht sein. Ich erlebte es daher oft, dass mir Absagen beziehungsweise deren Begründungen (erneut subjektiv) als Affront erschienen.

Als Teillösung hierfür plädiere ich dafür, dass sich Gruppen über ein Maß der Wichtigkeit des Spiels verständigen – und sich daran halten. Möglicherweise passen manchmal einfach die Erwartungshaltungen nicht zusammen und es braucht für den ein oder anderen eine andere Gruppe.

Zudem möchte ich, davon unabhängig, dazu raten, dem Spielleiter regelmäßig eine positive Rückmeldung zu geben. Das geht freilich über den vorgenannten Punkt des Mitmaches im Rahme des gemeinsamen Konsenz‘ hinaus. Und die anderen oben stehenden Punkte könnten doch auch wohlwollend in Betracht gezogen werden.