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Rollenspiel per Videoschalte – Fluch oder Segen?

Ich lebte für etwa zwei Jahre in Singapur. Eine meiner größten Sorgen war, wie es wohl gelingen könnte, weiterhin (aktiver) Spielleiter meiner langjährigen DSA-Gruppe zu sein. Letztlich gelang das – ich kaufte mir in Singapur mit als Erstes einen LCD-Fernseher. Mit einem browserbasierten Videokonferenzprogramm konnten wir die Spielgruppe am Leben halten. Später kam noch Musik dazu (wobei ich einen Rechner in Deutschland aus Singapur fernsteuerte) und das Ganze war eine gute Sache. Nur die Zeitverschiebung war etwas knifflig: Im Ergebnis startete meine Gruppe in Deutschland um 8 Uhr morgens. Ich hingegen erst um 15 Uhr Ortszeit – aber dafür blieb ich bis 5 Uhr früh wach (22 Uhr in Deutschland).

In einem Fall spielten wir sogar Forbidden Stars per Videoschalte. Jeder hatte das Spiel vor sich aufgebaut. Die Bewegungen von Figuren der anderen Spieler mussten entsprechend nachvollzogen werden.

Als das Coronavirus kam, waren wir also gut vorbereitet. Da ich wieder in Deutschland war, gab es die Zeitzonenproblematik nicht mehr. Zudem wechselten wir auf Zoom als Konferenzprogramm. Nunmehr waren auch meine Mitspieler nicht mehr gesammelt in nur einem Raum. Stattdessen wählte sich jeder separat ein. Irgendwann setzte ich noch einen Icecast-Server auf und auf für die Hintergrundmusik war gesorgt. In der höchsten „Ausbaustufe“ gab es eine gesonderte, zweite Kamera, um gegebenenfalls Kämpfe mit Miniaturen für alle sichtbar visualisieren zu können. Ich war sehr zufrieden, dass es trotz Corona mit den Rollenspielgruppen weiterging. Mehr noch – ich spielte so viel, wie seit Jahren nicht mehr. Bis zu fünf Termine der Woche fanden vereinzelt statt. Viele hatten schlicht nichts Besseres zu tun.

Nun ist diese Zeit vorbei. Es gibt keine nennenswerten Restriktionen mehr. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich das nochmal ändern wird.

Gleichwohl ist Rollenspiel per Zoom – zumindest ein Stück weit – geblieben. In zwei Fällen geht es bei uns nicht anders: Die Spieler einer DSA-Runde sind in vier verschiedenen Ländern lebend. Beim zweiten Fall lebt der Spielleiter mittlerweile nicht mehr in München, so dass eine Zusammenkunft per Videokonferenz ebenfalls zwingend ist. Es gibt aber auch Fälle, wo das Spiel per Videoschalte das neue Normal zu sein scheint. Ich traf sogar mal einen, der wie ich in München lebt, der explizit nur nach einer Online-Runde suchte.

Ich merke jedoch, dass sich eine gewisse Zoom-Müdigkeit bei mir einstellt. Ich bin ohnehin schon dauernd beruflich in Videokonferenzen. Mitunter den ganzen Tag. Meine Freude, am Abend sich erneut in einer Videokonferenz – obgleich für Rollenspiel – wiederzufinden, ist allein deshalb schon überschaubar.

Ich finde, es geht auch Einiges verloren. Früher konnte man eine kurze Ingame-Szene parallel zur Hauptszene stattfinden lassen. Das geht nun nicht mehr. Es ist mitunter schwieriger zu Wort zu kommen, weil möglicherweise andere sprechen und man selbst nicht vernommen wird.

Zudem ist man, zumindest als Spieler, leichter abgelenkt. Ich weiß nicht, was da alles gemacht wird – aber von Internet-Bestellungen aufgeben bis nebenbei einfache Videospiele spielen, ist glaube ich alles dabei. Daneben gibt es immer wieder technische Probleme. Mal geht die Kamera nicht, dann ist die Internetverbindung weg und in wieder einem anderen Fall mag VTT oder Roll20 etc. nicht funktionieren.

Nicht nur aus diesen Gründen ist die Stimmung geringer. Daher empfinde ich das Rollenspiel per Videokonferenz daher mittlerweile mitunter als wenig erquicklich. Das scheint anderen auch so zu gehen: Neben dem Vorstehenden, scheint mir auch sonst, die Verbindlichkeit bei Online-Runden deutlich geringer zu sein – oft fehlt jemand oder kommt zu spät.

Hybrid-Runden sind nochmal speziell: Hier muss oft der Ort, an dem sich die Spieler in Präsenz treffen, vorbereitet werden, damit die Online-Spieler dabei sein können. Und Handouts sollten idealerweise online und offline zur Verfügung stehen. Die Übertragung von Kampfdarstellungen mit Miniaturen ist auch erschwert.

Ich bin daher nicht abschließend sicher, wie ich zu Rollenspiel via Videoschalte stehen soll. Einerseits ermöglichen sie Spielrunden, die sonst nicht möglich sind. Jedoch ist meines Erachtens die „Qualität“ des Rollenspiels vermindert.