Der alte Wanderer

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„Gendern“ (oder auch nicht) in Rollenspielprodukten – mögliche Folgen für das Hobby

Vor einigen Wochen fragte ein Mitspieler in einer Chat-Gruppe, ob jemand ein Splittermond-Startbox haben möchte. Diese sei komplett „durchgegendert“ und daher bestehe kein Interesse an dem Produkt.

In der Chat-Gruppe führte dies zu einem Austausch, wie zu „gegenderten“ Rollenspielprodukten zu stehen sei. Hierbei gab es drei Meinungen:

  1. Es sei nicht gern gesehen bis inakzeptabel (so oben),
  2. es sei begrüßenswert bis geboten, oder
  3. es sei egal – jeder soll so schreiben, wie es beliebt (dieser Standpunkt wurde mehrheitlich vertreten).

Auch an anderer Stelle merkte ich, dass die Meinungen (auch) bei Rollenspielprodukten auseinandergehen und mitunter verfestigt sind. So wie der Vorstehende gegenderte Produkte nicht haben möchte, kenne ich auch Fälle, die nicht gegenderte Produkte ablehnen.

Exkurs 1: Was ist (hier) mit „Gendern“ gemeint?

Schon die Frage, was Gendern meint, scheint bereits strittig zu sein. Ich schrieb mal eine Mitspielerin, die wir hier Tina nennen, separat an („Hallo Jungs, hallo Tina“) und mir wurde gesagt, ich gendere. Das sehe ich hier noch nicht; zumindest scheint es eine sehr schwache Ausprägung des „Genderns“ zu sein.
Doppelnennungen („Spieler und Spielerinnern“) wären folglich ebenfalls eine, allerdings etwas stärkere, Form des „Genderns“. Die Verwendung der Partizipform (Spielende) wird mitunter schon kritischer betrachtet, wenn die Betreffenden nicht gerade jetzt auch spielen. Diverse Binnenzeichen („Spieler*innern“, „Spieler:innern“ etc.) sind jedenfalls als „Gendern“ zu betrachten. Solche Schreibweisen waren nach meinem Verständnis in der Splittermond-Startbox zu finden. Als weitere „Steigerungsfrom des Genderns“ kommt, wie ich jüngst lernte, die Verwendung von Neo-Pronomen in Frage.


Exkurs 2: Mein Standpunkt

Für das „Gendern“, in welcher Form auch immer, gibt es Pro- und Kontrapunkte. Wie für Leser dieses Blogs erkennbar, habe ich mich entschlossen, im Wesentlichen nicht zu gendern – die Explizitnennung Tinas ausgenommen. Ich kann aber gedanklich nachvollziehen, dass man zu einem anderen Ergebnis kommt und „Gendern“ wichtig findet.

Um das Für und Wider des „Genderns“ als solchem soll es aber hier nicht gehen. Ich frage mich vielmehr, was dieses Thema mit dem Rollenspiel als Ganzem machen könnte.

Zumindest ein Teil der Rollenspielerschaft ist also nicht oder nur mit Murren bereit, ein „gegendertes“ oder ein nicht „gegendertes“ Produkt zu kaufen. Fraglich ist für mich damit, wie man als Verlag damit umgehen könnte.

Und das ist für meine Begriffe herausfordernd. Die naheliegendste Lösung könnte sein, einfach zwei Versionen eines Werkes anzubieten, um beide Gruppen zufriedenzustellen. Mit Blick auf die geringe Auflage der meisten Rollenspielprodukten ist das realiter eine wohl unpraktikable Vorgehensweise. Bestenfalls bei elektronischen Büchern könnte ich mir solche Zweifachausfertigungen vorstellen.

Man könnte die Formulierungen jedoch wechseln. Das Shadowrun-Buch „Neo-Asphaltdschungel“ scheint teilweise, vielleicht unabsichtlich, diesen Ansatz zu verfolgen, da der Stil auch in einem Text stark schwankt („Anwohnende“ [S. 8] „Shopbetreibende“ [S. 62] – wenn man das Partizipform bereits als „Gendern“ begreifen möchte; aber dann z.B. „Chefetage“ [S. 9] oder Doppelnennungen z.B. „Zivilist/Passantin“ [S. 15]). Bei DSA 5 wird druchweg von „Spielern“ aber auch „Meisterin“ gesprochen. Bei DSA 4 wurden Professionen teilweise in der männlichen, teilweise in der weiblichen Form angegeben. Der System Matters-Verlag möchte offenbar durchweg „gendern“ und verwendet scheinbar sogar spezielle Pronomen, ist aber im Ergebnis offenbar doch nicht konsequent. Er würde damit ebenfalls zwischen Schreibformen wechseln.

Vielleicht ist es eine Lösung, die Formulierungen den konkreten Autoren anheim zu stellen? Hierfür könnte sprechen, dass die Autoren auch sonst großen Einfluss auf die Formulierungen haben und es letztlich ihr Text ist. Gegen diese Idee könnte angeführt werden, dass der Verlag die Produkte insofern einheitlich gestalten möchte. Das erfolgt übliecherweise über das Lektorat. Teilzeithelden hat hierzu einen interessanten Beitrag aus Sicht des Lektors veröffenticht, der auch Lösungen umfassend diskutiert. Die meisten davon skizzieren einen Mittelweg bzw. eine „angepasste Lösung“. Doppelnennungen wie „Spielerinnen und Spieler“ gehen in eine ähnliche Richtung und dürften zumindest eingermaßen unverfänglich sein – obgleich es auch hier Einwände gibt.

Es besteht bei den solchen flexiblen Alternativen und Mittelwegen allerdings die Möglichkeit, keine der beiden Gruppen zufriedenzustellen.

Insgesamt kann ich mir daher vorstellen, dass dies für Verlage ein wirklich heikles Thema ist, mit dem man sich schnell „in die Nesseln setzt“. Dies gilt umso mehr, weil die Auflagen von Rollenspielprodukten oft nur im dreistelligen Bereich sind – jeder Kauf zählt also.

Eine, eher perspektivische, „Lösung“ könnte sein, dass Rollenspielbücher künftig noch mehr primär in englischer Sprache ver- bzw. gekauft werden. Hier wird grundsätzlich praktisch durchweg das generische Maskulinum verwendet (Ausnahmen gibt es freilich z.B. „Princess“ oder „Sorceress“), was aber allseits akzeptiert ist. Die Frage nach dem „Gendern“ stellt sich damit gar nicht.

Ob dies für deutsche Verlage, die oft auch Übersetzungen englischer Werke verkaufen, eine kommerziell attraktive Perspektive ist, glaube ich hingegen nicht. Mal abgesehen davon, dass nicht jeder die englische Sprache auf einem Niveau beherrscht, um Bücher in dieser Sprache lesen zu können.

Die Handlung beim Rollenspiel 2.0 – „Storytelling“ und Immersion für Fortgeschrittene: Ein Erlebnisbericht

Handlung als Primat im Rollenspiel?

Seit einiger Zeit schon gewinne ich meine Rollenspielfreude (als Spieler) aus der Charakterdarstellung. Daher auch die Mühe, neue Charaktere zu erstellen – sie müssen mich in der Darstellung wirklich begeistern. Jüngst wurde mir klar, dass mein Fokus auf der Charakterdarstellung zumindest teilweise daran liegt, dass mich die Handlung in vielen Fällen nicht mehr überwältigen kann – ich habe einfach schon zu viel gesehen. Auch auf dem Liverollenspiel war es (bewusst) schon seit langem ein Trick, eine als weniger gut gelungene Veranstaltung durch eigenes Rollenspiel auszugleichen.

Jüngst aber wurde ich verblüfft: Vor einiger Zeit schon wurde ich (zusammen mit einigen anderen) von einem mir vormals unbekannten Spielleiter angesprochen, ob wir Lust hätten, sein System mal zu probieren. Der Kontakt kam über einen Spieler, den ich schätze und so sagten ein paar Freunde und ich zu.

Dieser Spielleiter wollte ein cineastisches Rollenspiel in der Tradition der Filme Christopher Nolans anbieten. In der Jetztzeit. Nun war ich mir keiner Filme Christopher Nolans bewusst (ich weiß mittlerweile, dass ich welche kenne) und bin daher eher in die Sache hineingestolpert. Das sollte sich als äußert lohnenswert herausstellen.

Die Handlung war anders als Vieles, was ich vom Rollenspiel bislang kannte. Mir war mein Charakter bekannt (ich hatte ihn selbst gewählt) und dass wir mehr oder weniger in der Jetztzeit auf der Erde spielen. Sonst nichts. Das Spiel begann unmittelbar in einer dynamischen Szene – ohne dass mein Charakter wusste, warum er da war und auch, ohne die anderen zu kennen.

Das Spiel zeichnete sich auch später durch abrupte Szenenwechsel aus – wie es sonst in einem Film mitunter vorkommt. Hierbei war es regelmäßig so, dass uns Spielern unklar war, warum ein „Schnitt“ erfolgte und wo wir plötzlich waren. Der guten Form halber sei erwähnt, dass die Handlung auch sehr gut durch Filmmusik hinterlegt war und viele Nichtspielerfiguren ein Porträt hatten, dass der Spielleiter zeigen konnte.

Am Ende löste sich alles fulminant auf – die losen Enden wurden verknüpft und mit einer besonders verblüffenden Entdeckung endete die Kurzkampagne. Ich war wirklich begeistert ob des Finales und wie sich alles zusammenfügte. Noch einige Tage sinnierte ich hierüber.

Ich war jedenfalls begeistert. Und das in erster Linie der Handlung wegen – so etwas kannte ich nicht. Mein Charakter war zwar auch ganz nett – aber das war sicherlich nicht, was die Erfahrung prägte. Dies im Blick – was kann ich daraus lernen? Gerade, weil ich häufig selbst Spielleiter bin. Folgende Punkte dürften entscheidend sein:

  • Verwendung der realen Welt als Handlungsort
  • Plötzliche Wendungen in der Geschichte
  • Nicht-linearer Handlungsverlauf

Verwendung der realen Welt als Handlungsort

Das Spiel auf der „realen Erde“ als Spielwelt geht zunächst mal mit Nachteilen einher: Die Realität ist für viele im Vergleich zu Phantasiewelten vermutlich trist – warum sonst spielen die meisten Rollenspiele in einer übernatürlichen oder Science Fiction-Welt?

Allerdings hat ein Spiel in der Realwelt einen unschlagbaren Vorteil: Das Quellenmaterial ist wirklich sehr umfassend! Und hiervon machte der Spielleiter reichlich Gebrauch. Insbesondere wählte der Spielleiter nicht nur historische (reale) Ereignisse unserer Welt als Bestandteile seiner Spielwelt, die jeder kennt und sich in sich das kollektive Gedächnis eingebrannt haben. Plötzlich erschienen diese in einem ganz neuen Licht – als Sicht des Plots war die neue Erklärung überaus überzeugend, ja zwingend (wer sich ein wenig an Verschwörungstheorien erinnert fühlt, liegt wohl ganz richtig).

Der Bezug auf die Realwelt war daher ein Grund für die Plastik des Rollenspiels und der Immersion keinesfalls abträglich.

Plötzliche Wendungen in der Geschichte

Es ist sicherlich keine Innovation per se, die Handlung durch Überraschungen und Wendungen anzureichern und spannend zu machen. Aber die Umsetzung dieser einfachen Erkenntnis ist oft schwierig und erfordert viel Nachdenken und frische Ideen. Aber auch hier brillierte der Spielleiter.

Bei der ex post-Betrachtung dieser meine ich aber ein, zumindest potentielles, Problem auszumachen: Sie könnten sich verbrauchen. Mit anderen Worten: Unerwartete Geschichten zu schaffen wird immer schwieriger. Chapeau dem, der es hier geschafft hat.

Nicht-linearer Handlungsverlauf

Ich kenne Rollenspiel im Grunde nur so, dass man zu einem Zeitpunkt in die Handlung einsteigt und alle Ereignisse danach hierauf aufbauen und daher in aller Regel auch chronologisch sind. Zeitreisen stehen hierzu in keinem Widerspruch, weil diese in der Regel entweder in eine Zeit führen, die keine Berührung mit der „Gegenwart“ hat und zum anderen immer Ergebnis von Handlungen in der Gegenwart sind. Sie bauen also auf den vorhergehenden Ereignissen auf und sind hierdurch für die Spieler nachvollziehbar.

Nicht so hier: Das Spiel bestand aus Szenen, die zunächst eohne Zusammenhang zu sein schienen. Erst im Laufe der Handlung (und zwar eher zum Ende hin), setzten sich die Puzzlestücke zusammen. Das war bemerkenswert!

Allerdings war die Handlung meist so gestrickt, dass die Charaktere ihr Gedächtnis aus verschiedenen (und plausiblen) Gründen zu Beginn der jeweiligen Handlungsversatzstücke nicht oder nur teilweise hatten. Das kann man zwar als Spielleiter so gestalten – aber zu häufig sollte man dieses Stilmittel wohl nicht verwenden, denke ich. Und anders geht es vermutlich nicht: Wenn, alternativ, die Spieler einen künftigen Handlungsteil spielen ohne die Vorgeschichte dazu gespielt zu haben, und daher das Wissen hieraus nicht haben (die Charaktere aber schon), wird es paradox. Daher ist ein nicht-linearer Handlungsverlauf aus praktischen Gründen aus meiner Sicht nur selten möglich.

Zudem geht dieses Elementmit einem Nachteil einher: Wenn den Spieler klar wird, dass eine bestimmte Szene eine bereits gespielte bedingt, werden die Handlungen der Charaktere de facto dahingehend eingeschränkt, dass die Szene auch wirklich zur nächsten führt. Dies limitiert die für mich sehr wichtige Entscheidungsfreiheit der Spieler beziehungsweise Charaktere.

Fazit

Für mich war das Rollenspielerlebnis wirklich bemerkenswert und ich bin dankbar, dabei gewesen zu sein. Falls einer der werten Leserschaft je die Möglichkeit haben sollte „Die Sache Benjamin“ zu spielen – nutzt die Chance!

Und vielleicht kann man das Erlebnis ja mit großartiger Charakterdarstellung kombinieren…

Warmachine MK IV – Das Fazit zum Fazit

Zwar endete mein letzter Beitrag zum Erfolg MK IVs mit einer gewissen Skepsis, was die kommerzielle Freude an dem Vertreiben eines Tabletop-Systems angeht. Mein Update beschrieb, dass die Nachfrage das Angebot übersteige, aber nicht weiter investiert werden solle „vorgeblich, um keine Überkapazitäten aufzubauen“.

Der wahre Grund düfte sein: Privateer Press hat(te) kein Geld mehr.

Heute wurde bekannt, dass Privateer Press die Rechte an Iron Kingdoms, Warmachine und Hordes (und auch Riot Quest etc. – alles was Warmahordes ausmacht) an Steamforged Games verkauft hat.

Gleichwohl möchte Privateer Press weiter Warmachine-Produkte veröffentlichen:

„Going forward, Privateer will continue to partner with Steamforged Games to develop Warmachine, the Iron Kingdoms RPG, and future products based on the vast intellectual property library that has sprung from the Iron Kingdoms. Privateer will also continue to manufacture Warmachine models while working with Steamforged Games to expand the materials the products are offered in as well as increasing availability in markets where Warmachine is not widely accessible.“

Quelle: Privateer Press

Für mich ist es damit naheliegend (um nicht zu sagen: es liegt auf der Hand), dass Privateer Press das Geld ausgegangen ist. Weil dem so war, wurden die Rechte an Steamforged Games verkauft – und werden nun zurück lizenziert. „Sale and lease back“ nennt man das.

Damit kann ich das Fazit ziehen: Privateer Press ist mit MK IV gescheitert. Ob Steamforged Games das System zu neuer Größe, scheint mit Blick auf die vormaligen Erfahrungen mit Guild Ball, fraglich.

Update vom 4. Juni 2024:

Dieser Reddit-Faden hier ließt sich teilweise so, als ob Privateer Press künftig eher eine verlängerte Werkbank Steamforged Games werden könnte. Dann hätte Privateer Press nicht mal (oder nur sehr eingeschränkt) die Möglichkeit, eigene Design-Entscheidungen zu treffen.

Hierzu schreibt der „Chief Creative Officer“ von Steamforged Games zu dem Verhältnis mit Privateer Press:

„We acquired the Iron Kingdoms IP and all those lovely brands on the cool logo image. PP remains an independent developer/publisher. SFG and PP are working together on the development of Iron Kingdoms brands going forward.“

Quelle: Reddit

Dies dürfte sich aber (nur) auf die Legaleinheit Privateer Press Inc. beziehen, die nicht erworben wurde und daher rechtlich unabhängig bleibt. Insgesamt scheint es daher denkbar, dass Privateer Press tatsächlich noch tiefer gefallen ist und bezüglich dem IP keine eigene Entscheidungsmacht mehr hat – auch nicht aus einer Lizenz, sondern nur auf Geheiß von Steamforged Games operiert.

Update vom 7. Juni 2024:

Aus einem Post von Streamforged Games wird klar, dass es kein „Sale and lease back“ geben wird. Vielmehr wird Privateer Press nur noch unterstützend wirken, aber offenbar im Außenverhältnis nicht für Warmachine in Erscheinung treten. Deren Webshop wird demnach (zumindest ökonomisch) gerade auf Steamforged Games übertragen.

Dies zeigt für mich, dass es wirklich schlecht um Privateer Press stand (oder steht): Dadurch dass Steamforges Games nicht nur das IP erworben hat, sondern auch auf die Mitarbeiter-Ressourcen zurückgreifen kann, haben sie wirklich alles ökonomisch relevante. Privateer Press hat nichts mehr (außer dem Kaufpreis – und der wird vermutlich zur Deckung von Schulden verwendet werden müssen) – augenscheinlich auch keine nennenswerten unmittelbaren Geschäftschancen aus den verkauften Systemen mehr (eine mögliche künftige bedingte Kaufpreiszahlung etc. könnte es natürlich geben). Vor allem hat Privateer Press sonst im Grunde nur noch Monster Apocalype. Das ist nahe an einer Liquidation.

Damit kann mein Fazit wohl erhärtet werden: Privateer Press hatte keinen Erfolg mit MK IV. Wie hier schon geschrieben, war die neue Edition vielleicht eher ein letzter verzweifelter Versuch, das Ruder noch einmal zu wenden.

Die ELF als DSA-Lizenz: Das Ulisses-Abo-Modell?

Was ist die ELF?

Nach der ORC, auf die ich hier, samt Genese einging, besteht schon seit Winter letzten Jahres die Möglichkeit, auch Lizenzen zum Erstellen von Inhalten mit Bezug auf die Spielwelt zu erhalten.

Wir erinnern uns: Die ORC gibt jedem die Möglichkeit, die Regeln DSAs (und anderer Ulisses-Systeme, aber darum soll es nicht gehen) zu verwenden. Die Regeln – nicht aber die Spielwelt. Der (insbesondere kommerzielle) Vetrieb einer Spielhilfe für DSA ist mit der ORC nicht möglich.

Aber – und das ist die DSA-Revolution (wie Arkanil schreibt), genau die ist nun mit der sog. Extended License for Friends, oder kurz, ELF, möglich. Wie funktioniert das Ganze? Zunächst ist es nicht so, dass jeder diese Lizenz erhält, wie es bei der ORC der Fall ist. Vielmehr bedarf es einer expliziten Vereinbarung mit Ulisses, um unter dieser Lizenz tätig zu sein. Details werden hier erläutert; mir selbst liegt die ELF, oder ein Entwurf selbiger, nicht vor.

Ist man Lizenznehmer unter der ELF kann es losgehen und es können nicht-kanoische DSA-Inhalte publiziert werden. Patric Götz vom Uhrwerk Verlag ist offenbar bereits Lizenznehmer (wenn auch wohl auf etwas anderer, aber vergleichbaren, Grundlage) und kann hierdurch neue Myranor-Produkte herausbringen. Das finde ich als Spieler großartig! Herzlichen Dank vorab an alle, die dies ermöglichen!

Damit aber nicht genug: Ebenfalls über den Uhrwerk Verlag wurde ein Crowd Funding für die deutsche Ausgabe des schwedischen Rollenspiels Dragonbane aufgelegt. Aber: Als optionales Produkt kann man einen Band für die Grüne Ebene, einer DSA-Region, dazubestellen. Die Redaktion dieses Bandes wird von den DSA-Alt-Autoren Eevie Demirtel und Thomas Römer verantwortet.

Nun kann man zum einen Patric Götz’ Chuzpe in den Vordergrund stellen: Hierdurch werden viele (so auch ich) das Dragonbane Crowdfunding unterstützen: Man bekommt ein DSA-Produkt von den „alten“ Autoren, an die man besonders gute Erinnerungen hat. Das Crowdfunding wird hierdurch sicherlich maßgeblich unterstützt worden sein (das Finanzierungsziel wurde auch zu 1.027 % erreicht) – auch der weiteren Entwicklung Dragonbanes dürfte es helfen, da viele Unterstützer, die vor allem das DSA-Buch haben wollten, sicherlich auch Dragenbane nun mal ausprobieren und vielleicht dabei bleiben werden.

Ratio Ulisses‚ (I)

Man könnte meinen, das Ulisses sich selbst Konkurrenz mache – da die alten, vermeintlich guten, Autoren nun wieder an DSA-Produkten mitwirken, die im Wettbewerb zu den Ulisses-eigenen stehen könnten. Diese Gefahr besteht zwar – scheint mir aber nachrangig. Denn: Zum einen profitiert Ulisses von den Verkäufen unter der ELF, da diese teilweise mit einer Lizenzgebühr an Ulisses einhergehen: Offenbar zehn Prozent bei Crowd Funding-Einnahmen (begrenzt-exklusive Verkäufe) und weiteren indirekten Erträgen aus dem Vertrieb über Ulisses-Plattformen). Zum anderen scheint mir die DSA-Spielerschaft jedenfalls zum Teil nicht dadurch gekennzeichnet zu sein, dass jeder Kauf sorgsam abgewogen wird. Mein Erwartung ist eher, dass im Zweifel einfach ein Produkt mehr gekauft werden wird.

Bei der alten Myranor-Lizenz an den Uhrwerk Verlag war es zudem so, dass die Produkte von Ulisses alle vor der Veröffentlichung gegengelesen wurden. Das war mühsam, aber mit Blick darauf, dass diese Bücher kanonisch wurden (sie galten als offizielles DSA-Material), erforderlich. Die ELF-Werke sind hingegen per se nicht kanonisch – Ulisses hat hierdurch keine Mühe durch Gegenlesen. Die Eigenheit des nicht-kanoischen dürfte auch dazu beitragen, dass Spieler die kanonischen UlissesDSA-Produkte weiter kaufen – weil deren „Verbindlichkeit“ eine gewisse Relevanz für treue Anhänger der Spielwelt hat.

Meines Erachtens sind diese Überlegungen aber alle nebensächlich für Ulisses. Vielmehr lese ich dies als die konsequente Fortsetzung einer Strategie, bestimmte Eigenheiten der Rollenspielverlage zu umgehen. Ulisses ist zudem offensichtlich der Meinung, die ELF sei eine gute Idee. Denkbar sind für mich weitere

Vorteile für Ulisses – Ratio (II):

Zum einen macht die bereits erfolge Trennung von Regelwerk und Spielwelt macht Diskussionen um des Für oder Wider von Editionen obsolet.

Mit der ELF wird ein Kernproblem im Rollenspiel-Geschäft angegangen: Wie hier schon mehrfach dargelegt, ist ein Rollenspielverlag damit konfrontiert, dass seine Produkte eine lange Lebenszeit haben, aber nur einmal Umsatz erbringen. Mit Zusatzprodukten kann freilich zusätzlicher Umsatz erzielt werden (wobei Regelwerke viel mehr als Spielhilfen oder Abenteuer gekauft werden) – aber irgendwann „muss“ der Rollenspielverlag eine neue Edition des Systems auf den Markt bringen, um weiterhin Umsatzerlöse zu genieren (Editionsproblem). Mein Lösungsvorschlag hierfür war ein Abonnements-Modell, bei dem die Kunden monatlich für zum Beispiel VTT-Inhalte zahlen.

In gewisser Weise hat Ulisses diese Idee perfektioniert und umgesetzt. Nur – nicht die Kunden sind Lizenznehmer – andere Rollenspielverlage sind es! Hierdurch kann Ulisses dauerhaft Umsatzerlöse in Form von Lizenzerträge generieren. Einschränkend muss bedacht werden, dass diese gegebenenfalls nur aus Crowd Funding-Erträgen und anteiligen Erlösen über Ulisses-Plattformen stammen werden – das dürfte aber gleichwohl ein nicht zu unterschätzender Umsatzanteil sein; vor allem, wenn man bedenkt, dass viele Rollenspielprodukte heutzutage über Crowd Funding finanziert werden.

Des Weiteren trägt Ulisses bei ELF-Produkten kein Risiko, da die Produktentwicklungskosten in jeden Fall bei den Lizenznehmern anfallen. Gleichzeitig profitiert Ulisses im oben stehenden Rahmen proportional an höheren Umsatzerlösen. Ulisses kann insofern (monetär) nur gewinnen.

Ergänzend ist der offensichtliche Vorteil zu nennen, dass die ELF (gerade in Kombination mit der ORC), die Verbreitung von Ulisses-Produkten, und damit deren Marktanteil, erhöhen dürfte. Im kommerziellen Idealfall könnte Ulisses hierdurch bereits als „IP-Verwerter“ mit niedriger Kostenbasis solide aufgestellt sein. Dieser Gedanke könnte zudem auch in Verbindung mit den gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen bei Ulisses stehen.

Zudem kann Ulisses weiterhin mit eigenen Produkten den Markt bespielen – und muss keine Sorgen haben, dass eine mögliche Vielzahl der Publikationen unterschiedlicher Verlage nicht zusammenpasst – den per se sind all diese Drittprodukte nicht kanonisch. Dieser Vorteil hat in praxi durchaus Relevanz, da die DSA-Spielwelt sehr komplex ist – und gerade neue Autoren Mühe haben, nicht in Widerspruch zu früheren Setzungen zu stehen.

Arkanil hofft darüber hinaus, dass die ELF es ermöglicht, mit dem Kanon, und vor allem der kleinteiligen Beschreibung Aventuriens, zu brechen und hierdurch neue Wege eingeschlagen zu können. Dem stimme ich grundsätzlich zu – frage mich aber, ob nicht gerade die Beschreibungsdichte für viele das ist, was DSA ausmacht. Zudem: Die Grüne Ebene war bislang kaum beschrieben – zumindest an dieser Stelle erhöht die ELF also die Beschreibungsdichte. Gleichwohl: Die von Arkanil angesprochene Möglichkeit besteht und wenn sich hierfür Begeisterte finden, ist das eine tolle Sache.

Mögliche Nachteile Ulisses

Die Ulisses-Strategie geht jedoch auch mit Nachteilen einher: Vor allen Dingen ist fraglich, ob es dauerhaft gelingen kann, das Editionsproblem einfach „outzusourcen“. Immerhin könnte vermutet werden, dass bei einer großen Zahl von Lizenznehmern eine gewisse Nivellierung eintreten könnte, sprich: Wenn dem einen nichts mehr einfällt, gibt es einen anderen, der ein erfolgreiches Produkt entwickelt.

Potentiell problematischer könnte folgendes sein: Der Uhrwerk Verlag setzt frühere DSA-Autoren ein – genau hierdurch sollen die Produkte attraktiv für die Käufer werden. Ich bin auch zuversichtlich, dass Werke von Thomas Römer oder Uli Lindner von vielen Spieler unbesehen und mit Begeisterung gekauft werden. Im ersten Schritt gelänge es Ulisses also, dass diese Autoren (doch) wieder für Ulisses tätig sind – was sonst eher unwahrscheinlich wäre.

Im zweiten Schritt aber sehe ich die Möglichkeit, dass einzelne Werke von Autoren mit einer derartigen Reputation de facto kanonisch werden – einfach, weil sie als besonders gut wahrgenommen werden. Es besteht also eine zumindest die theoretische Gefahr für Ulisses, die De-facto-Gestaltungsmacht über die DSA-Spielwelt an ein wirklich gutes Autorenteam zu verlieren. Dem entgegen wirkte dürfte jedoch eine Regelung der ELF, dass unter ihr erstellte Inhalte nicht als Quelle verwenden werden „sollen“ . Was das heißt, bleibt abzuwarten. Ich wäre überrascht, wenn ein Verlag deshalb nicht auf eigenes Material verweisen könnte.

Theoretisch könnte die ELF zudem gekündigt werden – ob das in dem skizzierten Fall praktisch ratsam wäre, wage ich zu bezweifeln: Das von mir skizzierte denkbare Szenario ist ja kein Rechtsproblem, sondern wäre ein Tatsächliches. Ein solches könnte man nicht kündigen. Von Reputationsverlusten Ulisses’ ganz zu schweigen. Möglich wäre es jedoch, über einen Erwerb dieser unter der ELF erstellten Inhalte nachzudenken.

Ich jedenfalls blicke mit Freude auf tolle Produkte, die unter der ELF entstehen könnten. Als Kunde kann ich nur gewinnen: Wo die Produkte entstehen, unter welcher Lizenz und ob dies kommerziell für Ulisses eine gute Sache ist, ist aus diesem Blickwinkel nachrangig. Wichtig ist, dass sie meiner Spielgruppe, mir und anderen DSA-Spielern Freude bereiten.

Rollenspiel-„Detox“

Vorgeschichte

Machmal merkt man, es zu viel sein dürfte. Und genau das geschah bei mir vor einigen Wochen in Bezug auf Rollenspiel. Mit sechs Rollenspielgruppen (3xDSA, 1xShadowrun, 1xHexxen und eine Runde mit einem eigenen System), wovon ich für zwei Spielleiter war, merkte ich, dass mir die Wochen zu voll wurden. Nun ist es nicht so, dass jede Gruppe jede Woche spielte (das gilt tatsächlich nur für die Hexxen-Gruppe) – aber auch auch zwei bis drei Termine sind bei sieben Tagen schon recht viel. Vor allem, wenn man auch noch Sport machen möchte, hin und wieder mal zum Tabletopspielen kommen möchte, eine Frau hat – uns ganz nebenbei einen 60h+-Job. Da wird es auch dann eng, wenn man mit fünf bis sechs Stunden Schlaf ganz gut fährt.

Ergänzend ist zu beachten, dass man als Spielleiter aus irgendwelchen Gründen immer vollen Service anbieten soll (oder nahe daran): Als mir eine Spielerin in einer Woche sagte, dass der nächste Termin aus diesen und jenen Gründen schwierig werde und überlegt werden müsse, ob man nicht früher anfangen könnte und ich zudem einen Rollenspieltermin vergaß und mir dort etwas anderes vornahm (was ich dann absagte, weil ich lieber einen Freund statt [als Spielleiter] eine ganze Spielrunde) versetze, beschloss ich, die Notbremse zu ziehen

Natürlich hätte ich auch weitermachen können. Ich wollte es aber nicht.

An demselben Tag (es war ein Dienstag) verkündete ich dieser Runde also, dass ich raus bin. Auf unbestimmte Zeit. Und dasselbe tat ich bei allen anderen Runden. Wenn ich Spielleiter war, persönlich nach dem jeweils nächsten Termin. Sonst auch per geschriebener Nachricht.

Die Reaktionen waren durchweg positiv, mitunter sogar bestätigend. Ein Freund erinnerte mich sogar, daran, dass er auch schon Rollenspiel-Pausen hatte – zweimal sogar.

Und so bin ich mal weg.

Fragen, die ich mir stellte – und noch stelle:

Warum macht man sowas? So viele Runden? Zudem: Ich plante noch eine Myranor-Kurzkampagne. Die Antwort auf diese Fragen ist, dass vermutlich, dass ich meine Mitspieler mag. Diese sind auch keineswegs in den Gruppen deckungsgleich. Ich fürchtete, der Kontakt hänge an den Spielrunden. Bei einigen Runden war ich zudem der Meinung, „verantwortlich“ für das Wohl der Runde zu sein – vor allem, wenn ich Spielleiter war. Als Spieler möchte ich mitunter nichts verpassen.

Sind das überzeugende Gründe? Ich bin jemand mit einem hohen Pflichtbewusstsein. Das finde ich auch grundsätzlich gut. Fragen muss ich mich aber wohl, ob man (insbesondere als Spielleiter) durch Rollenspielgruppenzugehörigkeit eine unbedingte und zeitlich unbestimmt lange Pflicht auf sich nimmt. Die Antwort ist wohl eher nein – aber wenn das die Antwort ist, gibt es großen Unsicherheiten, ob lange Kampagnen, die ich grundsätzlich gerne mag, möglich bleiben. Am Ende muss man Dinge auch mal einfach durchziehen. Aber – es ist ein Hobby! Ein Hobby sollte ent- nicht belasten.

Vermutlich muss man (ich) eher versuchen, mir zu überlegen, welche Verantwortlichkeiten in eingehe, diese aber flexibler halten – als Spielleiter dürfte es in Ordnung sein, solche Freiheitsgrade zu haben. Spieler eher nicht, denke ich.

Kontakt zu den Mitspielern sollte nicht nur an den Spielrunden hängen. Sonst ist er vielleicht nicht wichtig genug. Und zudem auch einseitig.

Machte das Rollenspiel noch Spaß? Ja. Manchmal schon. Es gibt Abende, auf die ich mich immer noch sehr freute. Aber: Nicht so sehr, wie früher. Und manchmal war die Vorfreude auch überschaubar, gerade wenn ich auch noch etwas vorbereiten musste (wobei meine Vorbereitungszeit nach vielen, vielen Jahren Spielleitertum oft überschaubar ist).

Erfahrungen

Ich nahm und nehme die Auszeit als sehr befreiend war. Dass nicht mehr die deutliche Mehrzahl meiner Abende verplant ist, ist eine Errungenschaft. Momentan fehlt mir auch nichts. Ich habe dafür Bücher gelesen, mehr Sport gemacht oder einfach mal Zeit mit Nachdenken verbracht. Weil ich weniger fixe Termine habe, ist mein Leben auch deutlich entspannter.

Gleichwohl merke ich aber seit kurzem auch, dass langsam, ganz langsam, wieder Ideen kommen, was man doch mal machen könnte. Dieser Tage denke ich an die Myranor-Kurzkampagne, die ich doch plante. Vermutlich muss diese „Motivations-und-Begeisterungs-Pflanze“ noch etwas wachsen – mal sehen.

Ausblick

Klar ist für mich, dass ich nicht alle Gruppen fortführen werde. Insbesondere muss ich aufpassen, wo ich wieder als Spielleiter tätig werde. Das war ich zudem meist – warum eigentlich? Aber ich glaube, hier warte ich einfach ab, wonach mir der Sinn stehen wird – in ein paar Wochen. Oder so.

Resümee

Ich glaube, meine Rollenspiel-Detox-Phase wird eine gute Sache sein. Und auch, dass ich danach wieder mit alter Begeisterung „zurück“ sein werde.

Der Erfolg von Warmachine MK IV – Mein Fazit, das keines ist

Schon seit längerem möchte ich ein „Update“ über die Entwicklung Warmachine MK IVs (bzw. MK 4) geben, nachdem ich mich bislang eher negativ äußerte. Zwischenzeitlich sind einige der früheren Kritikpunkte nicht mehr einschlägig: Die Modellqualität ist sehr gut und die Verschiebungen von Veröffentlichungsterminen sind deutlich zurückgegangen (oder die hierüber Erwartungen, was im Ergebnis aber gleichbedeutend ist). Der Dice & Duty-Podcast in Deutschland hat wieder Fahrt aufgenommen. Und auch wenn der Mark the Target-Podcast nicht fortgeführt wurde, so gibt es doch andere Formate aus dem Ausland wie Tied & True oder Future Sight.

Allein – was heißt dies für den Erfolg der neuen Edition? Am besten wäre es natürlich, könnte ich die Absatzzahlen Privateer Press’ vergleichen. Diese werden aber, wie auch anderen Finanzzahlen, in den Vereinigten Staaten für nicht-börsennotierte Unternehmen, nicht veröffentlicht. Daher habe ich zunächst versucht, möglichst viele Einblicke von Personen einzuholen, von denen ich hoffe, dass sie ein besseres Bild haben, als ich. Dies schließt Podcaster ein, aber auch andere, mir bekannte Vertreter der „Tabletop-Szene“, sowie meine „Tabletop-Freunde“ im Ausland. Hierdurch hoffte ich, durch Kombination subjektiver Eindrücke ein Gesamtbild zu erlangen. Ergänzend habe ich öffentlich verfügbare Informationen ausgewertet. Hierbei wurde mir dann doch ein Schnipsel zugetragen, wie man die wirtschaftliche Lage einschätzen könnte – aber im Stadium der Mutmaßungen bleibt.

Ein abschließendes Fazit zu ziehen, ist schwierig. Zum einen findet man in der Regel nur jene, die das System noch spielen. Daher unterliegen die Aussagen insoweit dem „Survivorship Bias“ und sind tendenziell zu positiv. Jedes Argument lässt sich zudem relativieren. Daher habe ich eine Pro- und eine Kontraliste für MK IV zusammengestellt. Und in jedem Fall auch gleich das, mehr oder weniger überzeugende, Gegenargument kursiv hinzugefügt. Hierdurch werden gewissermaßen die Pro- zu Kontra- und die Kontra- zu Proargumenten. Der Leser möge sich daher selbst ein Urteil bilden. Sämtliche Aussagen sind als subjektive Meinungsäußerungen oder Sichtweisen zu lesen.

Pro-Argumente

  • Zumindest in bestimmten Regionen (z.B. New England, Köln, England) wächst die Spielerschaft stark bis sehr stark und es gibt mindestens wöchentliche Treffen. – Das könnten Einzelfälle sein – ist das repräsentativ?
  • Auf der WTC dieses Jahr sind dreißig Team angemeldet. Letztes Jahr waren es nur 20. Vorletztes Jahr waren es unter Corona-Bedingungen ebenfalls 30 Teams.
  • Viele Spieler, die mit dem Ende MK IIs aufhörten, sind nun zurückgekehrt. Andere haben mit MK IV aufgehört.
  • Es fangen Spieler mit dem System an, die vormals überhaupt keinen Bezugspunkt zu Warmachine hatten. – War das vorher anders?
  • Die neuen Modelle waren bei Privateer Press immer schnell vergriffen. Also muss die Nachfrage doch hoch sein! – Es kann ebenfalls sein, dass die Produktion mit 3D-Druck schleppend ist und daher das Angebot gering ist. Zudem wirbt Privateer Press jetzt (Mitte Februar) damit, dass alles vorrätig sei. – Also doch kein Angebotsproblem. – Aber jetzt kauft keiner mehr, die wenigen Kunden, die es gibt, haben jetzt ihren Kram.
  • Seit Wochen steht beim Webshop Privateer Press’, dass aufgrund der sehr hohen Zahl von Bestellungen, Lieferungen verzögert sein könnten. – Das liegt an der Personaldecke und verschleiert die Produktionsprobleme. Im Übrigen kommen die Sachen nicht langsamer als früher.
  • Privateer Press stellt neue Leute ein! Das ist ein Hinweis auf Expansion. – Sie entließen vorher jede Menge Personal. Vielleicht zu viel? Früher hatten sie 100 Mitarbeiter, nun weniger aus 30.

Kontra-Argumente

  • Das MK IV-Regelwerk ist unausgegoren. Für Dusk fehlt zum Beispiel noch ein „MAT-Fixer“. – Das ist ohne Weiteres zu ändern.
  • Privateer Press braucht dringend Geld. Nur deshalb wurden so viele Figuren verkauft, die für möglichst viele Fraktionen relevant sind (vor allem Magnus4). – Schon immer konnten Mercanaries oder Minions von vielen anderen Fraktionen verwendet werden. Außerdem: Das Privateer Press kurz vor der Pleite stehe, wurde schon immer gesagt. Auf Glasdoor behaupteten Mitarbeiter schon in 2020, das das Unternehmen insolvent sei. Aber sie sind immer noch da.
  • In Asien herrscht „Zero Interest“, in MK IV. Das ist immerhin ein Riesen-Kontinent. – Tabletop in Asien war noch nie so groß. Zudem gibt es eine vitale Spielerschaft in Kuala Lumpur (Malaysia) und in Süd-Korea.
  • Auch in den USA sei die Akzeptanz von MK IV geringer als selbst in den schlechtesten Zeiten MK3s. – Das sagt einer, der die neue Edition verachtet und sich zudem von dem Spiel zurückgezogen hat.
  • Die Leute spielen lieber weiter MK3. Daher seien manche „gute“ Modelle auch nicht mehr zu haben. Und als Privateer Press am 14. März 2023 nochmal alte MK III-Modelle die sie noch „gefunden“ hatten, wieder listeten, waren diese am nächsten Tag schon in weiten Teilen vergriffen. – Man muss sehen, dass viele dieser Modelle auch für MK IV Verwendung finden können, in den Prime Legacy-Armeen dort. Zum Beispiel Azrael ist in MK IV sehr gut. – Das gilt aber nicht zum Beispiel für die Resolutes – und die bekommt man dennoch nirgends. – Die wurden aber auch nie in hoher Zahl produziert.
  • Die Warmachine App für MK IV wurde bislang laut Google Playstore nur „10k+“-mal heruntergeladen. Die MK III App „War Room 2“ „50k+“-mal. – Die vorherige App hatte ja auch viel mehr Jahre, in denen sie heruntergeladen wurde. Zudem haben die alten MK II-Spieler diese auch noch heruntergeladen – bevor es zum großen Spielerexodus mit der Einführung von MK III kam.

Im Rahmen dieser Untersuchungen, wurde ich jedoch auf eine Internet-Seite aufmerksam gemacht, die Warmachine-Spielgruppen weltweit anzeigt. Als ich diese Seite besuchte, waren dort 166 Gruppen hinterlegt, wobei sich zeigt, dass (wenig überraschend), die meisten Gruppen im Osten der USA und in Großbritannien sind. In zweiter Linie sind noch der Westen der USA und Kontinentaleuropa zu nennen.

Dieser „Fund“ veranlasste mich zum Nachdenken: Falls jede dieser Gruppen fünf Mitglieder haben sollte, so wären dies insgesamt 830 Spieler. Eine Armee kostet rund 700 US-Dollar. Mit diesem Spielern, angenommen jeder kauf eine MK IV-Armee, wären also aus Miniaturenverkäufen 581.000 US-Dollar Umsatz erzielbar. Die Betonung lieg auf „wären“ – den diese Rechnung ist hochgradig annahmenabhängig, unter anderem:

  • Es wird Gruppen geben, die nicht auf der vorstehenden Internet-Seite hinterlegt sind (meine zum Beispiel – ich wusste von der Seite schließlich vormals nichts).
  • Die durchschnittliche Gruppengröße ist unbekannt.
  • Spieler könnten mehr als eine Armee kaufen.
  • Genauso könnten Spieler eine „Legacy-Armee“ spielen statt eine MK IV-Armee aufzubauen (mir wurde aus einer großen Spielergruppe zugerufen, dass circa 20% der Spieler (nur) eine „Legacy-Armee“ hätten.
  • Die 700 Euro von mir entsprechen dem Preis einer MK IV-Cygnar-Armee im Privateer Press-Onlineshop, wobei ich die übliche Mehrwertsteuer in Höhe von 6,5% für den Bundesstaat Washington in Abzug gebracht habe. Es werden aber sicher nicht alle die Auswahl an Figuren kaufen, die ich (ohne große Kenntnisse) zusammengestellt habe, noch ist absehbar, dass der Erwerb im Privateer Press-Onlineshop erfolgt – oder doch beim Hobbyladen vor Ort, was mit ganz erheblich geringeren Umsätzen für Privateer Press einhergehen würde.

Dies alles im Blick kann man dennoch ein paar Überlegungen anstellen: Angenommen, die Internet-Seite zeigt die Hälfte aller Gruppen an. Diese hätten jeweils fünf Spieler (weltweit also 1.660 Spieler), von denen 80% MK IV-Armeen kaufen, die für die Privateer Press mit einem Umsatz von jeweils 700 US-Dollar einhergehen. Dann würde Privateer Press knapp 1 Mio. US-Dollar Umsatzerlöse aus Miniaturenverkäufen erzielen. Das ist nicht gerade viel – zumal dies kein wiederkehrender, sondern ein einmaliger Umsatz ist. Ist die Seite also „noch“ unbekannter?

Die Zahl der Kunden könnte man auch anhand der Zahlen versuchen herzuleiten, wie oft die Apps installiert wurden. Die Zahlen sind aber praktisch aussagelos: Die „10k+“-mal laut Google Playstore bedeuten, dass 10.001 bis 50.000 Nutzer die App installiert haben. Die Bandbreite ist damit sehr groß. Es ist zudem unklar, welche der Nutzer die App nicht wieder gelöscht haben (die Rezessionen sind teilweise niederschmetternd) und auch Spieler sind – das könnten die sein, die das Abonomment für 4,99 US-Dollar pro Monat abgeschlossen haben (diesmal wiederkehrender Umsatz). Zudem stellt der App Store Apples keine Download-Zahlen bereit. Es gibt Statistiken, die besagen, dass rund 70% der Geräte Android als Betriebssystem verwenden (der Rest ist praktisch iOS). In den USA sind allerdings meines Wissen Apple-Geräte verbreiteter – und Warmachine auch, was den Anteil von Apple-Geräten erhöhen würde. Kurz: Man kann sich hieraus etwas zusammenrechnen (mir erscheint höchstens eine niedrige fünfstellige Zahl an Spielern nicht unrealistisch) – der Weisheit letzter Schluss ist das aber sicher (auch) nicht.

Klar ist aber: Dieselben Spieler werden vielleicht auch noch eine zweite Armee aufbauen und die relativ erfolgreichen Rollenspiel-Kickstarter für die Iron Kingdoms generieren ebenfalls für Privateer Press Umsatzerlöse.

Die Zahlen sind beliebig. Aber auch wenn man die Spielerzahlen mit Blick zum Beispiel auf die App-Download-Zahlen deutlich höher ansetzt: Deutlich wird für mich, dass es kommerziell keine Freude machen dürfte, ein Tabletop-System anzubieten.

Update vom 18. April 2024:
Mir wurde heute von informierter Stelle zugetragen, dass MK IV besser laufe, als erwartet. Die deutschen Händler haben offenbar Vorbehalte gegen das System (aufgrund schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit) – der Rest Europas ist etwas offener. Offenbar ist es vor allem die Produktion Privateer Press‘ die nicht hinterherkommt, wobei nicht weiter investiert werden solle – vorgeblich, um keine Überkapazitäten aufzubauen.

(Warum) sind Unternehmen für „Nerd-Themen“ unprofessionell?

Einführung

In vielen Jahren „Interaktion“ mit Händlern, Handwerkern, Verlagen oder Dienstleistern aus dem Konvolut „Rollenspiel-Tabletop-LARP“ habe ich allerlei verrückte Erfahrungen gemacht. Immer wieder frage ich mich dann, ob das denn sein muss. Denn, auch wenn es anderswo auch unprofessionelles Geschäftsgebahren gibt, finde ich die Häufung in der Nerd-Branche bemerkenswert.

Doch zunächst – was ist eigentlich Professionalität? Ursprünglich aus dem Lateinischen kommend (profitērī) ist Öffentlichmachung gemeint. Im Laufe der Zeit wurde dies auf die Angabe des Gewerbes bezogen und schließlich auf den Stand oder Beruf (französisch: profession).

Demzufolge ist jeder, der einen Beruf ausübt, professionell (in diesem Berufe). Das ist natürlich nicht, was ich meine. Ich verstehe professionell im Folgenden als „bewanderte, sachkundige Berufsausübung – wobei dies auch Nebentätigkeiten einschließt“.

Und was geht da so schief? Eine ganze Menge! Hier ein paar Anekdoten – die Reihenfolge spielt keine Rolle:

  1. Vor vielen Jahren bestellten wir Kettenhemden. Die kamen aber nicht. Weil dem Händler sonst nichts einfiel, erklärte er, der Container mit den Kettenhemden sei von Schiff gefallen.
  2. Bekannt ist der Nachdruck des DSA4-Liber Cantiones, bei dessen Ankündigung seites Ulisses vollmundig angekündigt wurde, diese Neuauflage solle alle DSA4.1-Zauber enthalten – und dann nicht enthielt.
  3. Ein Freund von mir bestellte sich bei einem Handwerker maßgefertigte LARP-Stiefel. Neben der Tatsache, dass die Anfertigung sehr lange dauerte, konnte er sich nicht anziehen, da die Öffnung nicht dergestalt war, dass er den Fuß auf das Stiefelbett setzen konnte – er blieb am Schaft hängen. Das geschah sogar mit einer danach erneut angefertigten Version ein zweites Mal – bis der Handwerker den Auftrag zurückgab.
  4. Bei einem Bemalservice bestellte ich einst die Bemalung einer Truppe Legion of Everblight-Modelle. Die wurden mir jedoch erst viel zu spät zugesendet, da eine plötzliche Reise nach Ägypten dazwischen kam.
  5. Ein anderer Bemalservice übersah meine Bezahlung und begann damit nicht mit dem Bemalen der Modelle. Diese wurden daher erst nach rund sechs Monaten fertig.
  6. Schon zweimal wurden mir (von verschiedenen Händlern) gebrauchte bemalte Figuren zugesendet und bei der Verpackung geschludert. Folge waren zahlreiche Abplatzungen der Farbe, da die Modelle auf dem Versandweg gegeneinanderstießen.
  7. Die Crowd Funding-Finanzierungen von Prometheus Games sind vielen bekannt. Am populärsten ist sicherlich die Finanzierungsrunde für das Dresden Files-Rollenspiel, dass im Oktober 2017 erscheinen sollte – aber meines Wissens immer noch nicht erschienen ist (und realistischerweise dann wohl auch nicht mehr erscheinen wird
  8. Ähnlich gelagert, aber mangels Crowdfunding nicht unverschämt, sondern eher unorganisiert, war die Verzögerung der DSA-Güldenlandbox. Diese wurde für Mitte der Neunziger angekündigt – kam aber erst 2000.
  9. Ich gab mal einen LARP-Krummsäbel, der „Latex-Krebs” hatte, zur Reparatur. Leider war bei dem Händler regelmäßig das E-Mail-System nicht funktionierend, so dass er nicht mehr erreichbar war und mein Krummsäbel wohl auf immer verloren ist.
  10. Ein anderer LARP-Waffenhersteller fertigte mal einen Zweihänder für mich an. Kurz vor Fertigstellung ging das gute Stück aber kaputt; (angeblich) weil der Lehrling (?) eine falsche Maschine für die finale Schicht Lack verwendete.
  11. Jüngst erreichte mich ein Schreiben, in dem mit der Martin Ellermeier-Verlag mitteilte, dass er keine gedruckten Ausgaben seiner Magazine Tabeltop Insider und Mephisto mehr herstellen werde. Ich könne stattdessen einen Gutschein in Höhe meines Restguthabens aus dem laufenden Abonnement haben, um die Ausgaben verbilligt digital beziehen oder auf mein Guthaben verzichten. Dass ich auch auf Lieferung der gedruckten Ausgaben bestehen könnte, kam dem Verlag nicht in den Sinn. Ergänzend erreichte mich das Schreiben nach Ablauf der Frist für die Annahme der Alternativen.
  12. Beim ersten Conquest of Mythodea mit „Rüstungsdeal“ waren die Klingenbrecher der Rüstungen nicht „gebördelt“ – die Rüstungen waren aus dem Ausland importiert, und die Klingenbrecher waren scharf und man hätte sich daran verletzen können. Der Michl, der damals noch bei der gerade übernommenen Hammerkunst-Rüstungsschmiede tätig war, musste die Klingenbrecher daher alle auf der Veranstaltung „umbörteln“.

Viele dieser Erlebnisse sind, vor allem ex post, lustig, manchmal auch skurril – aber eben manchmal auch einfach unbeholfen. Nun darf man sich nicht der Hoffnung hingegen, dass außerhalb der „Nerd-Branche“ immer alle perfekt klappt – mitnichten! Aber die Häufung vom, im besten Fall ungewollt komischen, oder, im schlechtesten Fall, dilettantischen Aktionen sucht meines Erachtens schon seinesgleichen.

Für mich lassen sich diese Unzulänglichkeiten in drei Kategorien verordnen:

  1. Organisatorische Mängel (zum Beispiel Nr. 2, 5, 8)
  2. Unfähigkeit – nicht unbedingt aber böse gemeint (zum Beispiel Nr. 3, 6, 9, 12)
  3. Dreistigkeit – auch nicht zwingend gewollt (zum Beispiel Nr. 4, 6, 7, 11)

Freilich ist diese Einteilung nicht immer trennscharf – Nr. 6 ist sicher in erster Linie Unfähigkeit – der Umgang damit kann dreist sein (und war es in einem Fall auch). Auch um diese Entwicklung soll es im Folgenden gehen.

Erklärungen

In vielen Fällen steht hinter dieser Unbeholfenheit, so denke ich, dass die jeweiligen Tätigkeiten als Teil der Freizeit betrieben werden: Nur wenige Rollenspielautoren sind fest angestellt, kaum einer lebt allein von seiner Tätigkeit als LARP-Hersteller und so weiter. Diese Tätigkeiten sind vielmehr oft bestenfalls der nebenberuflichen Sphäre zuzuordnen.

Und selbst, falls wir einen hauptberuflichen Rollenspielautor ins Auge fassen, so ist dessen monetäre Bezahlung doch oft anscheinend eher mittelprächtig, wenn man sie mit vergleichbar qualifizierten Absolventen vergleicht.

Für die „Kunstschaffenden“ (man sehe mir die blumige Bezeichnung nach) wird ein Teil der Entlohnung jedoch, zumindest implizit, in immateriellen Werten erbracht: Es ist für diese einfach toll, Rollenspielautor oder LARP-Hersteller zu sein.

Das mögliche Gegenargument, dass die Preise aus Kundensicht aber mindestens so hoch sind, wie bei einem Nicht-Hobby-Produkt (Rollenspielbücher kosten beispielsweise vergleichbar viel, wie andere Bücher ähnlichen Umfangs und Ausstattung) und daher hierauf keine Rücksicht genommen werden könnte, man also „professionelles“ Verhalten verlangen, ist aus meiner Sicht zu kurz gegriffen. Denn: Würden die Kunstschaffenden alle hauptberuflich in der Nerd-Branche tätig sein und dort alle ein monetäres Gehalt erzielen, dass zwar nicht fürstlich sein muss, aber doch etwas dem Quervergleich mit vergleichbar Qualifizierten standhält, wären die Produkte teurer. Das dies so ist, liegt bei Rollenspielprodukten an der niedrigen Auflage (es werden nur wenige Skaleneffekte realisiert), bei LARP-Herstellern und Bemalservices an dem hohen Einsatz von Handarbeit in Deutschland.

Ich vertrete daher im Folgenden die These, dass es einen impliziten Konsens gibt, dass kleinere Nerd-Unternehmen ein gewisses Maß an Unprofessionalität an den Tag legen dürfen. Dies betrifft insbesondere die Akzeptanz organisatorischer Mängel, in Grenzen auch noch Unfähigkeit.

Viele Unternehmer der Nerd-Brache bemühen sich meiner Erfahrung nach um ein freundschaftliches Verhältnis zu ihren Kunden und sind sonst sehr serviceorientiert. Ich nenne dies die „Hobbyisten-Strategie“: Die implizite Annahme ist, dass „wir“ doch alle Rollenspieler, LARPer etc. sind und zusammenhalten müssen. Und dass einer nun eben für jemanden entgeltlich tätig ist, ist – unausgesprochen – eher in die Kategorie „bezahlter Freundschaftsdienst“ zu verordnen. Also alles nicht so streng nehmen. Und wenn der Freundschaftsdienst länger dauert oder komplizierter wird, macht das auch nichts. Das Arrangement baut also auf beidseitigem Verständnis, Rücksichtnahme und Gelassenheit auf.

Diesen Zustand sehe ich für die überwiegende Zahl von Unternehmen der Nerd-Brache als gegeben an. Die genannten Beispiele beziehen sich auch überwiegend auf solche kleinen, oft Ein-Mann-, Unternehmen. Jedoch: Vor allem die Nr. 2, 7, 8 und 12 sind meines Erachtens anders einzuordnen. Hier sind größere Unternehmen tätig.

Was geschieht also, wenn die Unternehmen größer werden? Schon aus operativen Gründen ist es dann nicht mehr möglich, „Freund“ eines jeden Kunden zu sein oder mit diesem persönlichen Kontakt zu halten. In diesem Moment wird die Hobbyisten-Strategie (schon zwangsweise) aufgegeben. Damit wird auch schleichend der von mir implizit vermutete Konsens obsolet, dass ein Teil der Entlohnung des Unternehmens in immateriellen Werten erfolgt. Vielmehr nehmen betriebswirtschaftliche Fragen eine größere Rolle ein. Das heißt nicht, dass dies schlecht ist. Es geht kaum anders: Man kann von „ganz normalen“ Angestellten nicht erwarten, dass sie wegen der Begeisterung für ein Hobby, das nicht das ihre ist, Abstriche beim Lohn akzeptieren. Ergo ist die Hinwendung zu einem mehr betriebswirtschaftlich geprägten Unternehmensführung fast zwingend.

Damit zeigt sich für mich, dass im Falle eines Unternehmenswachstums die inhärenten Schwierigkeiten der hier gegenständlichen Märkte oft ergänzt werden, um ein inhärentes Problem der Unternehmensführung: Die fehlende Schaffung einer funktionierenden Organisation. Die meisten Unternehmen außerhalb der Nerd-Brache haben einen technischen und einen kaufmännischen Geschäftsführer. Letzterer fehlt oft bei Unternehmen der Nerd-Brache. Virulent wird dieses Problem jedoch insbesondere mit zunehmender Komplexität und steigenden Kosten.

Diese Diagnose hatte auch schon Ben Riggs, als er über den Aufstieg und Fall TSRs schrieb.

Ich fühle mich bei dieser These auch empirisch bestätigt; die Geschäftsführer der großen Nerd-Unternehmen in Deutschland haben meines Wissens eine kaufmännische Ausbildung.

Deren Qualität dürfte Hinweis darauf sein, wie das Unternehmen sich im Falle von Wachstum entwickelt. Meines Erachtens gibt es zwei Möglichkeiten – von denen eine problematisch ist.

Organisationsstrategien bei Wachstum

Mache Nerd-Unternehmen meinen, dass das Unternehmersein dann besondere Qualität aufweist, wenn man gegenüber seinen Geschäftspartnern, insbesondere Kunden, nachdrücklich auftritt und eine (vermeintlich oder tatsächlich) „professionelle“ Linie fährt. Dies kann ich mir nur als Reminiszenz aus einer Zeit erklären, als man sich als Pionierunternehmen wähnte, dass die Szene voranbrachte und daher „Dankbarkeit“ der Kunden erwarten könnte. Nur – selbst, falls es diese Zeiten gab, sind diese nun vorbei und betriebswirtschaftliche Aspekte stehen nunmehr im Vordergrund.

Ein markantes Auftreten wird in der Regel dann beobachtbar, wenn ein Problem aufkommt: Aus Unfähigkeit oder organisatorischen Mängeln wird dann Dreistigkeit – mitunter schon die rechtliche Lage weder kennend noch beachtend. Unnötig zu sagen, dass genau dies gerade kein Zeichen guter (oder gar erfolgreicher) Unternehmensführung ist, sondern ein Weg, um früher oder später Schiffbruch zu erleiden.

Ergänzend kommt hinzu, dass solche Unternehmen natürlich ihre Unzulänglichkeiten verneinen – man ist nun ja „professionell“ – allerdings nur vom Kunden ein akkurates Verhalten einfordern möchten. Ich nenne dies die „Übervorteilsstrategie“.

Unternehmen, die einfach nur wachsen und sich hierbei dergestalt professionalisieren, dass ihre Organisation mitwächst; sie mithin also einfach zuverlässiger werden und hierbei die „Hobbyisten-Strategie“ (zwangsweise) aufgeben, folgen einer klassischen „organischen Strategie“.

Beispiele

Ein Beispiel für die Hobbyisten-Strategie ist der eine geschilderte Fall Nr. 6, als Figuren schlecht verpackt waren: Der Verkäufer war so bekümmert, dass er mir ohne Aufforderung eine weitere, bemalte (und gut verpackte) Figur zusendete.

Der zweite Fall bei Nr. 6 war hingegen ein Beispiel für die Übervorteilsstrategie: Dieser zweite, deutlich größere, Händler bot mir einen Rabatt in Höhe von zunächst knapp 6,5% und dann 11% an – der Schaden war aber, monetär gemessen, weit größer. Gleichzeitig war bei diesem zweiten Fall der Preis der Figuren höher.

Auch der Fall der Crowdfundings von Prometheus Games dürfte eher der Übervorteilsstrategie zuzuordnen sein – ich kann mir nur mit Mühe vorstellen, dass Prometheus Games eine vergleichbar unbestimmt verspätete Zahlung der Unterstützer für das Crowdfunding akzeptiert hätte. Auch wurde eine Rückzahlung der Crowdfunding-Beiträge meines Wissens nicht angeboten. Ökonomisch richtig (sozusagen „professionell“) wäre es zudem gewesen, diese mit Zinsen zurückzuzahlen (wobei die Zinsen unter Umständen auch in Form von Produkten „gezahlt“ hätten werden können). Ich gehe allerdings davon aus, dass vor dieser Dreistigkeit, die Auslieferung auf unbestimmte Zeit in die Zukunft zu schieben, Unfähigkeit und organisatorische Mängel standen. Ich vermute also nicht, dass Prometheus Games bewusst die Übervorteilsstrategie wählte. Dies war, nach meiner Einschätzung, vielmehr Konsequenz fehlender Organisation bzw. von Inkompetenz.

Zu beachten ist zudem, dass Crowdfundings von den Unterstützern freiwillig getätigt werden und ein Rückzahlungsanspruch in der Regel nicht besteht. Man könnte also sagen „Selbstverschuldet“. Mit Blick darauf, dass der Fall bei Prometheus Games aber mehrfach auftrat, bleibe ich aber bei meiner Einschätzung.

Davon zu unterscheiden ist der Fall Nr. 8. Die Verzögerungen bei der Güldenlandbox sind sicherlich peinlich. Allerdings wurden die Kunden hier nicht vorab zur Kasse gebeten. Daher ist diese Form der Unzulänglichkeit zwar ebenfalls unprofessionell, aber zumindest nicht zum unmittelbaren Nachteil der Kunden. Ergänzend verweise ich auf die oben dargelegte Problematik bezüglich der Autorentätigkeit im Rollenspielbereich. Der Fall fällt daher für mich unter die Hobbyisten-Strategie.

Was sollte ein Unternehmen tun, dem ein Fehler unterläuft? Hier finde ich das Verhalten von Ulisses im Beispiel Nr. 2 beispielhaft. Sowohl gegenüber dem Kunden – aber auch aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen:

Es war sicherlich nicht professionell, einer gemachten Ankündigung, nämlich einer Auflage des Liber Cantiones mit allen DSA 4.1-Zaubern, nicht zu entsprechen. Ulisses sah den Fehler aber ein und sendete den Käufern der unvollständigen Auflage eine vollständige Version zu – kostenfrei.

Was wäre die Alternative gewesen? Der Übervorteilsstrategie hätte es entsprochen, das Ersatzangebot nicht explizit zu machen und in irgendwelchen Ausflüchten Heil zu suchen und darauf zu verweisen, wie etwa, dass die Erstellung des Buches mit viel Mühe „neben dem sonstigen Geschäft“ erfolgt sei und dergleichen mehr. Dann hätten ein paar (sicher aber nicht alle; möglicherweise wäre das Widerrufsrecht auch nicht übermäßig prominent platziert worden) Käufer das unvollständige Buch zurückgesendet. Die nicht zurückgesendete Exemplare wären weiter bezahlt geblieben.

Ulisses hätte vermutlich gleichwohl die gesamte Auflage, inklusive der zurückgesendete Bücher, verkaufen können – die ebay-Preise zeigten eine großen Nachfrage an.

Ergänzend hätte Ulisses aber später die vervollständigte Version des Liber Cantiones auf den Markt bringen können – und so von allen, die nicht zurückgesendet haben, den Preis zweimal einstreichen können, da sicherlich viele (auch) die vollständige Version hätten haben wollen.

Auf der Suche nach einem Unternehmen in den hier einschlägigen Branchen, das für meine Begriffe professionell gewachsen ist, fiel mir die Burgschneider GmbH (samt Tochterunternehmen ein): Ich nehme das Conquest of Mythodea als professionell organisiert wahr – ohne dass die Kunden übervorteilt werden. Zuvor hätte ich diese der Hobbyisten-Strategie zugeordnet. Allerdings ist man heute auch nicht (mehr) jedes Kunden „Freund“. Das mag man bedauern – es ist aber letztlich der Regelfall, nicht mit jedem befreundet zu sein. Zudem bezweifele ich, dass es möglich ist, eine so große Veranstaltung wie das Conquest of Mythodea auf Basis der Hobbyisten-Strategie zu veranstalten, ohne Verluste zu schreiben.

Fazit

Um zur Frage des Beitrags zurückzukommen: Ja, oft sind Unternehmen der Nerd-Branche unprofessionell. Dies liegt daran, dass sie praktisch alle dem Hobbybereich entstammen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen dieser Branche wächst ist per se schon gering. Dass es sich hierbei nicht verrennt – sei es in Chaos (oft) oder in unbilliger Vorteilsnahme (weniger und mitunter ungeplant), noch geringer. Dies dürfte in vielen Fällen auf die mangelnde Ausbildung des Führungspersonals zurückzuführen sein.

Ergänzend kommen geringe Marktgröße und Kostenintensität hinzu. Dem zum Trotze gelingt es dennoch einigen wenigen Unternehmen, sich in diesem Umfeld zu behaupten und professionell zu agieren. Neben der oft besser ausgebildeten Führungsmannschaft gelingt es solchen Unternehmen auch, die inhärenten Marktprobleme zu migrieren:

  1. Die Produktion kann ins kostengünstigere Ausland verlagert werden; man denke nur an Mytholon oder Games Workshop.
  2. Die Zielgruppe ist vergleichsweise groß. Verwiesen sei auf Wizards of the Coast, das, aufgrund der Publikation in englischer Sprache, praktisch den Weltmarkt offen hat.
  3. Das Geschäft generiert wiederkehrende Umsätze. LARP-Veranstalter haben diesen Vorteil; Editionswechsel bei Rollenspiel- oder Tabletop-Anbieter versuchen dies, oft unter Ausnutzung diskretionärer Spielräume, durch Einführung neuer Editionen nachzuzeichnen.

Dies im Blick komme ich nicht umhin, eine gewisse Achtung vor Verlagen wie dem Uhrwerk-Verlag oder auch Ulisses aufzubringen. Trotz kleinem Markt und hohen Kosten behaupten diese sich doch einigermaßen – zugegebenermaßen mit Aussetzern und Höhen und Tiefen.

Was bleibt? Ja, die Unternehmen sind oft nicht im klassischen Sinne professionell. Bevor man sich jedoch über ein Nerd-Unternehmen ärgert, könnte bedacht werden, welche Möglichkeiten dieses hat – und wie es vor diesem Hintergrund Kritik umgeht. Falls aber augenscheinlich die Übervorteilsstrategie gewählt wurde, scheint mir Empörung angebracht und angezeigt.

Kosten des Hobbies – Teuer oder Günstig?

Einführung

Vor rund anderthalb Jahren beklagte ich mich, wie auch in einem früheren Beitrag hier allgemein, an anderer Stelle im Speziellen darüber, dass eine Würdigung der neuen Edition Warmachines (MK IV) außer Betracht lasse, dass diese die bei den Spielern vorhandenen Modelle entwerte.

Als Gegenargument wurde damals dort angeführt, dass man ja sehen müsse, dass man die Voredition ja nun schon lange Zeit habe nutzen können. Pro Stunde seien die Kosten daher sehr niedrig – viel niedriger als bei einem Kinobesuch. Daher sei Tabletop doch recht günstig pro Stunde.

Dieses Argument ist dermaßen verfehlt, dass ich damals die Diskussion nicht weiterführte. Seitdem (und auch zuvor) bin ich aber immer wieder mit der „Kosten-des-Hobbys-Frage“ konfrontiert worden. Und zwar sowohl in Bezug auf Pen & Paper-Rollenspiel als auch in Bezug auf Tabletop oder LARP. Immer wieder lese ich Beiträge, in denen über die Kosten der hier relevanten Hobbys fabuliert wird. Oft mit dem Grundtenor, dass dies doch alles zu teuer wäre. Oder auch mit dem, eher entgegengesetzten, Hinweis, dass Rollenspiel ein „antikapitalistisches“ Hobby sei.

Der Klassenkampf ist also offenbar in der Hobbywelt angekommen. Oft las ich auch, dass eben jedes Hobby Geld koste und daher jedwede Auseinandersetzung mit dieser Frage (hier beim Tabletop) verfehlt sei.

All dies hat meinen Argwohn erregt.

Wertungsrahmen

Versucht man jedoch, sich dem Thema zu nähern, so wird klar, dass der Wertungsrahmen verschieden sind. Mir scheint, dass einige Argumente aus dem Übersehen bestimmter Grundlagen resultieren oder teilweise die Problematisierung nur auf eine andere Ebene verschieben.

  1. Ein populäres Argument ist beispielsweise, dass man sich für Rollenspiel, aber auch für Tabletop und LARP, „alles“ leihen könne. Das stimmt. Nur ist diese Aussage für praktisch jede Freizeitbeschäftigung zutreffend: Wer ein Pferd und Ausrüstung leihen kann, kann ohne Weiteres Polo spielen. Wer einen Sportwagen leihen kann, kann Sportwagenfahren – unter Umständen sogar ohne Führerschein. Nur in wenigen Fällen gibt es nicht-verleihbare Rechte, wie einen Segel-, Tauch-, oder Führerschein. Und auch in diesen Fällen kann man auf privatem Grund und Boden davon absehen, diese Berechtigungen zu verlangen.

    Die Frage, ob man etwas leihen kann, ist daher unerheblich. Bewertungsmaßstab muss ein Szenario sein, in dem man zumindest „übliche“ Gegenstände selbst erwerben muss. Als gedankliche Brücke kann man sich vorstellen, dass der gesamte Freundeskreis neu mit einem Hobby anfängt und die Möglichkeit, sich Material zu leihen, ausscheidet.

    Was eine „übliche“ Ausstattung an Gegenständen umfassen sollte, ist natürlich unklar.

  2. Auch gerne angeführt ist die Erläuterung, man könne sich „alles“ selbst machen. Das trifft vor allem für LARP(-Kleidung) zu, ist aber auch beim Pen & Paper-Rollenspiel denkbar, wenn man an gekaufte vs. selbst geschriebene Abenteuer denkt.

    Auch dieses Argument hält einer genaueren Betrachtung nicht stand. Statt Geld muss im Falle des Selbermachens nämlich Zeit aufgewendet werden. Zeit und Geld stehen im Wesentlichen in einem Austauschverhältnis. Grundsätzlich könnte jeder seine (berufliche) Tätigkeit reduzieren, um mehr Zeit zu erhalten. In gleicher Weise kann jeder grundsätzlich eine (weitere) Tätigkeit aufnehmen oder die aktuelle ausbauen, um mehr Geld zu erlangen.

    Realiter sind diese Optionen möglicherweise wenig sinnvoll – etwa, weil der Stundenlohn gering oder hoch ist und daher eine klare Präferenz für weniger oder mehr Arbeit bestehen könnte. In praktisch jedem Fall ist eine Substituierbarkeit aber gegeben.

  3. Es ist zu unterscheiden zwischen dem zeitlichen Anfall der Kosten und des Nutzens/ der „Freude“ aus einem Hobby.

    Ein Theaterbesuch kostet einmalig Geld. Der Konsum ist aber auch einmalig. Das ist das Charakteristikum einer Dienstleistung. Ein Buch hingegen kostet Geld beim Kaufe, kann dann jedoch über einen längeren Zeitraum gelesen werden, ohne das erneute Kosten anfallen. Es kann auch danach noch nützlich sein als Designobjekt, weil es nochmals gelesen wird oder weil es verkauf werden könnte. Computerspielen hingegen ist schon zu Beginn mit Kosten verbunden, weil die entsprechende Hardware beschafft werden muss. Es fallen aber auch laufende Kosten für Spiele oder Abonnements und auch relevante Mengen Elektrizität an. Allerdings kann zumindest der Computer, vielleicht aber auch das Spiel, lange genutzt werden. Man denke an World of Warcraft. Theoretische könnte der unterschiedliche zeitliche Anfall in Form eines Bar- oder Endwertes uniformiert werden. Dies gelingt in praxi aber nur bei Zahlungsströmen gut und praktisch überhaupt nicht bei dem individuellen Nutzen/ der „Freude“ des Hobbies.

  4. Fraglich ist auch, was Teil des Hobbys ist und was Teil einer (möglicherweise weniger geschätzten) Vorbereitungszeit ist. So könnte man anführen, dass die Zeit, die ein Spielleiter ein Pen & Paper-Abenteuer vorbereitet, nur Mühe darstellt (damit ein „Schlecht“ und kein „Gut“ darstellt) und nur der Spielabend selbst ein Gut. In ähnlicher Art und Weise könnte über das Bemalen von Tabletop-Figuren oder die Anfahrt zu einer LARP-Veranstaltung nachgedacht werden. Auch das Aneignen relevanter Fertigkeiten, wie das Erlernen eines Regelwerks oder das Erarbeiten von Gebeten oder Zaubern beim LARP können, je nach Gusto, jeweils ein Schlecht oder ein Gut sein.

  5. Damit kommen wir zur Frage des Umfangs, vorstehend als „übliche“ Ausstattung an Gegenständen, bezeichnet. Auch dies ist höchst subjektiv. Dennoch meine ich, dass es einen, mehr oder weniger allgemein akzeptierten, Mindeststandard gibt. Beim LARP sind sogenannte Motorrad-LARPer verpönt; wer zum Pen & Paper-Rollenspiel nicht mal seinen Charakterbogen mitnimmt, ist nicht wohl gelitten und beim Tabletop werden Proxies in der Regel nur in begrenztem Maße gerne gesehen. Klar, das Vorstehende sind meine subjektiven Erfahrungen. Aber andere habe ich nicht.

Vor allem die Punkte 4. und 5. sind kaum allgemein zu beantworten. Ich schilderte aber schon, dass nach meiner Erfahrung das Spielleiter-Sein beim Pen & Paper-Rollenspiel, die Rolle des NSC beim LARP und die Bemalung von Figuren beim Tabletop oft etwas ins Hintertreffen gerät. Für die meisten dieser Probleme versuchte ich auch Lösungen aufzuzeigen – obgleich ich weiß, dass die Umsetzung im Konkreten schwierig sein mag.

Dieser, zugegebenermaßen etwas grob umrissene, Ausgangspunkt soll das „Gut“ vom „Schlecht“ abgrenzen – und kann im Einzelfall grob falsch sein.

Zur Frage des „Mindeststandards“ denke ich, salomonisch, dass man an einer öffentlichen Veranstaltung jenseits des eigenen Freundeskreises teilnehmen kann, ohne dort negativ aufzufallen.

Sind die Hobbys nun teuer?

Wie können diese Aspekte, zumindest einigermaßen, auf die Frage nach den Kosten der Hobbies übertragen werden?

Es gibt hierbei zwei Dimensionen: Die Frage nach den Absolutbeträgen, die für ein Hobby aufwendet werden müssen und die, letztlich relevantere Frage, nach dem Quervergleich mit anderen Hobbies, also den relativen Kosten.

Für das Verfassen dieses Beitrags startete ich eine Recherche, um die absoluten Kosten des Einstiegs in Pen & Paper-Rollenspiel, Tabletop und LARP zu ermitteln. Ich merkte aber, dass dies sowohl in der Recherche als auch beim Lesen wenig erbaulich ist. Zudem müsste ich diese Analyse regelmäßig ergänzen – und daran habe ich kein Interesse. Daher im Folgenden nur die Conclusio im Kürze.

Bei der Ermittlung der relativen Kosten geht es um Vergleiche mit anderen Hobbys. Solche sollten aber, wenn sie nicht untauglich sein sollen, äquivalente Tätigkeiten vergleichen: „Bewerten heißt Vergleichen“, schrieb der Großmeister Prof. Moxter – und forderte damit Äquivalenz. Dementsprechend versuche ich mich von den vorstehenden Grundsätzen leiten zu lassen – und mir der Grenzen der Operationalisierung derselben bewusst zu sein. Hiermit wird das vorstehende Problem, der Uniformierung der Freude, versucht einzugrenzen. Wenn die Hobbies ähnlich sind, sollten sie auch vergleichbare Freude bereiten.

Da diese Vergleichbarkeit realiter nicht in Gänze gegeben ist, sind meine Vergleiche zwar nicht unplausibel – zumindest hoffe ich das – aber sicherlich auch nicht immun gegen Kritik.

Welche Hobbies wähne ich als Vergleichbar?

Für das Hobby Rollenspiel könnten Lesen oder Computerrollenspiele vergleichbar sein.

Vergleichbare Hobbys zu Tabletop könnten strategische Brettspiele oder Modellbau sein.

Vergleichbar mit LARP könnte Theaterspielen oder Schwertkampf/ Fechten sein. Aber auch, Geochaching kommt im weiteren Sinne in Frage. Ebenso Mittelaltertanzgruppen oder sogar die Tätigkeit bei den Pfadfindern. Im ganz weiten Sinne könnte ich mir auch noch Wandern/ Klettern als vergleichbar vorstellen.

Aufgrund der Überschneidungen der Hobbyistengruppen der Hobbies dürften diese auch miteinander vergleichbar sein; wobei Pen & Pape-Rollenspiel thematisch zwischen Tabletop und LAPR liegen dürfte.

Pen & Paper-Rollenspiel

Pen & Paper-Rollenspiel kostet eher im Einstieg Geld; hier fallen um die 100 Euro an – je nach System kann es aber auch günstiger sein (Shadowrun). Dazu kommt die Einarbeitungszeit. Die „laufenden“ Kosten können minimal sein; nur der Spielleiter hat dauerhafte Kosten in Form aufgewendeter Zeit.

Möchte man Erweiterungsbände kaufen, bleibt man meist unter 1.000 Euro. Auch dann trägt der Spielleiter die meisten Folgekosten – sei es in Form von Vorbereitungszeit oder dem Erwerb (komplexerer) Abenteuer.

Fazit: Die meisten Kosten fallen mit dem Einstieg an, danach „zahlt“ insbesondere der Spielleiter.

Bei Vergleiche gilt: Beim Lesen über einen langen Zeitraum dürften höhere Kosten als beim Pen & Paper-Rollenspiel anfallen (da Romane nachgekauft werden müssen, dies aber beim Rollenspiel aber nicht zwingend der Fall ist).

Computerspielen ist deutlich teurer; die entsprechende spezielle Hardware, allem voran die Graphikkarte, kann schon die vorstehenden 1.000 Euro übersteigen. Auch Computerspiele selbst kosten schon kurzfristig mehr.

Ergo ist meine Schlussfolgerung: Rollenspiel ist ein relativ günstiges Hobby.

Tabletop

Im Ergebnis schlägt der Einstieg wohl monetär mit rund 200 Euro zu Buche. Auch hier geht es günstiger (zum Beispiel Freebooters Fate). Damit, und dem Erlernen der Regeln, ist es aber nicht getan: Dann stehen Zusammenbau und möglicherweise Bemalung der Figuren ins Haus. Letzteres ist de facto nicht zwingend erforderlich – auch wenn ich dies nachdrücklich befürworte.

Möchte man das Hobby ausbauen, wird es teurer. Schnell können mehrere tausend Euro in verschiedene Armeen fließen. Von der Zeit des Zusammenbaus und der Bemalung ganz zu schweigen. Und dann gibt es ja noch Gelände, Transportausstattung und vieles mehr, für das Geld ausgegeben werden kann.

Modellbau hingegen ist meiner Recherche nach vergleichbar teuer. Brettspiele erreichen auch mit allen Erweiterungen nur selten die 200 Euro, die bei Tabletop schon der Einstieg kostet.

Ergo ist meine Schlussfolgerung, dass Tabletop ein relativ durchschnittlich bis etwas teures Hobby ist. Im Falle einer neuen Edition mit der Entwertung alter Modelle ist Tabletop als relativ teuer anzusehen. So etwas gibt es beim Modellbau nur sehr eingeschränkt und ist bei Brettspielen deutlich günstiger zu bewältigen.

LARP

Eine Einsteigerausrüstung für einen Abenteurer kostet wohl um die 400 Euro. Weitere Vorbereitungszeit wird in der Regel nicht zwingend benötigt; bei Magiern oder Klerikern mag es anders sein, da Zaubersprüche oder Gebete ersonnen und eingeübt werden. Allerdings kostet das Spielen selbst in der Regel eine Teilnahmegebühr. Zudem fallen, mitunter erhebliche, Fahrtkosten an.

Das ändert sich auch nicht. LARP ist damit, im Gegensatz zu Pen & Paper-Rollenspiel und Tabletop, fast zwingend mit dauerhaften Kosten verbunden – auch wenn diese in aller Regel niedriger sind als die Einstiegskosten.

Auch hier kann eine weitere Betätigung schnell deutlich teurer werden: Eine Rüstung kann weit über 1.000 Euro kosten. Für Zelte, Möbel für dergleichen gilt dasselbe.

Im Vergleich mit den anderen beiden Hobbys ist LARP daher wohl das Teuerste. Das kann auch nicht durch die Teilnahme als NSC an der Veranstaltung umgangen werden. Die gesparten Kosten beziehen sich nämlich auf die Teilnahmegebühr – diese macht aber, vor allem langfristig, nur einen geringen Teil der Kosten aus.

LARP ist auch teurer als die meisten der obenstehenden als von mir als vergleichbar bezeichneten Hobbies – ausgenommen dem Fechten, dass mit hohen Kosten für Ausrüstung und Reiseaufwendungen einher gehen kann.

Ergo stelle ich fest, dass LARP relativ teuer ist.

Abschluss: Woran mangelte es im Eingangs geschilderten Beispiel?

Im einführenden Negativbeispiel wurde Tabletop mit Kinobesuchen verglichen. Dieser Vergleich ist aus folgenden Gründen untauglich:

Schon grundlegend ist festzustellen, dass ein Kinobesuch die Nachfrage nach einer Dienstleistung darstellt. Dienstleistungen werden definitorisch beim Produzieren verbraucht. Tabletopprodukte sind physischer Gestalt und insofern mit einer Nutzungsdauer versehen. Diese ist in Bezug auf physischen Verschleiß der Produkte lang. (Nur) durch das Einführen einer neuen Edition soll diese künstlich verkürzt werden.

Setzt man sich über diese grundlegende Unterscheidung hinweg, fallen weitere fehlende Äquivalenzen auf:

  • Zum einen weiß man, dass ein Kinofilm z.B. zwei Stunden lang ist. Um Analogie herzustellen, müsste der Tabletop-Produzent also ankündigen, wie lange das Spiel (auch auf seinen Turnieren) gespielt werden kann, bevor es sang- und klaglos als obsolet erklärt wird. Oder der Kinofilm müsste ebenfalls abrupt enden können oder eine Gebühr zum Weiterschauen verlangt werden können.
  • Dies gilt umso mehr, als dass ein Neueinsteiger gibt, die erst kurz vor der Ankündigung des Editionswechsels mit dem Hobby gestartet haben.
  • Zudem anderen hinkt der Vergleich schon aufgrund mangelnder Äquivalenz der Tätigkeit: Man könnte statt einem Kinobesuch als alternative Vergleichstätigkeiten Lesen, Joggen oder Krafttraining mit dem eigenen Körpergewicht anführen. All diese Beschäftigungen sind sehr viel günstiger pro Stunde als Tabletop. Sportreiten oder Yachtfahren sind dafür sehr viel teurer.

Das willkürliche Herausgreifen einer zwar unpassenden, aber dafür den eigenen Standpunkt unterstützenden aber nur mutmaßlich vergleichbaren Tätigkeit ist zumindest schlechter Stil.

Vielmehr ist, wie oben dargestellt, Tabletop nach meinem Dafürhalten im Quervergleich als teuer zu beurteilen – vor allem aufgrund des Editionsproblems.

Die RPV tritt das Erbe der RPC an!

Normalerweise gehe ich nicht auf Cons. Rollenspiel in großen Hallen (mit ensprechendem Lärmpegel und ohne Musik) ist das meine nicht. Auch auf einem Tabletop-Turnier war ich noch nie – für ein paar Spiele lange Fahrten in Kauf zu nehmen, erschien mir noch nie reizvoll.

Aber: Ich war auf der RPC („Roleplay Convention“). Zu Beginn vor allem, um dort tatsächliche oder vermeintliche Schnäppchen zu machen – an den Wühltischen irgendwelcher Händler. Dieses Motiv änderte sich schnell: Die RPC war der Ort, wo ich am meisten RPG- oder vor allem LARP-Freunde und -Bekannte auf einem Fleck treffen konnte.

Die Geschichte der RPC endete traurig: Sie ging in Comic Con Experience Cologne auf – und damit unter.

Damit hatte es sich. Letztes Jahr sagte man mir, die Ratcon Ulisses‚ habe viel der RPC übernommen – und in der Tat gab es dort im vergangenen Jahr 2023 ein paar der Stände, über die ich mich auf der alten RPC gefreut hätte.

Gestern aber erfuhr ich, dass die alten Organisatoren sich zusammengerafft haben und eine Wiederauflage der Veranstaltung planen: Unter dem Namen RPV! Am 8. und 9. Juni 2024 soll diese in Oberhausen stattfinden.

Und das stimmt mich im Zweifel noch etwas hoffnungsvoller. Schon das Logo läßt erahnen, in welcher Tradition man sich sieht:

Für das gerade begonnene Jahr heißt es also: Auf zur RPV!

Warmahordes-Stammtisch in München

Nachdem die Warmachine-Welt sonst in MK4 angekommen zu sein scheint, haben sich in meinem Umfeld alle entschlossen, bei MK3 zu bleiben (einer möchte aber ergänzend auch ein wenig MK4 spielen. Nur – Spielorte zu finden wurde ob der Anzahl der Spieler zunehmend schwierig und außerdem war eine gewisse Regelmäßigkeit bei den Spielterminen gefragt.

Daher trat ich dem Weiß-Blaue-Strategen e.V. bei und „gründete“ unmittelbar einen „WMH-Stammtisch“. Nach etwas Hin und Her zeichnete sich ab, dass Donnerstag der derzeit beste Termin ist. Für den Moment findet der Stammtisch alle vier Wochen statt – bei Interesse können wir die Häufigkeit aber erhöhen.

Unser erster Termin war am vergangenen Donnerstag, den 7. Dezember. Insgesamt waren sechs Spieler gekommen – zwei davon außerhalb unseres bisherigen Umfelds. Für mich war das ein Erfolg – eine Teilnahme von circa zwölf Spielern ist denkbar.

Die kommenden Termine werden sein:

  • 4. Januar 2024
  • 1. Februar 2024
  • 29. Februar 2024

Weitere Mitspieler sind herzlich willkommen.

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