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Von einem, der auszog, auf ein LARP zu gehen

Irgendwann in der Mittelstufe kamen zwei meiner Freunde mit dem Liverollenspiel in Berührung – und das fanden wir alle gleich großartig! Wir übten fechten (mit Stöcken, nur später mit Polsterwaffen) und joggten sogar, um unsere Helden gut darstellen zu können. Denn wir wollten zunächst im Grunde unsere DSA-Charaktere spielen oder hatten zumindest das Bild einer Heldengruppe vor Augen. Ich wollte einen Zwerg spielen. Und so zerbrach ich mir den Kopf, wie ich ein Kettenhemd beschaffe (geworden ist es nur eine Lederweste), sowie eine Zweihand-Doppelkopfaxt bekomme. Letztlich bin ich nie als Zwerg aufs Liverollenspiel gegangen – ich konnte die Ausrüstung nicht zusammenbringen, wähnte mich nicht gut genug im Kampf und war zudem zu groß. Als ich 1999 dann zum ersten Mal auf einem „richtigen“ LARP war, merkte ich zudem, dass es ohnehin alles ganz anders ist, als ich es mir vorgestellt hatte…

1.) Fast jeder ist Protagonist

Ich hatte, wie erwähnt, eine Heldengruppe vor Augen und wollte meinen DSA-Charakter spielen. Das war nunmehr ein Magier (und kein Zwerg mehr), der mit dem Gasthaus „Zum lachenden Shruuf“ übrigens eine enge Verbindung hat. Ich dachte, wir würde auf dem LARP ähnliche Abenteuer erleben wie am Tische zuvor.

Das ist grob unzutreffend.

Naturgemäß fahren nämlich zum LARP fast nur „Helden“ – man ist also einer vor Vielen und keineswegs zwingend im Zentrum des Geschehens, wie es beim Tischrollenspiel der Fall ist. Allerdings nehmen sich schon sehr viele sehr wichtig und erwarten ihren Charakteren gegenüber ein bestimmtes Auftreten. Das führt mich zum Zweiten…

2.) Auf dem LARP ist „Anything goes Fantasy“

Die überwiegende Zahl der Cons spielt nicht in einem geschlossenen Setting. Das Conquest of Mythodea zum Beispiel spielt zwar in einem bestimmten Setting – es wird aber keineswegs darauf geachtet, dass Charaktere, die aus einer anderen Welt kommen, an der Veranstaltung nicht teilnehmen. Es kann also Jeder mit Allem dorthin – und regelmäßig auch auf andere Cons. Von diesem Regelfall wird im Folgenden ausgegangen – auch weil ich es kaum anders kenne.

Daher sind die LARPs oft ein Gemisch von Epochen, Welten und dergleichen. Es kann gut sein, dass sich ein rechtschaffender Ritter plötzlich einem Mob aus dem Zeitalter der Revolution gegenübersieht. Oder dass römische Legionäre mit Musketen angegangen werden.

Es ist also ratsam, möglichst wenig Erwartungen an eine Con oder die Erlebnisse dort zu haben. Jeder hat seinen eigenen Mikrokosmos und diese Kosmen sind oft nicht einmal in den Grundlagen aufeinander abgestimmt.

Hieraus ergibt sich auch, dass es oft eine andere Erwartungshaltung an das „Fantasy-Level“ gibt. Es gibt Spieler, die lehnen zum Beispiel mit großer Inbrunst Lederhosen ab – weil solche im Mittelalter (offenbar) nicht getragen wurden. Da Lederhosen aber von zahlreichen ikonischen Fantasy-Helden getragen werden (Herkules in der TV-Serie, Conan in den Filmen, Faramir in der Herr der Ringe-Verfilmung..), ist für mich gut nachvollziehbar, dass andere Spieler, diese für sehr stimmig halten.

Auch bestehen, wie angedeutet, ganz andere Vorstellungen von dem, was man spielen kann. Besonders gut in Erinnerung ist mir eine Spielerin, die einen Gott-Imperator spielte, beziehungsweise spielen wollte. Die hiermit verbundenen Erwartungen wurden von den anderen Spieler (wenig verwunderlich) nicht erfüllt. Im Gegenteil – diese fanden das Konzept in jeder Hinsicht schlecht. Auf dem Conquest gab es früher ein Lied unter Nichtspielercharakteren, dass diese auseinanderfallenden Vorstellungen überspitzt beschreibt:

„Hast mich gar nicht kommen sehen,
bin ein Nachtelf-Paladin,
Mein Flammenschwert macht Vier-Direkt –
SL schaff‘ diesen Spieler weg“

Auch wenn unsichtbare, flammenschwertschwingende Nachtelfen-Paladine sicher (meist) überzeichnete Extremfälle sind, wird hoffentlich klar, dass die Vorstellungen, was möglich, sinnvoll oder auch nur verständlich ist, weit auseinandergehen.

Hart trifft es auch die, die irgendeine Form von klerikalem Charakter spielen. Da die Gottheit im Zweifel keine kennt (manchmal hat man einen Outtime-Vorteil, wenn man zum Beispiel eine DSA-Gottheit wählt), ist jede Form der Verehrung unwahrscheinlich.

3.) LARP-Plots sind in der Regel unplausibel motiviert

Als LARP-Orga steht man initial vor der Frage, wie man es schafft, diese Herrscharen von Individuuen aus unterschiedlichen Welten, Zeiten und Dimensionen nun „intime“ in die Länder zu schaffen, in der die Con spielt. Hierzu werden die großen Probleme (wie Zeit und Dimension aber auch Geographie) üblicherweise übergangen und zum Beispiel Turniere bemüht, zu denen alle eingeladen werden. Auch sehr geläufig sind Hilfegesuche zum Beispiel eines Adligen (den freilich keiner kennt). Letztlich ist es aber so, dass sehr viele Spielercharaktere de facto keinen Grund haben, auf der Veranstaltung zu sein – weil sie vielleicht an keinem Turnier teilnehmen, realiter nie eingeladen werden würden oder auf ein bloßes Hilfsgesuch eigentlich nicht reagieren.

Dennoch sollen im nächsten Schritt diese sich fremden Weltenbummler unter Einsatz ihres Lebens gemeinsam den Plot lösen. Auch hier ist von einem zu tiefergehenden Hinterfragen dringend Abstand zu nehmen. In vielen Fällen haben die Charaktere nämlich keine, wirklich keine, Motivation, dies zu tun. Zugegeben: Die kann man sich Outtime vorab zusammenstricken, wenn man den Charakter erstellt oder auch dann überlegen, wenn man sich anmeldet.

4.) Die Darstellung ist oft mäßig

Viele Gewandungen (das sind die Kostüme) sind wirklich klasse. Ich persönlich finde aber auch, dass viele einfallslos sind – jedoch mittlerweile wirklich nur noch selten welche handwerklich schlecht. Darüber hinaus muss man in aller Regel schon Abstriche machen: LARP finden gerne auf Burgen statt – ganz klassisch ist hier die Burg Bilstein zu nennen. Diese Burg sieht schön aus und die Außenanlagen ist in weitern Teilen auch so gestaltet als ob sie in einem Fantasy-Film Platz finden könnten. Allein – es gibt auch Innenräume und bei denen ist es überwiegend anders: Gekachelte Jugendherbergs-Flure mit hellen Holztüren sind nun mal keine stimmigen Räumlichkeiten für einen epischen Kampf gegen Orks oder für phantastische Begegnungen mit Feen.

Und auf Cons gibt es praktisch nie Reittiere (ich kenne löbliche Ausnahmen!). Dabei wären gerade Pferde für Ritter mehr als nur stimmungsvoll.

Auf Zeltcons ist es meiner Meinung nach im Durchschnitt besser um das Ambiente bestellt. Die meisten Zelte sind „Intime“-Zelte, viele auch stimmig eingerichtet. Aber auch hier gibt es Tiefpunkte. Mein Negativ-Favorit in dieser Hinsicht ist das sogenannte Flatterband. Das ist eine etwa auf Brusthöhe gespannte Schnur, die eine Palisade (sic!) anzeigen soll.

Grundsätzlich gibt es zudem das damit verwandte Phänomen des „Telling“. Hierbei wird, aus Ermangelung einer Darstellung, flux von der Spielleitung (im Einzelfall auch von anderen) erzählt, was geschieht – willkommen im Pen & Paper-Rollenspiel (allerdings ohne Pen und Paper).

„Telling“ ist freilich höchst unpopulär. Dennoch zeigt es die (natürlichen) Grenzen von LARP auf. Vor vielen Jahren war ich Zeuge eines Gespräches im dem es darum ging, wo die Immersion besser wäre – beim LARP oder beim Pen & Paper-Rollenspiel. Mit Blick auf das Vorstehende sollte klar sein, dass diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden kann: Beim LARP werden die Möglichkeiten oft nicht genutzt (Stichwort: Flatterband) oder die Darstellung ist nicht oder nur mit prohibitivem Aufwand möglich (Teleportation bzw. fliegende Teppiche) und die Immersion kann geringer sein, als sie beim Pen & Paper-Rollenspiel üblicherweise ist. Schließlich ist die Unzulänglichkeit viel offenbarer und trifft zudem auf höhere Erwartungen. Das Pen & Paper-Rollenspiel kennt keine Darstellungsgrenzen, ist jedoch regelmäßig weniger immersiv in seiner grundsätzlichen Anlage.

Warum dennoch LARP?

Allen Schwächen zum Trotze ist LARP dennoch eine tolle Sache. Allein der Geruch des Leders der Ausrüstung, das Schmecken der Lagerfeuer in der Luft lassen Vorfreude aufkommen. Die Stimmung, die zum Beispiel eine Taverne mit einem Barden mit sich bringt, ist sonst unerreicht. Gefährliche Situationen sind auch viel authentischer bedrohlich: Ein dunkler Wald, in dem man sich tatsächlich verlaufen hat und in dem es Untote gibt, ist etwas anderes, als dies, vergleichsweise theoretisch, bei Tischrollenspiel zu erleben. Auch geht ein LARP Tage, nicht nur Stunden. Und, idealerweise zumindest, ohne Pause. Viele Situation sind urkomisch – ohne aus der Welt zu fallen. Hervorheben möchte ich auch die Zeit, die man mit Freunden verbringt und einen die Freundschaft nochmals anders, vielleicht sogar intensiver erfahren lässt. Und diese Erinnerungen halten ewig – gerade auch wegen der oben geschilderten Unzulänglichkeiten. Wie sagte jüngst ein guter Freund von mir: „Auch wenn die Con nicht so geil war – irgendwie war’s geil!”

Die imparitätische Lastenverteilung beim Pen und Paper-Rollenspiel

Immer wieder finde ich Gesuche von Rollenspielrunden für Spielleiter. Manchmal gar mit Vorgaben, was gespielt werden soll („Wir möchten gerne mit der Borbarad-Kampagne starten. Hierzu suchen wir Dich als Spielleiter“).

Es herrscht also, zumindest, tendenziell, Spielleitermangel. Ich persönlich habe meist mehr Rollenspiel spielen wollen, als ich konnte – oft weil keiner meistern wollte oder konnte. Daher machte ich aus der Not eine Tugend und wurde selbst Spielleiter. Seit über 30 Jahren bin ich daher ganz überwiegend Spielleiter gewesen – und es sieht nicht so aus, als ob sich dies ändern würde.

Warum ist das so? Ein großer Reiz des Rollenspiels macht die Charakterdarstellung aus. Und ich kenne es als Spieler und aus zahlreichen Gesprächen – man „verliebt“ sich in seinen Charakter. Diesen kann man dann immer weiter ausarbeiten, neue Facetten entdecken (lassen), weitere Fähigkeiten erlernen, immer diffizileres Charakterspiel erleben – es ist großartig!

Genau das kann der Spielleiter nicht. Es ist sogar schädlich. „Verliebt“ sich der Spielleiter in einen Nichtspielercharakter besteht die große Gefahr, dass dieser den Spielercharakteren die „Show“ stiehlt. Protagonisten sollen aber, zumindest mittel- bis langfristig, Spielercharaktere sein.

Ich habe als Spielleiter daher begonnen, mir nicht einen Charakter, sondern eine Spielwelt zu erschaffen. In „meinem“ Aventurien wird jedes Abenteuer nur einmal gespielt. Diese Spielercharaktere sind damit in meinem Aventurien dafür gruppenübergreifend definiert. Es kreuzen sich mitunter auch die Handlungsfäden verschiedener Gruppen. Es gibt Nichtspielercharaktere, die in unterschiedlichen Kampagnen auftauchen. Und was eine Spielgruppe macht, kann zum Guten oder Bösen für eine andere sein.

Damit habe ich diesen Aspekt, den ich am Spielersein schätze, einigermaßen nachgezeichnet. Einigermaßen, weil mich ein toller eigener Charakter oft nochmals mehr begeistert. Allerdings mag ich meine Geschichten ebenfalls schon sehr. Dann gibt es für mich insoweit häufig keinen Unterschied mehr. Ich glaube aber, dass es den meisten nicht so geht und das Erlebnis als Spieler vorgezogen wird. Zudem zerstören neue Regeleditionen oft, zumindest in der offiziellen Setzung die Konsistenz einer geschaffenen Spielwelt.

Es gibt darüber hinaus (weitere) Nachteile, die allein dem Spielleiter anheimfallen und die nur bedingt ausgeglichen werden können. Hier sind zum einen die Kosten für sämtliche Regelwerke und Abenteuer zu nennen. Ich lese zwar immer wieder, dass man die Kosten für Regelwerke ja aufteilen könne – nach meiner Erfahrung ist das aber unpraktikabel, weil man bei der Vorbereitung als Spielleiter die Regeln griffbereit haben möchte und sollte.

Viel schwerer noch wiegt genau diese Vorbereitungszeit. Zum einen müssen die Regeln gelernt werden. Auch hierzu wird mitunter vorgeschlagen, dass ja verschiedene Gruppenmitglieder unterschiedliche Regelbereiche verantworten könnten. Ich halte diesen Ansatz für untauglich. Als Spielleiter möchte ich vielmehr bei der Vorbereitung wissen, was die Spielercharaktere werden tun können und mich nicht auf eine diffuses Gefühl oder Halbwissen verlassen müssen.

Vor allem aber ist die individuelle Vorbereitungszeit pro Abenteuer zu beachten. Je nach Komplexität des Abenteuers und Erfahrung des Spielleiters ist es mit einem einmaligen Lesen keineswegs getan – und selbst ein einmaliges Lesen kann mitunter einige Zeit in Anspruch nehmen. Gleiches gilt bei selbstgestrickten Abenteuern, wenn nicht sogar in größerem Umfang. Hinzu kommen Vorbereitungen in Form von Anpassungen an die Gruppe oder für die Kampagne sowie Mühen für Handouts, Musik, Karten und dergleichen mehr. Ich habe zudem auch immer den Anspruch gehabt, zumindest wichtige Kämpfe mit passenden, bemalten Figuren darstellen zu können, was ebenfalls Zeit und Geld kostet. Dies kann aber als persönlicher Marotte abgetan werden und zudem teilweise auch von Spielern übernommen werden.

In jüngster Vergangenheit kommen, zumindest potentiell, weitere Vorbereitungstätigkeiten hinzu. Mittlerweile braucht es mitunter Karten für VTT oder Roll20. Auch das muss fast zwingend der Spielleiter übernehmen. Daher forderte ich an anderer Stelle, dass diese Dinge ohne weitere Vorbereitung einsetzbar sind.

Der Spielleiter hat damit nicht nur ein für viele weniger attraktives Spielerlebnis. Er muss auch deutlich mehr Arbeit (und Geld) für das Hobby bereitstellen.

Die letztgenannten Nachteile sind meiner Erfahrung nach deutlich schwieriger zu mitigieren. Eine Möglichkeit sind wechselnde Spielleiter. Das hat bei uns aber nie langfristig funktioniert. Ich finde es aber auch deshalb suboptimal, weil die Geschichte dann nicht mehr aus einer Hand heraus geplant wird und daher weniger konsistent oder zusammenhängend werden kann. Zudem gibt es ganz spezielle Gestalten, die sich selbst für die Spielleiterrolle kategorisch ausschließen.

Die Aufteilung der monetären Belastung auf alle Spieler ist sicher machbar. Das habe ich aber noch nie gesehen – und ist auch schwierig, weil vorab geklärt werden müsste, wem zum Beispiel das Abenteuerbuch am Ende gehören soll. Gedanklich könnte ich mir aber vorstellen, dass man sich darauf verständigt, dass die gemeinsam angeschafften Spielmittel dem Spielleiter gehören sollen – gewissermaßen als Ausgleich für seine Mühen. Auch das habe ich noch nie gesehen oder gar selbst vorgeschlagen – naheliegenderweise, denn da ich meist, trotz allem, Spielleiter bin, würde das schnell selbstsüchtig wirken.

Eine Variante, von der ich hörte, ist, dass der Spielleiter immerhin nicht die Outgame-Organisation verantworten muss. Das heißt, er muss nie Spieltermine koordinieren, sich nicht um die Verpflegung kümmern und dergleichen mehr.

Ich weiß, dass dies ein guter Freund von mir umzusetzen versucht. Seitdem hat es in dieser Runde keinen Spieltermin mehr gegeben.

Es wird spätestens damit für mich deutlich, dass den Spielleiter vor allem auch eine besonders große Passion für das Hobby auszeichnet. Das kann allerdings problematisch sein und weitere Probleme begründen.

Ich weiß von mir selbst, dass ich mich überaus zufrieden macht, wenn von den Spielern ein positives Feedback kommt. Einmal wurde nach dem Kampagnenabschluss sogar geklatscht. Das fand ich sehr rührend. Damit wären oder waren für mich alle Mühsal vergessen.

Leider ist aber oft das genaue Gegenteil der Fall: Die, von mir im Folgenden postulierte, geringere (nicht zwingend geringe!) Begeisterung von Spielern für das Hobby führt regelmäßig dazu, dass Prioritäten anders gesetzt werden. Das kann dazu führen, dass Spieltermine, auch kurzfristig, abgesagt werden. Die Gründe dafür mögen für den Absagenden subjektiv völlig einleuchtend sein – für den Spielleiter, der andere Präferenzen hat und vorab viel Arbeit investierte, könnten sie das jedoch, erneut subjektiv, gerade das nicht sein. Ich erlebte es daher oft, dass mir Absagen beziehungsweise deren Begründungen (erneut subjektiv) als Affront erschienen.

Als Teillösung hierfür plädiere ich dafür, dass sich Gruppen über ein Maß der Wichtigkeit des Spiels verständigen – und sich daran halten. Möglicherweise passen manchmal einfach die Erwartungshaltungen nicht zusammen und es braucht für den ein oder anderen eine andere Gruppe.

Zudem möchte ich, davon unabhängig, dazu raten, dem Spielleiter regelmäßig eine positive Rückmeldung zu geben. Das geht freilich über den vorgenannten Punkt des Mitmaches im Rahme des gemeinsamen Konsenz‘ hinaus. Und die anderen oben stehenden Punkte könnten doch auch wohlwollend in Betracht gezogen werden.

Rollenspiel per Videoschalte – Fluch oder Segen?

Ich lebte für etwa zwei Jahre in Singapur. Eine meiner größten Sorgen war, wie es wohl gelingen könnte, weiterhin (aktiver) Spielleiter meiner langjährigen DSA-Gruppe zu sein. Letztlich gelang das – ich kaufte mir in Singapur mit als Erstes einen LCD-Fernseher. Mit einem browserbasierten Videokonferenzprogramm konnten wir die Spielgruppe am Leben halten. Später kam noch Musik dazu (wobei ich einen Rechner in Deutschland aus Singapur fernsteuerte) und das Ganze war eine gute Sache. Nur die Zeitverschiebung war etwas knifflig: Im Ergebnis startete meine Gruppe in Deutschland um 8 Uhr morgens. Ich hingegen erst um 15 Uhr Ortszeit – aber dafür blieb ich bis 5 Uhr früh wach (22 Uhr in Deutschland).

In einem Fall spielten wir sogar Forbidden Stars per Videoschalte. Jeder hatte das Spiel vor sich aufgebaut. Die Bewegungen von Figuren der anderen Spieler mussten entsprechend nachvollzogen werden.

Als das Coronavirus kam, waren wir also gut vorbereitet. Da ich wieder in Deutschland war, gab es die Zeitzonenproblematik nicht mehr. Zudem wechselten wir auf Zoom als Konferenzprogramm. Nunmehr waren auch meine Mitspieler nicht mehr gesammelt in nur einem Raum. Stattdessen wählte sich jeder separat ein. Irgendwann setzte ich noch einen Icecast-Server auf und auf für die Hintergrundmusik war gesorgt. In der höchsten „Ausbaustufe“ gab es eine gesonderte, zweite Kamera, um gegebenenfalls Kämpfe mit Miniaturen für alle sichtbar visualisieren zu können. Ich war sehr zufrieden, dass es trotz Corona mit den Rollenspielgruppen weiterging. Mehr noch – ich spielte so viel, wie seit Jahren nicht mehr. Bis zu fünf Termine der Woche fanden vereinzelt statt. Viele hatten schlicht nichts Besseres zu tun.

Nun ist diese Zeit vorbei. Es gibt keine nennenswerten Restriktionen mehr. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich das nochmal ändern wird.

Gleichwohl ist Rollenspiel per Zoom – zumindest ein Stück weit – geblieben. In zwei Fällen geht es bei uns nicht anders: Die Spieler einer DSA-Runde sind in vier verschiedenen Ländern lebend. Beim zweiten Fall lebt der Spielleiter mittlerweile nicht mehr in München, so dass eine Zusammenkunft per Videokonferenz ebenfalls zwingend ist. Es gibt aber auch Fälle, wo das Spiel per Videoschalte das neue Normal zu sein scheint. Ich traf sogar mal einen, der wie ich in München lebt, der explizit nur nach einer Online-Runde suchte.

Ich merke jedoch, dass sich eine gewisse Zoom-Müdigkeit bei mir einstellt. Ich bin ohnehin schon dauernd beruflich in Videokonferenzen. Mitunter den ganzen Tag. Meine Freude, am Abend sich erneut in einer Videokonferenz – obgleich für Rollenspiel – wiederzufinden, ist allein deshalb schon überschaubar.

Ich finde, es geht auch Einiges verloren. Früher konnte man eine kurze Ingame-Szene parallel zur Hauptszene stattfinden lassen. Das geht nun nicht mehr. Es ist mitunter schwieriger zu Wort zu kommen, weil möglicherweise andere sprechen und man selbst nicht vernommen wird.

Zudem ist man, zumindest als Spieler, leichter abgelenkt. Ich weiß nicht, was da alles gemacht wird – aber von Internet-Bestellungen aufgeben bis nebenbei einfache Videospiele spielen, ist glaube ich alles dabei. Daneben gibt es immer wieder technische Probleme. Mal geht die Kamera nicht, dann ist die Internetverbindung weg und in wieder einem anderen Fall mag VTT oder Roll20 etc. nicht funktionieren.

Nicht nur aus diesen Gründen ist die Stimmung geringer. Daher empfinde ich das Rollenspiel per Videokonferenz daher mittlerweile mitunter als wenig erquicklich. Das scheint anderen auch so zu gehen: Neben dem Vorstehenden, scheint mir auch sonst, die Verbindlichkeit bei Online-Runden deutlich geringer zu sein – oft fehlt jemand oder kommt zu spät.

Hybrid-Runden sind nochmal speziell: Hier muss oft der Ort, an dem sich die Spieler in Präsenz treffen, vorbereitet werden, damit die Online-Spieler dabei sein können. Und Handouts sollten idealerweise online und offline zur Verfügung stehen. Die Übertragung von Kampfdarstellungen mit Miniaturen ist auch erschwert.

Ich bin daher nicht abschließend sicher, wie ich zu Rollenspiel via Videoschalte stehen soll. Einerseits ermöglichen sie Spielrunden, die sonst nicht möglich sind. Jedoch ist meines Erachtens die „Qualität“ des Rollenspiels vermindert.

Die Degeneration des Rollenspiels im Liverollenspiel

Zum letzten Mal auf dem Epic Empires war ich im Jahre 2013. Wir waren damals, nachdem einige meiner Gruppe nicht mehr in das neutrale Lager wollten, im Lager des Königs.

Auf dem Epic Empires geht es darum, an einem Wettbewerb auf Seiten eines (regelmäßg des eigenen) Lagers teilzunehmen. Die ganze Geschichte ist einigermaßen absurd, weil es im Grunde keinen Grund gibt, an diesem (lebensgefährlichen!) Wettbewerb teilzunehmen, aber okay – LARP-Plots leben auch sonst in Teilen davon, nicht hinterfragt zu werden. Im Grunde ist aber auch das Teil des Problems.

Jedenfalls kann man das eigene Lager im Wettbewerb nach vorne bringen, indem man andere Lager angreift, um dort Trophäen zu erringen. Diesen Plan verfolgte unser Lager eines Morgens. Es sollte das Lager des Chaos (Warhammer Fantasy entlehnt) angegriffen werden.

Nach langem Hin und Her ging es schließlich los. Aus Gründen, die ich nicht kenne musste vor dem, nicht zu weit gelegenen Lager des Chaos, gewartet werden. Während wir da so herumstanden, marschierte, einen Steinwurf entfernt, das Lager des Imperiums (ebenfalls Warhammer Fantasy entlehnt, und damit Erzfeind des Chaoas) auf das Chaos-Lager zu und griff dieses an. Vor unserem Augen wurde nun das Chaos-Lager angegriffen, besiegt und die ersehnte Trophäe entwendet.

Warum wir nicht als lachender Dritter vom Platze gingen, weiß ich nicht mehr – vermutlich Müßiggang. Nun müsste eigentlich jeder vor Scham im Boden versinken und seine eigene Existenz – und mehr noch die der Führer – in Frage gestellt werden. Natürlich geschah das nicht. Ein besonder gesegneter Mensch hatte vielmehr den grandiosen Vorschlag, das Lager des Chaos anzugreifen „um diesem noch mal einen schönen Kampf zu liefern“. Das geschah dann auch. Dass dieses Unterfangen, aus dem Blickwinkel der Charaktere betrachtet, völlig wahnsinnig war, wurde übergangen. Dass bei diesem Angriff das eigene Leben in Gefahr war, gleichzeitig aber nichts, auch nichts (aus der Sicht der Charaktere) Ideeles gewonnen werden konnte, war egal.

Ich hatte ein wenig Glück, weil mein Charakter („Xarxe“) sich nicht mit solch pragmatischen Fragen befasst und sie ihn auch nicht kümmern. Ich nahm auch an diesem Kampfe nicht teil. Dennoch – tief im Herzen weiß ich ja, dass das, was da gerade geschieht, völlig ideotisch ist.

Diese Beobachtung, dass Charakere aus Outtime-Erwägungen heraus etwas völlig Dämliches tun, ist für mich die Abkehr vom Rollenspiel. Denn beim Rollenspiel geht es meiner Meinung vielmehr darum, eine Rolle in einer Welt glaubwürdig auszufüllen. Das kann im Einzelfall natürlich auch mal ein wahn- oder stumpfsinniger Charakter sein (wer mag – viel Spaß!), dann passt die oben geschilderte Verhaltensweise gut. Sonst aber nie.

Daher mein Aufruf: Zurück zum Rollenspiel im LARP!

Die LARP-Stasi

Aufgrund von Corona, einem langen Auslandsaufenthalt und allgemeiner Trägheit besuchte ich Anfang September 2022 nach seit sechs Jahren zum ersten Mal wieder eine Liverollenspiel-Con. Im Gepäck hatte ich meinen Magier, der auch mein erster LARP-Charakter überhaupt ist.

Xarxordur von Zerabul („Xarxe“) ist damit rund 24 Jahre alt und seit ca. elf Jahren Großmeister. Xarxe ist ein Schwarzmagier. Kein böser Bube, der Jungfauen opfert oder Untote kommandiert – aber eben einer, der auch die coolen Zauber wirken möchte. Vor allem finde ich es viel lustiger, ohne moralische Einschränkungen wirre Theorien aufzustellen.

Nach dem Abitur arbeitete ich ein paar Monate lang als Tagelöhner in zahlreichen Unternehmen, um mir das Geld für den ikonischen Zauberstab Xarxes zusammenzusparen. Diese Zeit war in vielerlei Hinsicht lehrreich und der Stab mit großem Arbeitsleid erarbeitet.

Dieser Zauberstab verfügt über einen geschnitzten Echtholzstab. Etwa auf Schulterhöhe ist eine goldene Metallkonstruktion angebracht, die grob wie zwei aufrechte Flügel aussieht, die je von einem kugelförmigen Halbedelstein gekrönt werden (einer Rot, einer Blau, wie damals bei Diablo I). Zwischen den Flügeln ist ein gehörnter Schädel. Seit einer Elektrifizierung des Stabes im Jahre 2015 kann der Schädel mit einem MP3-Spieler sprechen und die Augen können dämonisch leuchten.

Eigene Aufnahme

Früher störten sich alle paar Jahre bestimmte andere Charaktere, wie Paladine oder Priester, an Xarxe. Das führte zu Ingame-Konflikten, die in der Regel damit endeten, dass meine waffenstarrenden Freunde die üblen Gesellen in Schach hielten. Im Laufe der Zeit wurde die LARP-Szene aber toleranter (oder egalitärer), und es störte sich keiner mehr an dem Stab. Ich fand dieses Konfliktspiel auch zunehmend lästig. Meine Freude am LARP ziehe ich im Wesentlichen daher, mit Xarxe absurde Theorien zu spinnen und anderweitig hochgestochen dummess Zeug zu reden.

Ich brachte den Schädel damals auch vor allem an dem Magierstab an, da die andere Idee, ein großer tropfenförmiger Edelstein, nicht finanzierbar war (das ganze Projekt war ohnehin unverschämt teuer – gerade für eine Abiturienten). Später stellte es sich heraus, dass die Sprechfunktion großartig ist und ich war froh, keinen Edelstein angebracht zu haben.

Xarxe ließ im Wege seiner Großmeisterprüfung einen Dämonen in den Stab einfahren lies – das finde ich recht charmant, weil der Charakter dadurch erneut einen gewissen mysteriösen und leicht größenwahnsinnigen Anstrich erhält, zum anderen der Schädel aber eine spieltechnische Bedeutung erlangte. Ich finde das auch nicht „böse“, sondern klasse, weil der Dämon so (in der Logik der Spielwelt) keine üblen Taten mehr vollbringen kann. Zudem ist die Stimme des MP3-Spielers beziehungsweise des Schädel natürlich der Dämon. Die sarkastischen Kommentare haben nicht nur mir schon häufig große Freude gemacht! Insgesamt ist der Magierstab damit ikonisch für meinen Charakter geworden.

Vor ein paar Wochen war es jedoch wieder soweit: Ein anderer Charakter, samt Gefolge, störte sich an meinem Stab und damit an meinem Charakter. Da ich diesmal fast alleine war, konnten die Jungs die Rabauken nicht vermöbeln und ich hatte ein Problem. Mir wurde der Stab weggenommen, um ihn zu vernichten. Ich wollte noch eine rechtsdogmatische Diskussion anfangen (mein Magier ist auch Richter und es gibt sogar ein Gesetzeswerk!), aber die anderen Charaktere (oder auch Spieler) wussten möglicherweise nicht, was Kollisionsrecht ist, oder wollten mal „die Harten“ markieren. So wurde aus dieser, wie ich finde, sehr unterhaltsamen Idee, nichts.

Letztlich bekam ich, beziehungsweise Xarxe, den Stab am kommenden Tag zurück, weil Xarxe Informationen hatte, die für die Lösung des Plots erforderlich waren und er sich im Wald versteckt hatte. Um den Plot noch zu lösen, wurde daher vereinbart, dass er unbehelligt bleibt aber an der Lösung mitwirkt. Dennoch wurde Xarxe gebeten, den Stab nicht mehr mit mir zu führen, um die Gemüter zu beruhigen. Dem kam ich nach.

Ex post habe ich mich über das ganze Erlebnis jedoch wiederholt geärgert. Im Kern geht es hierbei darum, dass ich es übergriffig finde, dass andere Spieler meinen, über die Darstellung meines Charakters entscheiden zu wollen. Dafür fahre ich nämlich nicht drei Stunden zur Con und opfere ein langes Wochenende. Auch habe ich den Stab sicher nicht dafür in unzähligen Nachtschichten erarbeitet.

Mir ist klar, dass diese anderen Spieler sich darauf beziehen, dass sie eben ihre Charaktere konsequent gespielt haben. Ich finde das sogar grundsätzlich gut. Ich möchte ausdrücklich jeden bekräftigen, nicht aus der Rolle zu fallen. Das Problem liegt auf einer anderen Ebene: Der Gestaltung der Rolle. Dies ist eine reine Outtime-Entscheidung.

Dies wird sonst auch so gesehen: Würde jemand einen Sklavenhändler spielen und daher, konsequenterweise, möglichst viele Spielercharaktere einfangen oder würde ein Nekromant erschlagene Spielercharakter nicht heilen, sondern töten um sie, konsequenterweise, als Untote in seine Dienste zu zwingen, wäre das Verständnis für konsequentes Spiel plötzlich vermutlich überschaubar.

In ähnlicher Weise wird ja auch gerne gefordert, dass Diebe nicht anderer Charaktere Sachen dieben, sondern sich hierfür etwas mitbringen. Und wer einen König spielen will, muss seine Dienerschaft, Gefolge und dergleichen ebenfalls in Form anderer Spieler dabei haben.

Infolgedessen frage ich mich, warum die Paladin-Stasi nicht auch ihre eigenen Opfer mitbringen sollte, die sie dann nach Lust und Laune schickanieren kann.

Der vermeintliche Hinweis, dass Leute wie ich eben keinen Schwarzmagier spielen sollten, verfängt nicht: Mein Charakter hat nämlich mit kein derartiges Outtime-Problem. Die Rolle ist nicht, im Gegensatz zu der Paladin-Stasi, darauf ausgelegt, andere Figuren herabzusetzen. Der Charakter ist vielmehr in einer Weise ausgestaltet, dass er nervt, aber niemandem etwas antut. Schon gar nicht nimmt er anderen Charakteren etwas ab oder erzwingt ein bestimmtes Verhalten. Das ist bei der LARP-Stasi anders: Deren Charaktere sind so ausgestaltet, dass sie auf Kosten Anderer Profilierung suchen. Deren Spieler wären also gut beraten, kompatible Charaktere zu erschaffen.

Für mich wird fortan die Lösung wie folgt aussehen: Da ich ja einen sehr fähigen Großmeister-Magier spiele, werde ich mich in einer künftigen ähnlichen Situation einfach mit Hilfe eines Knickfokus in Nebel auflösen und mich anderswo zurück materialisieren. Mein Kostüm beinhaltet eine Mini-Nebelmaschine, so dass die Darstellung gut gelingen wird. Hierdurch kann die LARP-Stasi so konsequent sein wie sie will – sie wird stets konsequent daran scheitern, mir ihr Spiel aufzuzwingen.

Eine Freundin, die beruflich in der LARP-Szene aktiv ist, sagte mir in diesem Zusammenhang, die Lösung sei „nicht konsequent sondern interessant“ zu spielen. Das klingt gut. Ich bin mir aber noch nicht sicher, ob meine Lösung das abbildet.

Änderung am 28. Januar 2023: Bild eingefügt

Der Erfolg Battletechs – und warum Systeme immer simpler werden

In meinem Beitrag zum Elend neuer Editionen stellte ich fest, dass Battletech anders ist. Ich bezeichnete es als erfolgreiches System, weil seine Neuauflagen im Wesentlichen ohne Übervorteilung der Kunden daherkamen. Dabei muss Battletech auch wirtschaftlich zumindest einigermaßen erfolgreich sein, weil es immer noch fortgeführt wird und in Laufe seines langen Lebens schon viele Verlage sah.

Was also zeichnet Battletech aus? Können sich andere Systeme an Battletech orientieren? Ich könnte mir vorstellen, dass die folgenden Punkte diesen Erfolg Battletechs erklären:

  1. Neue Veröffentlichungen gehen meist mit einem kleinen Zeitsprung einher (bis zu circa 25 Jahren). In dieser Zeit entwickelt sich die Welt weiter – aber ohne, dass die alten Battlemechs oder Luft-Raum-Jäger verschwänden. Diese sind weiterhin vorhanden und werden auch eingesetzt. Es findet also keine Entwertung von Sachwerten statt. Im Gegenteil: Auch in der Spielwelt werden regelmäßig alte Mechs eingesetzt.
  2. Interessanterweise sind alte Modelle sogar besonders gefragt: Sog. „Unseen“ Mechs wurden wegen lizenzrechtlicher Probleme vor Jahren vom Markt genommen. Die Ersatzmodelle („Reseen“) sind deutlich weniger wohl gelitten. Alte „Unseen“-Modelle sind damit sogar begehrt.
  3. Gleichzeitig kommen die neuen Veröffentlichungen meist ohne große technologische Sprünge aus. Wer die ursprüngliche Technologie kennt (3025), findet sich auch in späteren Technologiestufen sehr schnell zurecht. Es gibt also keine Brüche mit der alten Welt. Auch Realwissen über die Regeln wird nicht obsolet.
  4. Die Spielmechanik ist in ganz weiten Teilen identisch geblieben, vor allem beim Kampfe mit Battlemechs, was den bei weitem überwiegenden Teil des Spieles ausmacht. Es gibt also keine immersionszerstörenden „Retcons“ der Weltenrealität.
  5. Die Regeln waren zudem stets simpel, gerade wenn man nur mit Battlemechs spielt.
  6. Auch die Werte der Einheiten sind fast völlig unverändert. Ich kenne tatsächlich nur eine Ausnahme – und die kann man getrost ignorieren. Es kommt damit nicht vor, dass eine Edition Battlemechs verändert. Deren Werte und Fähigkeiten sind seit Jahr und Tag gleich.

Fraglich könnte sein, warum sich das System trotzdem für den Produzenten lohnt. Meines Erachtens liegt dies, neben der großen, aber wechselnden, Spielerbasis daran, dass das Hauptprodukt die Battlemechs sind. Und auch der Kauf nur eines Mechs lohnt sich bereits. Man muss nicht Duzende von weiteren Einheiten erwerben, um sinnvoll in einer neuen Zeit zu spielen. Daher ist der monetäre Aufwand für Spieler in eine neue Technologiestufe einzusteigen, minimal. Deshalb werden die neuen Figuren gekauft (und auch die alten noch), so dass der Hersteller Umsatz erzielt. Die Regelwerke selbst („Hardware-Handbücher“) kommen noch dazu, auch wenn sie einen geringen Umsatzbeitrag ausmachen dürften.

Zudem ist das System weit bekannt, was einen steten Zulauf an Spielern sicherstellen dürfte. Vor allem die zahlreichen, und oft guten, Videospiele tragen dazu bei. Die Einstiegshürde bei Battletech ist zudem minimal – mit nur eine Mech kann man schon dabei sein, die Karten sind ebenfalls sehr günstig zu haben. Es ist, als ob man ein Brettspiel kauft (viele sagen ja auch, Battletech sei ein Brettspiel). Und die Regeln sind vergleichsweise simpel.

X-Wing oder Star Wars Armada sind die Zuspitzung der Faktoren, die den Battletech-Erfolg ausmachen. Die Krieg der Sterne-Welt ist mit die bekannteste überhaupt. Und das Regelwerk ist erneut sehr simpel. Vor allem kann man sich günstig nur ein paar Raumschiffe kaufen und mitmachen – diese Modelle werden sogar schon bemalt geliefert!

Es zeigt sich aber für mich, dass andere Systeme es schwer haben, dieses Konzept zu kopieren.

Tabletop-Systeme

Die meisten (zumindest mir bekannten) Tabletop-Systeme erfordern deutlich mehr initiale Ausgaben für Miniaturen und Gelände.

Ein überschaubarer Zeitsprung ist grundsätzlich möglich – fraglich ist aber, ob die alten Einheiten dann noch nutzbar sind. Mir geht es hierbei mehr um die innerweltliche Logik – die Effizienz im Spiel kann im Zweifel dadurch sichergestellt werden, dass die Punktekosten niedrig gehalten werden.

Dann wäre der Battletech-Erfolg insoweit kopiert.

Rollenspielsysteme

Rollenspielsysteme verkaufen in der Regel keine margenstarken Figuren, sondern Bücher und Hefte. Diese werden nur gekauft, wenn auch etwas Neues drinsteht – daraus ergibt sich ja gerade die Plage der neuen Editionen. Zudem genüg oft ein Buch für mehrere Spieler. Beim Tabletop braucht zumindest jeder eine Armee oder Kampftruppe.

Rollenspielregelwerke sind zudem realiter nicht so gestaltet, dass ältere Editionen noch Bedeutung haben können.

Zudem ist es zumindest für Fantasy-Rollenspiele oft nur schwer möglich, einen Zeitsprung wie bei Battletech vorzunehmen. Zum einen sind dann die Spielercharaktere schnell alt und damit oft nicht mehr spielbar (was sehr unschön ist). Zum anderen stellen sich notwendigerweise keine technologischen Vorteile ein. Damit diese beachtenswert wären, müssten sie oftmals die Spielwelt verändern – mit negativen Wirkungen auf den Wiedererkennungswert und möglicherweise der Folge eines Verlassens des Fantasy-Genres. Für SciFi-Systeme finde ich die Zeitsprunglösung aber ziemlich gut! Charaktere könnten z.B. in einer Stasiskapsel die Zwischenzeit verbringen. Und neue Technologie gehört oftmals zum Wesen von SciFi. Eingeschränkt mag ein Zeitsprung auch bei High Fantasy-Systemen möglich sein.

Grundlegendes Problem: Bekanntheit

Der Zugang für Neueinsteiger ist jedoch auch, neben der monetären Komponente, in beiden Fällen weitaus schwieriger. Das Battletech-Regelwerk ist geradezu simpel. Rollenspiel- und Tabletop-Regelwerke sind das häufig nicht. Zudem fällt die Bekanntheit der meisten Spielwelten regelmäßig hinter der des Battletech-Universums zurück. Neueinsteiger werden den Systemen daher weitaus weniger leicht zugeführt.

Für herkömmliche Rollenspiel- oder Tabletop-Systeme scheitert der „Battletech-Ansatz“ daher schon und vor allem an der Bekanntheit der Welt. Vor diesem Hintergrund frage ich mich schon, warum der DSA-Film nie kam. Immerhin gab es Computerspiele, die aber meines Erachtens nach nicht viele neue Spieler zu DSA brachten. Ich meine aber, dass diesen auch nicht den Erfolg der Battletech-Videospiele beschieden war.

Gleichwohl wird, dessen ungeachtet, versucht, die vorhandenen Systeme zumindest immer weiter zu simplifizieren. Nach dem Motto: Falls die Welt dann doch mal jemand entdeckt, soll er wenigstens gut einsteigen können!

Dass hierbei das Spiel zunehmend von sich selbst entfremdet wird, wird im Kauf genommen. Ein Hoch auf Battletech, dass dies nicht nötig hatte, sondern sich selbst immer treu war.

Warum Warmachine MK IV scheitern könnte

Am 26. Juli 2022 war es soweit: Die vierte Edition des Spieles Warmachine und Hordes (Warmahordes), das fortan nur noch Warmahordes heißen soll, wurde angekündigt. Die Reaktionen waren anfangs gemischt, drehten aber letztlich ins Positive. Nur auf dem Markt für gebrauchte Miniaturen sieht man, dass der ein paar Spieler wohl aussteigen möchten – möglicherweise aber nur temporär oder um den Wertverfall ihrer Figuren zu vermindern. Ich habe aber auch den Eindruck, dass der ein oder andere, der mit MK III ausstieg, nun wieder Morgenluft wittert und einen Neu-Einstieg plant.

Ich kann mir allerdings gut vorstellen, dass diese Hoffnung letztlich vergeblich ist. Meines Erachtens ist es gut möglich – vielleicht sogar wahrscheinlich – das MK IV nie komplett erscheinen wird.

Manche Stimmen meinten, dass die Tatsache, dass es in den Monaten vor MK IV ruhig um Warmahordes geworden war, ein Hinweis darauf gewesen sei, dass für MK IV von langer Hand geplant worden war. Das glaube ich nicht. Von langer Hand geplant war die Einführung der Orgoth als neue Fraktion. Das wurde bereits rund ein Jahr vor dem 26. Juli 2022 angekündigt oder zumindest angedeutet. Es ist aber nicht so, dass originär geplant war, die Orgoth nun mit MK IV zu veröffentlichen, um die Neuerscheinung „noch“ großartiger zu machen. Betrachtet man nämlich die Veröffentlichungen zu den Orgoth, die seit der ersten Ankündigung gemacht wurden, so sieht man, dass zwei Warcaster angekündigt waren: Horruskh und Sabbreth. Diese beiden werden aber in der Ankündigungen im Zusammenhang mit MK IV nicht mehr erwähnt. Das ist auch logisch, weil MK IV in der Welt einige Jahre später spielen soll. In MK IV ist von Kishtaar als Orgoth-Warcaster die Rede. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Privateer Press Geld für die Entwicklung zweier Warcaster (samt Graphiken, bestimmten erste Regeln und dergleichen) in die Hand nahm, aber ohne Fertigstellungsabsicht. Vielmehr ist dies ein Hinweis, dass das Unternehmen seine Pläne änderte.

Zum zweiten ist die bisherige Präsentation MK IVs eher dürftig. Diese Einschätzung stammt weniger von mir – ich bin da eher anspruchslos – sondern von Bekannten, die den Tabletop-Markt gut kennen. In der Tat wurde für MK III seinerzeit weit mehr Aufwand betrieben. Es gab eine eigene Website (allnewwar.com; kürzlich erst offline genommen bei waybackmachine noch verfügbar), Videos hierzu – und alles deutlich ansprechender gestaltet als das, was man heute für MK IV sieht. Angeblich, so wurde mir gesagt, ist die MK IV-Präsentation „maximal Hobby-Blog-Niveau“ – also mein Niveau.

Dies im Blick habe ich meine MK III-Bestände für meinen Bedarf komplettiert und daher bei Privateer Press ein größeres Paket bestellt. Der Versand klappte jedoch zunächst nicht ganz reibungslos, so dass ich mich an Privateer Press wendete. Es antwortete Sherry. Die Präsidentin des Unternehmens ist Dr. Sherry Yeary! Es ist äußerst ungewöhnlich, dass die Geschäftsführerin den Versand von Paketen überwacht. Und das war kein Einzelfall: Weil bei einer Figur der Kopf fehlte, wendete ich mich erneut an Privateer Press. Es antwortete: Sherry! Bekannte von mir machten gleiche Erfahrungen. Eine derart dünne Personaldecke lässt auf Entlassungen schließen – und die nimmt man üblicherweise vor, um Geld zu sparen.

Mir scheint es daher, dass Privateer Press sich in einer desolaten Situation befindet und daher kurzfristig beschloss, MK IV zu starten. Möglicherweise hat(te) man nichts mehr zu verlieren.

Allerdings ist der Zeitpunkt hierfür denkbar schlecht. In Zeiten steigender Inflation (auch in den USA – wenn auch weniger stark), üben die Konsumenten eher Kaufzurückhaltung. Gleichzeitig steigen die Produzentenpreise deutlich – deutlicher als die Konsumentenpreise, aus denen sich die Inflationsrate ergibt.

Erschwerend kommt auch noch hinzu, dass es, selbst nach dem offiziellen Zeitplan, Jahre dauern wird, bis MK IV „fertig“ ist. Kunden, deren Fraktionen noch nicht konvertiert wurden, werden in vielen Fällen darauf warten und allein deshalb Kaufzurückhaltung üben. Deren Spielpartner vielleicht auch, weil sie nicht allein spielen möchten.

Dementsprechend könnte der Zahlungsmitteleingang eher überschaubar sein beziehungsweise ausbleiben und das Ende Privateer Press‘ einläuten. Schade. Ich mag das Spiel wirklich gerne. Die Spielwelt ist auch klasse. Wie sagte Eizi Eis: „Am Ende bleiben nur die Sachen, die ich öde finde. Weil alle schönen Dinge irgendwann flöten gehen“. Hoffen wir, dass es so nicht kommt. Aber es sieht, meiner Einschätzung nach, nicht gut aus.

Das Problem neuer Editionen

Vorweg – ich bin im Laufe der Jahre kein Freund neuer Editionen bei Rollen- oder Tabletopspielen geworden. Das liegt daran, dass ich in meiner „Nerd-Karriere“ mehrheitlich schlechte Erfahrungen mit neuen Editionen machte:

  1. Demonword (ein nicht übermäßig komplexes „Rank and File“ Tabletop-System mit Hexfeldern), scheiterte daran, die zweite Edition überhaupt erst vollständig zu veröffentlichen – es fehlten schlicht Armeebücher. Das haben Fans zwar nachgeholt, aber das System ist heute praktisch tot – obgleich es in der ersten Edition recht erfolgreich war und ich auch denke, dass die zweite Edition keine der weiter unter stehenden Probleme mit sich brachte.
  2. Shadowrun wurde von lange und mit viel Freude in der dritten Edition gespielt. Dann kam die Vierte – und Shadowrun war „raus“ bei uns: Zwar wurde die neue Regelmechanik bei uns durchweg begrüßt (es gab keine „explodierenden“ Würfel mehr), aber die Welt wurde im Rahmen des Editionswechsels angepasst. Statt Cyperpunk gab es nun Hightech. Das fanden ein paar Mitspieler inakzeptabel (ich nur unglücklich), und so verschwand Shadowrun aus meiner Welt. [Update 17. Mai 2023: Mittlerweile weiß ich, dass die sechste Edition offenbar von der Spielerschaft nicht angenommen wurde und die ganz überwiegende Mehrzahl der Spieler bei der fünften Edition geblieben ist. Die sechste Edition Shadowruns‘ muss daher als gescheitert gelten.]
  3. DSA. Die vierte Edition war bei uns bereits wenig gewollt – wir benötigten wohl sechs Jahre, bis wir umgestiegen waren. Gründe dafür waren auch wieder Änderungen an der Welt, die ungewollt waren: Plötzlich gab es weniger Lebensenergie und mit einem Schlag Schwertgesellen. Zudem waren Dämonen von einem Tag auf den anderen mit nicht-magischen Waffen zu verletzen. Es dauerte lange, bis diese Inkonsistenzen geheilt waren: Dämonen sind bei uns „de facto“ immer noch nur mit magischen (und geweihten) Waffen zu verletzen – weil bei uns praktisch jeder Dämonologe die Dämonen so ruft – nur Anfänger machen „von der Vereinfachung“ Gebrauch, es anders zu halten. Schwergesellen waren lange nicht als SC zulässig und wurden behutsam in die Welt eingeführt. Die niedrigere Lebensenergie akzeptierten wir schließlich – man konnte im Gegenzug ja mehr Paraden haben. Gleichwohl kommt auch heute noch ab und an die Frage auf, warum die Lebensenergie eigentlich so niedrig sei, und dass dies doch unstimmig wäre.

    Schlimmer noch war die Einführung von DSA 5. Dies wird nunmehr von ein paar Freunden zwar experimentell gespielt – aber erst seit wenigen Wochen. Der weit größere Teil bleibt bei DSA 4. Für mich auch hier wieder vor allem deshalb, weil die Welt angepasst wurde: Mit einem Schlag waren Zauber von bestimmten Charakteren gar nicht mehr erlernbar, der, für das System ikonische, Reversalis wurde gleich ganz gestrichen.
  1. Warmahordes. Hier ist die jüngste Entwicklung noch nicht abgeschlossen, da die vierte Edition, MK IV, gerade erst im Entstehen begriffen ist. Man kann rückblickend aber feststellen, dass die Einführung der dritten Edition MKIII wahrscheinlich der größte Management-Fehler in der Tabletop-Geschichte gewesen sein dürfte: Das System war, je nach Quelle pari mit oder sogar vor dem Brachenprimus Warhammer – und stürzte durch die Einführung von MK III fast im freien Fall – in Europa und (mehr noch) in Asien fast bis in die Bedeutungslosigkeit. Dies vor allem deshalb, weil Modelle, die vormals gut waren, an Relevanz verloren und Modelle, die nun gut waren, von vielen nicht besessen wurden. Außerdem wurden einzelne Aspekte des Regelwerks vereinfacht.

    Bei der Einführung von MK IV werden Teile der Fehler wiederholt. Auch hier ist es wahrscheinlich, dass alte Modelle an Relevanz verlieren oder sogar, im Turnierbereich zumindest, gar nicht mehr zu Einsatz kommen können. Allerdings wird daneben ein Format angekündigt, in dem alle (auch alte) Modelle spielbar sein sollen.
  2. Warhammer Fantasy spiele ich nicht selbst. Gleichwohl weiß ich, dass es durch Age of Sigmar abgelöst wurde. Von einem Editionswechsel kann in diesem Zusammenhang die Rede kaum sein: Zwar gab es wohl formal eine Möglichkeit, alte Modelle weiterzuverwenden. Allerdings waren schon die Basen anders (rund statt vormals eckig). De facto aber war daher Age of Sigmar, so wie ich es verstehe, ein neue Spiel. In Extremfällen führte die zu so viel Verdruss bei den Spielern, dass diese ihre alten Armeen verbrannten. Für den Hersteller war es ebenfalls ein Fanal und trug meines Wissens maßgeblich zum Erfolge Warmahordes bei.

Analysiert man diese Fälle, so wird deutlich, was die Nachteile eines Editionswechsels sind:

  1. Eingriffe in die Welt – sei es, beim Rollenspiel, durch Neusetzungen, oder, beim Tabletop, durch eine Veränderung der Stärke der Einheiten. In beiden Fällen ist dies für die Glaubwürdigkeit der Spielwert fatal: Warum sollte, von einem Tage auf den anderen, z.B. der Zauber Reversalis nicht mehr existieren, obgleich er in vielen Publikationen eine Rolle spielt? Oder warum gewinnt eine Einheit im Tabletop erwartbar nicht mehr gegen eine andere, wo das doch vormals der Fall war? Aus meiner Sicht ist dieser Nachteil für Produkte, die das Eintauchen in eine Welt ermöglichen sollen, ganz erheblich.
  2. Entwertung von Sachwerten: Vor allem beim Tabletop werden Modelle, die vormals für teuer Geld erworben wurden, dem Spiel entzogen. Entweder tatsächlich, weil sie gar nicht mehr zulässig sind. Oder nur de facto, weil ihr Einsatz nicht mehr sinnvoll ist. Im Rollenspiel gilt das gleiche für Regelwerke, allerdings ist hier der monetäre Einsatz oftmals deutlich geringer. Dieser zweite Punkt ist die realweltliche Konsequenz des ersten.

Dem gegenübersteht ein maßgebliches Interesse des Herstellers, (dennoch) eine neue Edition zu veröffentlichen. Aufgrund des geringen Marktvolumens bei gleichzeitig geringem Marktwachstum ist dieser nämlich recht schnell gesättigt. Da die Produkte auch kaum einer realweltlichen Alterung oder Abnutzung unterliegen, stellt sich eine Marktsättigung ein.

Die geschilderten Produkteigenschaften sind jedoch, aus Konsumentensicht, ein maßgeblicher Vorteil! Als Kind erkannte ich, dass Rollenspiele mit geringem Geldaufwand praktisch ewige Freude gewährt – anders als das Videospielen, das regelmäßig den Kauf neure Spiele oder gar Hardware erforderlich macht.

Für die Produzenten stellt sich dennoch die Erfordernis, auch nach der Markteinführung noch Umsatz zu erwirtschaften. Die neue Edition ist daher als Wette zu verstehen: Entweder die neue Edition wird angenommen – dann ist für den Produzenten alles super und der Umsatz wieder einige Zeit gesichert. Oder sie scheitert. Dann möglicherweise – abhängig von Auflage, Verkaufszahlen und ob Crows-Funding zur Finanzierung verwendet wurde – lediglich die Entwicklungskosten teilweise verloren. Es gibt also einen starken Anreiz, es mit einer neuen Edition zu versuchen.

Wir haben damit eine, aus meiner Sicht nahezu einmalige Situation, dass die Interessen von Produzent und Konsument nach einiger Zeit diametral auseinanderlaufen. Der ein oder andere mag einwenden, dass dies doch immer so sei, weil man ja auch immer wieder z.B. ein neues Mobiltelefon kaufen müsse. Das stimmt aber nicht: Das neue Mobiltelefon hat in der Regel auch weitere Funktionen. Wer mit seinem aktuellen Gerät zufrieden ist und das neue Display etc. nicht benötigt, kann ohne Weiteres mit dem Altgerät verbunden bleiben. Das neue Gerät bringt also einen konkreten Mehrwert. Es obliegt dem Kunden, ob er bereit ist, für diesen zu zahlen.

Bei Nerd-Spielsystemen ist das anders. Neue Editionen sind, meiner subjektiven Erfahrung nach, in aller Regel nur anders, nicht besser. Ob zum Beispiel DSA 5 DSA 4 überlegen ist oder vice versa, wird (noch immer) in zahlreichen Foren diskutiert. Zudem muss für das „Anders“ jede Menge Zeit für das Erlernen der neuen Regeln investiert werden. Meine Bereitschaft hierzu geht mittlerweile gegen null.

Die zunehmend (auch von mir selbst) gewählte Lösung (aus Konsumentensicht) ist, dass der Editionswechsel in der Regel nicht oder, wenn überhaupt, verzögert mitgegangen wird. Das klappt bei Rollenspiel sehr gut, weil man in der Regel auf die eigenen Gruppen beschränkt ist. Diese fungieren als weitgehend geschlossene Systeme, weswegen auch Hausregeln implementierbar sind.

Bei Tabletop-Systemen ist dies etwas schwieriger, weil diese von vielen auch auf Turnieren gespielt werden wollen. Daher braucht es einen Standard, der von allem akzeptiert ist. Das ist in der Regel die aktuelle Regelversion – auch wenn im Grunde nichts dagegen spricht, eine Veranstaltung nach dem alten Regelwerk zu organisieren. Ich für mich bin jedoch bei vielem ein „Legacy-Spieler“ (Wortschöpfungs eines Freundes) geworden.

Allein, fraglich dürfte sein, ob diese Strategie auch den Produzenten, und damit dem Hobby als Ganzem, nützt. Vermutlich langfristig nicht, oder nur dann, wenn immer neuere Spieler die Legacy-Spieler ersetzen.

Gibt es einen Mittelweg? Offenbar ja: Aus meiner Sicht ist Battletech ein System, dass seit Urzeiten im Wesentlichen unverändert besteht und offenbar noch immer profitabel ist. Meine Figuren und Regelwerke aus den frühen Neunzigern kann ich heute noch verwenden – die Regeländerungen sind, gerade im Kernbereich, dem Kampf mit Battlemechs, minimal. Dieser Erfolg könnte darauf zurückzuführen sein, dass das System in seiner Geschichte voranschreitet, hierbei neue Produkte veröffentlicht werden, gleichzeitig die alten Modelle aber nicht obsolet werden aber auch keine Abhängigkeiten dahingehend entstehen, als dass man sämtliche Entwicklungen und Modelle wissen müsste (anders als z.B. bei Warmahordes). Zudem ist das System auch außerhalb der Nerdszene über Computerspiele bekannt und hat dadurch immer neuen Zulauf – ich lerne immer wieder Leute kennen, die mit Battletech anfangen. Und fast jeder den ich kenne, hat es mal gespielt.

Grundsätzlich wäre selbstredend auch für andere Systeme erstrebenswert, weitere Spieler zu gewinnen. Wenn dies gelänge (insbesondere aber duurch die Produzenten, weil diese im Zugzwang stehen), wäre das Ursprungsproblem angegangen – der Markt würde breiter werden und wachsen. Ob dies realiter geschieht, ist meines Erachtens fraglich. Ergänzend erscheint es mir (auch daher) sinnvoll, dass die Produzenten über eine Nutzungsgebühr nachdenken, die für sinnvolle, aber mit geringen Grenzkosten einhergehende Services, verlangt werden kann. Dies sind typischerweise digitale Produkte. Zugang zu guten elektronischen Regel-Wiki könnten eine Idee sein. Auch VTT ist ein Schritt in diese Richtung; wobei ich glaube, dass LCD-Monitore als Tischplatten mit Karten auf die Figuren gestellt werden können etc. noch besser wären, vor allem weil zu viel Digitalisierung für viele abschreckend sein dürfte – was die Idee grundsätzlich erheblich erschwert. Zudem muss die Eigenarbeit für die Spieler minimiert werden. Im Ergebnis würde durch solche Gestaltungen aber ein konstanter, wenn auch vermutlich überschaubarer Umsatzstrom für die Produzenten generiert.

Sonst wird es eben weitergehen mit dem Teufelskreislauf der Editionswechsel. Vermutlich nicht zum Guten der Szene.

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