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Nichtspielercharaktere beim LARP – wie bekommen?

Es ist fast ein Ritual: Sieht man bald anstehende Liverollenspiele, gerade in der Hochsaison, an, z.B. auf Thilo Wagners LARP-Kalender, so findet sich dort der Hinweis „0 Spieler und X NSC-Plätze“ frei (NSC steht für Nichtspielercharaktere). Vor einer Con werden auch gerne noch schnell NSC gesucht. Man erhält dann E-Mails wie „NSC gesucht“ – verbunden mit dem Hinweis, dass SC-Plätze bereits voll seien.

Auch in der LARP-Zeit gab es schon einen Artikel zum NSC-Finden und sogar ein Youtube-Video zusammen mit Orkenspalter TV. Kurz: Es mangelt an NSC.

Das ist, bei Lichte betrachtet, nicht verwunderlich. Zunächst mal hat man als NSC in aller Regel keine Rolle, die selbst erwählt wurde und mit der man sich über lange Zeit identifizieren kann. Im Einzelfall mag das der Fall sein (Chris Fano als Aniesha Fey) – aber auch diese NSC werden letztlich von der Spielleitung gesteuert und ggf. auch für den Plot geopfert – so geschehen ebenfalls bei Aniesha Fey.

Aber auch von solchen, lang bespielten NSC abgesehen: Grundsätzlich muss man als NSC in mehr oder weniger engem Rahmen tun, was die Spielleitung von einem verlangt. Das fängt an mit der Rollendefinition geht über die Wahl der Verkleidung („Gewandung“) und reicht hin zu Schichtplänen für Einsätze. Ergänzend sind die Spieler Protagonisten der Veranstaltung. So müssen die NSC auch auch mal warten, bis sich die Spieler zum Ort des Konfliktes bequemen. Ob es heiß ist oder regnet, spielt bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Und freilich gibt es nur, und auch das nur vielleicht, den Schatten eines Baumes um die Wartezeit in Rüstung erträglicher zu machen. NSC sind also ein Stück weit schlicht Dienstleister.

Häufig sind NSC auch schlechter untergebracht als Spieler. In einigen Fällen schlafen Spieler in Hütten, NSC nur in Zelten. Oder es gibt (zum Beispiel auf der Burg Bilstein) Gemeinschaftsduschen für NSC, aber sanitäre Anlagen pro Zimmer bei den Spielern.

Bemerkenswert ist auch, dass die NSC-Darsteller oft auch Ausrüstung für ihre Rollen beschaffen müssen – dabei sind aber zumindest teilweise Vorgaben der Spielleitung zu befolgen. Manchmal bieten jedoch die Veranstalter von Groß-Cons sog. Deals an. Hierbei können günstig mehr oder weniger gute Ausrüstungsteile, zum Beispiel Rüstungen, erworben werden. Das kenn ich vor allem für das Schwarze Eis beim Conquest of Mythodea. Der Kauf eines NSC-Tickets berechtigte zur Teilnahme an diesen „Deals“, die passende Rüstungsteile und einen Waffenrock enthielten. Die entsprechenden Gegenstände konnte man freilich später auch für andere Rollen verwenden.

Allerdings kam jüngst der Gedanke auf, den Standard der NSC-Ausrüstung anzupassen und hierbei die vormals erworbene Ausrüstung aus den Deals nicht mehr zuzulassen. Hierdurch würden die vormals gekauften Ausrüstungsgegenstände nicht mehr auf dem Conquest of Mythodea verwendet werden können. Das erinnert ein wenig an das Editionsproblem beim Pen & Paper-Rollenspiel und Tabletop: Diskreditionäres Verhalten zwecks Umsatzgenerierung – den freilich partizipiert der Con-Veranstalter von den Verkäufen von NSC-Ausrüstung.

Spieler werden demgegenüber nicht mit solchen Anforderungen bezüglich der Ausrüstung konfrontiert und haben daher auch den Vorteil, mit diesem Problem gar nicht konfrontiert zu sein. Das NSC-Dasein ist damit auch insofern nachteilig.

All diese Aspekte sind im Zweifelsfall nicht geeignet, das Dasein als NSC besonders attraktiv zu machen. Es verwundert mich daher nicht, dass es an NSC oft mangelt.

In vielen Fällen ist das einzige Zugeständnis an die NSC ein geringerer Preis, um an der Veranstaltung teilzunehmen. Was könnten die Veranstalter sonst noch tun?

Aus meiner Sicht gibt es fünf Anknüpfungspunkte:

  1. Erhöhung der NSC-Autonomität
  2. Verbesserung der Unterbringung
  3. Banden schmieden
  4. Stellen der NSC-Ausrüstung
  5. Geringere Kosten bzw. Bezahlung der NSC

Ad 1) Erhöhung der NSC-Autonomität

Hiermit ist gemeint, dass die NSC weniger stark von der Spielleitung gesteuert werden und sich hierdurch ein wenig in Richtung Spielercharaktere bewegen. Solche Aspekte sieht man auf dem Conquest of Mythodea, wo die NSC Ziele haben, die sie erreichen können, aber nicht müssen. Bei dieser Con-Reihe gab es daher auch schon Jahre, in denen die NSC, und nicht die Spieler, „gewannen“.

Als Nachteil könnte in Betracht kommen, dass durch die vordefinierten Organisationsstrukturen NSC oft viel besser strukturiert sind, als Spieler, bei denen oft ein Nebeneinander verschiedener Gruppen, mit jeweiligen Alleinvertretungsanspruch, exisitiert. Infolgedessen haben die NSC in vielen Fällen einen kompetetiven Vorteil. Dies konterkariert im Extremfall das Ziel, dass die Spielercharaktere Protagonisten sind.

Weitergedacht und überspitzt führt diese Lösung zu einem Spieler-gegen-Spieler-Con.

Ad 2) Verbesserung der Unterbringung

Man könnte schlichtweg die jeweils „besseren“ Unterkünfte den NSC geben. Zum Beispiel also die NSC in Hütten unterzubringen, und die Spieler in Zelten. Dieser konkrete Fall hätte den Vorteil, dass die Spielerunterkünfte tendenziell stimmungsvoller werden, da Hütten in aller Regel nicht stimmungsvoll gestaltet sind, Zelte aber häufig schon.

In gleicher Weise könnte für NSC eine bessere Vepflegung oder sanitäre Anlagen angeboten werden.

Einen indirekten Ansatz gibt es dahingehend, dass NSC-Zelte mitunter modern und nicht „mittelalterlich“ sein müssen. Das kann helfen, weil es die Kosten der NSC vermindert. Es kann aber auch zum Nachteil sein, weil solche Zelte der Atmosphäre, auch für NSC, sicher nicht zuträglich sind. Ich würde dieses Argument daher nicht überbewerten.

Ad 3) Banden schmieden

Es gibt auch Larper, die gehen, trotz allem, primär als NSC auf Cons. Das liegt meines Wissens daran, dass es sich um eingespielte Gruppen, oft von Freunden, handelt, welche die fehlender Intime-Bindung an die Charaktere, durch eine Outtime-Bindung kompensieren. Auch große NSC-Gruppen, sie die Schwärme beim Schwarzen Eis auf dem Conquest of Mythodea, funktionieren im Ergebnis so.

Allein – diese Möglichkeit kann ein Veranstalter nur potentiell nutzen, wenn es sich um eine Con-Reihe handelt, bei der jede Veranstaltung mit denselben NSC besetzt wird. Und auch dann ist es nicht planbar, dass sich solche Banden etablieren.

Zudem darf nicht übersehen werden, dass Spielergruppen üblicherweise ingame und outgame persönlich verbunden sind. Es geht also um die Aufholung eines Nachteils von NSC gegenüber Spielern – der Aufbau eines Vorteils ist in der Regel nicht möglich.

Ad 4) Stellen der NSC-Ausrüstung

Die Veranstalter können, gerade wenn sie besondere Vorstellungen haben, den NSC einfach die Ausrüstung stellen. Dies würde die Kosten der NSC reduzieren und zudem sicherstellen, dass der Veranstalter NSC hat, deren Kostüme seinen Vorstellungen entsprechen. Obendrein werden Verschleißteile, allen voran Polsterwaffen, der NSC nicht belastet, sondern der Veranstalter kommt dafür auf.

Auf den Conquest of Mythodea stellen die Veranstalter Pfeile und Bolzen für NSC, die einen Fernkämpfer darstellen. Das geht genau in die richtige Richtung, zumal die Zahl der NSC-Geschosse sehr hoch ist – es ist daher eine große Freude, hier einen Fernkämpfer zu spielen.

Ebenfalls auf den Conquest of Mythodea wird meines Wissens auch die Ausrüstung besonderer NSC gestellt.

Ad 5) Geringere Kosten bzw. Bezahlung der NSC

NSC zahlen praktisch immer einen geringeren Teilnahmebetrag für LARP-Veranstaltungen. Aber offenbar ist diese nicht niedrig genug – sonst gäbe es keinen NSC-Mangel.

Mein Vorschlag läuft daher darauf hinaus, NSC zu bezahlen. Aufgrund des (mehr oder weniger) Dienstleistungscharakters ihrer Tätigkeit finde ich den Gedanken nicht fernliegend. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich so viele Larper fänden, denen die Con sonst zu teuer wäre. Und das wäre doch für alle ein Gewinn! Die Kosten für die Bezahlung kann man ohne Weiteres auf die Spieler umlegen – wenn alle Spielerplätze weg sind, ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass ein Nachfrageüberhang vorliegt und daher die Preise erhöht werden können.

Dieser Ansatz kann ohne Weiteres mit den anderen vorstehenden Ansätzen, allen voran dem Stellen der Ausrüstung, kombiniert werden.

Allein, problematisch könnte die steuerliche Umsetzung sein: Falls der LARP-Veranstalter nicht gerade gemeinnützig ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Bezahlung für die NSC steuerpflichtig wird. Dies könnte man allenfalls dadurch in den Griff bekommen, dass man die Auslagen der NSC erstattet. Dann käme der NSC steuerlich „auf Null“ heraus. Weil man dies die NSC aber immer noch steuerlich erklären müssten, wäre ein Kauf z.B. der Zugfahrkarte durch den Veranstalter sehr viel einfacher. Kompliziertere Gedankenspiele, wie die Überlegung, dass NSC-Darsteller ihre Verkleidung oder andere Ausgaben als Werbungskosten absetzen könnten, so sie für die Teilnahme am LARP bezahlt werden, sollen hier außen vor bleiben. Es sei nur der Hinweis gestattet, dass derartige Ausgaben wohl oft Liebhaberei wären – und damit als abzugsfähige Werbungskosten aussscheiden.

Dennoch: Eine Erstattung oder Übernahme von Auslagen, kombiniert mit dem Stellen von Ausrüstung und einer guten Unterbringung, ist aus meiner Sicht überlegenswert, um die Attraktivität des NSC-Daseins zu erhöhen.

Charaktertod mal X – der „Total Party Kill“

Charaktertod ist immer eine sehr doofe Sache. Zumindest nach einiger Zeit wachsen Charaktere den Spielern ans Herz und ein Charaktertod kann zu Frust im „echten Leben“ führen.

Daher gibt es zahlreiche Theorien dazu, wie damit umzugehen ist. Ein Extrem ist die „Pech gehabt“-Position: Diese besagt einfach, dass ein Charakter eben tot ist, wenn es die „Würfel so wollen“. Am anderen Ende des Spektrums steht die sog. Opferregel (eher im Kontext Liverollenspiel verwendet): Demnach darf sich der Spieler aussuchen, ob und wann der Charakter stirbt.

Offenkundiger Nachteil der „Pech gehabt“-Position ist, dass dies für die Spieler frustrierend sein kann und oft auch einfach eine unschöne Geschichte ist. Gleichfalls offensichtlicher Nachteil der „Opferregel“ ist, dass die Spannung verloren gehen kann – faktisch können die Charaktere damit unsterblich sein.

Nun bin eher simulationistisch geprägt und tendiere insofern zunächst zu der „Pech gehabt“-Position. Allerdings weiche ich diese mehrfach auf, da mir die Nachteile freilich bewusst sind. Zum einen kann ich alles ändern, was noch nicht gesetzt ist. Im plumpesten Fall schließt das den Trick ein, sehr behutsam auf Würfelwürfe Einfluss zu nehmen. Aber auch zum Beispiel ein Heiltrank könnte gefunden werden, wenn vorher nicht klar war, dass keiner zu finden ist und es grundsätzlich Sinn macht (in der Wüste also nicht). Zum anderen kann man Zeit und Raum in einem bestimmten Rahmen denen, um die rettende Heilung noch zu ermöglichen. Zum Dritten gibt es bei uns bei DSA (4.1) Schicksalspunkte. Hat man fünf davon zusammen, kann man dem Tode einmal entkommen (was aber nicht heißt, dass die Situation sich insgesamt entspannt – im schlimmsten Fall lauert der Tod schon einen Augenblick später wieder auf den Charakter).

Dennoch wird mir vorgeworfen, dass bei mir recht viele Charakter stürben. So man dues akzeptiert, liegt dies schlicht daran, dass die oben stehenden Mechanismen im Einzelfall nicht ausreichen. Im Extremfall habe ich zwei Möglichkeiten:

  1. Ich ziehe mir (doch noch) irgendetwas aus den Fingern, damit der Charakter überlebt. Hierzu habe ich aber wenig Zeit und es muss meinem Anspruch gerecht werden, die innerweltlich zumindest nicht „unlogisch“ zu sein.
  2. Ich lasse den Charakter sterben.

Vor einigen Jahren war ich jedoch, unerwartet mit der Tatsache konfrontiert, dass alle Charaktere starben. Was war geschehen? In der schönen güldenländischen Stadt Vinerata, suchten die Charaktere im Rahmen des Abenteuers Totentanz eine Gruft auf. Verkürzt gab es dort eine Art Lichlord, der mit so vielen Untoten ausgestattet war, dass die Spieler fliehen mussten. Soweit, so gut. Womit sie nicht rechneten war aber, dass der Lichlord Nächtens einen „untoten Meuchler“ auf die Charaktere ansetzte. Diese hatten sich getrennt, und so traf der Meuchler nur zwei Charaktere an. Aufgrund erschöpfter Kräfte und sehr schlechter Würfelergebnisse, obsiegte der Meuchler. Hier war ich schon am Überlegen, ob das eine gute Lösung ist. Die ganze Kampagne war aber „High Fantasy“, so dass ich Möglichkeiten sah in einem künftigen Abenteuer, die Verstorbenen zurückzuholen. Das wäre sogar ziemlich gut und passend gewesen.

Leider aber war es für den zweiten Teil der Gruppe kaum besser. Nicht auf einen Schlag – es entwickelte sich sukzessive. Keiner rechnete damit – Spieler und Spielleiter waren unvorsichtig. Und mit einem mal wusste ich, dass ich am Scheideweg stehe. Und mir fiel nichts ein, um die Situation glaubwürdig zu retten. Und so starben alle. „Total Party Kill“.

Die Reaktionen darauf waren sehr unterschiedlich. Es gab vor allem einen Spieler, der wirklich traurig war, dass sein über lange Jahre gespielter Charakter (er war der Einzige, der seit Beginn der Gruppe überhaupt noch dabei war), gestorben war. Ein anderer Spieler aber war völlig begeistert! Er berichtete, dass er von nun an noch viel mehr Spannung beim Spiel haben würde, da er nun wüsste, dass es ernst werden kann. Die anderen lagen irgendwo dazwischen. Die Vor- und Nachteile der eingangs angesprochenen Extrempositionen traten aber deutlich hervor.

Auch ich selbst war erschüttert. Meine noch über viele „Echtjahre“ geplante Kampagne lag in Trümmern und würde wohl nicht weiter gespielt werden. Ich überlegte, den Spielern zu sagen, wie es weitergegangen wäre, damit die Ideen nicht völlig umsonst waren.

Wir waren klug und verabredeten, das weitere Vorgehen ein andermal zu besprechen.

Im Ergebnis kamen wir überein, dass der Charakter des Spielers, der am längsten dabei war und den Plot gewissermaßen „getragen“ hatte, wiederbelebt werden würde. Das war in dem Kontext der Kampagne gut machbar und plausibel. Vor allem ging die Geschichte weiter! Zudem war der Spieler dieses Charakter derjenige, der am meisten frustriert war, was sehr zupass kam. Die anderen machten im Grunde neue Charaktere.

Ex post wurde mir gesagt, dass die neuen Charaktere eine gute Sache waren. Der ein oder andere war daher im Nachhinein sogar ein wenig glücklich über den „Total Party Kill“.

Ich kann daher nicht sagen, dass der „multiple Charkatertod“ im Nachhinein besonders schlimm war. Aber ich glaube auch, dass wir Glück hatten.

In Kürze steht in einer anderen Gruppe der Kampf gegen den Wurm von Windhag an. Die Spieler machen sich, verständlicherweise, Sorgen. Ich hingegen bin zuversichtlich, dass es so schlimm nicht kommen wird: Was den Vorfall des „Total Party Kill“ vor einigen Jahren auszeichnete war ja gerade, dass keiner damit gerechnet hatte. Das wird nun anders sein.

Rollenspielbilder mit künstlicher Intelligenz generieren

Mein früherer, wirklich guter Shadowrun-Spielleiter hatte zu allen wichtige Nichtspielercharakteren ein Portraitbild vorbereitet. Dieses hatte er vor dem jeweiligen Termin per Google-Bildersuche gefunden. In frühen Tagen waren diese ausgedruckt und wurden herumgereicht. Später zeigte er es auf einem großen Monitor an.

Ich fand das immer klasse und wollte dies übernehmen. Allerdings bin ich in der Regel DSA-Spielleiter. Für Fantasy-Charaktere gibt es aber nicht ansatzweise so viele Portraitbilder im Internet, wie für Charaktere, die in ähnlicher Weise auch in der Jetzt-Zeit existieren könnten. So weiß ich noch, dass ich für Dalida d’Abbastanza aus der Lamea-Kampagne sehr lange, und letztlich erfolglos, das Internet durchsuchte.

Auch mühevoll, aber letztlich doch einfacher, ist das Finden von Spielercharakterportraits über pinterest und dergleichen. Da man diese zum Glück nur selten benötigt (nämlich bei der Erstellung) und ich mich zudem hier etwas freier wähne (schließlich wird gerade erstellt), klappt das einigermaßen. Details stimmen oft aber nicht – so gelang es mir noch nie, ein gutes Bild mit für mich passendem Zauberstab für einen Magiercharakter zu finden. Oder ich bin mit dem Stil nicht in Gänze zufrieden und dergleichen.

Jüngst aber lernte ich, dass diese Probleme der Vergangenheit angehören könnten. Ein guter Freund von mir kaufte sich jüngst einen neuen Computer – und zwar einen der (aktuellen) Spitzenklasse. Relevant ist insbesondere, dass der Arbeitsspeicher der Graphikkarte zwölf Gigabyte groß ist. Dies ist Voraussetzung zur sinnvollen Nutzung von Stable Diffusion. Mit einer Beschreibung erstellt diese „Künstliche Intelligenz“ mit der Oberfläche Automatic1111 in kurzer Zeit Bilder, z.B. Portraits – und kann diese auch weiter nach unten, im Wege des sog. outpaintings, ausbauen, so dass der Oberkörper dazukommt. Im Nachgang kann man noch jede Menge verfeinern („inpainting“). Mit etwas Zeit gelang es uns so, recht gute Bilder zu erstellen. Das folgende Bild benötigte zum Beispiel nur wenige Minuten zur Erstellung:

Quelle: Eigene Erstellung mit Stable Fusion

Auch der erste Versuch ist oft schon recht ordentlich – und für Nichtspielercharaktere genügt das in aller Regel. Wichtig ist vor allem, dass das Programm einen Zufallsfaktor hat – die erstellten Bilder sind daher nicht identisch (solange man nicht den gleichen „Seed“, so heißt der Zufallsfaktor, benutzt). Ein paar Vorlagen mit Beschreibungen genügen also.

Dieses Programm dürfte es ermöglichen, insbesondere auch ad hoc, passende oder zufallsgenerierte Portraitbilder für Nichtspielercharaktere zu generieren. Großartig! Das dürfte der Immersion sehr zuträglich sein.

Mein einziger Wehmutstropfen ist, dass mein Laptop bei weitem nicht über genug Graphikkarten-Arbeitsspeicher verfügt (zwei Gigabyte statt zwölf) – aber dieses Problem wird die Zeit lösen. Zudem sei der Vollständigkeit halber auf die Möglichkeit hingewiesen, über eine „Plugin“ externe Rechenleistung aus der Cloud für Automatic1111 zu verwenden – das haben wir aber bislang nicht getestet.

Aktuell experimentiert der besagte Freund übrigens damit, Bilder im Yüce-Stil zu generieren. Hierzu haben wir das Programm mit Yüce-Bildern „gefüttert“, damit es den Stil immitieren kann. Der „erste Schuß“ ist zwar sicher nicht wirklich gut, sieht aber auch nicht schlecht aus. Vor allem der Hintergrund ist gelungen. Die Figur im Vordergrund ist aber etwas zu „knallig“ für meinen Geschmack. Details sind auch noch nicht ideal.

Quelle: Eigene Erstellung mit Stable Fusion auf Basis von 26 Yüce-Bildern

Verhalten im Rollenspiel: Im Charakter bleiben. Sollen, können, wollen…?

Um es gleich vorwegzunehmen: Beim Rollenspiel sollte der Spaß immer im Vordergrund stehen.

Aber da fängt die Schwierigkeit schon an! Für den Einen reicht es, irgendeinen Charakter zu entwickeln und dadurch einfach eine gute Zeit zu haben und vielleicht sogar im Grunde sich selbst zu spielen oder so, wie der Spieler im echten Leben gerne wäre. Andere wieder nutzen den Rollenspielabend eher als spaßige Plauderstunde und Trinkrunde. Der nächste möchte einfach nur den Plot vorantreiben und achtet evtl. gar nicht auf die Welt und die Charaktere um sich herum. Ein wieder anderer würde am liebsten in einer mittelalterlichen Sprache sprechen. Andere wieder bevorzugen das Ausleben des erstellten Charakters in allen Details und der Plot ist eventuel gar nicht so wichtig.

Das „Problem“ ist, dass die meisten Gruppen aus Mitgliedern verschiedener Interessenlagen bestehen. Deshalb werde ich im Folgenden meine Sicht der Dinge wiedergeben.

Ich persönlich habe einen Leitsatz im Leben, dem ich folge und der sich bis jetzt immer bewährt hat: Extrem ist nie gut und die Wahrheit liegt immer in der Mitte. Also sollte es auch möglich sein, mit Toleranz und Rücksicht einen guten Kompromiss für alle Spieler zu finden.

Mir persönlich kann man jeden beliebigen Charakter in die Hand drücken und ich werde den schon einigermaßen gut spielen können. Nach fast 30 Jahren Rollenspiel, erkenne ich Stärken und Schwächen normalerweise schnell und weiß die Fähigkeiten und Eigenschaften auszuspielen. Schwieriger wird es allerdings den jeweiligen Charakter als dessen „wahre“ Persönlichkeit im Kontext der jeweiligen Welt und der kulturellen Interaktion zu spielen. Dies zu schaffen, ist ein wahres Meisterwerk und muss vielleicht auch gar nicht das oberste Ziel sein. Dennoch finde ich es wichtig, eine Annäherung zu schaffen. Dafür sind viele Systeme leider jedoch nicht ausgelegt. Eine sehr ausführliche Weltbeschreibung, Fähigkeiten und Sonderfertigkeiten, hunderte von unterschiedlichen Waffen und Rüstungen, Stammbäume, die weit zurückreichen, komplexe Götter- und Kultbeschreibungen, Historie bis ins Kleinste, kulturelle Abhandlungen und dergleichen – alles kein Problem. Aber etwas konkretere Charakterzüge sind oft Fehlanzeige. Klar, die kann man sich selber ausdenken aber nach meiner Erfahrung machen viele das nicht und die Meisten werfen dieser erdachten Eigenschaften schnell in verschiedenen Situationen über Bord. Aspekte wie Vor- und Nachteile gehen in verregelter Form in diese Richtung, sind dann aber oft auch gleich extrem. Wie z.B. bei DSA der Fall: Goldiger, Jähzorn, Raumangst und so weiter.

Aber warum nicht sowas:

  1. Still, zurückhaltend, vorsichtig aber auch berechnend
  2. Selbstbewusst, mutig, wachsam aber auch streitlustig
  3. Wissbegierig, neugierig, gelehrt aber auch unachtsam

Solche und ähnliche Eigenschaft, bringen doch gleich viel mehr Würze in die Charakterdarstellung ohne gleich extrem penibel zu werden und helfen dem Charakter in verschiedenen Situationen auch den Charakter zu spielen und nicht sich selbst.

Ein weiterer Punkt, den ich auch oft beobachte, ist der Umgang mit Sozialstatus, Wissen und Kulturkreisen. Spieler – besonders solche, die auch Spielleiter sind und/oder die Regeln sehr gut kennen – sind oft viel zu forsch bis hin zu arrogant, übermütig gegenüber Nichtspielercharaktern und agieren im Spiel mit einem Wissen, dass der von Ihnen gespielte Charakter gar nicht haben dürfte. Ein einfacher Soldat weiß eben nicht viel von der Welt. Obrigkeit (Adel, Militär und Geistig) wird geachtet und auf Befehle gehört. Ein Waldläufer kennt vielleicht eher die Welt, kann aber wahrscheinlich mit Etikette und sozialem Gebaren nur wenig anfangen und wird oft ins Fettnäpfchen treten. Gelehrte, wie Magier, sind wahrscheinlich vielwissens aber oft nur in der Theorie. Auch solche Aspekte spiegeln sich in der Darstellung oft nur bedingt wieder.

Barbaren haben nicht den Durchblick im adligen Intrigenspiel, Eine Gruppe von Lowlevel-Charakteren reagiert cool und routiniert bei Ihrem ersten Kampf oder bei Kreaturen die sie nicht kennen. Der erste Untote wird einfach niedergekloppt. Magier benehmen sich oft arrogant und anmaßend. Das Alles hat mit einer Wirklichkeit nichts zu tun (auch wenn sie fiktiv ist). Das finde ich oft schade. Warum dann überhaupt Charaktere mit Klassen und Kulturhintergrund entwickeln? Dann reicht doch ein Einheitscharakter mit wenigen stark ausgeprägtem Schwerpunkten und sehr grober Hintergrundgeschichte.

Zum Thema Wissen hat Shadowrun einen guten Ansatz. Hier gibt es eine Palette von vorgefertigter Wissensfähigkeiten aber der Spieler kann sich auch welche ausdenken. So ergeben sich auch weiter Detaillierungsgrade von Spielern.

Beispiel, welche nicht unbedingt regeltechnisch vorhanden sein müssen

  • Dieb: Gassenwissen, Stadtwissen der Stadt X…; Gildenwissen, Hehler wissen, Wissen über Verstecke/Geheimgänge, Geheimnisse Adlige, Wissen Straßenkinder, Schwarzmärkte usw.
  • Söldner: Waffenkunde, Rüstungskunde, Militärwesen, Kriegskunde, Allgemeinwissen, Belagerungsgeräte, Rassenkunde, Kulturwissen, Wissen Söldnereinheiten usw.
  • Magier: Allgemeinwissen, Magiekunde, Kreaturenkunde, Kulturen, Rasen, Wissen magische Gegenstände, Wissen Mythen und Legenden usw.
  • Waldläufer: Kreaturenkunde, Allgemeinwissen, Wissen Natur und Naturphänomene, Wissen Schusswaffen, Wissen lokale Gerüchte und Geheimnisse in der Region X…, und wo weiter

Das würde wiederum dazu führen, dass ein weiter Detaillierungsgrad entsteht, an dem sich die Spieler orientieren können. Und wenn der Dieb nun mal kein Wissen über Kreaturen hat, erstarrt er halt vor seinem ersten Zombie. Klar kann man sich das Alles ausdenken auch ohne Alles aufzuschreiben aber nach meiner Erfahrung (mich eingeschlossen) verfällt man schnell wieder zu dem „Allwissenden Ich“ zurück. Hier entsteht natürlich auch das ewige Thema zwischen zu detaillierten Charakteren/Systemen und zu simple Charaktere/Systemen.

Mein Fazit:
Tja das ist jetzt gar nicht so leicht. Einfach aber nicht simpel. Detailliert aber nicht streng und dogmatisch. Komplex aber nicht kompliziert. Lustig aber nicht albern. Unterhaltsam aber nicht langatmig
Berechnen wie lange das Feuerholz brennt. Beim Schuss, Sichtverhältnisse, Windgeschwindigkeit, Sonnenstand, Nebel usw. einfließen lassen. Ein Soldat weiß außer dem Kriegshandwerk nichts – definitiv nein.
Ein Barbar der weiß, wo man Einhörner fängt, Schwachstellen von Dämonen kennt, sich bei Hofe richtig verhält und auch in der Stadt eine Idee hat, wo man die Diebgilden findet. Zugleich je nach Situation mal forsch, mal zurückhaltend, mal wissbegierig mal uninteressiert. Mal nach vorne rennt, mal zwei Schritt zurückgeht. Wie es halt situativ am besten für den Charakter ist – definitiv auch nein.
Bleibt mir nur noch zu sagen: Die Wahrheit liegt in der Mitte und Spaß ist, was ihr draus macht.

In eigener Sache: Beitragsfrequenz und Autoren

Ich frage mich mitunter, ob es mir weiterhin gelingen wird, einen wöchentlichen Beitrag zu veröffentlichen. Der aktuelle ist entsprechend auch etwas verspätet – aber aus gutem Grund. Daher bin ich am überlegen, anzukündigen, dass es in dieser Geschwindigkeit nicht weitergehen könnte. Aber: Noch sind genug Gedanken dar.

Nun zum kompletten Gegenteil: Heute erreichte mich der Text eines Freundes. Den veröffentliche ich gerne. Die Veröffentlichtungen von ihm werden unter dem Pseudonym „Beowulf“ erfolgen.

Unterschiede zwischen Spielercharakteren und Nichtspielercharakteren (?)

„You seem trustworthy“ – so begrüßen die Charaktere im Film „The Gamers“ ihren neuen Magier nach sehr kurzer Vorstellung, der damit Teil der Heldengruppe wird. In der Film-Parodie wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Charakter, weil er ein Spielercharakter und kein Nichtspielercharakter ist, sofort Teil der Gruppe wird.

Logisch ist dies freilich nicht. In der Spielwelt können die Charaktere realistischerweise nicht erkennen, ob eine Figur von einem Spieler oder von dem Spielleiter geführt wird. Dennoch ist eine solche Unterscheidung immer wieder zu beobachten: Eine Spielerfigur liegt in ihrem Blut? – Kein Problem, der Spielermagier hilft aus, auch wenn dies so anstrengend ist, dass es seine Zauberkraft dauerhaft schwächt. Eine Nichtspielerfigur in der sonst identischen Szene (mit vergleichbarer Vorgeschichte) – muss sterben. C’est la vie. Oder eben: C’est la mort.

Ich finde das zumindest unglücklich. Ich kann in Einzelfällen verstehen, dass auf einer sehr abstrakten Metaebene Unterscheidungen getroffen werden (dazu später mehr) – aber die plumpe Art der vorstehenden Beispiele ist für mich nicht wünschenswert. Wie ist das innerweltlich zu erklären? Ich kenne kein Rollenspielsystem, wo innerweltlich zwischen Figuren erster Klasse (Spielercharakteren) und Figuren zweiter Klasse (Nichtspielercharakteren) unterschieden wird.

Leider pflegen, der fehlenden Entsprechung in der Spielwelt ungeachtet, auch viele Rollenspielregelwerke einer solche Unterscheidung:

  • Bei DSA stand zumindest in alten Versionen bei bestimmten Zaubern, dass diese nur mächtigen Nichtspielercharakteren vorbehalten seien. Man fragt sich, was wohl geschähe, wenn die Spielercharaktere einen solchen Nichtspielercharakter träfen und überzeugen (oder zwingen) sein Wissen zu teilen – was geschieht dann?
  • In Hexxen erfüllt es mich immer wieder aufs Neue mit Verwunderung, dass Spielercharaktere nicht sterben können, wenn nicht die ganze Gruppe im Sterben liegt. Nichtspielercharaktere aber schon! Ich habe deshalb schon angeregt, dass ein Spielercharakter Kämpfen doch fernbleiben sollte, um die anderen unbesiegbar werden zu lassen. Die Resonanz auf diesen Vorschlag war nur bedingt positiv.

Im Internet stieß ich kürzlich auf eine Diskussion, in der erörtert wurde, ob die Eltern eines Spielercharakters sterben dürften, wenn dies der Handlung dienlich wäre. Mir ist in weiten Teilen völlig unklar, was dagegen sprechen könnte. Sollte es der Lebenserfahrung der in der Spielwelt Lebenden entsprechen, dass bestimmte Familien geschützt werden, weil eines der Kinder auf Abenteuer auszieht. Falls dies bejaht wird: Warum senden die anderen Familien dann nicht auch jemanden aus…?

Zum Glück bin ich häufig Spielleiter und kann Auswüchse wie die Vorstehenden recht gut beschneiden. Natürlich kann bei DSA jeder Spielercharakter theoretisch jeden Zauber beimir erlernen. Es kann allerdings sehr schwer sein – nicht aber schwerer, als es für Nichtspielercharaktere ist.

Als besonders gelungen fand ich, dass ich mal einen Gastspieler in eine Spielgruppe einschleuste, der sich später als Verräter herausstellte. Da sich alle Spieler im Realleben kannten und der Gastspieler einen den Spielern (nicht aber den Charakteren) bekannten Charakter spielte, wurde dieser nach dem oben stehenden Motto „You seem trustworthy“ unmittelbar in die Gruppe aufgenommen. Er konnte von dort wunderbar alle möglichen Geheimnisse erfahren und an die Antagonisten der Spielercharakter spiegeln. Im Endkampf, der kritisch verlief, stellte sich der eingeschleuste Spielercharakter plötzlich gegen die Gruppe. Das Entsetzen war natürlich groß. Aber gelobt wurde die Sache im Nachgang auch. Zudem ist dies nun eine der meist erinnerten Rollenspielszenen überhaupt.

In einer Dark Heresy-Runde, in der ich war, gab es etwas Ähnliches – allerdings war der entsprechende Verräter-Charakter bereits von Anfang an bei den anderen Charakteren und die Überraschung vielleicht noch etwas größer.

Eine andere Idee, die ich dem (überaus gelungenen) DSA-Abenteuer „Die Unsichtbaren Herrscher“ entnahm, ist die Spielercharaktere ob ihrer Taten zu Rede zu stellen: Eine weitere Imparität besteht nämlich darin, dass diese auf ihren Abenteuern regelmäßig jede Menge Nichtspielercharaktere erschlagen, dies jedoch folgenlos bleibt. Realiter sollten dies aber alles Personen mit einer Familie und Freunden sein. Je nach Handlung sind die Antagonisten der Spielercharaktere auch nicht klar böse. Dies im Blick war das Geschehen nur naheliegend: Die Spielercharaktere wurden von einem Familienangehörigen gejagt – schließlich von einer anderen Heldengruppe, welche die „Mörder“ der Gerichtsbarkeit überstellen wollte. Das Spieler- und Charakterverhalten war überaus interessant.

Es zeigt sich also: Ich bin der Meinung, dass innerhalb der Spielwelt keine Unterscheidung zwischen Spieler- und Nichtspielercharakteren gemacht werden sollte.

Der entscheidende Punkt, und damit kommen wir zur Ausnahme, ist der Einschub „innerhalb der Spielwelt“. Wie auch schon beim meinem Plädoyer für Simulationismus in der Spielwelt bzw. dem -system, kann außerhalb der Spielwelt, eine Unterscheidung erfolgen – und sogar hilfreich sein.

So erwarte ich von Spielleiter und Spielerschaft auf einer dem Spiel vorgelagerten Ebene beispielsweise, dass eine Kompatibilität zwischen Charakteren zu der Geschichte bestehen muss. Wenn nämlich klar ist, dass, um das oben stehende Beispiel aufzugreifen, das Überleben der Familie eines Spielercharakters für dessen Konzept wichtig ist, sollte diese natürlich nicht dahingerafft werden. Allein – in diesem Falle sollte dies auch nicht hilfreich für die Handlung sein, sondern es sollte sinnvoll sein, dass die Familie am Leben bleibt!

In ähnlicher Weise erwarte ich auch, dass die Charaktere untereinander so zusammengestellt sind, dass es zwar gerne Konflikte geben darf – aber bitte keine, die gar nicht oder nur mit der de facto Verunmöglichung der Darstellung eines Charakters lösbar sind.

Bei einer Gestaltung auf einer der Spielwert übergeordnete Ebene, wird die gekünstelte Unterscheidung zwischen den Spieler- und Nichtspielercharakteren aus „Metagründen“ in der Regel gar nicht benötigt. Darüber hinaus ist sie meines Erachtens ohnehin verfehlt.

Warmachine MK IV – Statusbericht vom Spielfeldrand

Nach meinem kritischen Kommentar ob der Zukunft Warmahordes im Oktober 2022 sind rund vier Monate ins Land gegangen. Mit Blick auf Erkenntnisse vor allem in der letzten Woche möchte ich einen kurzen Zwischenbericht geben.

Insgesamt sind die Entwicklungen leider überwiegend trostlos. Zum einen wurde so ziemlich alles verschoben, was verschoben werden kann. Die Mehrzahl der Spieler hängt daher ein wenig in der Luft. MK3 spielen viele nicht mehr – MK4 noch nicht. Entsprechend sind die Preise der alten Miniaturen nochmals gut gefallen.

Angekündigt wurde in den letzten Wochen ein Wachturm und weiteres Gelände für MK4. Eigentlich ganz gut könnte man meinen – die Reaktionen waren mit Blick auf das Obenstehende aber negativ – man solle doch erst mal die Miniaturen für das eigentliche Spiel herausbringen, bevor „Ergänzungen“ auf den Markt kommen. Zudem ist Gelände leicht mit dem anderer Hersteller substituierbar und daher nicht elementar für das Spiel.

Offenbar sind die Probleme schleppender Veröffentlichungspolitik und der Folgen auf die Dynamik im Spiel sogar dem Privateer Press-Management nicht völlig entgangen, so dass viele alte Figuren (nun doch?) auch in MK4 Prime Verwendung finden sollen. Hierdurch lindert sich ein wenig der Not fehlender Veröffentlichungen – gleichzeitig dürfte es nicht dem Kalkül entsprechen, den Privateer Press bei Ankündigung der neuen Edition im Sinn hatte.

Mein Eindruck ist gleichwohl, dass die Spielerschaft und vor allem die Multiplikatoren weniger werden. Ganz konkret macht Dice & Duty nunmehr einen Warhammer-Podcast. Auf meine Anfrage erfuhr ich auch, dass man gerne auch wieder Warmahordes machen wolle – die Spielerschaft aber sei nochmals kleiner geworden und die aktuelle Entwicklung in Deutschland biete einfach gegenwärtig zu wenig Potential. Der wichtigste Kopf hinter dem Podcast schrieb auf Discord zudem, dass er bei MK4, wenn überhaupt, nur die Grimkin spielen wolle. Diese sind eine sogenannte Limited Release Faction, die in Gänze zu MK4 übergehen – man muss also einstweilen keine neue Miniaturen kaufen. Für Privateer Press ein sicher nicht völlig ideales (aus meiner Sicht aber nicht zu kritisierendes) Kundenverhalten.

Der große amerikanische Line of Sight-Podcast behandelt schon länger auch nur noch Warhammer – und möchte dort auch bleiben. Die Macher verantworten auch die sehr gute Warhammer University, für die schon vor Monaten angekündigt wurde, dass ein Wechsel zu MK4 nicht erfolgen wird.

Auf der „Habenseite“ muss man sehen, dass der Mark the Target-Podcast die Bildfläche betrat, der explizit MK4 im Fokus hat. Hier kamen bislang auch immer wieder mal, wenn auch unregelmäßig, neue Folgen. Auch hier nahm ich Kontakt mit den Machern auf – mit Blick auf die Veröffentlichungspolitik ist die positive Grundstimmung aber leider auch dort am Zurückgehen.

Es gibt aber einen Lichtblick – zumindest aus Sicht des Kundensentiments: In der letzten Woche wurden Skizzen künftiger Modelle – offenbar einer neuen Fraktion von Trollpiraten – vorgestellt, die, soweit ich dies überblicken kann, sehr gut aufgenommen wurden. Ganz zum Ende des Ankündigungsvideos (3:29) wird zudem das Logo einer weiteren neuen Fraktion gezeigt, die möglicherweise eine Kombination zweier Drachen (aus dem Hintergrund heraus sind Bligherghast und Nidoboros naheliegend) als Anführer hat.

Im hier skizzierten Kontext zudem Sinn, den Blick über den Tellerrand zu wagen. Dann sieht man, dass Games Workshop offenbar ganz erhebliche Schwierigkeiten mit der Auslieferung von Waren hat. Zunächst erinnert mich dies an den Privateer Press-Vertrieb. Aber: Grundsätzlich bietet eine Schwäche des Marktführers natürlich den Wettbewerbern die Chance eines Auftrumpfens – gerade bei Warmahordes, da Privateer Press in MK2-Zeiten schonmal eine Schwäche Games Workshops sehr erfolgreich nutzen konnte und gerade ohnehin eine Editionswechsel vollzieht.

Allein – die Chance auch eine Übernahme von Marktanteilen ist nur überschaubar groß und müsste freilich auch angegangen werden. Davon ist zumindest aus meiner Sicht nichts zu bemerken. Es fehlt schlicht an jedweder Dynamik bei der Marktbearbeitung.

Man muss sich jedoch vergegegenwärtigen, dass diese Probleme der Spieles und des Herstellers letztlich nicht die eigenen sein müssen – bei uns wird unverändert fast jede Woche Warmahordes MK3 gespielt.

Von (meinen) Schwierigkeiten bei der Charaktererschaffung

Meistens bin ich beim Pen & Paper-Rollenspiel, allen voran bei DSA, Spielleiter. Die Frage der Charaktererschaffung stellt sich daher so oft für mich nicht.

Vor einigen Wochen jedoch, ist etwas ungewöhnliches geschehen: Es soll eine neue DSA-Runde gegründet werden  – und ich darf Spieler sein!

Also musste ein Charakter her. Was also tun?

Die Genese eines Charakters ist bei mir eine schwerfällige Angelegenheit. Anfangs dachte ich bei der Charaktererschaffung oft von den Fähigkeiten her, was ich spielen möchte („soll mit der Armbrust schießen können“). Später standen die Wesenszüge im Vordergrund, wie der Charakter zu spielen sein wird. Heute möchte ich, dass diese Wesenszüge aus dem Hintergrund erwachsen, der gleichsam Motivation und Anknüpfungspunkte für mögliche künftige Erlebnisse, aber auch Erklärung für die Fähigkeiten des Charakter ist. Letztendlich muss man sich das wie eine Iteration vorstellen, bei dem erwünschte Wesenszüge und Hintergrund einander gegenseitig beeinflussen, bis sie in einem Gleichgewicht sind. Die Fähigkeiten auf dem Charakterbogen entstehen dann quasi als Abfallprodukt in einem nachgelagerten Schritt (dann, wenn man den Charakter auf Basis des vorstehenden regeltechnisch erstellt).

Hierbei ist mir wichtig, dass bei der Hintergrundgeschichte das gewisse „Extra“ dabei ist. Was das ist, ist einzelfallabhängig. Ein dunkles Geheimnis, ein heimliches Streben, eine Schuld, eine unterbewusste Angst – die Möglichkeiten sind mannigfalig.

Weil viel bedacht werden will, arten Hintergrundgeschichten deshalb in der Länge mitunter aus. Ein guter Freund von mir, der ähnliche Überlegungen bei der Charaktererschaffung anstellt, schrieb für einen Charakter jüngst 30 vollbeschriebene Seiten Vorgeschichte. Zugegeben – dieser Charakter stieg auf Stufe 17 (DSA) ein – es musste also schon naturgemäß etwas mehr sein. Gleichwohl merkt man bei seiner Darstellung des Charaktervorlebens deutlich, dass es nicht einfach irgendein Retortenheld ist, sondern eine plastisch entwickelte Persönlichkeit (in diesem Fall im Übrigen eine Hexe).

Eine derartig ausgearbeitete Hintergrundgeschichte gibt einen großartigen Rahmen an die Hand, wie der Charakter zu spielen sein wird. Nebenbei erhöht sie dadurch meines Erachtens die „Glaubwürdigkeit“ der Charakterdarstellung enorm. Eine gut ausgearbeitete Hintergrundgeschichte ist daher unbedingt empfehlenswert.

Ungeachtet der Tatsache, dass ich diese Ansprüche an meine (wenigen) Charaktere beziehungsweise deren Vorgeschichten stelle, finde ich die Vorbereitung, das Obenstehende im Blick, äußerst mühsam. Dies liegt weniger am Schreiben selbst. Für mich liegt die Schwierigkeit darin, im Vorfeld den Charakter gedanklich aufzubauen und mit der Hintergrundwelt zu verweben. Vor allem geht es um den Einbau des gewissen „Extras“ – das ist oft bei der ersten Idee noch nicht habe.

Fast unnötig zu erwähnen, dass ich Forderungen, ein Charakter dürfte regelseitig in der Erstellung nur ein paar Minuten benötigen, nur völliges Unverständnis entgegenbringen kann.

Zudem wird deutlich, warum ich ausgearbeitete Spielwelten schätze (die ich selbst freilich auch kennen muss!) – nur deren vielschichtigen Hintergrundwelten ermöglichen eine Verzahung der Charaktervorgeschichte mit der Spielwelt und machen das „Extra“ möglich oder zumindest einfacher in der Implementierung.

Ein Charakter, auf dessen Geschichte ich sehr stolz bin, hatte daher eine Entstehungsphase von über vier Jahren. Von der ersten Idee (ein Uhrmacher) bis zur, für mich, zündenden Idee, die das „Extra“ darstellte, um ihn für mich zu komplettieren. Dann ging es aber schnell: Die zündende Idee hatte ich nächtens um kurz vor halb vier (es war eine Nacht auf Montag) – und um 8 Uhr standen zahlreiche Seiten – wenn auch noch nicht „druckreif“.

Soviel Zeit hatte ich diesmal, für die neue Runde, nicht. In wenigen Wochen schon sollte es losgehen! Ich musste mich daher eines Kunstgriffs bedienen, dessen Ausgang ungewiss ist: Ich werde einen Charakter spielen, der bereits 25 (echte) Jahre alt ist. Es handelt sich um die Magierschülerin meines Magiercharakters, den ich als ich Teenager spielte. Diese Schülerin hat nunmehr ihre Ausbildung abgeschlossen und ist regeltechnisch auf Stufe 1 (im aventurischen Jahr 1032 BF).

Die Schwierigkeit in diesem speziellen Fall war, die damaligen Erlebnisse, die man heute nicht mehr genauso replizieren würde (man könnte von „Jugendsünden“ sprechen), an die jetzigen Ansprüche anzupassen ohne sie zu verfälschen. Zudem musste ich mir viele Gedanken machen, wie die Wesenszüge dieses vormaligen Halb-NSC von damals heute wohl sind. Bedingt durch die erhebliche Vorgeschichte und Vorarbeit (teilweise auch schon verschriftlicht) war dies aber kurzfristig zu schaffen. Jedenfalls hatte ich zahlreiche Ideen, die ich schließlich im Wesentlichen auch zu Papier brachte und damit gedanklich noch besser verankerte.

Als Nebeneffekt kamen zahlreiche Erinnerungen hoch. Auch sprach ich mit einzelnen Mitspielern von damals – insgesamt eine tolle Erfahrung.

Nur die Zinnfigur steht noch aus – aber das wird bis zum zweiten Termin auch geschafft sein. Und wer weiß, ob es beim ersten Termin überhaupt Kämpfe gibt oder sonst eine Figur benötigt wird?

Schwieriger noch finde ich die Charaktererschaffung beim LARP. Ergänzend zu dem vorstehenden muss man nämlich auch noch die dem Liverollenspiel innewohnenden Unzulänglichkeiten bei der Charaktererschaffung berücksichtigen. Und vor allem auch die realweltiche Ausrüstung beschaffen. Das kann zum einen teuer sein. Zum anderen nervenaufreibend, weil die LARP-Händler oft katastrophal (oder gar nicht) organsiert sind; gerade wenn es um Einzelanfertigungen geht.

Zum Glück kann man in aller Regel davon ausgehen, dass einem ein LARP-Charakter wirklich lange erhalten bleibt.

Dass ist beim Pen & Paper-Rollenspiel nicht bei allen Systemen so. Mit Blick auf meine vorstehenden Mühen wird glaube ich klar, warum ich um Chutulu bislang stets einen großen Bogen machte – angeblich ist es im System angelegt, dass die Charaktere sterben oder verrückt werden. Das möge meiner Magierschülerin hoffentlich nach – in gewisser Weise – 25 Jahren Vorbereitungszeit nicht wiederfahren.

Sprachstile und Rollenspiel

Bei einem Fantasy-Rollenspielabend vor wenigen Wochen hatten wir eine neue Spielerin dabei, die zudem vergleichsweise jung war (Mitte 20). Ich kannte sie bereits ein wenig und eine bei uns sehr etablierte Spielerin kennt sie seit vielen Jahren. Der Abend war auch sehr lustig.

Mir fiel allerdings eine, für meine Begriffe, umfassende Verwendung von Anglizismen auf, die ich, offen gestanden, nur suboptimal fand. So misslang eine Probe nicht, sie wurde „gefailt“. Etwas gelang nicht sicher sondern „save“. Dies wurde als „Jugendsprache“ bezeichnet.

Auch in einer anderen Runde, verwendet vor allem ein, mit mir vergleichbar alter, Spieler, der jedoch seit langem im Ausland lebt, häufig englische Lehnwörter wie „Meeting“ (statt Zusammenkunft oder Austausch). Vor vielen Jahren hatte wir mal einen Magier der „Bannbaladin – ging, ey“ sagte, um einen erfolgreichen Zauber darzustellen. Darüber wurde noch lange gesprochen.

Die Beobachtung ist nicht auf Anglizismen beschränkt. Auch Wörter wie „Alter“ oder „Digga“ (statt Freund) „geil“ (statt großartig, man beachte die hier kontrovers diskutierten Varianten der Herr der Ringe-Übersetzung), finde ich beim Fantasy-Rollenspiel unpassend.

Perspektivisch frage ich mich, ob irgendwann im Fantasy-Rollenspiel gegendert wird. Auch dies empfände ich als höchst unschicklich.

Es stellen sich damit zwei Fragen für mich:

  1. Ist das überhaupt ein Problem?
  2. Wie soll ich damit umgehen?

Mir wurde verdeutlicht, das meine „Ausgangslage“ mein persönlicher Sprachstil ist. Diesen würde ich als klassisch hochdeutsch bezeichnen. Abweichungen davon fallen mir auf. Auch im beruflichen Kontext, sofern das Gespräch auf deutsch geführt wird, fällt mir die vermehrte Verwendung von Anglizismen durchaus auf.

Man muss aber freilich sehen, dass jemand anderes schlicht einen anderen Referenzrahmen haben kann. Dann sind andere Ausdrücke üblich.

Ich bin, wie bereits geschildert, der Auffassung, dass gerade Pen & Paper-Rollenspiel ganz wesentlich von der Sprache lebt. Bei einem Fantasy-Rollenspiel ist daher, aufgrund der Anleihen am Mittelalter, eine etwas altertümliche Sprache meines Erachtens naheliegend.

Nun weiß freilich auch ich, dass beim Fantasy-Rollenspiel mitnichten das Deutsch des Mittelalters gesprochen wird – gleichwohl war es für mich immer Usus, sich zumindest einer subjektiv altertümlichen Sprache zu bedienen – auch wenn diese so vielleicht historisch nicht existierte (am ehesten dürfte es das Deutsch von Dichtern wie Goethe oder Schiller sein).

Der Versuch der Förderung der Immersion ist auch keineswegs auf die Sprache beschränkt – man denke nur an die Hintergrundmusik, „stimmige“ „Handouts“ oder ggf. Kerzen. In einzelnen Abenteuern werden sogar Empfehlungen für die Farbe des Lichtes oder für das Essen gemacht. Jüngst las ich, man solle den Spielern die Augen verbinden, um die Situation der Charaktere möglichst gut nacherlebbar zu machen.

Dies im Blick finde ich es ist nicht vermessen, von jedem individuellen Bezugspunkt aus einen Schritt in eine etwas „stimmigere“ Sprache zu machen.

Wie also damit umgehen? Die Sache ist kniffelig. Schnell schließt man mit zu forschen Forderungen Spieler aus und die  Exklusivität der Alt-Rollenspieler getadelt. Ich möchte nicht ausgrenzend sein. Aber gleichzeitig möchte ich auch ein, ich denke nicht nur für mich, schönes Rollenspiel.

Zu Lösungen innerhalb des Spieles bieten sich an:

  1. Als Notbehelf kann man einzelne Wörter in die Spielwelt einfügen. „Okay“ ist beispielsweise in Aventurien ein mohisches Wort. Ein netter Kunstgriff – in den meisten anderen Fällen aber nicht umsetzbar.
  2. Man könnte die Spielwelt auf das unbekannte Wort reagieren lassen. Bei „Wir machen ein Meeting.“ könnte die Reaktion sein: „Was sagt Ihr? Ihr wollt einen Mietling machen? Nun Söldner findet ihr dort vorne zuhauf – allein, ich weiß nicht, wie uns das nützen mag.“

Das kann an schon mal machen – hat aber auch etwas Oberlehrerhaftes.

Es bleiben daher Lösungen außerhalb des Spieles: Jeder kann einfach ein wenig an seiner Wortwahl feilen. Auch das Ihrzen muss erst mal gelernt sein. Daher ist vielleicht die beste Lösung, den Wunsch nach einer etwas modifizierten Sprache mit Bedacht zu äußern, aber im Grunde jedem auch Zeit zu geben, sich insoweit zu entwickeln. Im Übrigen: Ganz anders sieht es ja bei SciFi-Rollenspielen aus! Bei Shadowrun zum Beispiel finde ich jedes der oben stehenden Wörter sehr passend!

Die Entwicklungen um die OGL – der Versuch einer Einordnung

Einführung

Wer, wie ich, nicht zumindest wöchentlich die Entwicklungen in der Rollenspiel-Szene verfolgt, erfährt von den Turbulenzen um die OGL eben aus der regulären Presse: Wizard of the Cost (Teil des Hasbro-Konzerns) überlegte die Open Game Licence (kurz: OGL) in der (noch) aktuellen Form 1.0a zurückziehen.

Ich wusste bislang nicht einmal, was das ist.

Im Kern ist die Lizenz der Grund, warum so viele Systeme auf das D&D-Regelwerk bauen. Ich dachte immer, dies läge (nur) an seiner weiten Popularität. Der, zumindest ergänzende, Punkt ist jedoch, dass diese Lizenz es im Kern ermöglicht, das D&D-Regelwerk kostenfrei zu verwenden. Die D&D-Welt ist davon nicht abgedeckt.

Nach dieser Erkenntnis stellte ich fest, dass beispielsweise das Iron Kingdoms-Rollenspielregelwerk unter dieser Lizenz veröffentlicht wurde. Sie findet sich auch ganz hinten im Regelbuch.

Der Stein des Anstoßes ist nicht (nur), dass die OGL in der Version 1.0a zurückgezogen werden sollte. Sie sollte offenbar auch durch eine neue Version 1.1 ersetzt werden.

Dies wurde bereits am 21. Dezember 2022 von Wizards of the Coast angekündigt. Auch, dass ab einem Umsatz mit Produkten unter der OGL ab 50.000 USD eine Registrierung vorgesehen sein würde. Ab einem Umsatz in Höhe von ab 750.000 USD wurde eine Lizenzgebühr in Aussicht gestellt, über deren Höhe sich jedoch im Dezember noch ausgeschwiegen wurde. Ergänzend sah die Version 1.1 der OGL vor, dass nur noch für gedruckte, „statische“ Medien („printed media or static electronic files (like epubs and PDF)s“), aber nicht mehr für elektronisch Produkte, wie insbesondere virtuelle Pen & Paper-Umgebungen wie VTT („other content such as video games or virtual tabletops (VTTs)“) gelten soll.

Diese Ankündigung, mehr aber noch die, von Wizard of the Cost nicht bewilligte Veröffentlichung einer Vorabversion der OGL 1.1 im Januar 2023 löste jedoch ein mannigfaltiges Echo aus. Der Tenor, der sich in den Stellungnahmen des Hasbro-Konzern wiederfindet, deutete an, dass die Vorlage einigermaßen akkurat dem tatsächlichen Vorhaben entsprach.

Ab einem Umsatz von 750.000 USD sollte, so die im Januar 2023 veröffentlichte Entwurfsversion der OGL 1.1, nunmehr eine Lizenzgebühr in Höhe von i.d.R. 25 % des Umsatzes (u.U. 20 %) fällig werden. Zudem sieht dieser Entwurf vor, dass der Lizenzgeber die Rechte zur Reproduktion und zum Vertrieb an solchen Produkten erhält, die unter der OGL 1.1 veröffentlicht wurden.

Wenige Wochen nach der Veröffentlichung dieses Entwurfs, veröffentlichte Wizards of the Coast am 19. Januar 2023 einen neuen Entwurf einer Version 1.2 der OGL. Dieser durfte kommentiert werden.

Diese Version der OGL enthält keine Registrierungspflicht mehr für Lizenzinhaber und sieht auch keine Lizenzzahlungen mehr vor. Auch sieht diese kein Recht des Lizenzgebers mehr vor, Produkte der Lizenznehmer zu vervielfältigen. Gleichwohl sieht sie eine Sonderbehandlung für nicht gedruckte Medien (wie VTT) vor.

Die Kommentierung der OLG 1.2 wurde am 27. Januar 2023 vorzeitig beendet. In diesem Zusammenhang verkündete Wizards of the Coast, dass die OGL 1.0a in Kraft bleibt und keine Änderung vorgenommen werden.

Reaktionen

Die Veröffentlichung der OGL 1.1, obgleich nicht von Wizards of the Coast beabsichtigt, wurde in mehreren Kommentaren sehr negativ aufgenommen. Es wurde insbesondere hinterfragt, ob die OGL 1.0a überhaupt zurückgezogen werden könne.

Zahlreiche. Benutzer kündigten ihr Abonnement bei D&D Beyond (angeblich wurde die Abmeldefunktion abgeschaltet und nur noch eine Kündigung per E-Mail wurde ermöglicht, wobei schließlich 10.000 E-Mails unbeantwortet gewesen seien), um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Angeblich unterschrieben über 77.000 Personen einen offenen Brief, um sich gegen die Version 1.1 zu positionieren.

Schließlich kündigte zuerst Paizo, dann Ulisses an, ihre jeweiligen Regelwerke (d.h. u.a. das Pathfinder-Regelwerk, die Versionen der DSA-Regelwerke [soweit möglich] und das Hexxen-Regelwerk) in einem ähnlichen Rahmen, wie es mit der OGL 1.0a der Fall war (bzw. noch ist) freizugeben, und diese Freigabe unwiderruflich zu erklären.

Zu den vorgenannten Punkte kann ich auf die Next Quest-Videos Ulisses vom 16. Januar 2023 und 19. Januar 2023 verweisen, wo die jüngsten Entwicklungen aber auch die Historie der OGL ausführlich erklärt werden.

Einordnung

Im Folgenden möchte ich mich mit folgenden Aspekten befassen:

  1. Was ist der Anreiz, die OGL überhaupt zurückzuziehen oder zu ändern?
  2. Geht das rechtlich? Was sind die Konsequenzen oder Probleme?
  3. War der Druck der Öffentlichkeit ursächlich, die Version 1.1 durch eine Version 1.2 zu ersetzen oder die Pläne schließlich insgesamt ad acta zu legen?
  4. Wie ist die Ankündigung anderer Verlage einzuschätzen, ihre Regelwerke ebenfalls freigeben zu wollen?

Ad 1:

Dies wird aus meiner Sicht in weiten Teilen in Video Ulisses‘ gut erklärt. Hintergrund der Lizenzänderung ist freilich die Generierung von Erlösen. Die Lizenz wurde aus meiner Sicht in Version 1.0a zunächst freigegeben, um das D&D-Regelwerk weitgehend zu etablieren. Wenn möglichst viele Systeme und damit Spieler das D&D-Regelwerk verwenden (auch wenn es so nicht firmiert, sondern als 5E), etabliert es sich als de facto-Standard.

Ökonomisch spielen hierbei Netzwerkeffekte die entscheidende Rolle: Bei einer weiten Verbreitung des D&D-Regelwerkes wird die Verwendung eines anderen Regelwerkes zunehmend schwieriger Viele Spieler wollen gerne bei dem vertrauten Regelwerk bleiben, zumal es dieses für viele Spielwelten gibt. Andere Spielwelten können hierdurch einen kompetitiven Nachteil erleiden. Für Wizards of the Coast stellt sich ein finanzieller Vorteil ein, da das Grundregelwerk vielfach verkauft wird. Auch Zusatzprodukte, die mit allen Spielwelten kompatibel sind, werden in größerer Zahl nachgefragt. Durch die größeren Verkaufszahlen werden Skaleneffekterealisiert, die Fixkosten pro Stück fallen und der Gewinn steigt.

Gelingt es nun, auch von den anderen Büchern, die nicht von Wizards of the Coast, sondern anderen Verlagen unter der OGL veröffentlicht werden, einen Teil des Erlöses abzuschöpfen, ist dieser Zusatzerlös praktisch in Gänze unmittelbar gewinnerhöhend.

Ad 2:

Grundlegend könnte in Frage stehen, ob man ein Regelwerk überhaupt schützen kann. Dies sieht legal eagle kritisch. Er meint, reine Ideen seien nicht schützbar. In der Tat sind bloße Ideen nicht schutzfähig, nur die Form, in der eine Idee dargebracht wird. Dungeons & Dragons als Idee wäre damit nicht geschützt, wohl aber die Art und Weise, wie diese Idee umgesetzt wird, auch in der Spielanleitung. Mit Blick darauf, dass keiner der bisherigen Lizenznehmer ernsthaft die Schutzfähigkeit in Frage gestellt hat, dürfte diese Auffassung überwiegend geteilt werden.

Zahlreiche Kommentatoren meinen demgegenüber, die OGL könne in der Version 1.0a nicht zurückgezogen werden, da diese auf eine unbefristete Dauern („perpetual“) vorsieht (Punkt 4.). Gleichwohl sieht Punkt 9. Die Möglichkeit einer Aktualisierung („Updating“) der Lizenz vor.

Nach meiner Lesart ist daher eine Änderung der OGL zu einer OGL 1.1 oder 1.2 möglich.

Im Grunde kann nämlich jede Vereinbarung gekündigt werden. Falls keine Kündigungsfrist zwischen den Parteien bei der Nutzungsaufnahme festgelegt wurde, ist eine angemessene zu wählen. Zudem macht Punkt 9. explizit eine Änderung möglich und wäre daher im Zweifel als „Spezialfall“ gegenüber der allgemeinen Aussage aus Punkt 4. prärogativ. Selbst dann, falls die Kündigung ausdrücklich nicht vorgesehen oder sogar ausgeschlossen sein sollte, wäre sie aus wichtigem Grund in der Regel möglich.

Diese Erkenntnis hat sich mittlerweile meines Erachtens durchgesetzt; andernfalls hätte zum Beispiel Ulisses in dem zweiten vorstehenden Video nicht die Kündigung ausgiebig diskutiert und deren Folgen, zum Beispiel für unter der Lizenz veröffentlichte Inhalte ihrer Internetplattform („Scriptorium“) angerissen.

Die Möglichkeit einer Kündigung ist bei Lichte betrachtet auch keinesfalls verwunderlich: Mir bekannt ist die Rücknahme der Myranor-Lizenz vom Uhrwerk-Verlag durch Ulisses oder, ganz aktuell, die absehbare Rücknahme der Battletech-Lizenz von Ulisses durch Catalyst. Der Uhrwerk-Verlag musste infolgedessen offenbar das fast fertig Myranor-Regelwerk für DSA5 einstellen; Battletech muss anscheinend die Romanreihe „Kell Hounds“ vom Markt nehmen. Angeblich müssen sogar nicht verkaufte Bücher vernichtet werden. Insofern sollte die Verwunderung darüber, dass bislang unter der OGL 1.0a veröffentlichte Bücher nicht weiter vertrieben werden dürfen, eigentlich überschaubar sein.

Allein bereits verkaufte, also vom Endkunden bereits erworbene, Produkte bleiben freilich bestehen. Das ergibt sich schon daraus, dass die Endkunden gar keinen Vertrag mit dem Lizenzgeber Wizards of the Coast haben, sondern nur die Rollenspiel-Verlage.

Eine bestenfalls andiskutierte Frage ist, welches Recht überhaupt anwendbar ist. Für den hier vorliegenden Fall ist vor allem die zivilrechtliche Zuständigkeit relevant.

Die OGL 1.0a enthält keine Festlegung, welches Recht Anwendung finden soll. Der reinen Lehre nach ist dann das sog. Kollisionsrecht einschlägig. Im deutschen Recht ist dieses im EGBGB beschrieben, wobei die sog. ROM-I-VO in der Regel prioritär gilt. Diese Regelungen sind jedoch nicht mit den US-Kollisionsrecht abgestimmt. De facto wird die Jurisdiktion daher auch davon abhängen, wer Klage einreicht und wo.

Hasbro oder Wizards of the Coast würden vermutlich Unterlassungs- oder Leistungsklage in den USA erheben; ein deutscher Lizenznehmer vermutlich Feststellungsklage in Deutschland. Schon allein die Frage, wer dies zuerst tut, kann relevant sein, da das jeweils andere Verfahren üblicherweise pausieren würde. Realiter wird auch eine Rolle spielen, welches Gericht angerufen wird und wie komod sich die Richter mit dem grenzüberschreitenden Sachverhalt fühlen, um diesen zuzulassen.

Im vorliegenden Fall ist es tendenziell wahrscheinlicher, dass der Lizenzgeber seine vermeintlichen Ansprüche aus der OGL 1.1 (oder .2) durchsetzen möchte. Es käme daher zur Unterlassungs- oder Leistungsklage, die bei entsprechender Vorbereitung in den USA verhandelt werden würde.

Ergo: Rechtliche Probleme dürften bei der Entscheidung, die OGL in der Version 1.0a zu belassen im Ergebnis eine untergeordnete Rolle gespielt haben.

Ad 3:

Unter andern in der Washington Post wird angeführt, die zahlreichen Kündigungen der Wizard of the Coast-Plattform D&D Beyond hätten zur Änderung der OGL von der Version 1.1. zu der Version 1.2 geführt. Dies wäre typischerweise der Fall gewesen, wenn die Umsatzeinbrüche aufgrund dieser Kündigungen so hoch gewesen wären, dass die Geschäftsführung Wizards of the Coasts eine Schädigung des Unternehmenswertes vermutete.

Ein Abonnement bei D&D Beyond kostet 2,99 USD für Spieler und 5,99 USD für Spielleiter im Monat. Angenommen, basierend auf den angeblich 10.000 unbeantworteten E-Mails, nachdem die übliche Kündigungsmöglichkeit per Klick herausgenommen wurde, es hätten 20.000 Abonnenten gekündigt. Dann ergäbe sich, unter den Annahme, dass jeder fünfte ein Spielleiter ist, ein monatliche Umsatzausfall in Höhe von 4.000 x 5,99 USD + 16.000 x 2,99 USD = 71.800 USD. Das sind 861.600 USD im Jahr. Der Hasbro-Konzern soll im Geschäftsjahr 2022 Umsatzerlöse in Höhe von 5,9 Mrd. USD ausweisen (letzte Konsensus-Schätzung). Der mögliche Wegfall der 20.000 Abonnenten macht also gerade mal 0,015% der Umsatzerlöse aus. Immerhin dürften diese Umsatzerlöse, aufgrund von Grenzkosten nahe Null, voll auf den Jahresüberschuss durchschlagen. Dieser soll für das Geschäftsjahr 2022 analog bei 623 Mio. USD liegen. Der mögliche Verlust macht also 1,4% des Jahresüberschuss aus.

Es ist also zunächst nicht naheliegend, dass diese Kündigungen an der Entscheidung des Hasbro-Konzerns etwas geändert haben. Zumal, da im Falle einer Umsetzung der OGL in der Version 1.1 diesen Erlösrückgängen mutmaßliche Lizenzerlöse gegenübergestanden hätten.

Auch der Börsenkurs Hasbros reagierte kaum im Zusammenhang mit diesen Geschehnissen:

Eigene Recherche

Zwar schließt der Aktienkurs in der 5. Januar 2023, an dem die OGL 1.1 in der Presse diskutiert wird, 1,9% höher. In gleicher Weise steigen aber auch die hier als Vergleich gewählte Indices. Als am 13. Januar 2023, eine Pressemitteilung über D&D Beyond veröffentlicht wird, bleibt der Aktienkurs praktisch konstant (+0,02%). Nur am Tage der Ankündigung der OGL 1.2 geht der Kurs um 4% zurück – wobei ebenfalls bei den Indices ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen war.

Mit Blick darauf, dass ökonometrisch der Kurs Hasbros (sonst) weniger schwankt als die Indices (für Feinschmecker: Der Betafaktor ist kleiner als 1), spricht in der zunächst einiges für eine Marktreaktion aufgrund der Entwicklungen um die OGL. Andererseits steigt der Hasbro-Kurs über den Betrachtungszeitraum (schaffierte Fläche) – und zwar stärker als die Indices. Wenn überhaupt, schätze der Kapitalmarkt die Entwicklung offenbar positiv ein.

Ich neige daher zu der Schlußfolgerung, dass die Kündigungen bei D&D Beyond zunächst bestenfalls einen nachrangigen Einfluss auf die wirtschaftliche Lage des Hasbros-Konzerns hatten.

Darüber hinaus scheint mir bei näherer Betrachtung die Anpassungen in der OGL 1.2 nicht verwunderlich, sondern erwartbar – ungeachtet der Reaktionen von Kunden oder Vertragspartnern. Dies führe ich auch zwei Überlegungen zurück.

  1. Lizenzrate unrealistisch hoch
    Zum einen halte ich die avisierte Lizenzrate von 25 % ab einem Umsatz des Lizenznehmers mit OGL-lizenzierten Produkten von 750.000 USD für absurd überzogen. Ich habe recht viel Erfahrung mit der Festlegung marktüblicher Lizenzraten (steuerlich spricht man von Drittvergleichstauglichkeit).

    Eine (ganz) grobe Faustregel besagt, dass 25 % bis 33 % der EBIT-Marge eines Unternehmens auf das Vorhandensein eines geistigen Eigentumsrechts zurückzuführen ist (dies ist die sog. Knoppe-Formel). Unterstellt man (mangels anderer Daten), dass die EBIT-Marge Hasbros auch für das D&D-Geschäft maßgeblich ist, könnte einen Lizenzrate in Höhe von 3,88% bis 5,12% ermittelt werden (die erwartete EBIT-Marge Hasbros für das Geschäftsjahr 2022 beträgt 15,52%).

    Die kolportierte Lizenzrate von 25% ist weit oberhalb der EBIT-Marge Hasbros. Man muss sich auch bewusst sein, dass die Margen im Pen & Paper-Rollenspiel-Bereich nach allem was ich höre, sehr dünn sind. Auch vor diesem Hintergrund dürfte eine Lizenzrate in Höhe von 25% schichtweg utopisch sein.

    Aus meiner Erfahrung heraus schätze ich (ohne dedizierte Analyse), dass eine Lizenzrate von 5% für das D&D-System als Ganzes, also nicht nur das Regelwerk, angemessen sein könnte.

    Als Vergleich mögen die Lizenzrate für Star Wars herangezogen werden. Angeblich liegt diese bie 16,7% für Videospiele oder 15 bis 20% für Hasbro als Lizenznehmer für Spiele. Die Star Wars-Lizenz sollte aber weitaus wertvoller sein, als die des Dungeons & Dragons-Regelwerks (nicht etwa der Spielwelt!). Auch dies zeigt, dass eine Lizenzrate von 25% höchstwahrscheinlich völlig unrealistisch ist. Ausweislich der zweiten genannte Quelle, war die Lizenzrate für die Star Wars-Welt vor 1990 übrigens bei 5%.

    Die Lizenzrate von 25% dürfte daher nicht ernsthaft in Erwägung gezogen worden sein. Da der Entwurf der OGL 1.1 auch ohne Wollen des Hasbro-Konzerns veröffentlicht wurde, ist es gut denkbar, dass dieser wenig ausgegoren war.
  2. Lizenzgebühren aus praktischen Gründen nicht erhebbar

    Zum anderen wird sich das in dem Entwurf der OGL 1.1. angesprochene und bereits am 22. Dezember 2022 angekündigte Lizenzsystem aus praktischen Gründen nicht implementieren lassen. Verträge können nur zwischen natürlichen oder juristischen Personen (also z.B. einzelnen Unternehmen), nicht aber mit einem Konzern geschlossen werden. Das bedeutet, dass zunächst jede einzelne rechtlich selbstständige Teil eines Konzerns separat 750.000 USD überschreiten müsste, bis eine Lizenzzahlung fällig werden würde Mir ist unklar, wie der kombinierte Umsatz bei beispielsweise mehreren Vertriebsunternehmen erfasst werden soll.

    Selbst im Falle einer kombinierten finanziellen Berichterstattung, dem sog. Konzernabschluss, sind Umsätze nach Lizenzen oft in der Regel nicht mal buchhalterisch, aber sicher nicht öffentlich, verfügbar.

    Dieses Problemfeld ist auch steuerlich oft relevant, weil die Verschiebung von Umsatzerlösen auf bestimmte Gesellschaften oder Regionen innerhalb eines Konzerns zur Verminderung der Steuerlast genutzt werden kann. Allein – die Finanzämter haben mannigfaltige, gesetzlich festgeschriebene Informationsrechte und können Gestaltungen prüfen. Der Hasbro-Konzern hat diese Möglichkeiten in der Regel wohl nicht.

    Fragen der Währungsumrechnung kommen noch dazu.

    Andere Lizenzabkommen werden üblicherweise bilateral geschlossen, so dass derartige Feinheiten vertraglich zwischen spezifischen Vertragspartnern geklärt werden können. Eine pauschale Lizenz, die allein durch konkludentes Handeln verwendet wird, kann dies vertraglich kaum leisten.

    Als Gegenargument könnte angeführt werden, dass zahlreiche der Lizenznehmer über keine Konzernstruktur verfügen und daher nur mit einer Gesellschaft tätig sind. Dies ist für Wizards of the Coast aber nicht ersichtlich. Zudem werden gerade kleinere Lizenznehmer tendenziell ohnehin unter die 750.000 USD-Schwelle fallen.

    Ich kann mir daher gut vorstellen, dass man seitens des Hasbro-Konzerns beziehungsweise seitens Wizard of the Coast zwischenzeitlich zu dem Ergebnis kam, das Lizenzmodell aus der Entwurfs-Version 1.1 der OGL aufgrund der problematischen Operationalisierbarkeit zu verwerfen. Für diese These spricht auch, dass in der Stellungnahme vom 21. Dezember 2022 angekündigt wurde, dass überhaupt nur rund 20 Lizenznehmer zahlungspflichtig werden würden. Mit so einer überschaubaren Anzahl kann man bilateral Lizenzverträge schließen und umgeht die oben stehenden Probleme. Da zumindest einer, der wohl wichtigste, Lizenznehmer, Roll a Die ohnehin kein gedrucktes, „statisches“ Medium anbietet, wäre dieser nach Aufhebung der OGL 1.0a ohnehin ohne Lizenz und müsste verhandeln.

Die OLG 1.1 und .2 könnten daher eine geringere Rolle gespielt haben; die Reaktionen hierauf wären dem Kapitalmarkt dann gleichgültig gewesen.

Gleichwohl ist festzustellen, dass am 27. Januar 2023 der Beibehalt der OGL 1.0a verkündet wurde. Der Kurs am darauffolgenden Tag fiel überaus stark, ohne dass diese Bewegung auch bei den Indices beobachtet werden kann. Letztlich gab es also doch einen Grund, die OGL in der aktuellen Form beizubehalten, was vom Kapitalmarkt so nicht gesehen wurde, beziehungsweise in der Relevanz unterschätzt wurde. Dies dürfte an Folgendem liegen:

Ad 4:

Paizo, aber auch Ulisses, kündigten an, nunmehr ihre Regelwerke (ebenfalls) kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Hierzu möchte Paizo ein der OGL ähnliches Abkommen erstellen, die Open RPG Creative Licence („ORC“). Auch diese Lizenz (als rechtliches Dokument) soll frei verfügbar sein, so dass Ulisses auf dieser Basis eine deutsche Version für den deutschen Rechtsraum entwickeln möchte. Insbesondere soll diese so angelegt sein, dass sie nicht zurückgezogen oder geändert werden kann.

Für die Rollenspiel-Branche ist dies aus Kundensicht eine positive Entwicklung. Aus meiner Sicht vor allem deshalb, weil die Regelwerke unterschiedliche Spielstile bedienen. Während das DSA-Regelwerk eher simulationistisch geprägt ist (wenn auch, in der Version 5, mit stärkeren gameistischen Elementen), hat das Hexxen-Regelwerk einen eher narrativistischen Einschlag. Das Pathfinder-Regelwerk ist im Vergleich zum DSA-Regelwerk weitaus weniger komplex und, meines Wissens, ähnlich zum D&D-Regelwerk.

Für die Hersteller verbirgt sich hinter dieser Strategie, so denke ich, die Hoffnung, ihre jeweiligen Regelwerke als de facto-Standard(s) etablieren zu können – ganz ähnlich, wie das bei Wizards of the Coast mit dem D&D-Regelwerk gelang. Wie oben geschildert, könnten Netzwerkeffekte anschließend einen Wechsel zu anderen Systemen erschweren und den Absatz der jeweils eigenen Regelwerke stärken.

Im Grunde ist das ein tragfähiger Gedanke. Man sollte aber im Blick haben, dass der Pen & Paper-Rollenspielmarkt überschaubar groß ist – und in weiten Teilen von dem D&D-Regelwerk besetzt ist, dass bereits den Vorteil des Netzwerkeffekts auf seiner Seite hat (sog. „First Mover Advantage“). Inwiefern sich hier weitere Sub-Märkte herausbilden können, die über Netzwerkeffekte zusammengehalten werden, vermag ich nicht zu erkennen. Hierbei hat das Pathfinder-Regelwerk eine besondere Rolle: Als D&D-Abspaltung hat es den Vorteil, dass es dem D&D-Regelwerk vergleichbar sein dürfte. Der Wechsel sollte den Spielern daher leichter fallen.

Zudem könnte die Ulisses-Regelwerke auftrumpfen, deren Regelwerke anders gestaltet sind. Bedauerlicherweise sind diese aber auch international weniger bekannt, so dass die Etablierung eines internationalen Sub-Marktes, der groß genug ist, um über Netzwerkeffekte weiter zu wachsen oder selbsttragend zu sein, unwahrscheinlicher oder teurer wird.

Im Extremfall folgen weitere Regelwerke dem Beispiel von Paizos und Ulisses – dann wäre die Marktstruktur insoweit relativ unverändert – und der Vorteil, dass bestimmte Regelwerke offen sind, bestünde im Vergleich nicht mehr. Nur im relativen Vergleich zum D&D-Regelwerk wäre ein Vorteil erlangt worden (bzw. der vormalige Vorteil des D&D-Regelwerks aufgehoben). Das D&D-Regelwerk  ist jedoch bereits, wie geschildert, der de facto-Standard. Dies düfte sich gerade in diesen Monaten nochmals verfestigen, weil just in Bälde, am 30. März 2023, der Film Dungeons & Dragons: Honor Among Thieves erscheinen wird. Ich sprach jüngst mit einigen maßgeblichen Vertretern der Kinobranche der DACH-Region. Demnach wird dieser Film als einer der erfolgreichsten im Jahr 2023 eingeschätzt (bzw. dies erhofft). Zuschauer, die den Film sehen werden und sich künftig für Pen & Paper-Rollenspiel interessieren, dürften naheliegenderweise zu Dungeons & Dragons greifen. Daher könnte es als fraglich gelten, ob sich die Marktstruktur substantiell verändern wird.

Dennoch wurde die OGL-Änderung am 27. Januar 2023 zurückgezogen. Für mich gibt es damit eigentlich nur eine Erklärung: Die Spieler haben D&D (zunächst wohl D&D Beyond) in einem Maße den Rücken gekehrt oder dies wurde befürchtet, dass zwar Wizards of the Coast vermuten musste, ihre Vormachtstellung zu verlieren. In der Tat ergab die Umfrage zur OGL 1.2 offenbar, dass rund 90% der Kunden eine OGL-Änderung nicht begrüßen und sogar ihr Geschäftsmodell umstellen wollen. 90% ist eine ganze Menge.

Unabhängig von den überschaubaren wegfallenden Einnahmen durch D&D Beyond kann dies für das System dramatisch sein und insbesondere auch Lizenzprodukte der Spielwelt, wie den Film, künftig verhindern oder in Mitleidenschaft ziehen. Dann gäbe es im Extremfall einen noch viel stärkeren negativen Einfluss auf die Umsatzerlöse. Unter kommerziellen Gesichtspunkten mag man da zum Ergebnis kommen, besser auf mögliche Erlöse aus einer neuen OGL-Version zu verzichten als auf aktuelle Erlöse aus der Spielerschaft.

Denn: Falls die abgewanderten Spieler schnell ein neues System finden, mit dem sie ebenfalls gut zurechtkommen (dies wäre gerade bei Pathfinder gut denkbar), sind sie verloren und kommen absehbar auch nicht zurück. Die Netzwerkeffekte laufen dann gegen D&D. Ich könnte mir daher vorstellen, dass diese Sorge für Hasbro und Wizards of the Coast zu groß war und letzlich eingelenkt wurde.

Merke: Der Kunde entscheidet. Gerade in einem so kleinen Markt, wie dem Rollenspielmarkt haben auch (in absoluten Zahlen) kleine und damit recht leicht zu mobilisierende Gruppen schon maßgeblichen Einfluss.