Bild des Monats

Der alte Wanderer

Rollenspielbilder mit künstlicher Intelligenz generieren

Mein früherer, wirklich guter Shadowrun-Spielleiter hatte zu allen wichtige Nichtspielercharakteren ein Portraitbild vorbereitet. Dieses hatte er vor dem jeweiligen Termin per Google-Bildersuche gefunden. In frühen Tagen waren diese ausgedruckt und wurden herumgereicht. Später zeigte er es auf einem großen Monitor an.

Ich fand das immer klasse und wollte dies übernehmen. Allerdings bin ich in der Regel DSA-Spielleiter. Für Fantasy-Charaktere gibt es aber nicht ansatzweise so viele Portraitbilder im Internet, wie für Charaktere, die in ähnlicher Weise auch in der Jetzt-Zeit existieren könnten. So weiß ich noch, dass ich für Dalida d’Abbastanza aus der Lamea-Kampagne sehr lange, und letztlich erfolglos, das Internet durchsuchte.

Auch mühevoll, aber letztlich doch einfacher, ist das Finden von Spielercharakterportraits über pinterest und dergleichen. Da man diese zum Glück nur selten benötigt (nämlich bei der Erstellung) und ich mich zudem hier etwas freier wähne (schließlich wird gerade erstellt), klappt das einigermaßen. Details stimmen oft aber nicht – so gelang es mir noch nie, ein gutes Bild mit für mich passendem Zauberstab für einen Magiercharakter zu finden. Oder ich bin mit dem Stil nicht in Gänze zufrieden und dergleichen.

Jüngst aber lernte ich, dass diese Probleme der Vergangenheit angehören könnten. Ein guter Freund von mir kaufte sich jüngst einen neuen Computer – und zwar einen der (aktuellen) Spitzenklasse. Relevant ist insbesondere, dass der Arbeitsspeicher der Graphikkarte zwölf Gigabyte groß ist. Dies ist Voraussetzung zur sinnvollen Nutzung von Stable Diffusion. Mit einer Beschreibung erstellt diese „Künstliche Intelligenz“ mit der Oberfläche Automatic1111 in kurzer Zeit Bilder, z.B. Portraits – und kann diese auch weiter nach unten, im Wege des sog. outpaintings, ausbauen, so dass der Oberkörper dazukommt. Im Nachgang kann man noch jede Menge verfeinern („inpainting“). Mit etwas Zeit gelang es uns so, recht gute Bilder zu erstellen. Das folgende Bild benötigte zum Beispiel nur wenige Minuten zur Erstellung:

Quelle: Eigene Erstellung mit Stable Fusion

Auch der erste Versuch ist oft schon recht ordentlich – und für Nichtspielercharaktere genügt das in aller Regel. Wichtig ist vor allem, dass das Programm einen Zufallsfaktor hat – die erstellten Bilder sind daher nicht identisch (solange man nicht den gleichen „Seed“, so heißt der Zufallsfaktor, benutzt). Ein paar Vorlagen mit Beschreibungen genügen also.

Dieses Programm dürfte es ermöglichen, insbesondere auch ad hoc, passende oder zufallsgenerierte Portraitbilder für Nichtspielercharaktere zu generieren. Großartig! Das dürfte der Immersion sehr zuträglich sein.

Mein einziger Wehmutstropfen ist, dass mein Laptop bei weitem nicht über genug Graphikkarten-Arbeitsspeicher verfügt (zwei Gigabyte statt zwölf) – aber dieses Problem wird die Zeit lösen. Zudem sei der Vollständigkeit halber auf die Möglichkeit hingewiesen, über eine „Plugin“ externe Rechenleistung aus der Cloud für Automatic1111 zu verwenden – das haben wir aber bislang nicht getestet.

Aktuell experimentiert der besagte Freund übrigens damit, Bilder im Yüce-Stil zu generieren. Hierzu haben wir das Programm mit Yüce-Bildern „gefüttert“, damit es den Stil immitieren kann. Der „erste Schuß“ ist zwar sicher nicht wirklich gut, sieht aber auch nicht schlecht aus. Vor allem der Hintergrund ist gelungen. Die Figur im Vordergrund ist aber etwas zu „knallig“ für meinen Geschmack. Details sind auch noch nicht ideal.

Quelle: Eigene Erstellung mit Stable Fusion auf Basis von 26 Yüce-Bildern

Unterschiede zwischen Spielercharakteren und Nichtspielercharakteren (?)

„You seem trustworthy“ – so begrüßen die Charaktere im Film „The Gamers“ ihren neuen Magier nach sehr kurzer Vorstellung, der damit Teil der Heldengruppe wird. In der Film-Parodie wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Charakter, weil er ein Spielercharakter und kein Nichtspielercharakter ist, sofort Teil der Gruppe wird.

Logisch ist dies freilich nicht. In der Spielwelt können die Charaktere realistischerweise nicht erkennen, ob eine Figur von einem Spieler oder von dem Spielleiter geführt wird. Dennoch ist eine solche Unterscheidung immer wieder zu beobachten: Eine Spielerfigur liegt in ihrem Blut? – Kein Problem, der Spielermagier hilft aus, auch wenn dies so anstrengend ist, dass es seine Zauberkraft dauerhaft schwächt. Eine Nichtspielerfigur in der sonst identischen Szene (mit vergleichbarer Vorgeschichte) – muss sterben. C’est la vie. Oder eben: C’est la mort.

Ich finde das zumindest unglücklich. Ich kann in Einzelfällen verstehen, dass auf einer sehr abstrakten Metaebene Unterscheidungen getroffen werden (dazu später mehr) – aber die plumpe Art der vorstehenden Beispiele ist für mich nicht wünschenswert. Wie ist das innerweltlich zu erklären? Ich kenne kein Rollenspielsystem, wo innerweltlich zwischen Figuren erster Klasse (Spielercharakteren) und Figuren zweiter Klasse (Nichtspielercharakteren) unterschieden wird.

Leider pflegen, der fehlenden Entsprechung in der Spielwelt ungeachtet, auch viele Rollenspielregelwerke einer solche Unterscheidung:

  • Bei DSA stand zumindest in alten Versionen bei bestimmten Zaubern, dass diese nur mächtigen Nichtspielercharakteren vorbehalten seien. Man fragt sich, was wohl geschähe, wenn die Spielercharaktere einen solchen Nichtspielercharakter träfen und überzeugen (oder zwingen) sein Wissen zu teilen – was geschieht dann?
  • In Hexxen erfüllt es mich immer wieder aufs Neue mit Verwunderung, dass Spielercharaktere nicht sterben können, wenn nicht die ganze Gruppe im Sterben liegt. Nichtspielercharaktere aber schon! Ich habe deshalb schon angeregt, dass ein Spielercharakter Kämpfen doch fernbleiben sollte, um die anderen unbesiegbar werden zu lassen. Die Resonanz auf diesen Vorschlag war nur bedingt positiv.

Im Internet stieß ich kürzlich auf eine Diskussion, in der erörtert wurde, ob die Eltern eines Spielercharakters sterben dürften, wenn dies der Handlung dienlich wäre. Mir ist in weiten Teilen völlig unklar, was dagegen sprechen könnte. Sollte es der Lebenserfahrung der in der Spielwelt Lebenden entsprechen, dass bestimmte Familien geschützt werden, weil eines der Kinder auf Abenteuer auszieht. Falls dies bejaht wird: Warum senden die anderen Familien dann nicht auch jemanden aus…?

Zum Glück bin ich häufig Spielleiter und kann Auswüchse wie die Vorstehenden recht gut beschneiden. Natürlich kann bei DSA jeder Spielercharakter theoretisch jeden Zauber beimir erlernen. Es kann allerdings sehr schwer sein – nicht aber schwerer, als es für Nichtspielercharaktere ist.

Als besonders gelungen fand ich, dass ich mal einen Gastspieler in eine Spielgruppe einschleuste, der sich später als Verräter herausstellte. Da sich alle Spieler im Realleben kannten und der Gastspieler einen den Spielern (nicht aber den Charakteren) bekannten Charakter spielte, wurde dieser nach dem oben stehenden Motto „You seem trustworthy“ unmittelbar in die Gruppe aufgenommen. Er konnte von dort wunderbar alle möglichen Geheimnisse erfahren und an die Antagonisten der Spielercharakter spiegeln. Im Endkampf, der kritisch verlief, stellte sich der eingeschleuste Spielercharakter plötzlich gegen die Gruppe. Das Entsetzen war natürlich groß. Aber gelobt wurde die Sache im Nachgang auch. Zudem ist dies nun eine der meist erinnerten Rollenspielszenen überhaupt.

In einer Dark Heresy-Runde, in der ich war, gab es etwas Ähnliches – allerdings war der entsprechende Verräter-Charakter bereits von Anfang an bei den anderen Charakteren und die Überraschung vielleicht noch etwas größer.

Eine andere Idee, die ich dem (überaus gelungenen) DSA-Abenteuer „Die Unsichtbaren Herrscher“ entnahm, ist die Spielercharaktere ob ihrer Taten zu Rede zu stellen: Eine weitere Imparität besteht nämlich darin, dass diese auf ihren Abenteuern regelmäßig jede Menge Nichtspielercharaktere erschlagen, dies jedoch folgenlos bleibt. Realiter sollten dies aber alles Personen mit einer Familie und Freunden sein. Je nach Handlung sind die Antagonisten der Spielercharaktere auch nicht klar böse. Dies im Blick war das Geschehen nur naheliegend: Die Spielercharaktere wurden von einem Familienangehörigen gejagt – schließlich von einer anderen Heldengruppe, welche die „Mörder“ der Gerichtsbarkeit überstellen wollte. Das Spieler- und Charakterverhalten war überaus interessant.

Es zeigt sich also: Ich bin der Meinung, dass innerhalb der Spielwelt keine Unterscheidung zwischen Spieler- und Nichtspielercharakteren gemacht werden sollte.

Der entscheidende Punkt, und damit kommen wir zur Ausnahme, ist der Einschub „innerhalb der Spielwelt“. Wie auch schon beim meinem Plädoyer für Simulationismus in der Spielwelt bzw. dem -system, kann außerhalb der Spielwelt, eine Unterscheidung erfolgen – und sogar hilfreich sein.

So erwarte ich von Spielleiter und Spielerschaft auf einer dem Spiel vorgelagerten Ebene beispielsweise, dass eine Kompatibilität zwischen Charakteren zu der Geschichte bestehen muss. Wenn nämlich klar ist, dass, um das oben stehende Beispiel aufzugreifen, das Überleben der Familie eines Spielercharakters für dessen Konzept wichtig ist, sollte diese natürlich nicht dahingerafft werden. Allein – in diesem Falle sollte dies auch nicht hilfreich für die Handlung sein, sondern es sollte sinnvoll sein, dass die Familie am Leben bleibt!

In ähnlicher Weise erwarte ich auch, dass die Charaktere untereinander so zusammengestellt sind, dass es zwar gerne Konflikte geben darf – aber bitte keine, die gar nicht oder nur mit der de facto Verunmöglichung der Darstellung eines Charakters lösbar sind.

Bei einer Gestaltung auf einer der Spielwert übergeordnete Ebene, wird die gekünstelte Unterscheidung zwischen den Spieler- und Nichtspielercharakteren aus „Metagründen“ in der Regel gar nicht benötigt. Darüber hinaus ist sie meines Erachtens ohnehin verfehlt.

Warmachine MK IV – Statusbericht vom Spielfeldrand

Nach meinem kritischen Kommentar ob der Zukunft Warmahordes im Oktober 2022 sind rund vier Monate ins Land gegangen. Mit Blick auf Erkenntnisse vor allem in der letzten Woche möchte ich einen kurzen Zwischenbericht geben.

Insgesamt sind die Entwicklungen leider überwiegend trostlos. Zum einen wurde so ziemlich alles verschoben, was verschoben werden kann. Die Mehrzahl der Spieler hängt daher ein wenig in der Luft. MK3 spielen viele nicht mehr – MK4 noch nicht. Entsprechend sind die Preise der alten Miniaturen nochmals gut gefallen.

Angekündigt wurde in den letzten Wochen ein Wachturm und weiteres Gelände für MK4. Eigentlich ganz gut könnte man meinen – die Reaktionen waren mit Blick auf das Obenstehende aber negativ – man solle doch erst mal die Miniaturen für das eigentliche Spiel herausbringen, bevor „Ergänzungen“ auf den Markt kommen. Zudem ist Gelände leicht mit dem anderer Hersteller substituierbar und daher nicht elementar für das Spiel.

Offenbar sind die Probleme schleppender Veröffentlichungspolitik und der Folgen auf die Dynamik im Spiel sogar dem Privateer Press-Management nicht völlig entgangen, so dass viele alte Figuren (nun doch?) auch in MK4 Prime Verwendung finden sollen. Hierdurch lindert sich ein wenig der Not fehlender Veröffentlichungen – gleichzeitig dürfte es nicht dem Kalkül entsprechen, den Privateer Press bei Ankündigung der neuen Edition im Sinn hatte.

Mein Eindruck ist gleichwohl, dass die Spielerschaft und vor allem die Multiplikatoren weniger werden. Ganz konkret macht Dice & Duty nunmehr einen Warhammer-Podcast. Auf meine Anfrage erfuhr ich auch, dass man gerne auch wieder Warmahordes machen wolle – die Spielerschaft aber sei nochmals kleiner geworden und die aktuelle Entwicklung in Deutschland biete einfach gegenwärtig zu wenig Potential. Der wichtigste Kopf hinter dem Podcast schrieb auf Discord zudem, dass er bei MK4, wenn überhaupt, nur die Grimkin spielen wolle. Diese sind eine sogenannte Limited Release Faction, die in Gänze zu MK4 übergehen – man muss also einstweilen keine neue Miniaturen kaufen. Für Privateer Press ein sicher nicht völlig ideales (aus meiner Sicht aber nicht zu kritisierendes) Kundenverhalten.

Der große amerikanische Line of Sight-Podcast behandelt schon länger auch nur noch Warhammer – und möchte dort auch bleiben. Die Macher verantworten auch die sehr gute Warhammer University, für die schon vor Monaten angekündigt wurde, dass ein Wechsel zu MK4 nicht erfolgen wird.

Auf der „Habenseite“ muss man sehen, dass der Mark the Target-Podcast die Bildfläche betrat, der explizit MK4 im Fokus hat. Hier kamen bislang auch immer wieder mal, wenn auch unregelmäßig, neue Folgen. Auch hier nahm ich Kontakt mit den Machern auf – mit Blick auf die Veröffentlichungspolitik ist die positive Grundstimmung aber leider auch dort am Zurückgehen.

Es gibt aber einen Lichtblick – zumindest aus Sicht des Kundensentiments: In der letzten Woche wurden Skizzen künftiger Modelle – offenbar einer neuen Fraktion von Trollpiraten – vorgestellt, die, soweit ich dies überblicken kann, sehr gut aufgenommen wurden. Ganz zum Ende des Ankündigungsvideos (3:29) wird zudem das Logo einer weiteren neuen Fraktion gezeigt, die möglicherweise eine Kombination zweier Drachen (aus dem Hintergrund heraus sind Bligherghast und Nidoboros naheliegend) als Anführer hat.

Im hier skizzierten Kontext zudem Sinn, den Blick über den Tellerrand zu wagen. Dann sieht man, dass Games Workshop offenbar ganz erhebliche Schwierigkeiten mit der Auslieferung von Waren hat. Zunächst erinnert mich dies an den Privateer Press-Vertrieb. Aber: Grundsätzlich bietet eine Schwäche des Marktführers natürlich den Wettbewerbern die Chance eines Auftrumpfens – gerade bei Warmahordes, da Privateer Press in MK2-Zeiten schonmal eine Schwäche Games Workshops sehr erfolgreich nutzen konnte und gerade ohnehin eine Editionswechsel vollzieht.

Allein – die Chance auch eine Übernahme von Marktanteilen ist nur überschaubar groß und müsste freilich auch angegangen werden. Davon ist zumindest aus meiner Sicht nichts zu bemerken. Es fehlt schlicht an jedweder Dynamik bei der Marktbearbeitung.

Man muss sich jedoch vergegegenwärtigen, dass diese Probleme der Spieles und des Herstellers letztlich nicht die eigenen sein müssen – bei uns wird unverändert fast jede Woche Warmahordes MK3 gespielt.

Von (meinen) Schwierigkeiten bei der Charaktererschaffung

Meistens bin ich beim Pen & Paper-Rollenspiel, allen voran bei DSA, Spielleiter. Die Frage der Charaktererschaffung stellt sich daher so oft für mich nicht.

Vor einigen Wochen jedoch, ist etwas ungewöhnliches geschehen: Es soll eine neue DSA-Runde gegründet werden  – und ich darf Spieler sein!

Also musste ein Charakter her. Was also tun?

Die Genese eines Charakters ist bei mir eine schwerfällige Angelegenheit. Anfangs dachte ich bei der Charaktererschaffung oft von den Fähigkeiten her, was ich spielen möchte („soll mit der Armbrust schießen können“). Später standen die Wesenszüge im Vordergrund, wie der Charakter zu spielen sein wird. Heute möchte ich, dass diese Wesenszüge aus dem Hintergrund erwachsen, der gleichsam Motivation und Anknüpfungspunkte für mögliche künftige Erlebnisse, aber auch Erklärung für die Fähigkeiten des Charakter ist. Letztendlich muss man sich das wie eine Iteration vorstellen, bei dem erwünschte Wesenszüge und Hintergrund einander gegenseitig beeinflussen, bis sie in einem Gleichgewicht sind. Die Fähigkeiten auf dem Charakterbogen entstehen dann quasi als Abfallprodukt in einem nachgelagerten Schritt (dann, wenn man den Charakter auf Basis des vorstehenden regeltechnisch erstellt).

Hierbei ist mir wichtig, dass bei der Hintergrundgeschichte das gewisse „Extra“ dabei ist. Was das ist, ist einzelfallabhängig. Ein dunkles Geheimnis, ein heimliches Streben, eine Schuld, eine unterbewusste Angst – die Möglichkeiten sind mannigfalig.

Weil viel bedacht werden will, arten Hintergrundgeschichten deshalb in der Länge mitunter aus. Ein guter Freund von mir, der ähnliche Überlegungen bei der Charaktererschaffung anstellt, schrieb für einen Charakter jüngst 30 vollbeschriebene Seiten Vorgeschichte. Zugegeben – dieser Charakter stieg auf Stufe 17 (DSA) ein – es musste also schon naturgemäß etwas mehr sein. Gleichwohl merkt man bei seiner Darstellung des Charaktervorlebens deutlich, dass es nicht einfach irgendein Retortenheld ist, sondern eine plastisch entwickelte Persönlichkeit (in diesem Fall im Übrigen eine Hexe).

Eine derartig ausgearbeitete Hintergrundgeschichte gibt einen großartigen Rahmen an die Hand, wie der Charakter zu spielen sein wird. Nebenbei erhöht sie dadurch meines Erachtens die „Glaubwürdigkeit“ der Charakterdarstellung enorm. Eine gut ausgearbeitete Hintergrundgeschichte ist daher unbedingt empfehlenswert.

Ungeachtet der Tatsache, dass ich diese Ansprüche an meine (wenigen) Charaktere beziehungsweise deren Vorgeschichten stelle, finde ich die Vorbereitung, das Obenstehende im Blick, äußerst mühsam. Dies liegt weniger am Schreiben selbst. Für mich liegt die Schwierigkeit darin, im Vorfeld den Charakter gedanklich aufzubauen und mit der Hintergrundwelt zu verweben. Vor allem geht es um den Einbau des gewissen „Extras“ – das ist oft bei der ersten Idee noch nicht habe.

Fast unnötig zu erwähnen, dass ich Forderungen, ein Charakter dürfte regelseitig in der Erstellung nur ein paar Minuten benötigen, nur völliges Unverständnis entgegenbringen kann.

Zudem wird deutlich, warum ich ausgearbeitete Spielwelten schätze (die ich selbst freilich auch kennen muss!) – nur deren vielschichtigen Hintergrundwelten ermöglichen eine Verzahung der Charaktervorgeschichte mit der Spielwelt und machen das „Extra“ möglich oder zumindest einfacher in der Implementierung.

Ein Charakter, auf dessen Geschichte ich sehr stolz bin, hatte daher eine Entstehungsphase von über vier Jahren. Von der ersten Idee (ein Uhrmacher) bis zur, für mich, zündenden Idee, die das „Extra“ darstellte, um ihn für mich zu komplettieren. Dann ging es aber schnell: Die zündende Idee hatte ich nächtens um kurz vor halb vier (es war eine Nacht auf Montag) – und um 8 Uhr standen zahlreiche Seiten – wenn auch noch nicht „druckreif“.

Soviel Zeit hatte ich diesmal, für die neue Runde, nicht. In wenigen Wochen schon sollte es losgehen! Ich musste mich daher eines Kunstgriffs bedienen, dessen Ausgang ungewiss ist: Ich werde einen Charakter spielen, der bereits 25 (echte) Jahre alt ist. Es handelt sich um die Magierschülerin meines Magiercharakters, den ich als ich Teenager spielte. Diese Schülerin hat nunmehr ihre Ausbildung abgeschlossen und ist regeltechnisch auf Stufe 1 (im aventurischen Jahr 1032 BF).

Die Schwierigkeit in diesem speziellen Fall war, die damaligen Erlebnisse, die man heute nicht mehr genauso replizieren würde (man könnte von „Jugendsünden“ sprechen), an die jetzigen Ansprüche anzupassen ohne sie zu verfälschen. Zudem musste ich mir viele Gedanken machen, wie die Wesenszüge dieses vormaligen Halb-NSC von damals heute wohl sind. Bedingt durch die erhebliche Vorgeschichte und Vorarbeit (teilweise auch schon verschriftlicht) war dies aber kurzfristig zu schaffen. Jedenfalls hatte ich zahlreiche Ideen, die ich schließlich im Wesentlichen auch zu Papier brachte und damit gedanklich noch besser verankerte.

Als Nebeneffekt kamen zahlreiche Erinnerungen hoch. Auch sprach ich mit einzelnen Mitspielern von damals – insgesamt eine tolle Erfahrung.

Nur die Zinnfigur steht noch aus – aber das wird bis zum zweiten Termin auch geschafft sein. Und wer weiß, ob es beim ersten Termin überhaupt Kämpfe gibt oder sonst eine Figur benötigt wird?

Schwieriger noch finde ich die Charaktererschaffung beim LARP. Ergänzend zu dem vorstehenden muss man nämlich auch noch die dem Liverollenspiel innewohnenden Unzulänglichkeiten bei der Charaktererschaffung berücksichtigen. Und vor allem auch die realweltiche Ausrüstung beschaffen. Das kann zum einen teuer sein. Zum anderen nervenaufreibend, weil die LARP-Händler oft katastrophal (oder gar nicht) organsiert sind; gerade wenn es um Einzelanfertigungen geht.

Zum Glück kann man in aller Regel davon ausgehen, dass einem ein LARP-Charakter wirklich lange erhalten bleibt.

Dass ist beim Pen & Paper-Rollenspiel nicht bei allen Systemen so. Mit Blick auf meine vorstehenden Mühen wird glaube ich klar, warum ich um Chutulu bislang stets einen großen Bogen machte – angeblich ist es im System angelegt, dass die Charaktere sterben oder verrückt werden. Das möge meiner Magierschülerin hoffentlich nach – in gewisser Weise – 25 Jahren Vorbereitungszeit nicht wiederfahren.

Sprachstile und Rollenspiel

Bei einem Fantasy-Rollenspielabend vor wenigen Wochen hatten wir eine neue Spielerin dabei, die zudem vergleichsweise jung war (Mitte 20). Ich kannte sie bereits ein wenig und eine bei uns sehr etablierte Spielerin kennt sie seit vielen Jahren. Der Abend war auch sehr lustig.

Mir fiel allerdings eine, für meine Begriffe, umfassende Verwendung von Anglizismen auf, die ich, offen gestanden, nur suboptimal fand. So misslang eine Probe nicht, sie wurde „gefailt“. Etwas gelang nicht sicher sondern „save“. Dies wurde als „Jugendsprache“ bezeichnet.

Auch in einer anderen Runde, verwendet vor allem ein, mit mir vergleichbar alter, Spieler, der jedoch seit langem im Ausland lebt, häufig englische Lehnwörter wie „Meeting“ (statt Zusammenkunft oder Austausch). Vor vielen Jahren hatte wir mal einen Magier der „Bannbaladin – ging, ey“ sagte, um einen erfolgreichen Zauber darzustellen. Darüber wurde noch lange gesprochen.

Die Beobachtung ist nicht auf Anglizismen beschränkt. Auch Wörter wie „Alter“ oder „Digga“ (statt Freund) „geil“ (statt großartig, man beachte die hier kontrovers diskutierten Varianten der Herr der Ringe-Übersetzung), finde ich beim Fantasy-Rollenspiel unpassend.

Perspektivisch frage ich mich, ob irgendwann im Fantasy-Rollenspiel gegendert wird. Auch dies empfände ich als höchst unschicklich.

Es stellen sich damit zwei Fragen für mich:

  1. Ist das überhaupt ein Problem?
  2. Wie soll ich damit umgehen?

Mir wurde verdeutlicht, das meine „Ausgangslage“ mein persönlicher Sprachstil ist. Diesen würde ich als klassisch hochdeutsch bezeichnen. Abweichungen davon fallen mir auf. Auch im beruflichen Kontext, sofern das Gespräch auf deutsch geführt wird, fällt mir die vermehrte Verwendung von Anglizismen durchaus auf.

Man muss aber freilich sehen, dass jemand anderes schlicht einen anderen Referenzrahmen haben kann. Dann sind andere Ausdrücke üblich.

Ich bin, wie bereits geschildert, der Auffassung, dass gerade Pen & Paper-Rollenspiel ganz wesentlich von der Sprache lebt. Bei einem Fantasy-Rollenspiel ist daher, aufgrund der Anleihen am Mittelalter, eine etwas altertümliche Sprache meines Erachtens naheliegend.

Nun weiß freilich auch ich, dass beim Fantasy-Rollenspiel mitnichten das Deutsch des Mittelalters gesprochen wird – gleichwohl war es für mich immer Usus, sich zumindest einer subjektiv altertümlichen Sprache zu bedienen – auch wenn diese so vielleicht historisch nicht existierte (am ehesten dürfte es das Deutsch von Dichtern wie Goethe oder Schiller sein).

Der Versuch der Förderung der Immersion ist auch keineswegs auf die Sprache beschränkt – man denke nur an die Hintergrundmusik, „stimmige“ „Handouts“ oder ggf. Kerzen. In einzelnen Abenteuern werden sogar Empfehlungen für die Farbe des Lichtes oder für das Essen gemacht. Jüngst las ich, man solle den Spielern die Augen verbinden, um die Situation der Charaktere möglichst gut nacherlebbar zu machen.

Dies im Blick finde ich es ist nicht vermessen, von jedem individuellen Bezugspunkt aus einen Schritt in eine etwas „stimmigere“ Sprache zu machen.

Wie also damit umgehen? Die Sache ist kniffelig. Schnell schließt man mit zu forschen Forderungen Spieler aus und die  Exklusivität der Alt-Rollenspieler getadelt. Ich möchte nicht ausgrenzend sein. Aber gleichzeitig möchte ich auch ein, ich denke nicht nur für mich, schönes Rollenspiel.

Zu Lösungen innerhalb des Spieles bieten sich an:

  1. Als Notbehelf kann man einzelne Wörter in die Spielwelt einfügen. „Okay“ ist beispielsweise in Aventurien ein mohisches Wort. Ein netter Kunstgriff – in den meisten anderen Fällen aber nicht umsetzbar.
  2. Man könnte die Spielwelt auf das unbekannte Wort reagieren lassen. Bei „Wir machen ein Meeting.“ könnte die Reaktion sein: „Was sagt Ihr? Ihr wollt einen Mietling machen? Nun Söldner findet ihr dort vorne zuhauf – allein, ich weiß nicht, wie uns das nützen mag.“

Das kann an schon mal machen – hat aber auch etwas Oberlehrerhaftes.

Es bleiben daher Lösungen außerhalb des Spieles: Jeder kann einfach ein wenig an seiner Wortwahl feilen. Auch das Ihrzen muss erst mal gelernt sein. Daher ist vielleicht die beste Lösung, den Wunsch nach einer etwas modifizierten Sprache mit Bedacht zu äußern, aber im Grunde jedem auch Zeit zu geben, sich insoweit zu entwickeln. Im Übrigen: Ganz anders sieht es ja bei SciFi-Rollenspielen aus! Bei Shadowrun zum Beispiel finde ich jedes der oben stehenden Wörter sehr passend!

Die Entwicklungen um die OGL – der Versuch einer Einordnung

Einführung

Wer, wie ich, nicht zumindest wöchentlich die Entwicklungen in der Rollenspiel-Szene verfolgt, erfährt von den Turbulenzen um die OGL eben aus der regulären Presse: Wizard of the Cost (Teil des Hasbro-Konzerns) überlegte die Open Game Licence (kurz: OGL) in der (noch) aktuellen Form 1.0a zurückziehen.

Ich wusste bislang nicht einmal, was das ist.

Im Kern ist die Lizenz der Grund, warum so viele Systeme auf das D&D-Regelwerk bauen. Ich dachte immer, dies läge (nur) an seiner weiten Popularität. Der, zumindest ergänzende, Punkt ist jedoch, dass diese Lizenz es im Kern ermöglicht, das D&D-Regelwerk kostenfrei zu verwenden. Die D&D-Welt ist davon nicht abgedeckt.

Nach dieser Erkenntnis stellte ich fest, dass beispielsweise das Iron Kingdoms-Rollenspielregelwerk unter dieser Lizenz veröffentlicht wurde. Sie findet sich auch ganz hinten im Regelbuch.

Der Stein des Anstoßes ist nicht (nur), dass die OGL in der Version 1.0a zurückgezogen werden sollte. Sie sollte offenbar auch durch eine neue Version 1.1 ersetzt werden.

Dies wurde bereits am 21. Dezember 2022 von Wizards of the Coast angekündigt. Auch, dass ab einem Umsatz mit Produkten unter der OGL ab 50.000 USD eine Registrierung vorgesehen sein würde. Ab einem Umsatz in Höhe von ab 750.000 USD wurde eine Lizenzgebühr in Aussicht gestellt, über deren Höhe sich jedoch im Dezember noch ausgeschwiegen wurde. Ergänzend sah die Version 1.1 der OGL vor, dass nur noch für gedruckte, „statische“ Medien („printed media or static electronic files (like epubs and PDF)s“), aber nicht mehr für elektronisch Produkte, wie insbesondere virtuelle Pen & Paper-Umgebungen wie VTT („other content such as video games or virtual tabletops (VTTs)“) gelten soll.

Diese Ankündigung, mehr aber noch die, von Wizard of the Cost nicht bewilligte Veröffentlichung einer Vorabversion der OGL 1.1 im Januar 2023 löste jedoch ein mannigfaltiges Echo aus. Der Tenor, der sich in den Stellungnahmen des Hasbro-Konzern wiederfindet, deutete an, dass die Vorlage einigermaßen akkurat dem tatsächlichen Vorhaben entsprach.

Ab einem Umsatz von 750.000 USD sollte, so die im Januar 2023 veröffentlichte Entwurfsversion der OGL 1.1, nunmehr eine Lizenzgebühr in Höhe von i.d.R. 25 % des Umsatzes (u.U. 20 %) fällig werden. Zudem sieht dieser Entwurf vor, dass der Lizenzgeber die Rechte zur Reproduktion und zum Vertrieb an solchen Produkten erhält, die unter der OGL 1.1 veröffentlicht wurden.

Wenige Wochen nach der Veröffentlichung dieses Entwurfs, veröffentlichte Wizards of the Coast am 19. Januar 2023 einen neuen Entwurf einer Version 1.2 der OGL. Dieser durfte kommentiert werden.

Diese Version der OGL enthält keine Registrierungspflicht mehr für Lizenzinhaber und sieht auch keine Lizenzzahlungen mehr vor. Auch sieht diese kein Recht des Lizenzgebers mehr vor, Produkte der Lizenznehmer zu vervielfältigen. Gleichwohl sieht sie eine Sonderbehandlung für nicht gedruckte Medien (wie VTT) vor.

Die Kommentierung der OLG 1.2 wurde am 27. Januar 2023 vorzeitig beendet. In diesem Zusammenhang verkündete Wizards of the Coast, dass die OGL 1.0a in Kraft bleibt und keine Änderung vorgenommen werden.

Reaktionen

Die Veröffentlichung der OGL 1.1, obgleich nicht von Wizards of the Coast beabsichtigt, wurde in mehreren Kommentaren sehr negativ aufgenommen. Es wurde insbesondere hinterfragt, ob die OGL 1.0a überhaupt zurückgezogen werden könne.

Zahlreiche. Benutzer kündigten ihr Abonnement bei D&D Beyond (angeblich wurde die Abmeldefunktion abgeschaltet und nur noch eine Kündigung per E-Mail wurde ermöglicht, wobei schließlich 10.000 E-Mails unbeantwortet gewesen seien), um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Angeblich unterschrieben über 77.000 Personen einen offenen Brief, um sich gegen die Version 1.1 zu positionieren.

Schließlich kündigte zuerst Paizo, dann Ulisses an, ihre jeweiligen Regelwerke (d.h. u.a. das Pathfinder-Regelwerk, die Versionen der DSA-Regelwerke [soweit möglich] und das Hexxen-Regelwerk) in einem ähnlichen Rahmen, wie es mit der OGL 1.0a der Fall war (bzw. noch ist) freizugeben, und diese Freigabe unwiderruflich zu erklären.

Zu den vorgenannten Punkte kann ich auf die Next Quest-Videos Ulisses vom 16. Januar 2023 und 19. Januar 2023 verweisen, wo die jüngsten Entwicklungen aber auch die Historie der OGL ausführlich erklärt werden.

Einordnung

Im Folgenden möchte ich mich mit folgenden Aspekten befassen:

  1. Was ist der Anreiz, die OGL überhaupt zurückzuziehen oder zu ändern?
  2. Geht das rechtlich? Was sind die Konsequenzen oder Probleme?
  3. War der Druck der Öffentlichkeit ursächlich, die Version 1.1 durch eine Version 1.2 zu ersetzen oder die Pläne schließlich insgesamt ad acta zu legen?
  4. Wie ist die Ankündigung anderer Verlage einzuschätzen, ihre Regelwerke ebenfalls freigeben zu wollen?

Ad 1:

Dies wird aus meiner Sicht in weiten Teilen in Video Ulisses‘ gut erklärt. Hintergrund der Lizenzänderung ist freilich die Generierung von Erlösen. Die Lizenz wurde aus meiner Sicht in Version 1.0a zunächst freigegeben, um das D&D-Regelwerk weitgehend zu etablieren. Wenn möglichst viele Systeme und damit Spieler das D&D-Regelwerk verwenden (auch wenn es so nicht firmiert, sondern als 5E), etabliert es sich als de facto-Standard.

Ökonomisch spielen hierbei Netzwerkeffekte die entscheidende Rolle: Bei einer weiten Verbreitung des D&D-Regelwerkes wird die Verwendung eines anderen Regelwerkes zunehmend schwieriger Viele Spieler wollen gerne bei dem vertrauten Regelwerk bleiben, zumal es dieses für viele Spielwelten gibt. Andere Spielwelten können hierdurch einen kompetitiven Nachteil erleiden. Für Wizards of the Coast stellt sich ein finanzieller Vorteil ein, da das Grundregelwerk vielfach verkauft wird. Auch Zusatzprodukte, die mit allen Spielwelten kompatibel sind, werden in größerer Zahl nachgefragt. Durch die größeren Verkaufszahlen werden Skaleneffekterealisiert, die Fixkosten pro Stück fallen und der Gewinn steigt.

Gelingt es nun, auch von den anderen Büchern, die nicht von Wizards of the Coast, sondern anderen Verlagen unter der OGL veröffentlicht werden, einen Teil des Erlöses abzuschöpfen, ist dieser Zusatzerlös praktisch in Gänze unmittelbar gewinnerhöhend.

Ad 2:

Grundlegend könnte in Frage stehen, ob man ein Regelwerk überhaupt schützen kann. Dies sieht legal eagle kritisch. Er meint, reine Ideen seien nicht schützbar. In der Tat sind bloße Ideen nicht schutzfähig, nur die Form, in der eine Idee dargebracht wird. Dungeons & Dragons als Idee wäre damit nicht geschützt, wohl aber die Art und Weise, wie diese Idee umgesetzt wird, auch in der Spielanleitung. Mit Blick darauf, dass keiner der bisherigen Lizenznehmer ernsthaft die Schutzfähigkeit in Frage gestellt hat, dürfte diese Auffassung überwiegend geteilt werden.

Zahlreiche Kommentatoren meinen demgegenüber, die OGL könne in der Version 1.0a nicht zurückgezogen werden, da diese auf eine unbefristete Dauern („perpetual“) vorsieht (Punkt 4.). Gleichwohl sieht Punkt 9. Die Möglichkeit einer Aktualisierung („Updating“) der Lizenz vor.

Nach meiner Lesart ist daher eine Änderung der OGL zu einer OGL 1.1 oder 1.2 möglich.

Im Grunde kann nämlich jede Vereinbarung gekündigt werden. Falls keine Kündigungsfrist zwischen den Parteien bei der Nutzungsaufnahme festgelegt wurde, ist eine angemessene zu wählen. Zudem macht Punkt 9. explizit eine Änderung möglich und wäre daher im Zweifel als „Spezialfall“ gegenüber der allgemeinen Aussage aus Punkt 4. prärogativ. Selbst dann, falls die Kündigung ausdrücklich nicht vorgesehen oder sogar ausgeschlossen sein sollte, wäre sie aus wichtigem Grund in der Regel möglich.

Diese Erkenntnis hat sich mittlerweile meines Erachtens durchgesetzt; andernfalls hätte zum Beispiel Ulisses in dem zweiten vorstehenden Video nicht die Kündigung ausgiebig diskutiert und deren Folgen, zum Beispiel für unter der Lizenz veröffentlichte Inhalte ihrer Internetplattform („Scriptorium“) angerissen.

Die Möglichkeit einer Kündigung ist bei Lichte betrachtet auch keinesfalls verwunderlich: Mir bekannt ist die Rücknahme der Myranor-Lizenz vom Uhrwerk-Verlag durch Ulisses oder, ganz aktuell, die absehbare Rücknahme der Battletech-Lizenz von Ulisses durch Catalyst. Der Uhrwerk-Verlag musste infolgedessen offenbar das fast fertig Myranor-Regelwerk für DSA5 einstellen; Battletech muss anscheinend die Romanreihe „Kell Hounds“ vom Markt nehmen. Angeblich müssen sogar nicht verkaufte Bücher vernichtet werden. Insofern sollte die Verwunderung darüber, dass bislang unter der OGL 1.0a veröffentlichte Bücher nicht weiter vertrieben werden dürfen, eigentlich überschaubar sein.

Allein bereits verkaufte, also vom Endkunden bereits erworbene, Produkte bleiben freilich bestehen. Das ergibt sich schon daraus, dass die Endkunden gar keinen Vertrag mit dem Lizenzgeber Wizards of the Coast haben, sondern nur die Rollenspiel-Verlage.

Eine bestenfalls andiskutierte Frage ist, welches Recht überhaupt anwendbar ist. Für den hier vorliegenden Fall ist vor allem die zivilrechtliche Zuständigkeit relevant.

Die OGL 1.0a enthält keine Festlegung, welches Recht Anwendung finden soll. Der reinen Lehre nach ist dann das sog. Kollisionsrecht einschlägig. Im deutschen Recht ist dieses im EGBGB beschrieben, wobei die sog. ROM-I-VO in der Regel prioritär gilt. Diese Regelungen sind jedoch nicht mit den US-Kollisionsrecht abgestimmt. De facto wird die Jurisdiktion daher auch davon abhängen, wer Klage einreicht und wo.

Hasbro oder Wizards of the Coast würden vermutlich Unterlassungs- oder Leistungsklage in den USA erheben; ein deutscher Lizenznehmer vermutlich Feststellungsklage in Deutschland. Schon allein die Frage, wer dies zuerst tut, kann relevant sein, da das jeweils andere Verfahren üblicherweise pausieren würde. Realiter wird auch eine Rolle spielen, welches Gericht angerufen wird und wie komod sich die Richter mit dem grenzüberschreitenden Sachverhalt fühlen, um diesen zuzulassen.

Im vorliegenden Fall ist es tendenziell wahrscheinlicher, dass der Lizenzgeber seine vermeintlichen Ansprüche aus der OGL 1.1 (oder .2) durchsetzen möchte. Es käme daher zur Unterlassungs- oder Leistungsklage, die bei entsprechender Vorbereitung in den USA verhandelt werden würde.

Ergo: Rechtliche Probleme dürften bei der Entscheidung, die OGL in der Version 1.0a zu belassen im Ergebnis eine untergeordnete Rolle gespielt haben.

Ad 3:

Unter andern in der Washington Post wird angeführt, die zahlreichen Kündigungen der Wizard of the Coast-Plattform D&D Beyond hätten zur Änderung der OGL von der Version 1.1. zu der Version 1.2 geführt. Dies wäre typischerweise der Fall gewesen, wenn die Umsatzeinbrüche aufgrund dieser Kündigungen so hoch gewesen wären, dass die Geschäftsführung Wizards of the Coasts eine Schädigung des Unternehmenswertes vermutete.

Ein Abonnement bei D&D Beyond kostet 2,99 USD für Spieler und 5,99 USD für Spielleiter im Monat. Angenommen, basierend auf den angeblich 10.000 unbeantworteten E-Mails, nachdem die übliche Kündigungsmöglichkeit per Klick herausgenommen wurde, es hätten 20.000 Abonnenten gekündigt. Dann ergäbe sich, unter den Annahme, dass jeder fünfte ein Spielleiter ist, ein monatliche Umsatzausfall in Höhe von 4.000 x 5,99 USD + 16.000 x 2,99 USD = 71.800 USD. Das sind 861.600 USD im Jahr. Der Hasbro-Konzern soll im Geschäftsjahr 2022 Umsatzerlöse in Höhe von 5,9 Mrd. USD ausweisen (letzte Konsensus-Schätzung). Der mögliche Wegfall der 20.000 Abonnenten macht also gerade mal 0,015% der Umsatzerlöse aus. Immerhin dürften diese Umsatzerlöse, aufgrund von Grenzkosten nahe Null, voll auf den Jahresüberschuss durchschlagen. Dieser soll für das Geschäftsjahr 2022 analog bei 623 Mio. USD liegen. Der mögliche Verlust macht also 1,4% des Jahresüberschuss aus.

Es ist also zunächst nicht naheliegend, dass diese Kündigungen an der Entscheidung des Hasbro-Konzerns etwas geändert haben. Zumal, da im Falle einer Umsetzung der OGL in der Version 1.1 diesen Erlösrückgängen mutmaßliche Lizenzerlöse gegenübergestanden hätten.

Auch der Börsenkurs Hasbros reagierte kaum im Zusammenhang mit diesen Geschehnissen:

Eigene Recherche

Zwar schließt der Aktienkurs in der 5. Januar 2023, an dem die OGL 1.1 in der Presse diskutiert wird, 1,9% höher. In gleicher Weise steigen aber auch die hier als Vergleich gewählte Indices. Als am 13. Januar 2023, eine Pressemitteilung über D&D Beyond veröffentlicht wird, bleibt der Aktienkurs praktisch konstant (+0,02%). Nur am Tage der Ankündigung der OGL 1.2 geht der Kurs um 4% zurück – wobei ebenfalls bei den Indices ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen war.

Mit Blick darauf, dass ökonometrisch der Kurs Hasbros (sonst) weniger schwankt als die Indices (für Feinschmecker: Der Betafaktor ist kleiner als 1), spricht in der zunächst einiges für eine Marktreaktion aufgrund der Entwicklungen um die OGL. Andererseits steigt der Hasbro-Kurs über den Betrachtungszeitraum (schaffierte Fläche) – und zwar stärker als die Indices. Wenn überhaupt, schätze der Kapitalmarkt die Entwicklung offenbar positiv ein.

Ich neige daher zu der Schlußfolgerung, dass die Kündigungen bei D&D Beyond zunächst bestenfalls einen nachrangigen Einfluss auf die wirtschaftliche Lage des Hasbros-Konzerns hatten.

Darüber hinaus scheint mir bei näherer Betrachtung die Anpassungen in der OGL 1.2 nicht verwunderlich, sondern erwartbar – ungeachtet der Reaktionen von Kunden oder Vertragspartnern. Dies führe ich auch zwei Überlegungen zurück.

  1. Lizenzrate unrealistisch hoch
    Zum einen halte ich die avisierte Lizenzrate von 25 % ab einem Umsatz des Lizenznehmers mit OGL-lizenzierten Produkten von 750.000 USD für absurd überzogen. Ich habe recht viel Erfahrung mit der Festlegung marktüblicher Lizenzraten (steuerlich spricht man von Drittvergleichstauglichkeit).

    Eine (ganz) grobe Faustregel besagt, dass 25 % bis 33 % der EBIT-Marge eines Unternehmens auf das Vorhandensein eines geistigen Eigentumsrechts zurückzuführen ist (dies ist die sog. Knoppe-Formel). Unterstellt man (mangels anderer Daten), dass die EBIT-Marge Hasbros auch für das D&D-Geschäft maßgeblich ist, könnte einen Lizenzrate in Höhe von 3,88% bis 5,12% ermittelt werden (die erwartete EBIT-Marge Hasbros für das Geschäftsjahr 2022 beträgt 15,52%).

    Die kolportierte Lizenzrate von 25% ist weit oberhalb der EBIT-Marge Hasbros. Man muss sich auch bewusst sein, dass die Margen im Pen & Paper-Rollenspiel-Bereich nach allem was ich höre, sehr dünn sind. Auch vor diesem Hintergrund dürfte eine Lizenzrate in Höhe von 25% schichtweg utopisch sein.

    Aus meiner Erfahrung heraus schätze ich (ohne dedizierte Analyse), dass eine Lizenzrate von 5% für das D&D-System als Ganzes, also nicht nur das Regelwerk, angemessen sein könnte.

    Als Vergleich mögen die Lizenzrate für Star Wars herangezogen werden. Angeblich liegt diese bie 16,7% für Videospiele oder 15 bis 20% für Hasbro als Lizenznehmer für Spiele. Die Star Wars-Lizenz sollte aber weitaus wertvoller sein, als die des Dungeons & Dragons-Regelwerks (nicht etwa der Spielwelt!). Auch dies zeigt, dass eine Lizenzrate von 25% höchstwahrscheinlich völlig unrealistisch ist. Ausweislich der zweiten genannte Quelle, war die Lizenzrate für die Star Wars-Welt vor 1990 übrigens bei 5%.

    Die Lizenzrate von 25% dürfte daher nicht ernsthaft in Erwägung gezogen worden sein. Da der Entwurf der OGL 1.1 auch ohne Wollen des Hasbro-Konzerns veröffentlicht wurde, ist es gut denkbar, dass dieser wenig ausgegoren war.
  2. Lizenzgebühren aus praktischen Gründen nicht erhebbar

    Zum anderen wird sich das in dem Entwurf der OGL 1.1. angesprochene und bereits am 22. Dezember 2022 angekündigte Lizenzsystem aus praktischen Gründen nicht implementieren lassen. Verträge können nur zwischen natürlichen oder juristischen Personen (also z.B. einzelnen Unternehmen), nicht aber mit einem Konzern geschlossen werden. Das bedeutet, dass zunächst jede einzelne rechtlich selbstständige Teil eines Konzerns separat 750.000 USD überschreiten müsste, bis eine Lizenzzahlung fällig werden würde Mir ist unklar, wie der kombinierte Umsatz bei beispielsweise mehreren Vertriebsunternehmen erfasst werden soll.

    Selbst im Falle einer kombinierten finanziellen Berichterstattung, dem sog. Konzernabschluss, sind Umsätze nach Lizenzen oft in der Regel nicht mal buchhalterisch, aber sicher nicht öffentlich, verfügbar.

    Dieses Problemfeld ist auch steuerlich oft relevant, weil die Verschiebung von Umsatzerlösen auf bestimmte Gesellschaften oder Regionen innerhalb eines Konzerns zur Verminderung der Steuerlast genutzt werden kann. Allein – die Finanzämter haben mannigfaltige, gesetzlich festgeschriebene Informationsrechte und können Gestaltungen prüfen. Der Hasbro-Konzern hat diese Möglichkeiten in der Regel wohl nicht.

    Fragen der Währungsumrechnung kommen noch dazu.

    Andere Lizenzabkommen werden üblicherweise bilateral geschlossen, so dass derartige Feinheiten vertraglich zwischen spezifischen Vertragspartnern geklärt werden können. Eine pauschale Lizenz, die allein durch konkludentes Handeln verwendet wird, kann dies vertraglich kaum leisten.

    Als Gegenargument könnte angeführt werden, dass zahlreiche der Lizenznehmer über keine Konzernstruktur verfügen und daher nur mit einer Gesellschaft tätig sind. Dies ist für Wizards of the Coast aber nicht ersichtlich. Zudem werden gerade kleinere Lizenznehmer tendenziell ohnehin unter die 750.000 USD-Schwelle fallen.

    Ich kann mir daher gut vorstellen, dass man seitens des Hasbro-Konzerns beziehungsweise seitens Wizard of the Coast zwischenzeitlich zu dem Ergebnis kam, das Lizenzmodell aus der Entwurfs-Version 1.1 der OGL aufgrund der problematischen Operationalisierbarkeit zu verwerfen. Für diese These spricht auch, dass in der Stellungnahme vom 21. Dezember 2022 angekündigt wurde, dass überhaupt nur rund 20 Lizenznehmer zahlungspflichtig werden würden. Mit so einer überschaubaren Anzahl kann man bilateral Lizenzverträge schließen und umgeht die oben stehenden Probleme. Da zumindest einer, der wohl wichtigste, Lizenznehmer, Roll a Die ohnehin kein gedrucktes, „statisches“ Medium anbietet, wäre dieser nach Aufhebung der OGL 1.0a ohnehin ohne Lizenz und müsste verhandeln.

Die OLG 1.1 und .2 könnten daher eine geringere Rolle gespielt haben; die Reaktionen hierauf wären dem Kapitalmarkt dann gleichgültig gewesen.

Gleichwohl ist festzustellen, dass am 27. Januar 2023 der Beibehalt der OGL 1.0a verkündet wurde. Der Kurs am darauffolgenden Tag fiel überaus stark, ohne dass diese Bewegung auch bei den Indices beobachtet werden kann. Letztlich gab es also doch einen Grund, die OGL in der aktuellen Form beizubehalten, was vom Kapitalmarkt so nicht gesehen wurde, beziehungsweise in der Relevanz unterschätzt wurde. Dies dürfte an Folgendem liegen:

Ad 4:

Paizo, aber auch Ulisses, kündigten an, nunmehr ihre Regelwerke (ebenfalls) kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Hierzu möchte Paizo ein der OGL ähnliches Abkommen erstellen, die Open RPG Creative Licence („ORC“). Auch diese Lizenz (als rechtliches Dokument) soll frei verfügbar sein, so dass Ulisses auf dieser Basis eine deutsche Version für den deutschen Rechtsraum entwickeln möchte. Insbesondere soll diese so angelegt sein, dass sie nicht zurückgezogen oder geändert werden kann.

Für die Rollenspiel-Branche ist dies aus Kundensicht eine positive Entwicklung. Aus meiner Sicht vor allem deshalb, weil die Regelwerke unterschiedliche Spielstile bedienen. Während das DSA-Regelwerk eher simulationistisch geprägt ist (wenn auch, in der Version 5, mit stärkeren gameistischen Elementen), hat das Hexxen-Regelwerk einen eher narrativistischen Einschlag. Das Pathfinder-Regelwerk ist im Vergleich zum DSA-Regelwerk weitaus weniger komplex und, meines Wissens, ähnlich zum D&D-Regelwerk.

Für die Hersteller verbirgt sich hinter dieser Strategie, so denke ich, die Hoffnung, ihre jeweiligen Regelwerke als de facto-Standard(s) etablieren zu können – ganz ähnlich, wie das bei Wizards of the Coast mit dem D&D-Regelwerk gelang. Wie oben geschildert, könnten Netzwerkeffekte anschließend einen Wechsel zu anderen Systemen erschweren und den Absatz der jeweils eigenen Regelwerke stärken.

Im Grunde ist das ein tragfähiger Gedanke. Man sollte aber im Blick haben, dass der Pen & Paper-Rollenspielmarkt überschaubar groß ist – und in weiten Teilen von dem D&D-Regelwerk besetzt ist, dass bereits den Vorteil des Netzwerkeffekts auf seiner Seite hat (sog. „First Mover Advantage“). Inwiefern sich hier weitere Sub-Märkte herausbilden können, die über Netzwerkeffekte zusammengehalten werden, vermag ich nicht zu erkennen. Hierbei hat das Pathfinder-Regelwerk eine besondere Rolle: Als D&D-Abspaltung hat es den Vorteil, dass es dem D&D-Regelwerk vergleichbar sein dürfte. Der Wechsel sollte den Spielern daher leichter fallen.

Zudem könnte die Ulisses-Regelwerke auftrumpfen, deren Regelwerke anders gestaltet sind. Bedauerlicherweise sind diese aber auch international weniger bekannt, so dass die Etablierung eines internationalen Sub-Marktes, der groß genug ist, um über Netzwerkeffekte weiter zu wachsen oder selbsttragend zu sein, unwahrscheinlicher oder teurer wird.

Im Extremfall folgen weitere Regelwerke dem Beispiel von Paizos und Ulisses – dann wäre die Marktstruktur insoweit relativ unverändert – und der Vorteil, dass bestimmte Regelwerke offen sind, bestünde im Vergleich nicht mehr. Nur im relativen Vergleich zum D&D-Regelwerk wäre ein Vorteil erlangt worden (bzw. der vormalige Vorteil des D&D-Regelwerks aufgehoben). Das D&D-Regelwerk  ist jedoch bereits, wie geschildert, der de facto-Standard. Dies düfte sich gerade in diesen Monaten nochmals verfestigen, weil just in Bälde, am 30. März 2023, der Film Dungeons & Dragons: Honor Among Thieves erscheinen wird. Ich sprach jüngst mit einigen maßgeblichen Vertretern der Kinobranche der DACH-Region. Demnach wird dieser Film als einer der erfolgreichsten im Jahr 2023 eingeschätzt (bzw. dies erhofft). Zuschauer, die den Film sehen werden und sich künftig für Pen & Paper-Rollenspiel interessieren, dürften naheliegenderweise zu Dungeons & Dragons greifen. Daher könnte es als fraglich gelten, ob sich die Marktstruktur substantiell verändern wird.

Dennoch wurde die OGL-Änderung am 27. Januar 2023 zurückgezogen. Für mich gibt es damit eigentlich nur eine Erklärung: Die Spieler haben D&D (zunächst wohl D&D Beyond) in einem Maße den Rücken gekehrt oder dies wurde befürchtet, dass zwar Wizards of the Coast vermuten musste, ihre Vormachtstellung zu verlieren. In der Tat ergab die Umfrage zur OGL 1.2 offenbar, dass rund 90% der Kunden eine OGL-Änderung nicht begrüßen und sogar ihr Geschäftsmodell umstellen wollen. 90% ist eine ganze Menge.

Unabhängig von den überschaubaren wegfallenden Einnahmen durch D&D Beyond kann dies für das System dramatisch sein und insbesondere auch Lizenzprodukte der Spielwelt, wie den Film, künftig verhindern oder in Mitleidenschaft ziehen. Dann gäbe es im Extremfall einen noch viel stärkeren negativen Einfluss auf die Umsatzerlöse. Unter kommerziellen Gesichtspunkten mag man da zum Ergebnis kommen, besser auf mögliche Erlöse aus einer neuen OGL-Version zu verzichten als auf aktuelle Erlöse aus der Spielerschaft.

Denn: Falls die abgewanderten Spieler schnell ein neues System finden, mit dem sie ebenfalls gut zurechtkommen (dies wäre gerade bei Pathfinder gut denkbar), sind sie verloren und kommen absehbar auch nicht zurück. Die Netzwerkeffekte laufen dann gegen D&D. Ich könnte mir daher vorstellen, dass diese Sorge für Hasbro und Wizards of the Coast zu groß war und letzlich eingelenkt wurde.

Merke: Der Kunde entscheidet. Gerade in einem so kleinen Markt, wie dem Rollenspielmarkt haben auch (in absoluten Zahlen) kleine und damit recht leicht zu mobilisierende Gruppen schon maßgeblichen Einfluss.

Der Wegfall des Editionsproblems beim Tabletop? Eine Szenariobetrachtung

In einem Beitrag kürzlich überlegte ich, wie das Editionsproblem in der Rollenspielbranche zumindest zurückgedrängt werden könnte. Diese Lösung ist für Tabletop-Systeme nicht unmittelbar möglich: Die dort skizzierte Idee, digitale Angebote zu erstellen und diese in Form eines Abonnement-Modells den Spieler zugänglich zu machen, um dauerhaft Einnahme zu generieren, ist bei Tabletop-Systemen nicht denkbar. Die Hauptprodukte, über welche die Umsatzerlöse genieriert werden, die Miniaturen, sind nicht prima facie digitalisierbar, ohne dabei die Branche hin zu Videospielen zu verlassen.

Doch der Reihe nach. Nähert man sich den beiden Märkten mikroökonomisch, so handelt es sich in beiden Fällen um quasi „bedingte“ Monopole: Sobald die Wahl für ein System getroffen wurde, kommt der Konsument ohne Weiteres nicht mehr heraus, ohne die bisherigen Ausgaben zumindest stark „abschreiben“ zu müssen. Bedingt dadurch, dass es sich letztlich um Gesellschaftsspiele handelt kommen zudem Netzwerkeffekte zum Tragen: Wenn die ganze Spielgruppe ein System spielt, ist ein Wechsel auf ein anderes sehr erschwert, da jeder Teilnehmer die Kompatibilität mit seinen Mitspielern wahren möchte. Nur falls die ganze Gruppe wechselt (und dadurch jeder die „Abschreibung“ erduldet), ist ein Systemwechsel möglich. Insofern haben Rollenspiel- und viel mehr noch Tabletop-Systeme Charakteristika natürlicher Monopole (bei denen es natülich ist, nur von einem Anbieter bereitgestellt zu werden). Hierfür spricht auch die hohe Konzentration der Spielerschaft beider Märkte auf je ein System (Dungeons & Dragons beim Rollenspiel, Warhammer 40k bei Tabletop).

Ergänzend dazu kommt die lange Lebensdauer der Produkte. (Rollenspiel-) Bücher halten sich bei guter Pflege sehr lang (wer hat nicht auch noch sein erstes Rollenspielbuch?); Miniaturen ebenfalls – vielleicht sogar noch länger. Es ist daher naheliegend, dass eine Sättigung eintritt, die durch (mehr oder weniger) Ergänzungsprodukte nur verschoben aber nicht aufgehalten werden kann. Irgendwann ist die Menge an Material zu groß. Dies schreckt zumindest Neueinsteiger ab. Gerade diese sind aber zwingend erforderlich, weil die Altspieler der Sättigung halber den Erwerb neuer Produkte sukzessive einstellen.

Im Ergebnis sind damit zwei Ursachen für diese spezielle Marktkonstellation erkennbar: Die Quasi-Monopol-Situation und die Langlebigkeit der Produkte.

Für das Rollenspiel empfahl ich, von dieser Warte gesehen, de facto die Langlebigkeit auszuschalten, weil nur bei fortlaufendem Bezug des Abonnements bestimmte „Funktionen“ des Spiels zur Verfügung stehen.

Beim Tabletop könnte der Weg ein anderer sein. Ich könnte mir vorstellen, dass beim Tabletop das Monopol kippt: Aufgrund von 3D-Druckverfahren können Figuren kostengünstig selbst hergestellt werden. Im Falle „offizieller“ vom Hersteller gestaltete (und damit urheberrechtlich geschützte) Mustern ist dies freilich rechtlich unzulässig. Wie ich jedoch aus einem Youtube-Video „Exxes“ und einem Antwortvideo des „Weekend Wizards“ erfuhr, ist die Tabletop-Gemeischaft gespalten: Ein Teil (ob dies die Mehrheit ist, ist mir unklar), druckt offenbar die Miniaturen auf dem heimischen 3D-Drucker; die Vorlagen hierfür sind scheinbar im Internet verfügbar. Damit ist das Monopol, dass der Hersteller bislang innehatte, aufgebrochen.

Hier sind für mich Parallelen zum Musik- und Filmmarkt erkennbar: Die Zeit der illegalen Tauschbörsen im Internet war für die Branchen disruptiv – der Verkauf von physischen Medien ging stark zurück und ein Abonnement-Modell stellte sich ein. Da es nunmehr mehrere Anbieter für die Medien gab, ist (zumindest im Durchschnitt) der Preis gesunken: Ein Spotify-Premium-Konto kostet am Tage, an dem diese Zeilen verfasst wurden im schlechtesten Fall 9,99 Euro pro Monat. Dafür kann man nicht mal eine CD kaufen. Auch wenn der Vergleich insofern nicht vollkommen ist, als dass die CD nicht nur für einen Monat zur Verfügung steht, ist für ich evident, dass der Preis des Musikkonsums gefallen ist.

Für Tabletop-Systeme könnte dasselbe gelten: Zwar wird sich im ersten Schritt kein derartiges Abonnement-Modell für Figuren einstellen können (da die Produkte eben nicht elektronisch sind). Die Erhöhung des Angebots (obgleich auf illegaler Weise) wird jedoch einen Preisdruck mit sich bringen. Im Extremfall könnte auch die Marge für die Herstellung (nicht die Gestaltung) der Figuren, dermaßen unter Druck geraten, dass alle Kunden die Möglichkeit des 3D-Drucks zu Hause fordern. Dann müssten die Tabletop-Hersteller die Vorlagen digital zur Verfügung stellen. Der Weg zum reinen Abonnement-Modell wäre frei.

Freilich erfordert das von mir skizzierte Szenario diskretionäres Verhalten der Kunden (zu dem ich nicht aufrufe, sondern es nur als Möglichkeit darstelle) – das Aufbrechen des jeweiligen Hersteller-Monopols wird vermutlich nur unrechtmäßig gelingen. Allein, ökonomische Konsequenzen scheren sich nicht um die Rechtmäßigkeit der Ursachen. Die Netzwerkeffekte dürften das von mir dargestellte Szenario begünstigen: Ich kann mir kaum vorstellen, dass Spielern, die im privaten Umfeld illegal produzierte Figuren nutzen (sofern dies überhaupt erkennbar ist!), die Teilnahme am Spiel verweigert wird. Es ist also insofern mit keinen Sanktionen zu rechnen – im Gegenteil: Die Spielerschaft könnte, bedingt durch den günstigeren Zugang, sogar größer werden, was, für sich genommen, begrüßt werden dürfte. Schnell könnten illegal hergestellte Miniaturen Realität oder sogar die Regel werden. Im Übrigen: Realiter machen sich (zu meinem Missfallen) nicht wenige nichts aus sog. Proxys, die eingesetzt werden, wenn die eigentlich richtige Figur nicht verfügbar ist. Warum sollte bei illegalen Miniaturen (vor allem wenn diese, anders als Proxys, nicht erkannt werden), anders verfahren werden?

Man könnte einwenden, dass die Hersteller dies nicht zulassen werden und mit Anwälten und Abmahnungen ihr gutes Recht durchsetzen werden. Mir ist völlig klar, dass dies versucht werden würde. Mit Blick auf das historische Scheitern zum Beispiel der Musikindustrie im gleicher Sache, könnte ein solches Unterfangen jedoch vergeblich sein. Zumal die Tabletop-Branche weitaus (!) weniger finanzkräftig ist, als die Musikindustrie.

Würde daran die Tabletop-Industrie zugrunde gehen? Nein. Freilich würden die Margen einbrechen, weil der entscheidende Umsatz- und Gewinnbeitrag aus dem Verkauf von Miniaturen wegfiele. Gleichwohl könnte noch über Regelwerke und digitale Vorlagen für die Miniaturen eine Monetarisierung stattfinden. Die digitalen Vorlagen für die Herstellung der Modelle auf Kundenseite wären im Preise deutlich niedriger, so dass der Anreiz, diese widerrechtlich zu beziehen, erheblich vermindert wäre. Auch bei der Musikindustrie wählen heute viel mehr das Spotify-Album als die Raubkopie. Und vielleicht kauft ja auch noch einer die Figur vom Hersteller – so wie heute auch noch CD verkauf werden.

Um zurück zur Mikroökonomie zu gehen: Es gäbe ein neues Gleichgewicht mit höherer Konsumenten- und niedrigerer Produzentenrente.

Hobbykombinationen: LARP, Tabletop und Pen & Paper vereint (?)

Die Schnittmenge derer die Tabletop und derer, die Pen & Paper-Rollenspiele spielen, ist meiner Erfahrung recht groß. In gleicher Weise ist die Schnittmenge von LARP-Spielern und Pen & Paper-Rollenspielern beachtlich. Gleichwohl sind Miniaturenspiele, die auf einem Pen & Paper-Rollenspiel basieren, oft nicht erfolgreich (Armalion und Schicksalspfade als Auskopplungen von DSA sind hier zu nennen) und auch in der anderen Richtung klappt es oft nicht (Die Rollenspiel von Warhammer [auch 40k] oder Warmahordes frist(et)en ein vergleichsweise trauriges Dasein). „Offizielle“ LARP-Kombinationen sind ebenfalls selten. Auf Aventurien-LARPs werde ich gesondert eingehen.

Dennoch: Was liegt also näher als diese „Personalunion“ von Spielern auf die Spielwelten zu übertragen? Ich habe dies mehrfach versucht – es gelang mir nie.

Mein erster Pen & Paper-Rollenspiel-Charakter war ein Zwerg. Ich war als Kind begeistert von dem Hobbit und mochte vor allem Thorin Eichenschild. Nachdem ich mit sieben Jahren (oder so) als solcher bei Karneval verkleidet war, sollte mein erster Rollenspielcharakter ebenfalls ein Zwergenprinz sein. Dieser DSA-Charakter hieß zunächst auch Thorin – ich habe ihn aber später zu Andrasch umbenannt (das würde ich heute freilich beides nicht mehr tun – weder die Namensgebung noch eine Umbenennung). Als ich mit circa 16 Jahren vom LARP erfuhr, wollte ich unbedingt meinen Zwergen genauso dort auch spielen. Ich schilderte schon, dass daraus nichts wurde – weder meine körperlichen noch meine finanziellen Voraussetzungen ließen dies zu.

Ich hatte jedoch einen neuen Charakter, von dem ich begeistert war – einen Magier. So sollte eben dieser mein LARP-Charakter werden. Und auf dem ersten Con 1999 trug dieser Magier, der heute Xarxe ist, auch noch den Namen des DSA-Charakters (Zondan). Die Änderung sowohl des Namens wie auch des Konzepts (letzteres eher im Laufe der Zeit), waren schon deshalb erforderlich, weil die Möglichkeiten des Pen & Paper-Rollenspiels keinesweg beim LARP darstellbar waren und sind – auch hierzu äußerte ich mich bereits. Allein die Machtfülle des DSA-Charakters ist mit dem Grundkonzept des LARP schlicht unvereinbar.

Bei Demonworld, mit dem ich auch irgendwann in den späten Neunzigern anfing, wollte ich eigentlich, der oben stehenden Begeisterung für meinen Zwergenprinz folgend, die Zwerge spielen. Diese waren aber schon an einen Mitspieler vergeben. So entschied ich mich für Isthak. Da der (Schwarz-)Magiercharakter Zondan im Entstehen war, war Isthak für meine Zwecke die nächstbeste Wahl – den dieses Volk hat sowohl Dämomen wie auch Untote in ihren Reihen.

Vor allem war es bei Demonworld in der ersten Edition so, dass man DSA-Charaktere zu Demonworld-Helden konvertieren konnte. Dafür gab es explizite Regeln. Den DSA-Magier gab es damals noch nicht in Gänze, aber seinen Lehrmeister, den ich damals nur für eine Abenteuer kreiert hatte (allerdings auf einer [erforderlichen] hohen Stufe). Bedingt durch die Anforderungen dieses einen Abenteuers, hatte der erstellte Magier sehr hohe Werte – mit die höchsten, die das Regelwerk überhaupt zuließ. Infolgedessen wäre auch der konvertierte Isthak-Held mit sehr hohen Werte einhergegangen – der Held wurde daher von einem Freund, der damals so etwas wie die Demonworld-Oberherrschaft innehatte, schlicht abgelehnt.

In gewisser Weise kam der eigentliche DSA-Magier (Zondan) später aber doch noch zum Zug: Ebenfalls in den späten 90ern und in den frühen 2000ern spielten wir AD&D. Der Spielleiter erfand eine eigene Welt und wir konnten Vorschläge zu deren Gestaltung einbringen. So wurde das Demonworld-Reich Isthak kurzerhand in diese Welt versetzt und mein DSA-Magiercharakter zum Gott dieses Reiches erklärt. Mein AD&D-Charakter war ein Priester-Magier, der just diesen Gott verehrte. Allein – hierbei wurden zwei Pen & Paper-Rollenspiele kombiniert. Eine Überschreitung der „Hobbygrenzen“ lag nicht vor.

Aus dieser Zeit stammt jedoch meine Vorliebe für Eisvölker. Bei Warmahordes war Legion of Everblight meine erste Fraktion, die mit Isthak einiges gemein hat.

Jedenfalls waren die Experimente der Hobbykombinationen für mich als Spieler Anfang des Jahrtausends zunächst erledigt. Zusammenfassend lässt sich sagen:

  1. Die Übernahme von Pen & Paper-Helden in die LARP-Welt scheiterte bei mir daran, dass diese Fähigkeiten hatten, die mit LARP nur schwer vereinbar sind – nicht nur in Bezug auf die Darstellung, sondern auch mit Blick auf das Spielgleichgewicht. Zumal LARP in der Regel ein Sammelpunkt von Helden ist, von denen regelmäßig keiner übermäßig heraussticht.
  2. Die Übertragung eines Pen & Paper-Charakters in eine Tabletop-Welt scheiterte aus einem ähnlichen Grunde: Dieser wäre mit der erforderlichen Spielbalance im Tabletop unvereinbar gewesen.

Vor einigen Jahren gab es einen weiteren Anlauf: Wir spielten eine Battletech/ Mechwarrior-Kampagne. Unsere Spielercharaktere waren Mechkrieger und Söldner. Nur die Gefechte mit den Mechs wurden mit den Battletech-Regeln ausgeführt, sonst griffen wir auf den Mechwarrior-Regel zurück. Das klappte ganz gut – als Problem stellten sich jedoch die simulationistischen Schwächen des Battletech-Regelwerks heraus, welche das Mechwarrior-Regelwerk in diesem Umfang nicht hatte. So hatten Handfeuerwaffen eine weit größere Reichweite als die Waffen der Battlemechs. Zudem war die Ökonomie unausgegoren – ein Aspekt der bei Battletech als Brett- oder Tabletop-Spiel so keine Rolle spielt – beim Rollenspiel aber sehr wohl, da die Charaktere derartige Überlegungen anstellen. Letztlich klappte es nicht – obwohl ich begeistert von dem Konzept war.

Da ich vom Rollenspiel her komme, waren meine Konvertierungsversuche stets von dort ausgehend. Was aber, wenn man es andersherum hält? Das scheint mir möglich! Auf dem Epic Empires werden die Warhammer-Armeen Imperium und Chaos bespielt. Ich sehe auch prima facie keine Probleme einen beliebigen LARP-Charakter in ein Pen & Paper-Rollenspiel zu überführen (freilich muss beides einen ähnlichen Rahmen, wie beispielsweise Fantasy, haben).

Es gibt auch Aventurien-LARPs, bei denen die Überschreitug der Hobbygrenzen augenscheinlich gelingt. Dies ist bei genauer Betrachtung aber nur bedingt richtig – die hier bespielten Charaktere sind keine (sehr) hochstufigen oder greifen auf ihre Fähigkeiten zumindest nicht wie im Pen & Paper-Rollenspiel zu. Ich habe jedenfalls noch keine erfolgreiche Anwendung und glaubwürdige Darstellung des DSA-Zaubers „Mit dem Wind in Sternenhöh“ auf dem LARP gesehen. Gleichwohl könnte man die Aventurien-LARP-Charaktere ins Pen & Paper-Rollenspiel überführen.

Vor einigen Jahren gelang Freunden von mir jedoch die Konvertierung von Pen & Paper-DSA-Helden zum LARP. Der wichtige Faktor, der den Erfolg erklären könnte, war jedoch, dass diese Charaktere zum großen Teil nicht magiebegabt waren oder bereit waren, ihre magischen Fähigkeiten nicht im vollen Umfang ins LARP zu übernehmen. Dadurch stellten sich viele Fragen, die aus der Machtfülle herrührten mitunter gar nicht. Auch die magischen Gegenstände (dieser sonst sehr, sehr erfahrenen) Helden wurden nicht übertragen.

Für mich als Spielleiter ergab sich damit aber eine neue Möglichkeit der Hobbykombination. Ich war Spielleiter dieser Gruppe, lebte damals aber im Ausland, daher scheiterte meine Teilnahme am LARP. Gespielt wurde per Videokonferenz. Um die Heldenerlebnisse miteinander zu verknüpfen, nahm ich vor dem Con Kontakt zur LARP-Orga auf. Diese war so freundlich, mir einen Hinweis für den LARP-Plot zu geben, den ich beim Pen & Paper-Spieltermin vor dem Con an die Spielercharaktere weitergab (ein verrückter Seher sprach zu den Helden). Zum Ende des Spieltermins gingen die Helden schlafen, so dass das LARP als Traum in die Pen & Paper-Welt integriert wurde.

Ergänzend erlangten diese (schlafenden, träumenden) Charaktere auf dem LARP Hinweise für den Pen & Paper-Plot.

Mit diesem „Kniff“ war auch die Konsistenz der Heldenerlebnisse gewahrt. Ich bin ex post noch immer sehr zufrieden über diese Kombination.

Leider musste ich feststellen, dass die Spieler beziehungsweise Charaktere die Parallelen nicht erkannten. Sie hatten zwar einen handfesten Hinweis zur Lösung des LARP-Plots aus dem Pen & Paper-Spieltermin und ebenfalls einen gewichtigen Hinweis für das Pen & Paper-Abenteuer aus dem LARP. Der Transfer gelang aber nicht: Den Spielern und Helden kam gar nicht in den Sinn, dieses Wissen zu kombinieren oder anzuwenden. Erst als ich nach LARP und nach Abschluss des Pen & Paper-Abenteuers auf die wechselseitigen Hilfen hinwies, wurde den Spielern die Verknüpfungen bewusst. Daher muss auch dieser Versuch von mir, die Hobbygrenzen zu überschreiten, als gescheitert gelten.

Eine Lösung für das Editionsproblem – oder: Die Zukunft des Rollenspiels

In meinem ersten Beitrag beschwerte ich mich ausführlich über die „Plage“ neuer Editionen. Ich schilderte dort auch, dass diese für Verlage wichtig sein können, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Das aus meiner Sicht (der Sicht des Marktgläubigen) frappierende ist, dass bei Rollenspiel- und Tabletop-Systemen nach einiger Zeit die Präferenzen von Kunden und Produzenten diametral auseinander liegen. Während die Kunden mit einem System möglicherweise noch glücklich sind, „braucht“ der Produzent eine neue Edition, um Umsatz zu erzielen.

Als Ökonom fragte ich mich daher lange, wie dieses Dilemma gelöst werden kann. Einen ersten Ansatz zeigte ich im ursprünglichen Artikel auch auf: Der Wechsel auf eine Abonnement-Modell. In den letzten Monaten habe ich diesen Gedanken weiter verfolgt. Viel Dank geht an das Team vom eskapodcast, die bereits vor einiger Zeit eine Folge veröffentlicht hatten, die ich nun hörte und viele ähnliche Gedanken aufnehmen konnte.

In dieser Folge wurden zunächst Parallelen zu anderen Medieninhalten gezogen, die mittlerweile im in der Regel im Abonnement konsumiert werden. Genannt wurden Musik, Filme und auch Videospiele. Warum sollte nicht also auch Rollenspiele diesen Weg gehen?

Meines Erachtens ist das eine solche Entwicklung in der Tat wahrscheinlich und unter einem bestimmten Blickwinkel auch wünschenswert. Wenden wir uns zunächst dem Editionsproblem zu. Gelänge es über eine Abonnement-Modell für die Verlage einen dauerhaften Zahlungsstrom zu generieren, wäre das Editionsproblem lösbar. Inhalte könnten sein:

  • Zugriff auf alle Regelwerke. Diese könnten so miteinander verknüpft sein, dass verwandte Regeln nur einen Klick entfernt sind.
  • Zugriff auf weitere Inhalte, wie Karten, Abenteuer, Regionalbeschreibungen – ebenfalls mit dem vorstehenden Vorteil. Vor allem bei Stadtplänen könnte bei einem Klick auf ein Haus dessen Beschreibung folgen.
  • Sofort einsetzbare Inhalte für Programme wie VTT oder roll20.
  • Passende Hintergrundmusik.
  • Ein Verwaltungsprogramm für den Spielleiter, dass nicht nur die vorstehenden Funktionen umfasst, sondern auch eine Datenbank mit Nichtspielercharakteren.

All dies freilich regelmäßig aktualisiert.

Des Weiteren könnte man anbieten:

  • „Miete“ von kleineren Gebieten durch Spieler mit entsprecherr Möglichkeit, auf die Welt Einfluss zu nehmen.
  • Einfügen von Spielercharakteren (gegen eine monatliche Gebühr) in die Welt, die damit offiziell werden.

Ich könnte mir vorstellen, dass Angebote wie die beiden Letzten nicht nur Freude hervorrufen. Gleichwohl glaube ich, dass gerade diese Angebote für viele andere reizvoll sind.

Bei einer geschickten Preisgestaltung bestünde somit die Möglichkeit, das Editionsproblem zu lösen. Ich kann mir vorstellen, dass die Zahlungsbereitschaft der Spielerschaft sehr uneinheitlich ist. Daher wären unterschiedliche Pakete hilfreich.

Als Nebeneffekt würden weitere Probleme gelöst werden:

  • Digitale Inhalte sind nie „vergriffen“. Wer einfach nur alte Abenteuer spielen möchte, braucht hierzu nicht mühevoll auf eBay zu suchen, sondern kann zum Beispiel das „Retro-Paket“ dazubuchen – und schon stehen alle Abenteuer zur Verfügung.
  • Rollenspielwerke sind selten arm an Fehlern. Redaktionelle Fehler können in digitalen Produkten sehr einfach korrigiert werden.
  • Notorisch schlecht strukturierte Werke werden durch Hyperlinks deutlich zugänglicher.
  • Denkbar wäre es auch, unterschiedliche Versionen von Werken anzubieten. Ein Freund von mir, der sich wirklich sehr an sog. Gender-Sprache stört, forderte jüngst, alle DSA-Werke (auch) orthographisch korrekt und nicht „gegendert“ anzubieten, damit er Letzterem entkommen kann. Eine solche Idee lässt sich bei digitalen Produkten viel einfacher und damit kostengünstiger umsetzen. In ähnlicher Weise könnten fallweise auch Jugendschutzüberlegungen berücksichtigt werden.

Gleichwohl stehen diese Idee Nachteile gegenüber:

  • Gerade Fantasy-Rollenspiel ist mit der digitalen Welt meines Erachtens nur bedingt vereinbar. Realiter wird versucht, am Spieltisch eine bestimmte Atmosphäre aufzubauen; z.B. durch Kerzen, alte Möbel etc. Moderne, elektronische Komponenten könnten demgegenüber als störend empfunden werden.
  • Viele Spieler dürften, schon aus Sammelleidenschaft, gedruckte Bücher bevorzugen. Ich gehe aber davon aus, dass diese ergänzend angeboten werden können.
  • Wie auch in der Folge des eskapodcast geschildert, besteht bei derartigen digitalen Inhalten, die in der Regel auch ein digitales Spiel begünstigen, die zumindest latente Gefahr, dass sich das Spiel immer mehr zu einem Online-Rollenspiel hinentwickeln und hierdurch ihre Spieltiefe verlieren.
  • Beide Aspekte bedeuten im Grunde, dass aus „Pen & Paper“ „Processor & Phablet“ werden könnte.
  • Die Verlage werden du diskretionärem Verhalten ermuntert. So könnte einfach der Preis für die Nutzung des Dienstes erhöht werden oder sogar doch eine neue Edition eingeführt werden. Dieses Problem ist sehr relevant, da, im Gegenzug zu anderen Medien, die Verlage das Monopol über ihre Spielsysteme besitzen.
  • Im Falle einer Verlagsinsolvenz oder der Einstellung des Spielsystems ist dieses nicht mehr zugänglich.

Einige dieser Nachteile dürften relativierbar sein. So ist es im Grunde jeder Runde selbst überlassen, ob sie sich in Richtung eines Online-Rollenspiels entwickelt oder nicht. In gleicher Weise genügt es, wenn nur der Spielleiter einen Rechner am Spieltisch hat. Bei uns ist das auch heute schon (nur) so. Auf dem Spielleiter-Rechner wird Musik abgespielt oder digitale Inhalte zur Unterstützung des Spielleiters angezeigt. In diesen Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass ich es sehr bevorzugen würde, wenn über VTT oder Roll20 nur eine (freilich bunte) Karte angezeigt werden kann, die in Form eines LCD-Monitors quasi die Tischplatte bildet. Hierauf könnten dann Zinnfiguren oder auch Gebäude gestellt werden, um zum Beispiel eine Kampfsituation darzustellen Dies wäre für mich die ideale Kombination aus digitaler und analoger Welt – und würde viel klassischen Rollenspielcharakter erhalten.

In gleicher Weise gibt es keine Erfordernis, Würfelwürfe über Software abzubilden. Selbst bei meinen Runden über Videokonferenz würfeln die Meisten ganz normal „für sich“ am Schreibtisch.

Lediglich die beiden letzten Punkte, das diskretionären Verlagsverhalten oder die Insolvenz bzw. Einstellung des Spielsystems, bleiben erhalten. Gleichwohl bestehen diese Probleme, in abgewandelter Form, auch im aktuellen Markt. Und zumindest die Plage der neuen Editionen wäre weit weniger virulent.

Kompliziertheit von Spielsystemen als Folge von Simulationismus?

Vor allem meine Behauptung, Battletech sei wenig komplex, führte zu kontroversen Reaktionen. Ich habe mir daher Gedanken gemacht, wie ein Regelwerk gestaltet sein müsste, um, in meinem Sinne, komplex zu sein. Hierbei greife ich auf viele Überlegungen zurück, die mit einigen Freunden zusammen vor Jahren angestellt wurden und für diesen Beitrag rekapituliert und erweitert wurden. Vielen Dank hierfür!

Grundsätzlich erfolgt die Würdigung bei mir vor dem Hintergrund des Simulationsmus. Wie ich an anderer Stelle schilderte, bin ich ein simulationistischer Spieler. Diese Einschränkung ist vornehmlich für Rollenspielsysteme von Belang.

Simulationismus möchte, nach meinem Verständnis, „unlogische“ Regelungen verhindern (z.B. sicherstellen dass bei einem Rollenspiel ein Charakter mehr als eine Waffe tragen darf – gleichzeitig aber nicht etwa 30). Oft wird in Folge ein möglichst weiter Möglichkeitenraum gefordert, der von dem Regelwerk abgedeckt werden sollte. Notfalls könnte (im Falle eines Rollenspiels) auch der Spielleiter Regeln aus dem bestehenden Regelwerk festlegen.

Die Gewährleitung einen möglichst großen Möglichkeitenraum abzudecken, führt, in der hier verwendeten Nomenklatur, zu einem komplexen Spielsystem.

Demgegenüber wird ein Spielsystem auch kompliziert, wenn Regeln zur Erreichung dessen den Spielfluss (subjektiv) hemmen, weil (auch) einfache Aktionen „verregelt“ werden oder über die richtige Anwendung der Regeln diskutiert oder nachgeschlagen werden muss.

In diesem Sinne könnte der Obersatz sein:

Die Abbildung der Spielwelt sollte über ein komplexes, nicht aber kompliziertes Regelwerk geschehen.

Anders gewendet heißt dies, dass der Aufbau der Regeln möglichst einheitlich sein sollte, die Regeln sich aber inhaltlich aber wenig (idealerweise gar nicht) überschneiden.

Eine „Entschlackung“ des Regelwerks sollte daher Komplexität wahren und Kompliziertheit abbauen.

In der Praxis kommt es zudem dazu, dass die Regeln strukturiert verfügbar sein sollten und nicht über mehrere Quellen verteilt. Auch dies macht ein System kompliziert – und zwar immer ohne irgendetwas für die Komplexität gewonnen zu haben.

Im Folgenden einige Beispiele anhand simulationistsicher Systeme. Hierbei wird untersucht, ob diese komplex oder (auch) kompliziert sind.

  • DSA ist ein simulationistisch orientiertes System. Den Spieler(charakteren) stehen viele Handlungsoptionen zur Verfügung – und die meisten davon sind in Regeln gegossen – bis hin zun Skurillen. Ein gutes Beispiel in dieser Hinsicht sind die Unterwasserreiterkampfregeln aus DSA 4.1 – diese sind nur für Randsituationen relevant. Die Regeln, wie lange der Brennvorrat für ein Lagerfeuer reicht, noch seltener. Damit ist das System in jedem Fall komplex – de facto aber auch kompliziert:
    • Bei DSA 4 waren die Regeln für übernatürliches Wirken für klerikale Mächte anders geregelt als für magische Mächte. Obgleich diese Mächte in der Welt verschieden sind, gibt es für eine unterschiedliche Regelung keinen Grund. Die Regeln sind insofern weder überschneidungsfrei noch inhaltlich gleich aufgebaut. DSA 5 kennt sowohl den Wert der übrigbehaltenen Talentpunkte als auch die Qualitätsstufe als Maß für die Qualität einer gelungenen Probe. Dies ist eine Dopplung, für die es keine inhaltliche Rechtfertigung gibt – zumal sich die Qualitätsstufe aus den übrigbehaltenen Talentpunkten errechnet. Hier sieht man ein gutes Beispiel unnötiger Kompliziertheit.
    • Zudem verfolgt DSA 5 bislang eine Publikationsstrategie mit hoher Redundanz. Viele Regeln sind repetitiv aufgeführt, andere über mehrere Werke verteilt. Mit den Kodex-Bänden könnte das besser werden. Die 3W20-Probe ist aus simulationistischer Sicht der 1W20-Probe, die ebenfalls zum Einsatz kommt, deutlich überlegen. In beiden Fällen ist der Erwartungswert 10,5. Im Falle der 1W20-Probe ist die Standardabweichung aber 5,8; bei der 3W20-Probe nur 3,3. Zudem ist bei der 1W20-Probe jedes Ergebnis gleich warhscheinlich. Die niedrigere Standardabweichung und Nicht-Gleichverteilung der Ergebnisse ist vorziehenswürdig, weil sonst (bei der 1W20-Probe) die Wahrscheinlichkeit auch für einen erfahrenen Charakter recht hoch ist, auch eine unmodifizierte Probe nicht zu schaffen. Das ist unrealistisch. Demgegenüber steht, dass die 3W20-Probe für Anfänger etwas schwerer zu lernen ist.
    • Die Zahl der Talente ist sehr umfassend und keineswegs überschneidungsfrei (Akrobatik, Athletik, Körperbeherrschung) oder decken ein zu großes Spektrum ab (Überreden, was Lügen, Feilschen und Vertuschen umfasst). Letzteres ist aber eher ein gamistischer Aspekt.
  • Shadowrun stellt von der Spielweltanlage schon den Anspruch an ein komplexes Regelwerk. Es musste immerhin drei Dimensionen abbilden: Physische Welt, Astralraum und Matrix. Damit geht schon eine gewissen Kompliziertheit einher – aber gegeben die Erfordernisse hält es sich, für meine Begriffe, im Rahmen. Allerdings kann ich nur für Shadowrun bis zur vierten Edition sprechen – die neueren Editionen kenne ich nicht. Shadowrun 3 war durch die „explodierenden“ Würfel unschön, weil hierdurch bei vergleichenden Proben die erwartbare Zahl der Erfolge immer niedriger wurde, je höher die Werte waren – und zwar auch dann wenn die Kontrahenten die gegeneinander probten, gleich hohe Werte hatten. Dies lag daran, dass die Standardabweichung bei höheren Werten immer größer wurde. Simulationistisch ist dies als unschön zu werten.
  • Warmahordes ist hoch komplex. Jedoch ist die Grundmechanik simpel und ermöglicht sehr viel. Die 2W6-Probe ist auch aus statistischer Sicht gut (auch hier liegt eine statistisch schöne Verteilung vor). Das Spiel wird meines Erachtens weniger durch die Sonderregeln der Modelle kompliziert (die stehen immerhin auf der Karte und haben konsitente Bezeichnungen) als mehr dadurch, dass man wirklich gut über alle (!) Modelle mit Sonderregeln informiert sein muss, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Es zeigen sich aber auch Nachteile:
    • Die MK3-Kavallieregeln sind nicht konsistent mit den anderen Mechaniken, da Bewegungs- und Angriffsphase vermengt werden.
    • Die MK4-Bewegungesregeln, sind ein gutes Beispiel dafür, wie man es bei einer Regelentschlackung nicht macht: Während früher jede Figur der Einheit bewegte, wird nun (nur) eine Figur bewegt und die anderen werden um diese herum teleportiert. Hierdurch wurde dem Spiel viel simulationistischer Anspruch und Komplexität genommen. Gleichsam ist die neue Regelung ebenfalls (oder noch mehr) kompliziert, weil sie nicht in das sonstige Regelwerk passt und per se schon kontraintuitiv ist.
  • Battletech ist aus meiner Sicht bedingt komplex.
    • Insgesamt gibt es Regeln für das Meiste, was man mit einem Battlemech anstellen möchte. Gleichwohl sind die Grundmechaniken recht simpel und, zumindest im Kampfe (nur) mit Mechs redundanzfrei. Die vielen Waffensysteme, die insbesondere die Mechs verschieden machen, sind auf dem Mech-Bogen alle verzeichnet.
    • Es gibt jedoch beispielsweise Unzulänglichkeiten bei der Deckung: Ein Berg gibt nur Deckung, wenn man direkt dahinter steht. Ein Kopftreffer ist unplausibel wahrscheinlich, wenn man diese Deckung hat, aber dennoch getroffen wird (Erschwernis aus Deckung: +1 (früher +3), dann aber Chance von 1/6 statt 1/36 auf Kopftreffer). Das Spiel ist insofern sogar unterkomplex. Das Spiel ist auch in anderer Hinsicht unplausibel (und damit simulationistisch schlecht): Bodenfahrzeuge mit Verbrennungsmotor sind Fahrzeugen mit Fusionsreaktor insofern überlegen, da erstere keine Wärme aufbauen. Die Unterscheidung ist unnötig kompliziert und gleichsam unlogisch.
    • Gleichsam verfügen die Waffen der Charaktere aus dem Rollenspiel zudem über eine größere Reichweite als die der Battlemechs – die zudem grundsätzlich über eine unrealistisch kurze Reichweite verfügen (Eine ER PPK [Extremreichweiten Partikelprotektorkanone] schießt gerade mal 690 Meter weit. Alles klar. Und die Waffensysteme sind auch sehr unpräzise was die Zielgenauigkeit betrifft, wenn man sie mit Waffen der realen Gegenwart vergleicht.
  • Warhammer 40k habe ich selbst nie gespielt. Mir wird aber unisono mitgeteilt, dass die Sonderregen Legion sind, sich regelmäßig ändern, in sich unschlüssig sind und überall verteilt stehen. Daher ist Warhammer 40k sowohl als komplex und mehr noch auch als kompliziert anzusehen.
  • Demonworld (wer noch weiß, was das ist?), ist meines Erachtens zwar komplex, aber wenig kompliziert.
    • Als ich das vor ein paar Wochen wieder mal spielte, war ich überrascht, wie elegant das System doch ist. Es gibt Formationen, Moralwerte, Magie, Sondermodelle und Vieles mehr – aber alles ist gut handhabbar und in (relativer) Kürze erlernbar. Redundanzen gibt es kaum. Das System leidet nur an einer etwas ungünstigen Mechanik mit nur einem W20 und der damit einhergehenden Standardabweichung beziehungsweise Gleichverteilung. Das mag bei den Angriffen einer ganzen Einheit zu verschmerzen seien. Bei dem Angriff eines sog. Großelements, wie einem Riesen oder bei dem Wirken eines Zaubers ist dies aber unschön, weil man so eine hohe Chance hat, dass selbst der erfahrene Magier oder Riese erfolglos ist.
    • Zudem, aber das ist jenseits des hier Interessierenden, ist die Spieltiefe insofern gering, als dass sich die verschiedenen Truppen nur anhand ihrer Werte aber weniger anhand von Sonderfertigkeiten unterscheiden und zudem auch nur bedingt Synergien zwischen diesen bestehen.
  • Dungeons & Dragons ist ein schwieriger Fall.
    • Das System hat ebenfalls einen simulationistischen Anspruch. Auch ist das Regelwerk in zahlreichen Szenarien, Welten und Hintergründen präsent. Dies macht deutlich, dass es komplex genug ist um Vieles abzubilden. Allerdings ist es mitunter unterkomplex, weil es zum Beispiel verbietet, dass ein Magier ein Zweihandschwert führt – man fragt sich, was denn ist, wenn er es einfach tut…? Solche Setzungen sind simulationistisch nicht begründbar. Zudem ist die 1W20-Probe eine sehr schlechte Spielmechanik, die zudem aber immerhin konsistent durchgezogen ist. Gleichwohl ist es wenig befriedigend, wenn ein schlechtes Konzept überall seinen Widerhall findet. In diesem Fall führt die hohe Standardabweichung und Gleichverteilung der Ergebnisse zu einer zu großen Streuung, so dass auch fähige Charaktere oft in Standardsituationen scheitern.
    • Unter „ferner liefen“ kann man noch einsortieren, dass Talente mitunter von den falschen Attributen („Ability Scores“) beeinflusst werden. So ist es zum Beispiel nicht naheliegend, dass die Trefferwahrscheinlichkeit mit einer Waffe von der Stärke des Kämpfers und nicht von der Geschicklichkeit abhängt. In gleicher Weise sind die Talente („Skills“) selbst deutlich kompliziert, was sich besonders gut im dem Metatalent „Dungeoneering“ der vierten Edition zeigt, dass nicht überschneidungsfrei zu zahlreichen anderen Talenten war. Unterkomplexität kommt hinzu, weil für viele Fertigkeiten kein passendes Talent existiert (z.B. Kutsche fahren).

Ich hoffe, hierdurch wird ein wenig ersichtlich, zumindest im Quervergleich, warum ich Battletech als wenig komplex einschätzte – ich bezog mich hierbei auf die 3025er-Technologiestufe und das Spiel nur mit Battlemechs. In jedem Fall sehe ich nicht, dass Battletech kompliziert ist.

Wie könnte nun ein gutes, im Sinne des vorstehenden Obersatzes, System ausgestaltet sein? Ein Freund von mir entwickelte ein Solches. Es wurde für Dark Heresy und Shadowrun konzipiert. Diese Welten zeichnen sich per se durch den Anspruch einer hohen Komplexität aus, da, wie erwähnt, verschiedene Dimensionen abgebildet werden müssen. Im Kern basiert dieses System auch einer Mechanik, die in ähnlicher Weise bei Fate zu finden ist. Der Mindestwurf ist immer Null. Der Talentwert des Charakters liegt regelmäßig leicht darüber, kann aber durch Zu- und Abschläge verändert werden. Geprobt wird mit 10W6, wobei jeder W6 nur, je zweimal, Plus, Minus und Neutral anzeigt. Ein Plus ist dem Talentwert hinzuzuschlagen, ein Minus zu subtrahieren. Ein neutraler Wert verändert nichts. Jeder Würfel verändert damit im Erwartungswert den Talentwert nicht – und auch alle Würfel zusammen tun dies nicht. Gleichwohl gibt es ein gewisses Zufallselement. Dieser Mechnismus kann auf sämtliche Proben angewendet werden und ist daher nicht kompliziert. In Anlehnung an DSA oder Dungeons & Dragons wird der initiale Talentwert um die Werte der Eigenschaften oder „Ability Scores“ modifiziert. Längst nicht alle Probleme sind hiermit gelöst – aber die Grundmechanik ist besser als alle Obenstehenden.

Ausführliche Informationen dazu gibt es hier:

https://drive.google.com/drive/folders/1ydz3-qTO_jKPPjNVeZy6WbslHxl-cCNV

Ich werde mir Gedanken machen, wie man dieses System auf mein „Heimatsystem“ DSA übertragen könnte.