Uhrwerk Verlag

Das Myranor-Crowdfunding und die Frage: Ist das Pen & Paper-Rollenspiel auf dem Weg in die Regelwerk-Monokultur?

Das Myranor-Crowdfunding

Es wird wieder neue Myranor-Produkte geben: Vor einigen Wochen schon startete der UhrwerkVerlag hierzu ein Crowdfunding-Projekt, dass augenscheinlich gut angenommen wird. Hierbei werden die beiden Regionalbände „Unter dem Sternenpfeiler“ und „Jenseits des Nebelwalds“ in Form von Nachdrucken neu aufgelegt. Zudem wird es insbesondere ein neues Regelwerk geben. Dieses soll auf D&D 5e (auch D20 genannt) basieren.

Da ich seit langem, mehr oder weniger insgeheim, finde, dass Myranor in vielerlei (aber nicht in jedweder) Hinsicht das „bessere DSA“ ist, freue ich mich außerordentlich, dass es bei Myranor weitergeht.

Das geht auch vielen anderen so – der Erfolg des Crowdfundings spricht für sich. Allein – ich habe alles, was bislang von Myranor erschienen ist. Die Nachdrucke sind daher für mich belanglos. Ich hätte mir eher eine neue Regionalspielhilfe oder Abenteuer gewünscht. Da dies für die meisten Alt-Spieler gelten dürfte, hat der Uhrwerk Verlag diese offenbar nicht im Blick. Ich muss sagen: Das kann ich gut nachvollziehen! Denn für „uns“ hätte der Verlag jede Menge Mühe in das Schreiben neuer Quellenbände oder Abenteuer stecken müssen – bei den Neuauflagen ist das naturgemäß nicht so. Da dieses Weniger an Produktionskosten mit Sicherheit nicht zu einem später günstigeren Verkaufspreis führen wird, ist es wahrscheinlich, dass sich die Nachdrucke für den Uhrwerk Verlag mehr lohnen (Grundsätzlich könnte es anders sein, nämlich dann, wenn die Nachfrage für die Neuauflagen viel geringer wäre. Das scheint aber nicht zuzutreffen).

Man richtet sich also offenkundig insbesondere an Spieler, die Myranor noch nicht spielen. Solche Spieler dürften auch die Regelwerke nicht haben. Und damit stellt(e) sich für die Uhrwerk Verlag die Frage, welche Regelwerksbände er für diese Neuspieler veröffentlicht.

D&D 5e als Regelwerk für Myranor

Und es sind Bände nach D&D 5e geworden! Kein DSA 5. Und auch keine Neuauflage der DSA 4.1-Bände. Letztere wären ebenfalls im Wege des Nachdrucks günstig machbar gewesen. Aber: Wir Altspieler haben diese Bücher schon. Und für die paar, welche die noch bei ebay für hohe Beträge kaufen (vermutlich getrieben von geringerem Angebot – aber auch nur geringer Nachfrage), lohnt sich ein Nachdrucken offenbar nicht.

DSA 5 wäre naheliegend gewesen, denke ich. Hierzu sagt der Uhrwerk Verlag, dass dieses System nicht vollständig sei. Zudem müssen die unterschiedlichen Regelwerkpräferenzen der DSA-Szene gesehen werden: Keineswegs alle spielen DSA 5. Jüngste Umfragen im Orkenspalter-Forum und im dsaforum deuten an, dass DSA 4.1 das am meist gespielte Regelwerk ist. Diese Umfragen sind sicherlich nicht repräsentativ – dennoch zeigt sich wieder einmal, dass DSA 5 keinesfalls vorbehaltlos von der Spielerschaft akzeptiert wird.

Was also tun? Ich kann den Schritt zu D&D 5e gut nachvollziehen. Neueinsteiger werden (angeblich, für mich aber naheliegend) über Youtube-Videos an das Hobby herangeführt – und dort spielt man meist D&D. Auch davon abgesehen ist D&D das mit Abstand größte Rollenspiel weltweit – wenn auch mit englischen Produkten. Gedanklich hat der Uhrwerk Verlag mit dieser Wahl des D&D-Regelwerks ein höheres Marktpotential. Zumal nicht übersehen werden darf, dass die Gruppe der DSA-Altspieler auch Individuen aufweist, die Sammler sind und die Myranor-D&D-Regelwerke daher dennoch kaufen dürften.

Insgesamt entsprechen diese Entwicklung etwa meinen Vermutungen von vor einem Jahr, als die Trennung von Regel- und Hintergrundbänden für Ulisses-Produkte angekündigt wurde.

Regelwerk-Monokultur?

Die Entscheidung des Uhrwerk Verlages im Blick, könnten andere Verlage ähnliche Schlüsse ziehen und ebenfalls ihre Produkte für das D&D 5e-Regelwerk anbieten. Vielleicht wäre dies sogar, neben dem grundsätzlich größeren Marktpotential, besonders risikolos, weil der de-facto-Standard D&D 5e vielen bekannt und damit auch als solcher akzeptiert ist. Ergänzend: Je mehr Verlage diesen Weg wählen, desto mehr greifen diese Argumente. Netzwerkeffekte tun ihr Übriges.

Man kann sicherlich einer solchen (ja nur möglichen) Entwicklung mit Schrecken entgegenblicken: Das liebgewonnene Regelwerk möchten nur wenig aufgeben. Zumal das D&D-Regelwerk (nicht nur) meines Erachtens Schwächen im Aufbau hat. Auch sonst wird gerne angeführt, dass das D&D-Regelwerk vor allem für Dungeons und Kämpfe geeignet sei – nicht aber für subjektiv als hochwertig empfundenes Charakterspiel, das seine Stärke aus Interaktion zieht.

Exkurs: Der Versuch eines Gegenbeispiels

Letzterem Vorbringen versucht der
Uhrwerk Verlag ein Stück weit entgegenzutreten. Auf seiner Webseite findet man eine Beschreibung, wie ein Myranor-Charakter mit D&D-Regeln erstellt werden könnte. Hierbei geht es darum zu zeigen, dass nicht nur eindimensionale und flache, sondern komplexe Charaktere erstellt werden können. Dies gelingt einigermaßen. Ich, der kein Experte für das D&D-Regelwerk bin, erkenne aber auch, dass das Beispiel einen Leonir-Kämpfer erstellt – also einen Charakter, dessen Fokus gerade qua Klasse nicht auf sozialer Interaktion liegt – auch wenn der Ersteller ihm einen hohen Charisma-Wert gibt. Dies ändert sich auch nicht durch die weiteren Ausgestaltungen (Schaukämpfer, Kleriker…).

Eine bessere Idee wäre es vielleicht gewesen, einen sozial- oder wissensorientierten Charakter ohne relevante kämpferische Fähigkeiten zu erstellen; vielleicht einen Ravesaran-Scholar. Für mich ist das Beispiel daher zumindest unglücklich: Der Kritik, dass das Regelwerk einen Fokus auf Kämpfen hat, wird meines Erachtens nach nicht begegnet. Es wird (immerhin zielkongruent) nur gezeigt, dass rollenspielerisch auch nicht-flache Charaktere möglich sind. Das geht aber praktisch immer. Fraglich ist für mich, ob das Regelwerk dies fördert.

Mit Blick auf
Planescape: Torment, weiß ich aber auch, dass das D&D-Regelwerk komplexe Interaktionen keineswegs ausschließt (aber auch, dass hierfür in diesem Falle vor allem ein Wert, nämlich Weisheit, relevant ist).

Diesem, weitgehend subjektiven, Nachteil steht aber ein ganz gewichtiger Vorteil entgegen: Würde ein Regelwerk der de facto-Standard werden, würde das gemeinsame Spielen oder das Gründen einer neuen Gruppe viel leichter werden. Diskussionen ob des Systems fielen oftmals weg. Man könnte beispielsweise nach einem Umzug in eine andere Stadt viel leichter mit dem eigenen Charakter einer anderen Gruppe dort beitreten. Das fände ich großartig! Durch den Multiversum-Gedanken der D&D-/ Planescape-Welt wäre dies auch innerweltlich (im Fantasy-Bereich) möglich.

Insofern hat eine mögliche Regelwerk-Monokultur auch ihr Gutes – und könnte langfristig der Rollenspielszene die ein oder andere Systemdiskussion sparen.

„Gendern“ (oder auch nicht) in Rollenspielprodukten – mögliche Folgen für das Hobby

Vor einigen Wochen fragte ein Mitspieler in einer Chat-Gruppe, ob jemand ein Splittermond-Startbox haben möchte. Diese sei komplett „durchgegendert“ und daher bestehe kein Interesse an dem Produkt.

In der Chat-Gruppe führte dies zu einem Austausch, wie zu „gegenderten“ Rollenspielprodukten zu stehen sei. Hierbei gab es drei Meinungen:

  1. Es sei nicht gern gesehen bis inakzeptabel (so oben),
  2. es sei begrüßenswert bis geboten, oder
  3. es sei egal – jeder soll so schreiben, wie es beliebt (dieser Standpunkt wurde mehrheitlich vertreten).

Auch an anderer Stelle merkte ich, dass die Meinungen (auch) bei Rollenspielprodukten auseinandergehen und mitunter verfestigt sind. So wie der Vorstehende gegenderte Produkte nicht haben möchte, kenne ich auch Fälle, die nicht gegenderte Produkte ablehnen.

Exkurs 1: Was ist (hier) mit „Gendern“ gemeint?

Schon die Frage, was Gendern meint, scheint bereits strittig zu sein. Ich schrieb mal eine Mitspielerin, die wir hier Tina nennen, separat an („Hallo Jungs, hallo Tina“) und mir wurde gesagt, ich gendere. Das sehe ich hier noch nicht; zumindest scheint es eine sehr schwache Ausprägung des „Genderns“ zu sein.
Doppelnennungen („Spieler und Spielerinnern“) wären folglich ebenfalls eine, allerdings etwas stärkere, Form des „Genderns“. Die Verwendung der Partizipform (Spielende) wird mitunter schon kritischer betrachtet, wenn die Betreffenden nicht gerade jetzt auch spielen. Diverse Binnenzeichen („Spieler*innern“, „Spieler:innern“ etc.) sind jedenfalls als „Gendern“ zu betrachten. Solche Schreibweisen waren nach meinem Verständnis in der Splittermond-Startbox zu finden. Als weitere „Steigerungsfrom des Genderns“ kommt, wie ich jüngst lernte, die Verwendung von Neo-Pronomen in Frage.


Exkurs 2: Mein Standpunkt

Für das „Gendern“, in welcher Form auch immer, gibt es Pro- und Kontrapunkte. Wie für Leser dieses Blogs erkennbar, habe ich mich entschlossen, im Wesentlichen nicht zu gendern – die Explizitnennung Tinas ausgenommen. Ich kann aber gedanklich nachvollziehen, dass man zu einem anderen Ergebnis kommt und „Gendern“ wichtig findet.

Um das Für und Wider des „Genderns“ als solchem soll es aber hier nicht gehen. Ich frage mich vielmehr, was dieses Thema mit dem Rollenspiel als Ganzem machen könnte.

Zumindest ein Teil der Rollenspielerschaft ist also nicht oder nur mit Murren bereit, ein „gegendertes“ oder ein nicht „gegendertes“ Produkt zu kaufen. Fraglich ist für mich damit, wie man als Verlag damit umgehen könnte.

Und das ist für meine Begriffe herausfordernd. Die naheliegendste Lösung könnte sein, einfach zwei Versionen eines Werkes anzubieten, um beide Gruppen zufriedenzustellen. Mit Blick auf die geringe Auflage der meisten Rollenspielprodukten ist das realiter eine wohl unpraktikable Vorgehensweise. Bestenfalls bei elektronischen Büchern könnte ich mir solche Zweifachausfertigungen vorstellen.

Man könnte die Formulierungen jedoch wechseln. Das Shadowrun-Buch „Neo-Asphaltdschungel“ scheint teilweise, vielleicht unabsichtlich, diesen Ansatz zu verfolgen, da der Stil auch in einem Text stark schwankt („Anwohnende“ [S. 8] „Shopbetreibende“ [S. 62] – wenn man das Partizipform bereits als „Gendern“ begreifen möchte; aber dann z.B. „Chefetage“ [S. 9] oder Doppelnennungen z.B. „Zivilist/Passantin“ [S. 15]). Bei DSA 5 wird druchweg von „Spielern“ aber auch „Meisterin“ gesprochen. Bei DSA 4 wurden Professionen teilweise in der männlichen, teilweise in der weiblichen Form angegeben. Der System Matters-Verlag möchte offenbar durchweg „gendern“ und verwendet scheinbar sogar spezielle Pronomen, ist aber im Ergebnis offenbar doch nicht konsequent. Er würde damit ebenfalls zwischen Schreibformen wechseln.

Vielleicht ist es eine Lösung, die Formulierungen den konkreten Autoren anheim zu stellen? Hierfür könnte sprechen, dass die Autoren auch sonst großen Einfluss auf die Formulierungen haben und es letztlich ihr Text ist. Gegen diese Idee könnte angeführt werden, dass der Verlag die Produkte insofern einheitlich gestalten möchte. Das erfolgt übliecherweise über das Lektorat. Teilzeithelden hat hierzu einen interessanten Beitrag aus Sicht des Lektors veröffenticht, der auch Lösungen umfassend diskutiert. Die meisten davon skizzieren einen Mittelweg bzw. eine „angepasste Lösung“. Doppelnennungen wie „Spielerinnen und Spieler“ gehen in eine ähnliche Richtung und dürften zumindest eingermaßen unverfänglich sein – obgleich es auch hier Einwände gibt.

Es besteht bei den solchen flexiblen Alternativen und Mittelwegen allerdings die Möglichkeit, keine der beiden Gruppen zufriedenzustellen.

Insgesamt kann ich mir daher vorstellen, dass dies für Verlage ein wirklich heikles Thema ist, mit dem man sich schnell „in die Nesseln setzt“. Dies gilt umso mehr, weil die Auflagen von Rollenspielprodukten oft nur im dreistelligen Bereich sind – jeder Kauf zählt also.

Eine, eher perspektivische, „Lösung“ könnte sein, dass Rollenspielbücher künftig noch mehr primär in englischer Sprache ver- bzw. gekauft werden. Hier wird grundsätzlich praktisch durchweg das generische Maskulinum verwendet (Ausnahmen gibt es freilich z.B. „Princess“ oder „Sorceress“), was aber allseits akzeptiert ist. Die Frage nach dem „Gendern“ stellt sich damit gar nicht. (Ergänzung vom 2. August 2024: Unterschiedliche Personalpronomen [„he“/ „she“] gibt im Englischen natürlich auch. Ergänzend wird mitunter „They“ als geschlechtsneutral verwendet. Im oben stehenden Sinne wäre eine Unterscheidung hier aber allenfalls eine schwache Form des „Genderns“.)

Ob dies für deutsche Verlage, die oft auch Übersetzungen englischer Werke verkaufen, eine kommerziell attraktive Perspektive ist, glaube ich hingegen nicht. Mal abgesehen davon, dass nicht jeder die englische Sprache auf einem Niveau beherrscht, um Bücher in dieser Sprache lesen zu können.

Die ELF als DSA-Lizenz: Das Ulisses-Abo-Modell?

Was ist die ELF?

Nach der ORC, auf die ich hier, samt Genese einging, besteht schon seit Winter letzten Jahres die Möglichkeit, auch Lizenzen zum Erstellen von Inhalten mit Bezug auf die Spielwelt zu erhalten.

Wir erinnern uns: Die ORC gibt jedem die Möglichkeit, die Regeln DSAs (und anderer Ulisses-Systeme, aber darum soll es nicht gehen) zu verwenden. Die Regeln – nicht aber die Spielwelt. Der (insbesondere kommerzielle) Vetrieb einer Spielhilfe für DSA ist mit der ORC nicht möglich.

Aber – und das ist die DSA-Revolution (wie Arkanil schreibt), genau die ist nun mit der sog. Extended License for Friends, oder kurz, ELF, möglich. Wie funktioniert das Ganze? Zunächst ist es nicht so, dass jeder diese Lizenz erhält, wie es bei der ORC der Fall ist. Vielmehr bedarf es einer expliziten Vereinbarung mit Ulisses, um unter dieser Lizenz tätig zu sein. Details werden hier erläutert; mir selbst liegt die ELF, oder ein Entwurf selbiger, nicht vor.

Ist man Lizenznehmer unter der ELF kann es losgehen und es können nicht-kanoische DSA-Inhalte publiziert werden. Patric Götz vom Uhrwerk Verlag ist offenbar bereits Lizenznehmer (wenn auch wohl auf etwas anderer, aber vergleichbaren, Grundlage) und kann hierdurch neue Myranor-Produkte herausbringen. Das finde ich als Spieler großartig! Herzlichen Dank vorab an alle, die dies ermöglichen!

Damit aber nicht genug: Ebenfalls über den Uhrwerk Verlag wurde ein Crowd Funding für die deutsche Ausgabe des schwedischen Rollenspiels Dragonbane aufgelegt. Aber: Als optionales Produkt kann man einen Band für die Grüne Ebene, einer DSA-Region, dazubestellen. Die Redaktion dieses Bandes wird von den DSA-Alt-Autoren Eevie Demirtel und Thomas Römer verantwortet.

Nun kann man zum einen Patric Götz’ Chuzpe in den Vordergrund stellen: Hierdurch werden viele (so auch ich) das Dragonbane Crowdfunding unterstützen: Man bekommt ein DSA-Produkt von den „alten“ Autoren, an die man besonders gute Erinnerungen hat. Das Crowdfunding wird hierdurch sicherlich maßgeblich unterstützt worden sein (das Finanzierungsziel wurde auch zu 1.027 % erreicht) – auch der weiteren Entwicklung Dragonbanes dürfte es helfen, da viele Unterstützer, die vor allem das DSA-Buch haben wollten, sicherlich auch Dragenbane nun mal ausprobieren und vielleicht dabei bleiben werden.

Ratio Ulisses‚ (I)

Man könnte meinen, das Ulisses sich selbst Konkurrenz mache – da die alten, vermeintlich guten, Autoren nun wieder an DSA-Produkten mitwirken, die im Wettbewerb zu den Ulisses-eigenen stehen könnten. Diese Gefahr besteht zwar – scheint mir aber nachrangig. Denn: Zum einen profitiert Ulisses von den Verkäufen unter der ELF, da diese teilweise mit einer Lizenzgebühr an Ulisses einhergehen: Offenbar zehn Prozent bei Crowd Funding-Einnahmen (begrenzt-exklusive Verkäufe) und weiteren indirekten Erträgen aus dem Vertrieb über Ulisses-Plattformen). Zum anderen scheint mir die DSA-Spielerschaft jedenfalls zum Teil nicht dadurch gekennzeichnet zu sein, dass jeder Kauf sorgsam abgewogen wird. Mein Erwartung ist eher, dass im Zweifel einfach ein Produkt mehr gekauft werden wird.

Bei der alten Myranor-Lizenz an den Uhrwerk Verlag war es zudem so, dass die Produkte von Ulisses alle vor der Veröffentlichung gegengelesen wurden. Das war mühsam, aber mit Blick darauf, dass diese Bücher kanonisch wurden (sie galten als offizielles DSA-Material), erforderlich. Die ELF-Werke sind hingegen per se nicht kanonisch – Ulisses hat hierdurch keine Mühe durch Gegenlesen. Die Eigenheit des nicht-kanoischen dürfte auch dazu beitragen, dass Spieler die kanonischen UlissesDSA-Produkte weiter kaufen – weil deren „Verbindlichkeit“ eine gewisse Relevanz für treue Anhänger der Spielwelt hat.

Meines Erachtens sind diese Überlegungen aber alle nebensächlich für Ulisses. Vielmehr lese ich dies als die konsequente Fortsetzung einer Strategie, bestimmte Eigenheiten der Rollenspielverlage zu umgehen. Ulisses ist zudem offensichtlich der Meinung, die ELF sei eine gute Idee. Denkbar sind für mich weitere

Vorteile für Ulisses – Ratio (II):

Zum einen macht die bereits erfolge Trennung von Regelwerk und Spielwelt macht Diskussionen um des Für oder Wider von Editionen obsolet.

Mit der ELF wird ein Kernproblem im Rollenspiel-Geschäft angegangen: Wie hier schon mehrfach dargelegt, ist ein Rollenspielverlag damit konfrontiert, dass seine Produkte eine lange Lebenszeit haben, aber nur einmal Umsatz erbringen. Mit Zusatzprodukten kann freilich zusätzlicher Umsatz erzielt werden (wobei Regelwerke viel mehr als Spielhilfen oder Abenteuer gekauft werden) – aber irgendwann „muss“ der Rollenspielverlag eine neue Edition des Systems auf den Markt bringen, um weiterhin Umsatzerlöse zu genieren (Editionsproblem). Mein Lösungsvorschlag hierfür war ein Abonnements-Modell, bei dem die Kunden monatlich für zum Beispiel VTT-Inhalte zahlen.

In gewisser Weise hat Ulisses diese Idee perfektioniert und umgesetzt. Nur – nicht die Kunden sind Lizenznehmer – andere Rollenspielverlage sind es! Hierdurch kann Ulisses dauerhaft Umsatzerlöse in Form von Lizenzerträge generieren. Einschränkend muss bedacht werden, dass diese gegebenenfalls nur aus Crowd Funding-Erträgen und anteiligen Erlösen über Ulisses-Plattformen stammen werden – das dürfte aber gleichwohl ein nicht zu unterschätzender Umsatzanteil sein; vor allem, wenn man bedenkt, dass viele Rollenspielprodukte heutzutage über Crowd Funding finanziert werden.

Des Weiteren trägt Ulisses bei ELF-Produkten kein Risiko, da die Produktentwicklungskosten in jeden Fall bei den Lizenznehmern anfallen. Gleichzeitig profitiert Ulisses im oben stehenden Rahmen proportional an höheren Umsatzerlösen. Ulisses kann insofern (monetär) nur gewinnen.

Ergänzend ist der offensichtliche Vorteil zu nennen, dass die ELF (gerade in Kombination mit der ORC), die Verbreitung von Ulisses-Produkten, und damit deren Marktanteil, erhöhen dürfte. Im kommerziellen Idealfall könnte Ulisses hierdurch bereits als „IP-Verwerter“ mit niedriger Kostenbasis solide aufgestellt sein. Dieser Gedanke könnte zudem auch in Verbindung mit den gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen bei Ulisses stehen.

Zudem kann Ulisses weiterhin mit eigenen Produkten den Markt bespielen – und muss keine Sorgen haben, dass eine mögliche Vielzahl der Publikationen unterschiedlicher Verlage nicht zusammenpasst – den per se sind all diese Drittprodukte nicht kanonisch. Dieser Vorteil hat in praxi durchaus Relevanz, da die DSA-Spielwelt sehr komplex ist – und gerade neue Autoren Mühe haben, nicht in Widerspruch zu früheren Setzungen zu stehen.

Arkanil hofft darüber hinaus, dass die ELF es ermöglicht, mit dem Kanon, und vor allem der kleinteiligen Beschreibung Aventuriens, zu brechen und hierdurch neue Wege eingeschlagen zu können. Dem stimme ich grundsätzlich zu – frage mich aber, ob nicht gerade die Beschreibungsdichte für viele das ist, was DSA ausmacht. Zudem: Die Grüne Ebene war bislang kaum beschrieben – zumindest an dieser Stelle erhöht die ELF also die Beschreibungsdichte. Gleichwohl: Die von Arkanil angesprochene Möglichkeit besteht und wenn sich hierfür Begeisterte finden, ist das eine tolle Sache.

Mögliche Nachteile Ulisses

Die Ulisses-Strategie geht jedoch auch mit Nachteilen einher: Vor allen Dingen ist fraglich, ob es dauerhaft gelingen kann, das Editionsproblem einfach „outzusourcen“. Immerhin könnte vermutet werden, dass bei einer großen Zahl von Lizenznehmern eine gewisse Nivellierung eintreten könnte, sprich: Wenn dem einen nichts mehr einfällt, gibt es einen anderen, der ein erfolgreiches Produkt entwickelt.

Potentiell problematischer könnte folgendes sein: Der Uhrwerk Verlag setzt frühere DSA-Autoren ein – genau hierdurch sollen die Produkte attraktiv für die Käufer werden. Ich bin auch zuversichtlich, dass Werke von Thomas Römer oder Uli Lindner von vielen Spieler unbesehen und mit Begeisterung gekauft werden. Im ersten Schritt gelänge es Ulisses also, dass diese Autoren (doch) wieder für Ulisses tätig sind – was sonst eher unwahrscheinlich wäre.

Im zweiten Schritt aber sehe ich die Möglichkeit, dass einzelne Werke von Autoren mit einer derartigen Reputation de facto kanonisch werden – einfach, weil sie als besonders gut wahrgenommen werden. Es besteht also eine zumindest die theoretische Gefahr für Ulisses, die De-facto-Gestaltungsmacht über die DSA-Spielwelt an ein wirklich gutes Autorenteam zu verlieren. Dem entgegen wirkte dürfte jedoch eine Regelung der ELF, dass unter ihr erstellte Inhalte nicht als Quelle verwenden werden „sollen“ . Was das heißt, bleibt abzuwarten. Ich wäre überrascht, wenn ein Verlag deshalb nicht auf eigenes Material verweisen könnte.

Theoretisch könnte die ELF zudem gekündigt werden – ob das in dem skizzierten Fall praktisch ratsam wäre, wage ich zu bezweifeln: Das von mir skizzierte denkbare Szenario ist ja kein Rechtsproblem, sondern wäre ein Tatsächliches. Ein solches könnte man nicht kündigen. Von Reputationsverlusten Ulisses’ ganz zu schweigen. Möglich wäre es jedoch, über einen Erwerb dieser unter der ELF erstellten Inhalte nachzudenken.

Ich jedenfalls blicke mit Freude auf tolle Produkte, die unter der ELF entstehen könnten. Als Kunde kann ich nur gewinnen: Wo die Produkte entstehen, unter welcher Lizenz und ob dies kommerziell für Ulisses eine gute Sache ist, ist aus diesem Blickwinkel nachrangig. Wichtig ist, dass sie meiner Spielgruppe, mir und anderen DSA-Spielern Freude bereiten.