Bemalservice

(Warum) sind Unternehmen für „Nerd-Themen“ unprofessionell?

Einführung

In vielen Jahren „Interaktion“ mit Händlern, Handwerkern, Verlagen oder Dienstleistern aus dem Konvolut „Rollenspiel-Tabletop-LARP“ habe ich allerlei verrückte Erfahrungen gemacht. Immer wieder frage ich mich dann, ob das denn sein muss. Denn, auch wenn es anderswo auch unprofessionelles Geschäftsgebahren gibt, finde ich die Häufung in der Nerd-Branche bemerkenswert.

Doch zunächst – was ist eigentlich Professionalität? Ursprünglich aus dem Lateinischen kommend (profitērī) ist Öffentlichmachung gemeint. Im Laufe der Zeit wurde dies auf die Angabe des Gewerbes bezogen und schließlich auf den Stand oder Beruf (französisch: profession).

Demzufolge ist jeder, der einen Beruf ausübt, professionell (in diesem Berufe). Das ist natürlich nicht, was ich meine. Ich verstehe professionell im Folgenden als „bewanderte, sachkundige Berufsausübung – wobei dies auch Nebentätigkeiten einschließt“.

Und was geht da so schief? Eine ganze Menge! Hier ein paar Anekdoten – die Reihenfolge spielt keine Rolle:

  1. Vor vielen Jahren bestellten wir Kettenhemden. Die kamen aber nicht. Weil dem Händler sonst nichts einfiel, erklärte er, der Container mit den Kettenhemden sei von Schiff gefallen.
  2. Bekannt ist der Nachdruck des DSA4-Liber Cantiones, bei dessen Ankündigung seites Ulisses vollmundig angekündigt wurde, diese Neuauflage solle alle DSA4.1-Zauber enthalten – und dann nicht enthielt.
  3. Ein Freund von mir bestellte sich bei einem Handwerker maßgefertigte LARP-Stiefel. Neben der Tatsache, dass die Anfertigung sehr lange dauerte, konnte er sich nicht anziehen, da die Öffnung nicht dergestalt war, dass er den Fuß auf das Stiefelbett setzen konnte – er blieb am Schaft hängen. Das geschah sogar mit einer danach erneut angefertigten Version ein zweites Mal – bis der Handwerker den Auftrag zurückgab.
  4. Bei einem Bemalservice bestellte ich einst die Bemalung einer Truppe Legion of Everblight-Modelle. Die wurden mir jedoch erst viel zu spät zugesendet, da eine plötzliche Reise nach Ägypten dazwischen kam.
  5. Ein anderer Bemalservice übersah meine Bezahlung und begann damit nicht mit dem Bemalen der Modelle. Diese wurden daher erst nach rund sechs Monaten fertig.
  6. Schon zweimal wurden mir (von verschiedenen Händlern) gebrauchte bemalte Figuren zugesendet und bei der Verpackung geschludert. Folge waren zahlreiche Abplatzungen der Farbe, da die Modelle auf dem Versandweg gegeneinanderstießen.
  7. Die Crowd Funding-Finanzierungen von Prometheus Games sind vielen bekannt. Am populärsten ist sicherlich die Finanzierungsrunde für das Dresden Files-Rollenspiel, dass im Oktober 2017 erscheinen sollte – aber meines Wissens immer noch nicht erschienen ist (und realistischerweise dann wohl auch nicht mehr erscheinen wird
  8. Ähnlich gelagert, aber mangels Crowdfunding nicht unverschämt, sondern eher unorganisiert, war die Verzögerung der DSA-Güldenlandbox. Diese wurde für Mitte der Neunziger angekündigt – kam aber erst 2000.
  9. Ich gab mal einen LARP-Krummsäbel, der „Latex-Krebs” hatte, zur Reparatur. Leider war bei dem Händler regelmäßig das E-Mail-System nicht funktionierend, so dass er nicht mehr erreichbar war und mein Krummsäbel wohl auf immer verloren ist.
  10. Ein anderer LARP-Waffenhersteller fertigte mal einen Zweihänder für mich an. Kurz vor Fertigstellung ging das gute Stück aber kaputt; (angeblich) weil der Lehrling (?) eine falsche Maschine für die finale Schicht Lack verwendete.
  11. Jüngst erreichte mich ein Schreiben, in dem mit der Martin Ellermeier-Verlag mitteilte, dass er keine gedruckten Ausgaben seiner Magazine Tabeltop Insider und Mephisto mehr herstellen werde. Ich könne stattdessen einen Gutschein in Höhe meines Restguthabens aus dem laufenden Abonnement haben, um die Ausgaben verbilligt digital beziehen oder auf mein Guthaben verzichten. Dass ich auch auf Lieferung der gedruckten Ausgaben bestehen könnte, kam dem Verlag nicht in den Sinn. Ergänzend erreichte mich das Schreiben nach Ablauf der Frist für die Annahme der Alternativen.
  12. Beim ersten Conquest of Mythodea mit „Rüstungsdeal“ waren die Klingenbrecher der Rüstungen nicht „gebördelt“ – die Rüstungen waren aus dem Ausland importiert, und die Klingenbrecher waren scharf und man hätte sich daran verletzen können. Der Michl, der damals noch bei der gerade übernommenen Hammerkunst-Rüstungsschmiede tätig war, musste die Klingenbrecher daher alle auf der Veranstaltung „umbörteln“.

Viele dieser Erlebnisse sind, vor allem ex post, lustig, manchmal auch skurril – aber eben manchmal auch einfach unbeholfen. Nun darf man sich nicht der Hoffnung hingegen, dass außerhalb der „Nerd-Branche“ immer alle perfekt klappt – mitnichten! Aber die Häufung vom, im besten Fall ungewollt komischen, oder, im schlechtesten Fall, dilettantischen Aktionen sucht meines Erachtens schon seinesgleichen.

Für mich lassen sich diese Unzulänglichkeiten in drei Kategorien verordnen:

  1. Organisatorische Mängel (zum Beispiel Nr. 2, 5, 8)
  2. Unfähigkeit – nicht unbedingt aber böse gemeint (zum Beispiel Nr. 3, 6, 9, 12)
  3. Dreistigkeit – auch nicht zwingend gewollt (zum Beispiel Nr. 4, 6, 7, 11)

Freilich ist diese Einteilung nicht immer trennscharf – Nr. 6 ist sicher in erster Linie Unfähigkeit – der Umgang damit kann dreist sein (und war es in einem Fall auch). Auch um diese Entwicklung soll es im Folgenden gehen.

Erklärungen

In vielen Fällen steht hinter dieser Unbeholfenheit, so denke ich, dass die jeweiligen Tätigkeiten als Teil der Freizeit betrieben werden: Nur wenige Rollenspielautoren sind fest angestellt, kaum einer lebt allein von seiner Tätigkeit als LARP-Hersteller und so weiter. Diese Tätigkeiten sind vielmehr oft bestenfalls der nebenberuflichen Sphäre zuzuordnen.

Und selbst, falls wir einen hauptberuflichen Rollenspielautor ins Auge fassen, so ist dessen monetäre Bezahlung doch oft anscheinend eher mittelprächtig, wenn man sie mit vergleichbar qualifizierten Absolventen vergleicht.

Für die „Kunstschaffenden“ (man sehe mir die blumige Bezeichnung nach) wird ein Teil der Entlohnung jedoch, zumindest implizit, in immateriellen Werten erbracht: Es ist für diese einfach toll, Rollenspielautor oder LARP-Hersteller zu sein.

Das mögliche Gegenargument, dass die Preise aus Kundensicht aber mindestens so hoch sind, wie bei einem Nicht-Hobby-Produkt (Rollenspielbücher kosten beispielsweise vergleichbar viel, wie andere Bücher ähnlichen Umfangs und Ausstattung) und daher hierauf keine Rücksicht genommen werden könnte, man also „professionelles“ Verhalten verlangen, ist aus meiner Sicht zu kurz gegriffen. Denn: Würden die Kunstschaffenden alle hauptberuflich in der Nerd-Branche tätig sein und dort alle ein monetäres Gehalt erzielen, dass zwar nicht fürstlich sein muss, aber doch etwas dem Quervergleich mit vergleichbar Qualifizierten standhält, wären die Produkte teurer. Das dies so ist, liegt bei Rollenspielprodukten an der niedrigen Auflage (es werden nur wenige Skaleneffekte realisiert), bei LARP-Herstellern und Bemalservices an dem hohen Einsatz von Handarbeit in Deutschland.

Ich vertrete daher im Folgenden die These, dass es einen impliziten Konsens gibt, dass kleinere Nerd-Unternehmen ein gewisses Maß an Unprofessionalität an den Tag legen dürfen. Dies betrifft insbesondere die Akzeptanz organisatorischer Mängel, in Grenzen auch noch Unfähigkeit.

Viele Unternehmer der Nerd-Brache bemühen sich meiner Erfahrung nach um ein freundschaftliches Verhältnis zu ihren Kunden und sind sonst sehr serviceorientiert. Ich nenne dies die „Hobbyisten-Strategie“: Die implizite Annahme ist, dass „wir“ doch alle Rollenspieler, LARPer etc. sind und zusammenhalten müssen. Und dass einer nun eben für jemanden entgeltlich tätig ist, ist – unausgesprochen – eher in die Kategorie „bezahlter Freundschaftsdienst“ zu verordnen. Also alles nicht so streng nehmen. Und wenn der Freundschaftsdienst länger dauert oder komplizierter wird, macht das auch nichts. Das Arrangement baut also auf beidseitigem Verständnis, Rücksichtnahme und Gelassenheit auf.

Diesen Zustand sehe ich für die überwiegende Zahl von Unternehmen der Nerd-Brache als gegeben an. Die genannten Beispiele beziehen sich auch überwiegend auf solche kleinen, oft Ein-Mann-, Unternehmen. Jedoch: Vor allem die Nr. 2, 7, 8 und 12 sind meines Erachtens anders einzuordnen. Hier sind größere Unternehmen tätig.

Was geschieht also, wenn die Unternehmen größer werden? Schon aus operativen Gründen ist es dann nicht mehr möglich, „Freund“ eines jeden Kunden zu sein oder mit diesem persönlichen Kontakt zu halten. In diesem Moment wird die Hobbyisten-Strategie (schon zwangsweise) aufgegeben. Damit wird auch schleichend der von mir implizit vermutete Konsens obsolet, dass ein Teil der Entlohnung des Unternehmens in immateriellen Werten erfolgt. Vielmehr nehmen betriebswirtschaftliche Fragen eine größere Rolle ein. Das heißt nicht, dass dies schlecht ist. Es geht kaum anders: Man kann von „ganz normalen“ Angestellten nicht erwarten, dass sie wegen der Begeisterung für ein Hobby, das nicht das ihre ist, Abstriche beim Lohn akzeptieren. Ergo ist die Hinwendung zu einem mehr betriebswirtschaftlich geprägten Unternehmensführung fast zwingend.

Damit zeigt sich für mich, dass im Falle eines Unternehmenswachstums die inhärenten Schwierigkeiten der hier gegenständlichen Märkte oft ergänzt werden, um ein inhärentes Problem der Unternehmensführung: Die fehlende Schaffung einer funktionierenden Organisation. Die meisten Unternehmen außerhalb der Nerd-Brache haben einen technischen und einen kaufmännischen Geschäftsführer. Letzterer fehlt oft bei Unternehmen der Nerd-Brache. Virulent wird dieses Problem jedoch insbesondere mit zunehmender Komplexität und steigenden Kosten.

Diese Diagnose hatte auch schon Ben Riggs, als er über den Aufstieg und Fall TSRs schrieb.

Ich fühle mich bei dieser These auch empirisch bestätigt; die Geschäftsführer der großen Nerd-Unternehmen in Deutschland haben meines Wissens eine kaufmännische Ausbildung.

Deren Qualität dürfte Hinweis darauf sein, wie das Unternehmen sich im Falle von Wachstum entwickelt. Meines Erachtens gibt es zwei Möglichkeiten – von denen eine problematisch ist.

Organisationsstrategien bei Wachstum

Mache Nerd-Unternehmen meinen, dass das Unternehmersein dann besondere Qualität aufweist, wenn man gegenüber seinen Geschäftspartnern, insbesondere Kunden, nachdrücklich auftritt und eine (vermeintlich oder tatsächlich) „professionelle“ Linie fährt. Dies kann ich mir nur als Reminiszenz aus einer Zeit erklären, als man sich als Pionierunternehmen wähnte, dass die Szene voranbrachte und daher „Dankbarkeit“ der Kunden erwarten könnte. Nur – selbst, falls es diese Zeiten gab, sind diese nun vorbei und betriebswirtschaftliche Aspekte stehen nunmehr im Vordergrund.

Ein markantes Auftreten wird in der Regel dann beobachtbar, wenn ein Problem aufkommt: Aus Unfähigkeit oder organisatorischen Mängeln wird dann Dreistigkeit – mitunter schon die rechtliche Lage weder kennend noch beachtend. Unnötig zu sagen, dass genau dies gerade kein Zeichen guter (oder gar erfolgreicher) Unternehmensführung ist, sondern ein Weg, um früher oder später Schiffbruch zu erleiden.

Ergänzend kommt hinzu, dass solche Unternehmen natürlich ihre Unzulänglichkeiten verneinen – man ist nun ja „professionell“ – allerdings nur vom Kunden ein akkurates Verhalten einfordern möchten. Ich nenne dies die „Übervorteilsstrategie“.

Unternehmen, die einfach nur wachsen und sich hierbei dergestalt professionalisieren, dass ihre Organisation mitwächst; sie mithin also einfach zuverlässiger werden und hierbei die „Hobbyisten-Strategie“ (zwangsweise) aufgeben, folgen einer klassischen „organischen Strategie“.

Beispiele

Ein Beispiel für die Hobbyisten-Strategie ist der eine geschilderte Fall Nr. 6, als Figuren schlecht verpackt waren: Der Verkäufer war so bekümmert, dass er mir ohne Aufforderung eine weitere, bemalte (und gut verpackte) Figur zusendete.

Der zweite Fall bei Nr. 6 war hingegen ein Beispiel für die Übervorteilsstrategie: Dieser zweite, deutlich größere, Händler bot mir einen Rabatt in Höhe von zunächst knapp 6,5% und dann 11% an – der Schaden war aber, monetär gemessen, weit größer. Gleichzeitig war bei diesem zweiten Fall der Preis der Figuren höher.

Auch der Fall der Crowdfundings von Prometheus Games dürfte eher der Übervorteilsstrategie zuzuordnen sein – ich kann mir nur mit Mühe vorstellen, dass Prometheus Games eine vergleichbar unbestimmt verspätete Zahlung der Unterstützer für das Crowdfunding akzeptiert hätte. Auch wurde eine Rückzahlung der Crowdfunding-Beiträge meines Wissens nicht angeboten. Ökonomisch richtig (sozusagen „professionell“) wäre es zudem gewesen, diese mit Zinsen zurückzuzahlen (wobei die Zinsen unter Umständen auch in Form von Produkten „gezahlt“ hätten werden können). Ich gehe allerdings davon aus, dass vor dieser Dreistigkeit, die Auslieferung auf unbestimmte Zeit in die Zukunft zu schieben, Unfähigkeit und organisatorische Mängel standen. Ich vermute also nicht, dass Prometheus Games bewusst die Übervorteilsstrategie wählte. Dies war, nach meiner Einschätzung, vielmehr Konsequenz fehlender Organisation bzw. von Inkompetenz.

Zu beachten ist zudem, dass Crowdfundings von den Unterstützern freiwillig getätigt werden und ein Rückzahlungsanspruch in der Regel nicht besteht. Man könnte also sagen „Selbstverschuldet“. Mit Blick darauf, dass der Fall bei Prometheus Games aber mehrfach auftrat, bleibe ich aber bei meiner Einschätzung.

Davon zu unterscheiden ist der Fall Nr. 8. Die Verzögerungen bei der Güldenlandbox sind sicherlich peinlich. Allerdings wurden die Kunden hier nicht vorab zur Kasse gebeten. Daher ist diese Form der Unzulänglichkeit zwar ebenfalls unprofessionell, aber zumindest nicht zum unmittelbaren Nachteil der Kunden. Ergänzend verweise ich auf die oben dargelegte Problematik bezüglich der Autorentätigkeit im Rollenspielbereich. Der Fall fällt daher für mich unter die Hobbyisten-Strategie.

Was sollte ein Unternehmen tun, dem ein Fehler unterläuft? Hier finde ich das Verhalten von Ulisses im Beispiel Nr. 2 beispielhaft. Sowohl gegenüber dem Kunden – aber auch aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen:

Es war sicherlich nicht professionell, einer gemachten Ankündigung, nämlich einer Auflage des Liber Cantiones mit allen DSA 4.1-Zaubern, nicht zu entsprechen. Ulisses sah den Fehler aber ein und sendete den Käufern der unvollständigen Auflage eine vollständige Version zu – kostenfrei.

Was wäre die Alternative gewesen? Der Übervorteilsstrategie hätte es entsprochen, das Ersatzangebot nicht explizit zu machen und in irgendwelchen Ausflüchten Heil zu suchen und darauf zu verweisen, wie etwa, dass die Erstellung des Buches mit viel Mühe „neben dem sonstigen Geschäft“ erfolgt sei und dergleichen mehr. Dann hätten ein paar (sicher aber nicht alle; möglicherweise wäre das Widerrufsrecht auch nicht übermäßig prominent platziert worden) Käufer das unvollständige Buch zurückgesendet. Die nicht zurückgesendete Exemplare wären weiter bezahlt geblieben.

Ulisses hätte vermutlich gleichwohl die gesamte Auflage, inklusive der zurückgesendete Bücher, verkaufen können – die ebay-Preise zeigten eine großen Nachfrage an.

Ergänzend hätte Ulisses aber später die vervollständigte Version des Liber Cantiones auf den Markt bringen können – und so von allen, die nicht zurückgesendet haben, den Preis zweimal einstreichen können, da sicherlich viele (auch) die vollständige Version hätten haben wollen.

Auf der Suche nach einem Unternehmen in den hier einschlägigen Branchen, das für meine Begriffe professionell gewachsen ist, fiel mir die Burgschneider GmbH (samt Tochterunternehmen ein): Ich nehme das Conquest of Mythodea als professionell organisiert wahr – ohne dass die Kunden übervorteilt werden. Zuvor hätte ich diese der Hobbyisten-Strategie zugeordnet. Allerdings ist man heute auch nicht (mehr) jedes Kunden „Freund“. Das mag man bedauern – es ist aber letztlich der Regelfall, nicht mit jedem befreundet zu sein. Zudem bezweifele ich, dass es möglich ist, eine so große Veranstaltung wie das Conquest of Mythodea auf Basis der Hobbyisten-Strategie zu veranstalten, ohne Verluste zu schreiben.

Fazit

Um zur Frage des Beitrags zurückzukommen: Ja, oft sind Unternehmen der Nerd-Branche unprofessionell. Dies liegt daran, dass sie praktisch alle dem Hobbybereich entstammen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen dieser Branche wächst ist per se schon gering. Dass es sich hierbei nicht verrennt – sei es in Chaos (oft) oder in unbilliger Vorteilsnahme (weniger und mitunter ungeplant), noch geringer. Dies dürfte in vielen Fällen auf die mangelnde Ausbildung des Führungspersonals zurückzuführen sein.

Ergänzend kommen geringe Marktgröße und Kostenintensität hinzu. Dem zum Trotze gelingt es dennoch einigen wenigen Unternehmen, sich in diesem Umfeld zu behaupten und professionell zu agieren. Neben der oft besser ausgebildeten Führungsmannschaft gelingt es solchen Unternehmen auch, die inhärenten Marktprobleme zu migrieren:

  1. Die Produktion kann ins kostengünstigere Ausland verlagert werden; man denke nur an Mytholon oder Games Workshop.
  2. Die Zielgruppe ist vergleichsweise groß. Verwiesen sei auf Wizards of the Coast, das, aufgrund der Publikation in englischer Sprache, praktisch den Weltmarkt offen hat.
  3. Das Geschäft generiert wiederkehrende Umsätze. LARP-Veranstalter haben diesen Vorteil; Editionswechsel bei Rollenspiel- oder Tabletop-Anbieter versuchen dies, oft unter Ausnutzung diskretionärer Spielräume, durch Einführung neuer Editionen nachzuzeichnen.

Dies im Blick komme ich nicht umhin, eine gewisse Achtung vor Verlagen wie dem Uhrwerk-Verlag oder auch Ulisses aufzubringen. Trotz kleinem Markt und hohen Kosten behaupten diese sich doch einigermaßen – zugegebenermaßen mit Aussetzern und Höhen und Tiefen.

Was bleibt? Ja, die Unternehmen sind oft nicht im klassischen Sinne professionell. Bevor man sich jedoch über ein Nerd-Unternehmen ärgert, könnte bedacht werden, welche Möglichkeiten dieses hat – und wie es vor diesem Hintergrund Kritik umgeht. Falls aber augenscheinlich die Übervorteilsstrategie gewählt wurde, scheint mir Empörung angebracht und angezeigt.

Tabletop mit unbemalten Figuren oder mit „Proxies“

In meinem Umfeld ist es eher unüblich mit unbemalten Figuren oder Proxies zu spielen– aber natürlich kenne ich dennoch viele solcher Fälle. In der guten alten Demonworld-Zeit kannte ich einen Spieler, der Orks spielte und vorzugsweise Bogenschützen aufstellte. Allerdings hatte er diese Figuren nicht, dafür aber mehrere Einheiten Oger. Also nahm er die Oger-Figuren als Proxy für die Bogenschützen. Die Oger waren obendrein nicht bemalt – nicht mal grundiert. Insgesamt war die Darstellung der Bogeschützen daher, für meine Begriffe, bescheiden.

Jahre später begann ich mit Warmahordes. Hier hatten wir einen Retribution-Spieler, der stets unbemalte (und ebenfalls auch nicht grundierte) Figuren verwendete. Das wurde zumindest von mir kritisiert, da mir sonst bekannte Spieler den Anspruch hatten (beziehungsweise entwickelt hatten), stets bemalt und ohne Proxies zu spielen (die Figuren sind zumindest „Battle Ready“, was oft heißt, dass sie grundiert sind und mit mindestens drei Farben bemalt wurden).

Auch aktuell haben wir einen Spieler in unserer Warmahordes-Gruppe, dessen Figuren aktuell noch nicht bemalt und nicht grundiert sind. Er ist damit aber der Einzige – alle anderen haben Figuren, die mindestens „Battle Ready“ sind. Bei unserem letzten Spieletag schlug ein potentieller neuer Spieler scherzhaft vor, dass nicht-bemalte Figuren minus 4 auf ihen Angriffswurf erhalten sollten.

Im Grunde sind die Argumente weithin bekannt: Nicht jeder mag alle Figuren kaufen – gerade beim Ausprobieren neuer Modelle. Und nicht jeder findet die Zeit zum Bemalen. Gerade wenn man anfängt, kann das Bemalen, je nach System, in der Tat sehr schnell überhandnehmen. Und wieder andere wollen einfach nicht bemalen – schon gar nicht mehrfach die gleiche Figur.

Demgegenüber steht ein möglicherweise schöneres Spielerlebnis, welches durch bemalte Nicht-Proxy-Figuren oder auch dreidimensionales Gelände entstehen könnte. Fraglich könnte sein, ob dieser Aspekt überhaupt (zwingend) dem Tabletop-Hobby immanent ist. Der vorgenannte Retribution-Spieler war der Meinung, mann könne auch mit beschrifteten Pappscheiben in Größe der jeweiligen Figurenbasis spielen. Es gäbe mithin für Figuren eigentlich keinen Grund.

Also gut. Folgende Fragestellungen könnten beleuchtet werden:

1. Gibt es spieltechnische Gründe, mit Figuren zu spielen?

Ich ziele hiermit auf den (insofern extremen) Gedanken des Retribution-Spielers ab, man könne auch beschriftete Pappscheiben statt Miniaturen verwenden. Dies stimmt nach meinem Dafürhalten nur auf den ersten Blick: Die Unterscheidung von Figuren ist häufig aus spieltechnischen Gründen erstrebenswert – man weiß, was man vor sich hat. Bei Pappscheiben ist die Unterscheidung deutlich schwieriger und Verwechselungen wahrscheinlich. Hierdurch kann man sich in der unangenehmen Situation wiederfinden, dass ein Spieler aufgrund einer solchen Verwechslung die „Rückabwicklung“ eines Zuges fordert. Das wäre unschön.

In ähnlicher Weise finde ich auch die Unterscheidbarkeit von nicht bemalten Figuren oft problematisch. Falls ergänzend auch noch Proxies verwendet werden, kann sogar ein falscher (unterbewusster) Eindruck erzeugt werden – man denke nur an die Bogenschützen, die durch (viel größere) Oger-Figuren dargestellt wurden. Als ich mal eine Figur vergessen hatte, nahm ich als Proxy eine andere. Mein Mitspieler (und auch ich) ordneten diese Figur immer wieder falsch ein und mussten uns ins wiederholt Gedächnis rufen, was sie eigentlich darstellen soll.

Im Extremfall kann es daher mühsam sei, sich zu merken, welche Figuren spieltechnisch (und nicht tatsächlich) vorhanden sind.

Darüber hinaus spielt die Dimensionierung der Figur aber oft keine Rolle. Bei Warmahordes ist die spielrelevante Größe der Miniaturen fast ausnahmslos in Abhängigkeit der Größe der Basis vorgegeben – unabhängig davon, wie groß die Miniatur physikalisch ist. Bei Demonworld ist die Größe auf der Einheitenkarte notiert und orientiert sich an grundsätzlichen Festlegungen, wie groß beispielsweise ein berittener Mensch ist.

Daher kommt der Gestaltung der Figur regeltechnisch hier keine Bedeutung zu. Insofern sind Pappscheiben oder Proxies genauso gut wie bemalte oder unbemalte Figuren.

Bei Warhammer Fantasy und 40k ist es offenbar anders: Hier haben die Abmessungen der tatsächlichen Miniatur (aber, wenn ich es richtig verstehe, ohne Arme und Waffen) Einfluss auf die regeltechnische Deckung. Daher wären hier Proxies in anderer Größe potentiell schädlich für die Spielbalance.

Im Einzelfall können Pappmarker aber auch einen spieltechnischen Vorteil haben: Manche Modelle ragen weit über die Basis hinaus. Sollen solche Modelle nebeneinander stehen verhaken sich diese möglicherweise – oder ist realiter gar nicht möglich, diese direkt nebeneinander zu platzieren – obgleich dies regeltechnisch möglich sein sollte. Pappscheiben haben dieses Problem nicht.

Dennoch bin ich der Meinung, dass im Ergebnis die Verwechslungsgefahr als Argument schwerer wiegt. Falls ein Spieler ohne Proxies nur bemalte Figuren aufstellt und der andere Spieler unbemalte Figuren oder sogar Proxies verwendet, kann dies im Extremfall sogar für den Spieler mit bemalter, nicht Proxy-Armee ein spieltechnischer Nachteil sein. Dieses Problem besteht nur dann nicht, wenn die Proxies sehr ähnlich dem Aussehen und die Größe der Ursprungsminiatur haben.

Aber auch beidseitig nicht bemalte (und insofern „fair“ bemalte) Figuren können die Spielmechanik beeinträchtigen: Sind beide Armeen im selben Zustand der Nicht-Bemalung, kann man die Figuren möglicherweise nicht mehr einer Partei zuordnen.

2. Welches Gewicht ist dem Argument einzuräumen, bemalte Nicht-Proxy-Figuren verschlechtern das Spielerlebnis?

Diese Frage ist nur subjektiv zu beantworten. Grundsätzlich fällt mir aber bei der Besprechung aller Tabletop-Systeme auf, dass die Gestaltung der Figuren eine große Rolle spielt. Und neue Systeme oder Editionen werden an dem Design ihrer Miniaturen gemessen, so dass dieses für den wirtschaftlichen Erfolg eine Rolle spielt. Daher meine ich, dass der typisierte Spieler dem Aussehen der Figuren eine zumindest gewisse Wichtigkeit beimisst.

Auch Neueinsteiger werden oft durch schöne Szenen „geködert“. Dies umfasst jedoch nicht nur bemalte und originale Figuren, sondern auch ein ansprechendes Spielfeld. Daher scheint mir im Ergebnis, dass das Spielerlebnis des Durchschnittsspielers tatsächlich durch nicht bemalte Figuren, oder auch durch Proxies, vermindert sein dürfte.

3. Welcher Standpunkt wird in offiziellen Publikationen vertreten?

Ich stütze mich hier vornehmlich auf Warmahordes, da ich hier Wissen mitbringe und zudem überhaupt Regelungen enthalten sind. Dort finden sich im Steamroller-Regelwerk 2021 folgende Hinweise:

„Privateer Press encourages players to have a fully painted force on the table. Games with painted armies are more interesting to watch and generally enhance the experience for all. Although painting is not required, players are encouraged to show off all aspects of the hobby.“ (S. 2)

Und es werden folgende Regelungen für Veranstaltungen festgelegt:

BASELINE – Painted armies are not required.

Basic Painting Required – All models must be primed and basecoated. Players must present the intended final color scheme on all parts of the model. Bases can be unfinished.

Advanced Painting Required – All models must be completely painted and based. This means that every model must be painted with a reasonable diversity of color and that individual elements of the miniature must be distinguishable by color, shading, and highlighting. For instance, flesh must be a different color than hair or clothing, and metal must be a different color than leather. Bases must be finished with sand or flock or otherwise modeled and painted. Whether a model is completely painted and based is the decision of the EO [Hinweis – dies meint: Event Organizer]. As a general rule, if a player feels the need to justify why a model is acceptable, it probably isn’t.“ (S. 12)

Bezüglich Proxies ist Privateer Press eindeutiger:

„All models used in Privateer Press organized play events must be Privateer Press models from the WARMACHINE or HORDES lines. Each model must be fully assembled and mounted on a round-lipped base of the size specified on its stat card. The use of non–Privateer Press models, unassembled models, or inappropriately based models is not permitted.“ (S. 2)

Es wird also deutlich, dass das Spielen mit bemalten Modellen vorziehswürdig ist, aber aus Sicht des Herstellers, nicht per se, erforderlich. Allerdings wird dem Organisator das „Recht“ eingeräumt, höhere Standards zu verlangen.

Und hiervon wird teilweise auch Gebrauch gemacht: Auf der Tabletop-„Weltmeisterschaft“, der WTC, sind nur bemalte Armeen (und keine Proxies) zugelassen. Man muss aber ehrlicherweise sagen: Realiter wird sonst viel mit unbemalten Figuren gespielt.

Meines Wissens gab es bis circa 2004 bei Warhammer Fantasy und 40k einen „Bemalzwang“, da die Grand Tournament Rules und die „Hausordnung“ der Games Workshop-Läden nicht bemalte Figuren nicht zuließen. Letzteres wurde meines Wissens aber circa 2004 geändert.

Warhammer World schreibt jedoch (auch heute noch) bemalte, nicht „geproxyte“ Figuren auf Games Workshop-Veranstaltungen vor:

  • Each model must be Citadel or Forgeworld miniatures
  • Each miniature must be fully assembled
  • Each miniature must be painted to a minimum battle ready standard (including bases)
  • Each miniature must accurately represent its entry on your army roster

Dass Privateer Press Proxies oder Warhammer World nicht offizielle Figuren verbieten möchten, ist rein durch kommerzielle Interessen getrieben und daher hier unerheblich. De facto kann zudem der Organisator oder der Mitspieler auch Proxies zulassen – und dies geschieht auch regelmäßig. Ich wurde schon oft gefragt, ob man eine Figur oder Einheit, die ähnlich zu der gewünschten aussieht, verwenden darf. Pflichtschuldig stimmte ich immer zu.

Auch der „Wunsch“, möglichst bemalte Figuren zu verwenden, dürfte kommerziellen Interessen geschuldet sein: Wenn man davon ausgeht, dass Bemalung das Spiel attraktiver macht, ist es nur naheliegend, dass der Hersteller ein möglichst gutes Marketing auf diese Weise erzielen möchte. Dem gegenüber steht, dass ein „Bemalzwang“ die Einstiegshürde höher setzt und Kunden erst gar nicht gewonnen werden können. Die Änderung bei Games Workshop Anfang der 2000er-Jahre läßt vermuten, dass dieser zweite Aspekt überwiegt. Die Wertung gerade aktiver Spieler kann davon abweichen.

Einschätzung

In der Gesamtschau komme ich daher zum Ergebnis, dass bemalte, Nicht-Proxy-Figuren zumindest sehr wünschenswert sind. Dies dürfte das Spielerlebnis verbessern, zumindest zunächt für Neueinsteiger attraktiver machen und das Spiel fairer machen. Damit stellt sich die Frage, wie man dieses (hehre) Ziel erreicht.

Zu Frage der Bemalung

Die Argumente wider der Bemalung einer Armee sind weiter präsent. Dennoch: Überhaupt bemalte Figuren sind oft ausreichend. Die Miniaturen müssen daher nicht aussehen wie im Tabletop-Katalog. Die Ansprüche an die Bemalung sind also grundsätzlich niedrig anzusetzen. Und mittlerweile gibt es zahlreiche Techniken (jüngst sog. Speed Paints), schnell ein akzeptables Ergebnis zu erzielen.

Sowohl mangelnde Zeit als auch Bemalfreude lässt sich zudem grundsätzlich mit einem Bemalservice lösen. Ich habe hiervor ausgiebig Gebrauch gemacht; ich male, insbesondere aus Zeitgründen, nur noch vereinzelt Figuren selbst an. Die meisten meiner fremd bemalten Figuren wurden vom Phantasos Studio bemalt; vereinzelt aber auch vom Flügelschlag Studio oder von Fane of Illusion.

Ich komme aber nicht umhin, zuzugeben, dass dies teuer werden kann. Die Kosten hängen jedoch von der gewünschten Qualität ab – und hier muss keineswegs ein besonders hoher Standard angestrebt werden. Dennoch mag diese Lösung nicht nur eine Frage des Wollens, sondern auch des Könnens sein.

Eher anekdotischen Charakter hat, dass ein früherer Mitspieler einer DSA-Runde, der mehrfacher Warhammer 40k-Weltmeister war, seine (zahlreichen) Armeen von seiner jeweiligen Freundin bemalen ließ. Auch das ist natürlich denkbar – aber wohl nicht in allen Fällen umsetzbar.

Ein alternativer Ansatz besteht im Erwerb gebrauchter aber bemalter Armeen. Für Warmahordes gibt es, bedingt durch den Editionswechsel, da gerade einige gute Angebote. Für die Games Workshop-Systeme gibt es grundsätzlich immer wieder Angebote. Häufig sind bemalte Figuren sogar günstiger, als unbemalte.

Im Übrigen werden für viele heutige Systeme nicht viele Figuren benötigt. Das relativert das Problem der Bemalung – sei es gemessen in Zeit, Bemalfreude oder Geld. Und für andere Systeme kann man sich oft auf auf kleinere Listen (bei Warmahordes MK3 sog. Theme Forces) fokussieren.

Zu den Proxies

Mir fallen nur wenige Argumente ein, warum man (nicht sehr ähnliche) Proxies nutzen sollte. Wenn man man ein Modell ausprobieren möchte oder dieses zu Hause vergessen hat, leuchtet mir die Verwendung eines Proxies ein. Sonst aber scheint mir die Verwendung von Proxies ganz überwiegend nachteilig.

Zu beachten ist jedoch, dass ich hiermit nicht alternative Figuren meine, welche die orignären Figuren gut darstellen. Ich kenne jemanden, der Probleme hatte, offizielle Warmahordes-Figuren zu bekommen – und sich daher kurzerhand selbst Figuren gebastelt hat. Ziemlich gute sogar, die von den offiziellen Miniaturen kaum unterscheidbar waren. Auch die Verwendung ähnlicher Miniaturen alternativer Hersteller wird durch meine vorstehenden Argumente nicht berührt (rechtliche Aspekte könnten dies aber): Wenn die regeltechnische Miniatur klar durch die verwendete Miniatur erkennbar ist, besteht keine Verwechslungsgefahr. Diese Art von „passenden“ Proxies ist für mich unproblematisch. Die Anforderungen, damit ein Proxy passend ist, sind aber recht hoch für mich.

Eine Einschränkung zur Wahrung der Zugänglichkeit

Um die Einstiegshürden für Neueinsteiger niedrig zu halten, möchte ich Anfänger (oder solche, die gerade eine neue Armee anfangen oder eine Figur ausprobieren möchten), von den vorstehenden Vorschlägen ausnehmen. In solchen Fällen finde ich auch unbemalte Figuren in Ordnung oder auch die Verwendung unpassender Proxies. Falls der Neueinsteiger aber bei dem System bleiben möchte, fände ich es jedoch schön, wenn er schließlich eine bemalte Nicht-Proxy-Armee zum Spielen verwendet.