Es ist fast ein Ritual: Sieht man bald anstehende Liverollenspiele, gerade in der Hochsaison, an, z.B. auf Thilo Wagners LARP-Kalender, so findet sich dort der Hinweis „0 Spieler und X NSC-Plätze“ frei (NSC steht für Nichtspielercharaktere). Vor einer Con werden auch gerne noch schnell NSC gesucht. Man erhält dann E-Mails wie „NSC gesucht“ – verbunden mit dem Hinweis, dass SC-Plätze bereits voll seien.
Auch in der LARP-Zeit gab es schon einen Artikel zum NSC-Finden und sogar ein Youtube-Video zusammen mit Orkenspalter TV. Kurz: Es mangelt an NSC.
Das ist, bei Lichte betrachtet, nicht verwunderlich. Zunächst mal hat man als NSC in aller Regel keine Rolle, die selbst erwählt wurde und mit der man sich über lange Zeit identifizieren kann. Im Einzelfall mag das der Fall sein (Chris Fano als Aniesha Fey) – aber auch diese NSC werden letztlich von der Spielleitung gesteuert und ggf. auch für den Plot geopfert – so geschehen ebenfalls bei Aniesha Fey.
Aber auch von solchen, lang bespielten NSC abgesehen: Grundsätzlich muss man als NSC in mehr oder weniger engem Rahmen tun, was die Spielleitung von einem verlangt. Das fängt an mit der Rollendefinition geht über die Wahl der Verkleidung („Gewandung“) und reicht hin zu Schichtplänen für Einsätze. Ergänzend sind die Spieler Protagonisten der Veranstaltung. So müssen die NSC auch auch mal warten, bis sich die Spieler zum Ort des Konfliktes bequemen. Ob es heiß ist oder regnet, spielt bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Und freilich gibt es nur, und auch das nur vielleicht, den Schatten eines Baumes um die Wartezeit in Rüstung erträglicher zu machen. NSC sind also ein Stück weit schlicht Dienstleister.
Häufig sind NSC auch schlechter untergebracht als Spieler. In einigen Fällen schlafen Spieler in Hütten, NSC nur in Zelten. Oder es gibt (zum Beispiel auf der Burg Bilstein) Gemeinschaftsduschen für NSC, aber sanitäre Anlagen pro Zimmer bei den Spielern.
Bemerkenswert ist auch, dass die NSC-Darsteller oft auch Ausrüstung für ihre Rollen beschaffen müssen – dabei sind aber zumindest teilweise Vorgaben der Spielleitung zu befolgen. Manchmal bieten jedoch die Veranstalter von Groß-Cons sog. Deals an. Hierbei können günstig mehr oder weniger gute Ausrüstungsteile, zum Beispiel Rüstungen, erworben werden. Das kenn ich vor allem für das Schwarze Eis beim Conquest of Mythodea. Der Kauf eines NSC-Tickets berechtigte zur Teilnahme an diesen „Deals“, die passende Rüstungsteile und einen Waffenrock enthielten. Die entsprechenden Gegenstände konnte man freilich später auch für andere Rollen verwenden.
Allerdings kam jüngst der Gedanke auf, den Standard der NSC-Ausrüstung anzupassen und hierbei die vormals erworbene Ausrüstung aus den Deals nicht mehr zuzulassen. Hierdurch würden die vormals gekauften Ausrüstungsgegenstände nicht mehr auf dem Conquest of Mythodea verwendet werden können. Das erinnert ein wenig an das Editionsproblem beim Pen & Paper-Rollenspiel und Tabletop: Diskreditionäres Verhalten zwecks Umsatzgenerierung – den freilich partizipiert der Con-Veranstalter von den Verkäufen von NSC-Ausrüstung.
Spieler werden demgegenüber nicht mit solchen Anforderungen bezüglich der Ausrüstung konfrontiert und haben daher auch den Vorteil, mit diesem Problem gar nicht konfrontiert zu sein. Das NSC-Dasein ist damit auch insofern nachteilig.
All diese Aspekte sind im Zweifelsfall nicht geeignet, das Dasein als NSC besonders attraktiv zu machen. Es verwundert mich daher nicht, dass es an NSC oft mangelt.
In vielen Fällen ist das einzige Zugeständnis an die NSC ein geringerer Preis, um an der Veranstaltung teilzunehmen. Was könnten die Veranstalter sonst noch tun?
Aus meiner Sicht gibt es fünf Anknüpfungspunkte:
- Erhöhung der NSC-Autonomität
- Verbesserung der Unterbringung
- Banden schmieden
- Stellen der NSC-Ausrüstung
- Geringere Kosten bzw. Bezahlung der NSC
Ad 1) Erhöhung der NSC-Autonomität
Hiermit ist gemeint, dass die NSC weniger stark von der Spielleitung gesteuert werden und sich hierdurch ein wenig in Richtung Spielercharaktere bewegen. Solche Aspekte sieht man auf dem Conquest of Mythodea, wo die NSC Ziele haben, die sie erreichen können, aber nicht müssen. Bei dieser Con-Reihe gab es daher auch schon Jahre, in denen die NSC, und nicht die Spieler, „gewannen“.
Als Nachteil könnte in Betracht kommen, dass durch die vordefinierten Organisationsstrukturen NSC oft viel besser strukturiert sind, als Spieler, bei denen oft ein Nebeneinander verschiedener Gruppen, mit jeweiligen Alleinvertretungsanspruch, exisitiert. Infolgedessen haben die NSC in vielen Fällen einen kompetetiven Vorteil. Dies konterkariert im Extremfall das Ziel, dass die Spielercharaktere Protagonisten sind.
Weitergedacht und überspitzt führt diese Lösung zu einem Spieler-gegen-Spieler-Con.
Ad 2) Verbesserung der Unterbringung
Man könnte schlichtweg die jeweils „besseren“ Unterkünfte den NSC geben. Zum Beispiel also die NSC in Hütten unterzubringen, und die Spieler in Zelten. Dieser konkrete Fall hätte den Vorteil, dass die Spielerunterkünfte tendenziell stimmungsvoller werden, da Hütten in aller Regel nicht stimmungsvoll gestaltet sind, Zelte aber häufig schon.
In gleicher Weise könnte für NSC eine bessere Vepflegung oder sanitäre Anlagen angeboten werden.
Einen indirekten Ansatz gibt es dahingehend, dass NSC-Zelte mitunter modern und nicht „mittelalterlich“ sein müssen. Das kann helfen, weil es die Kosten der NSC vermindert. Es kann aber auch zum Nachteil sein, weil solche Zelte der Atmosphäre, auch für NSC, sicher nicht zuträglich sind. Ich würde dieses Argument daher nicht überbewerten.
Ad 3) Banden schmieden
Es gibt auch Larper, die gehen, trotz allem, primär als NSC auf Cons. Das liegt meines Wissens daran, dass es sich um eingespielte Gruppen, oft von Freunden, handelt, welche die fehlender Intime-Bindung an die Charaktere, durch eine Outtime-Bindung kompensieren. Auch große NSC-Gruppen, sie die Schwärme beim Schwarzen Eis auf dem Conquest of Mythodea, funktionieren im Ergebnis so.
Allein – diese Möglichkeit kann ein Veranstalter nur potentiell nutzen, wenn es sich um eine Con-Reihe handelt, bei der jede Veranstaltung mit denselben NSC besetzt wird. Und auch dann ist es nicht planbar, dass sich solche Banden etablieren.
Zudem darf nicht übersehen werden, dass Spielergruppen üblicherweise ingame und outgame persönlich verbunden sind. Es geht also um die Aufholung eines Nachteils von NSC gegenüber Spielern – der Aufbau eines Vorteils ist in der Regel nicht möglich.
Ad 4) Stellen der NSC-Ausrüstung
Die Veranstalter können, gerade wenn sie besondere Vorstellungen haben, den NSC einfach die Ausrüstung stellen. Dies würde die Kosten der NSC reduzieren und zudem sicherstellen, dass der Veranstalter NSC hat, deren Kostüme seinen Vorstellungen entsprechen. Obendrein werden Verschleißteile, allen voran Polsterwaffen, der NSC nicht belastet, sondern der Veranstalter kommt dafür auf.
Auf den Conquest of Mythodea stellen die Veranstalter Pfeile und Bolzen für NSC, die einen Fernkämpfer darstellen. Das geht genau in die richtige Richtung, zumal die Zahl der NSC-Geschosse sehr hoch ist – es ist daher eine große Freude, hier einen Fernkämpfer zu spielen.
Ebenfalls auf den Conquest of Mythodea wird meines Wissens auch die Ausrüstung besonderer NSC gestellt.
Ad 5) Geringere Kosten bzw. Bezahlung der NSC
NSC zahlen praktisch immer einen geringeren Teilnahmebetrag für LARP-Veranstaltungen. Aber offenbar ist diese nicht niedrig genug – sonst gäbe es keinen NSC-Mangel.
Mein Vorschlag läuft daher darauf hinaus, NSC zu bezahlen. Aufgrund des (mehr oder weniger) Dienstleistungscharakters ihrer Tätigkeit finde ich den Gedanken nicht fernliegend. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich so viele Larper fänden, denen die Con sonst zu teuer wäre. Und das wäre doch für alle ein Gewinn! Die Kosten für die Bezahlung kann man ohne Weiteres auf die Spieler umlegen – wenn alle Spielerplätze weg sind, ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass ein Nachfrageüberhang vorliegt und daher die Preise erhöht werden können.
Dieser Ansatz kann ohne Weiteres mit den anderen vorstehenden Ansätzen, allen voran dem Stellen der Ausrüstung, kombiniert werden.
Allein, problematisch könnte die steuerliche Umsetzung sein: Falls der LARP-Veranstalter nicht gerade gemeinnützig ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Bezahlung für die NSC steuerpflichtig wird. Dies könnte man allenfalls dadurch in den Griff bekommen, dass man die Auslagen der NSC erstattet. Dann käme der NSC steuerlich „auf Null“ heraus. Weil man dies die NSC aber immer noch steuerlich erklären müssten, wäre ein Kauf z.B. der Zugfahrkarte durch den Veranstalter sehr viel einfacher. Kompliziertere Gedankenspiele, wie die Überlegung, dass NSC-Darsteller ihre Verkleidung oder andere Ausgaben als Werbungskosten absetzen könnten, so sie für die Teilnahme am LARP bezahlt werden, sollen hier außen vor bleiben. Es sei nur der Hinweis gestattet, dass derartige Ausgaben wohl oft Liebhaberei wären – und damit als abzugsfähige Werbungskosten aussscheiden.
Dennoch: Eine Erstattung oder Übernahme von Auslagen, kombiniert mit dem Stellen von Ausrüstung und einer guten Unterbringung, ist aus meiner Sicht überlegenswert, um die Attraktivität des NSC-Daseins zu erhöhen.