Ulisses

Die ELF als DSA-Lizenz: Das Ulisses-Abo-Modell?

Was ist die ELF?

Nach der ORC, auf die ich hier, samt Genese einging, besteht schon seit Winter letzten Jahres die Möglichkeit, auch Lizenzen zum Erstellen von Inhalten mit Bezug auf die Spielwelt zu erhalten.

Wir erinnern uns: Die ORC gibt jedem die Möglichkeit, die Regeln DSAs (und anderer Ulisses-Systeme, aber darum soll es nicht gehen) zu verwenden. Die Regeln – nicht aber die Spielwelt. Der (insbesondere kommerzielle) Vetrieb einer Spielhilfe für DSA ist mit der ORC nicht möglich.

Aber – und das ist die DSA-Revolution (wie Arkanil schreibt), genau die ist nun mit der sog. Extended License for Friends, oder kurz, ELF, möglich. Wie funktioniert das Ganze? Zunächst ist es nicht so, dass jeder diese Lizenz erhält, wie es bei der ORC der Fall ist. Vielmehr bedarf es einer expliziten Vereinbarung mit Ulisses, um unter dieser Lizenz tätig zu sein. Details werden hier erläutert; mir selbst liegt die ELF, oder ein Entwurf selbiger, nicht vor.

Ist man Lizenznehmer unter der ELF kann es losgehen und es können nicht-kanoische DSA-Inhalte publiziert werden. Patric Götz vom Uhrwerk Verlag ist offenbar bereits Lizenznehmer (wenn auch wohl auf etwas anderer, aber vergleichbaren, Grundlage) und kann hierdurch neue Myranor-Produkte herausbringen. Das finde ich als Spieler großartig! Herzlichen Dank vorab an alle, die dies ermöglichen!

Damit aber nicht genug: Ebenfalls über den Uhrwerk Verlag wurde ein Crowd Funding für die deutsche Ausgabe des schwedischen Rollenspiels Dragonbane aufgelegt. Aber: Als optionales Produkt kann man einen Band für die Grüne Ebene, einer DSA-Region, dazubestellen. Die Redaktion dieses Bandes wird von den DSA-Alt-Autoren Eevie Demirtel und Thomas Römer verantwortet.

Nun kann man zum einen Patric Götz’ Chuzpe in den Vordergrund stellen: Hierdurch werden viele (so auch ich) das Dragonbane Crowdfunding unterstützen: Man bekommt ein DSA-Produkt von den „alten“ Autoren, an die man besonders gute Erinnerungen hat. Das Crowdfunding wird hierdurch sicherlich maßgeblich unterstützt worden sein (das Finanzierungsziel wurde auch zu 1.027 % erreicht) – auch der weiteren Entwicklung Dragonbanes dürfte es helfen, da viele Unterstützer, die vor allem das DSA-Buch haben wollten, sicherlich auch Dragenbane nun mal ausprobieren und vielleicht dabei bleiben werden.

Ratio Ulisses‚ (I)

Man könnte meinen, das Ulisses sich selbst Konkurrenz mache – da die alten, vermeintlich guten, Autoren nun wieder an DSA-Produkten mitwirken, die im Wettbewerb zu den Ulisses-eigenen stehen könnten. Diese Gefahr besteht zwar – scheint mir aber nachrangig. Denn: Zum einen profitiert Ulisses von den Verkäufen unter der ELF, da diese teilweise mit einer Lizenzgebühr an Ulisses einhergehen: Offenbar zehn Prozent bei Crowd Funding-Einnahmen (begrenzt-exklusive Verkäufe) und weiteren indirekten Erträgen aus dem Vertrieb über Ulisses-Plattformen). Zum anderen scheint mir die DSA-Spielerschaft jedenfalls zum Teil nicht dadurch gekennzeichnet zu sein, dass jeder Kauf sorgsam abgewogen wird. Mein Erwartung ist eher, dass im Zweifel einfach ein Produkt mehr gekauft werden wird.

Bei der alten Myranor-Lizenz an den Uhrwerk Verlag war es zudem so, dass die Produkte von Ulisses alle vor der Veröffentlichung gegengelesen wurden. Das war mühsam, aber mit Blick darauf, dass diese Bücher kanonisch wurden (sie galten als offizielles DSA-Material), erforderlich. Die ELF-Werke sind hingegen per se nicht kanonisch – Ulisses hat hierdurch keine Mühe durch Gegenlesen. Die Eigenheit des nicht-kanoischen dürfte auch dazu beitragen, dass Spieler die kanonischen UlissesDSA-Produkte weiter kaufen – weil deren „Verbindlichkeit“ eine gewisse Relevanz für treue Anhänger der Spielwelt hat.

Meines Erachtens sind diese Überlegungen aber alle nebensächlich für Ulisses. Vielmehr lese ich dies als die konsequente Fortsetzung einer Strategie, bestimmte Eigenheiten der Rollenspielverlage zu umgehen. Ulisses ist zudem offensichtlich der Meinung, die ELF sei eine gute Idee. Denkbar sind für mich weitere

Vorteile für Ulisses – Ratio (II):

Zum einen macht die bereits erfolge Trennung von Regelwerk und Spielwelt macht Diskussionen um des Für oder Wider von Editionen obsolet.

Mit der ELF wird ein Kernproblem im Rollenspiel-Geschäft angegangen: Wie hier schon mehrfach dargelegt, ist ein Rollenspielverlag damit konfrontiert, dass seine Produkte eine lange Lebenszeit haben, aber nur einmal Umsatz erbringen. Mit Zusatzprodukten kann freilich zusätzlicher Umsatz erzielt werden (wobei Regelwerke viel mehr als Spielhilfen oder Abenteuer gekauft werden) – aber irgendwann „muss“ der Rollenspielverlag eine neue Edition des Systems auf den Markt bringen, um weiterhin Umsatzerlöse zu genieren (Editionsproblem). Mein Lösungsvorschlag hierfür war ein Abonnements-Modell, bei dem die Kunden monatlich für zum Beispiel VTT-Inhalte zahlen.

In gewisser Weise hat Ulisses diese Idee perfektioniert und umgesetzt. Nur – nicht die Kunden sind Lizenznehmer – andere Rollenspielverlage sind es! Hierdurch kann Ulisses dauerhaft Umsatzerlöse in Form von Lizenzerträge generieren. Einschränkend muss bedacht werden, dass diese gegebenenfalls nur aus Crowd Funding-Erträgen und anteiligen Erlösen über Ulisses-Plattformen stammen werden – das dürfte aber gleichwohl ein nicht zu unterschätzender Umsatzanteil sein; vor allem, wenn man bedenkt, dass viele Rollenspielprodukte heutzutage über Crowd Funding finanziert werden.

Des Weiteren trägt Ulisses bei ELF-Produkten kein Risiko, da die Produktentwicklungskosten in jeden Fall bei den Lizenznehmern anfallen. Gleichzeitig profitiert Ulisses im oben stehenden Rahmen proportional an höheren Umsatzerlösen. Ulisses kann insofern (monetär) nur gewinnen.

Ergänzend ist der offensichtliche Vorteil zu nennen, dass die ELF (gerade in Kombination mit der ORC), die Verbreitung von Ulisses-Produkten, und damit deren Marktanteil, erhöhen dürfte. Im kommerziellen Idealfall könnte Ulisses hierdurch bereits als „IP-Verwerter“ mit niedriger Kostenbasis solide aufgestellt sein. Dieser Gedanke könnte zudem auch in Verbindung mit den gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen bei Ulisses stehen.

Zudem kann Ulisses weiterhin mit eigenen Produkten den Markt bespielen – und muss keine Sorgen haben, dass eine mögliche Vielzahl der Publikationen unterschiedlicher Verlage nicht zusammenpasst – den per se sind all diese Drittprodukte nicht kanonisch. Dieser Vorteil hat in praxi durchaus Relevanz, da die DSA-Spielwelt sehr komplex ist – und gerade neue Autoren Mühe haben, nicht in Widerspruch zu früheren Setzungen zu stehen.

Arkanil hofft darüber hinaus, dass die ELF es ermöglicht, mit dem Kanon, und vor allem der kleinteiligen Beschreibung Aventuriens, zu brechen und hierdurch neue Wege eingeschlagen zu können. Dem stimme ich grundsätzlich zu – frage mich aber, ob nicht gerade die Beschreibungsdichte für viele das ist, was DSA ausmacht. Zudem: Die Grüne Ebene war bislang kaum beschrieben – zumindest an dieser Stelle erhöht die ELF also die Beschreibungsdichte. Gleichwohl: Die von Arkanil angesprochene Möglichkeit besteht und wenn sich hierfür Begeisterte finden, ist das eine tolle Sache.

Mögliche Nachteile Ulisses

Die Ulisses-Strategie geht jedoch auch mit Nachteilen einher: Vor allen Dingen ist fraglich, ob es dauerhaft gelingen kann, das Editionsproblem einfach „outzusourcen“. Immerhin könnte vermutet werden, dass bei einer großen Zahl von Lizenznehmern eine gewisse Nivellierung eintreten könnte, sprich: Wenn dem einen nichts mehr einfällt, gibt es einen anderen, der ein erfolgreiches Produkt entwickelt.

Potentiell problematischer könnte folgendes sein: Der Uhrwerk Verlag setzt frühere DSA-Autoren ein – genau hierdurch sollen die Produkte attraktiv für die Käufer werden. Ich bin auch zuversichtlich, dass Werke von Thomas Römer oder Uli Lindner von vielen Spieler unbesehen und mit Begeisterung gekauft werden. Im ersten Schritt gelänge es Ulisses also, dass diese Autoren (doch) wieder für Ulisses tätig sind – was sonst eher unwahrscheinlich wäre.

Im zweiten Schritt aber sehe ich die Möglichkeit, dass einzelne Werke von Autoren mit einer derartigen Reputation de facto kanonisch werden – einfach, weil sie als besonders gut wahrgenommen werden. Es besteht also eine zumindest die theoretische Gefahr für Ulisses, die De-facto-Gestaltungsmacht über die DSA-Spielwelt an ein wirklich gutes Autorenteam zu verlieren. Dem entgegen wirkte dürfte jedoch eine Regelung der ELF, dass unter ihr erstellte Inhalte nicht als Quelle verwenden werden „sollen“ . Was das heißt, bleibt abzuwarten. Ich wäre überrascht, wenn ein Verlag deshalb nicht auf eigenes Material verweisen könnte.

Theoretisch könnte die ELF zudem gekündigt werden – ob das in dem skizzierten Fall praktisch ratsam wäre, wage ich zu bezweifeln: Das von mir skizzierte denkbare Szenario ist ja kein Rechtsproblem, sondern wäre ein Tatsächliches. Ein solches könnte man nicht kündigen. Von Reputationsverlusten Ulisses’ ganz zu schweigen. Möglich wäre es jedoch, über einen Erwerb dieser unter der ELF erstellten Inhalte nachzudenken.

Ich jedenfalls blicke mit Freude auf tolle Produkte, die unter der ELF entstehen könnten. Als Kunde kann ich nur gewinnen: Wo die Produkte entstehen, unter welcher Lizenz und ob dies kommerziell für Ulisses eine gute Sache ist, ist aus diesem Blickwinkel nachrangig. Wichtig ist, dass sie meiner Spielgruppe, mir und anderen DSA-Spielern Freude bereiten.

Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen bei Ulisses

Basierend auf meinen Überlegungen, inwiefern die historischen Probleme TSRs auf Ulisses übertragbar waren (offenbar allenfalls teilweise), fand ich heraus, dass das Geschäftsjahr 2022 Ulisses‘ (das ist das letzte, für das zum heutigen Tage Bilanz und Anhang publiziert wurden), Besonderheiten aufweist:

Dem Leser dieser Unterlagen fällt zum einen die veränderte Struktur des Anhangs, aber auch des Bilanzausweises auf. Zudem wurde die Unterlagen erst sehr spät, nämlich am 27. September 2023 veröffentlicht, also mehr als 15 Monate nach Geschäftsjahresende (30. Juni 2022). Die Finanzinformationen der Vorjahre ließen auch schon länger auf sich warten (März bis August des Folgejahres) – aber nicht so lange.

Zudem wird im Geschäftsjahr 2022 erstmals das Halten eigener Anteile ausgewiesen (100 Tsd. Euro). Offenbar kaufte Ulisses also Anteile von ihren Gesellschaftern. Ergänzend ist dies das einzige Geschäftsjahr im Betrachtungszeitraum der Geschäftsjahre 2018 bis 2022, in dem eine Gewinnausschüttung (nämlich in Höhe von rund 13 Tsd. Euro) erfolgt.

Dies im Blick habe ich mir Handelsregisterauszüge, Gesellschaftsvertrag und Gesellschafterlisten Ulissesbeschafft.

Das Geschäftsjahr 2022 war insofern unspektakulär. Der Erwerb der eigenen Anteile wurde notariell am 15. Dezember 2022 durch Abtretung beurkundet, wie sich aus der Gesellschafterliste ergibt.

Allerdings zeigte sich, dass zum 30. September 2023 (also vor wenigen Wochen) eine Anpassung des Gesellschaftervertrages Ulisses‘ in das Handelsregister eingetragen wurde (notariell verhandelt am 9. Juni 2023). Hierbei wurde der Zweck des Unternehmens angepasst auf „das Erstellen von sowie den Handel mit Spielwaren und Spielmedien“. In der Alt-Fassung war vom „Großhandel mit An- und Verkauf von Spielwaren und Spielmedien“ die Rede. Da Ulisses jedoch realiter schon länger den „neuen“ Geschäftszweck verfolgt, gehe ich davon aus, dass diese Änderungen eine Formsache war.

Warum diese Formsache? Sieht man die Gesellschafterlisten Ulisses‘ durch, so wird ersichtlich, dass 90% der Anteile seit dem 3. Februar 2023 der Infiniverse AG gehören. Diese Gesellschaft wurde ebenfalls am 3. Februar 2023 errichtet. Bei der Gründung wurden 90% der Geschäftsanteile Ulisses‘ als sog. Sachagio eingebracht. Diese Infiniverse, die nun die Muttergesellschaft Ulisses‘ ist, hatte zur Gründung nur Markus Plötz als Gesellschafter. Ob die Gesellschafterstruktur mittlerweile verändert wurde, kann nicht gesagt werden, da das Aktienregister nicht öffentlich einsehbar ist.

Davon unbenommen stellt sich die Frage, welchen Hintergrund diese Umstrukturierung hat. Naheliegend (aber natürlich nicht zwingend) ist, dass Investoren gesucht werden. Die Anteile an einer AG sind ohne Weiteres übertragbar; insbesondere ist hierfür, im Gegensatz zur GmbH, kein Notar erforderlich. Die Infiniverse verfügt zudem ein sogenanntes genehmigtes Kapital. Dies ermöglicht es sehr einfach, weitere Aktien an neue Aktionäre auszugeben. Eine rein steuerlich motivierte Struktur ist nicht naheliegend, weil hierzu die Errichtung und Erhaltung einer GmbH höchstwahrscheinlich günstiger gewesen wäre.

Zudem sieht der Geschäftszweck der Infiniverse explizit vor, dass weitere Gesellschaften erworben werden können. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass neben Ulisses weitere Beteiligungen erworben werden – möglicherweise mit den Mitteln, die ein neuer Investor zur Verfügung stellt. Auch ein Zusammenschluss mit einem anderen Unternehmen ist denkbar. Der Geschäftszweck der Infiniverse sieht auch Due Diligence-Tätigkeiten (also Untersuchungen im Vorfeld eines Unternehmenserwerbs) bei dem Kauf weiterer Gesellschaften vor. Da der Geschäftszweck der Infiniverse aber nicht auf das Halten von Unternehmen wie Ulisses beschränkt ist, sind grundsätzlich auch völlig andere Erwerbe denkbar.

Jedoch wurde mit Urkunde vom 30. September 2023 Markus Plötz vom Wettbewerbsverbot gegenüber Ulisses befreit. Er darf damit Tätigkeiten aufnehmen, die in Konkurrenz zu Ulisses‚ stehen. Dies drüfte ein Hinweis darauf sein, dass völlig Neuartiges nicht geplant ist.

Man darf also gespannt sein, was bei Ulisses respektive der Infiniverse in der nächsten Zeit ins Haus steht.

„Slaying the Dragon“ – Lehren von TSR?

Gedanken nach einer Lektüre

Im Urlaub jüngst las ich „Slaying the Dragon“, ein Buch von Ben Riggs, dass im Grunde den Untergang TSRs vor der Übernahme von Wizards of the Coast beschreibt. Der Drache ist Dungeons and Dragons – und dem ist zwar schwer beizukommen, aber er wurde dann doch niedergestreckt, indem das Unternehmen TSR, das Dungeons & Dragons vertrieb (und bis heute vertreibt), nahe an die Insolvenz gebracht wurde.

Freilich behauptet der Autor nie, dass diese „Drachenhatz“ gewollt war (dass also das TSR-Management das Unternehmen beziehungsweise das Spielsystem zerstören wollte) – aber es wird doch deutlich, dass Riggs der Auffassung ist, dass vor allem Missmanagement zum Untergang TSRs als eigenständiges Unternehmen führte. Im Kern werden nach meiner Lesart drei Ursachen für den Niedergang identifiziert:

  1. Die Not, fortlaufend neue Produkte zu publizieren
  2. Fehlender Wille beziehungsweise die fehlende Bereitschaft, herausragende Autoren und Zeichner zu behalten
  3. Fehlende Qualifikation des Managements

Beim Lesen fragte ich mich, inwiefern diese Probleme auf andere Rollenspiel-Unternehmen übertragbar sein könnten. Naheliegenderweise ziehe ich hierzu den deutschen Primus Ulisses heran, der lustigerweise auch einen Drachen im Logo führt. Hierbei kamen einige für mich interessante Einsichten zu Tage, die ich nach einer Zwischenbetrachtung zu den obenstehenden Fragestellungen darlege.

Der ebenfalls im Buch diskutierte Vertrag mit dem Vertriebspartner Random House, welcher der Überschuldung TSRs Vorschub leistete, bleibt bei meiner Betrachtung außen vor, da ich freilich keine Einblicke in die Verträge Ulisses habe.

Ad 1. Die Not, fortlaufend neue Produkte zu publizieren

Dies ist im Grunde das von mir schon an anderer Stelle geschilderte, der Rollenspielbranche immanente, Problem: Der Markt ist recht schnell gesättigt, die Produkte (die Bücher aber auch der Nutzen hieraus) sind jedoch langlebig. Infolgedessen ist ein Rollenspielverlag stets mit der Frage befasst, woher die Umsätze von Morgen kommen. Damit laufen die Interessen von Kunden und Hersteller diametral auseinander: Während der Kunde mit seinem Produkt grundsätzlich noch lange leben kann, benötigt der Hersteller etwas Neues. Dieses Problem kann einige Zeit mit Zusatzprodukten wie weiteren Quellenbüchern, man denke nur an DSA am Ende der vierten Edition, kaschiert werden – aber irgendwann ist dieses Mittel ausgeschöpft. Für den Hersteller bietet es sich dann an, eine neue Edition zu publizieren, um damit bei Null zu starten. Allein, ob die Kunden hierbei mitgehen, ist zumindest nicht sicher. Ebenfalls ist auch der Mehrwert einer neuen Edition nicht immer gegeben.

Ausweislich des vorstehenden Buches war TSR sehr früh mit diesem Problem konfrontiert. Die Lösung war die „Fish bait-Strategie“. Diese bestand im Grunde darin, neue Welten für D&D zu erschaffen. Die immer neuen Quellenbücher, welche diese neuen Welten beschrieben, wurden gekauft, wodurch Umsatzerlöse für TSR generiert werden. Soweit jedenfalls die Theorie. In der Praxis war es offenbar so, dass die Einführung weiterer Spielwelten zu einer Aufsplitterung des Marktes führten und hierdurch die Stückzahlen der verkauften Bücher pro Spielwelt zurückgingen. Ergänzend schreibt Riggs, dass hierdurch die Stück-Produktionskosten schließlich über den Stückpreisen der Bücher lagen und hierdurch in vielen Fällen Verluste gemacht wurden. Sprich: Die Bücher wurden in so geringer Zahl gekauft, dass die Herstellungskosten die Umsatzerlöse überstiegen.

Mit der Übernahme TSRs durch Wizards of the Coast wurden zahlreiche Spielwelten eingestellt. Augenscheinlich wurde sich stattdessen darauf verlegt, Bücher zu produzieren, die grundsätzlich für den gesamten Kundenstamm, und nicht nur für die Spieler einzelner Welten, von Interesse waren. Dies sind üblicherweise Regelbücher. So zeigt sich, dass bis zur Übernahme durch Wizards of the Coast 1997 nur drei Editionen des Regelwerks produziert wurden: Nämlich das Original im Jahre 1974, die AD&D-Version 1977 und eine zweite AD&D-Version im Jahre 1989. Es wird also eine neue Edition rund alle fünf Jahre veröffentlicht.

Demgegenüber wurden nach der Übernahme vier Editionen veröffentlicht – durchschnittlich alle vier Jahre eine. Die gegenwärtig fünfte Edition, die es seit 2014 gibt, ist mit Blick darauf „überfällig“ ersetzt zu werden – und in der Tat soll im Jahr 2024 eine Aktualisierung der fünften Edition erfolgen. Es wurde zudem mit D&D Beyond eine Möglichkeit geschaffen, dauerhaft Umsatzerlöse in Form von Abonnementgebühren zu erwirtschaften. Damit wird das „Editionsproblem“ zumindest abgemildert.

Bei Ulisses ,beziehungsweise DSA, besteht das brancheninhärente Problem freilich analog. Parallelwelten wurden bei DSA aber nur in geringem Umfang geschaffen – und alle nicht weiter fortgeführt. Myranor, Utharia oder auf DSA Chutulhu werden gegenwärtig nicht weiter bedient – dies soll sich aber zeitnah ändern, wenn auch nicht durch Produkte Ulisses‘. DSA 5 war meiner Einschätzung nach (zumindest auch) aus der Not geboren, dass für DSA 4.1 so ziemlich alles erschienen war, was man sich vorstellen konnte (wenn man die aktuellen Publikationen ansieht, wird aber klar, dass noch viel mehr möglich gewesen wäre).

Ad 2. Fehlender Wille beziehungsweise die fehlende Bereitschaft, herausragende Autoren und Zeichner zu behalten

Das Buch schildert eindrücklich mehrere Fälle, in denen sehr begabte Mitarbeiter TSR verließen. Im Kern ging es hierbei stets um fehlende Anerkennung: Das Gehalt war zu niedrig, Maler durften ihre Bilder nicht behalten, Lizenzgebühren wurden Kreativen vorenthalten und dergleichen mehr.

Auch bei Ulisses gab es schon mehrfach unglückliche Personalrochaden. In vielen Fällen wurden hierbei auch besonders begabte Talente verloren: Man denke nur an Thomas Römer oder Uli Lindner, die schließlich beim Uhrwerk-Verlag eine neue berufliche Heimat fanden. Hierbei ging es meines Wissens weniger ums Geld, als mehr um die Arbeitsbedingungen. Bei Michael Masberg oder Bernd Ochs schienen persönliche Gründe eine Rolle zu spielen. Demnach spielte anscheinend ein fehlender Wille oder die mangelnde Fähigkeit, Personal zu halten, auch bei Ulisses schon eine Rolle. Dennoch bewerte ich die Sachverhalte in gewisser Weise verschieden: Riggs schildert in seinem Buch, dass viele der Angestellten die TSR verlassen hatten, später eine besser bezahlte Anstellung fanden. Das scheint mir bei den früheren Mitarbeitern Ulisses zumindest nicht immer der Fall zu sein. Hierbei spielt aber sicherlich auch die geringere Größe des Arbeitsmarktes, und damit die Nachfrage nach solchen Talenten, eine Rolle.

Neben dem Ersatz der Mitarbeiter als solche waren aber sowohl TSR als auch Ulisses in der Vergangenheit mit dem Problem konfrontiert, dass Autoren verloren wurden, die für die Fortsetzung einer Reihe erforderlich waren. So wurden deshalb weder die Galotta– nach die Answin-Romane fortgestetzt. Und dass die Fortsetzung von Salon der Schatten nicht erscheinen wird, schmerzt mich bis heute.

Ich komme daher zu dem Schluss, dass Ulisses zumindest teilweise Probleme in der Personalpolitik hat (oder zumindest hatte), die mit denen TSRs vergleichbar sind.

Ad 3. Fehlende Qualifikation des Managements

Bis zur Übernahme im Jahre 1997 gab es bei TSR zwei CEO: Garry Gygax und Lorraine William (ab 1985). Garry Gygax wird im Buch vorgeworfen, über keinerlei betriebswirtschaftliche Ausbildung zu verfügen. Dieselbe Kritik wird auch bezüglich dem übrigen Management TSRs aus dieser Zeit geübt.

Lorraine William wird demgegenüber ein mangelndes Produktverständnis attestiert. Riggs zeichnet das Bild, dass sie offenbar teilweise gar nicht wusste, wie das Produkt „Rollenspiel“ oder D&D funktionierte.

Beide Vorwürfe kann man dem Ulisses von heute nicht machen. Markus Plötz ist Diplom-Kaufmann und selbst Rollenspieler, der sich zudem regelmäßig zu aktuellen oder historischen Rollenspielthemen äußert.

Exkurs: Versteht Ulisses das USP DSAs?

Ich persönlich frage mich zuweilen, ob das Ulissses-Management den USP der Spielwelt DSA verstanden hat. Dies ist aus meiner Sicht die engmaschig beschriebene Spielwelt und deren ebenfalls vielfach verzahnte Hintergrundgeschichte. Genau darauf nehmen aktuelle Publikationen meines Erachtens aber weniger Bezug, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war, wo sich zahlreiche Rückverweise auf frühere Werke fanden, samt einem Abkürzungsverzeichnis für diese. Im Gegenteil: Die meisten Abenteuer heute sollen „für sich“ spielbar sein – ein Anspruch, der, sobald Vorprodukte eine maßgebliche Rolle spielen, nicht oder nur schwer erfüllbar ist. Dann aber wird das von mir idendifizierte USP jedoch nicht genutzt. Das Spielsystem wird dadurch austauschbarer.

Demgegenüber ist jedoch zu sehen, dass hierdurch die Einstiegsbarrieren für neue Spieler gesenkt werden. Wenn das Ulissses-Management zu dem Ergebnis gelangt, dass dies wichtiger ist als der Erhalt des USP vor allem für Altspieler, kann es sinnvoll sein, diesen Weg einzuschlagen. Zumal viele Altspieler angeblich unbesehen (fast) alles kaufen. Es ist daher für Ulissses nicht vordringlich relevant, es diesen recht zu machen. Mit Blick auf die für mich erkennbare Qualifikation des Managements gehe ich daher prima facie davon aus, dass die getroffene Strategie sinnvoll ist.

Zwischenbetrachtung

Ulisses hat, zumindest mit Blick auf die von mir auf Basis des Buches von Riggs identifizierten Themen, vermutlich primär das dem Markt immanente Problem, neue Produkte bei Marktsättigung zu produzieren, beziehungsweise die Marktsättigung herauszuschieben.

Das Management kommt, zumindest aus der Außensicht, nicht mit den Kompetenzmängeln einher, die das TSR-Management hatte.

Nicht ganz eindeutig ist, ob Ulisses maßgebliche Mängel im Umgang mit seinen Mitarbeitern hat. Die mitunter unschönen Trennungen sprechen klar dafür. Und die nicht erschienenen Produkte auch – schließlich hätten diese zumindest potentiell einen postiven Deckungsbeitrag erwirtschaften können. Allerdings gelang es Ulisses auch immer wieder Nachbesetzungen vorzunehmen. Nur wenn man annimmt, dass die aktuellen Autoren und Zeichner nicht an das Niveau der Früheren herankommen, ist dies aus Verlagssicht problematisch. Bei einem solchen Urteil darf aber nicht übersehen werden, dass auch die Strategie des Verlages und damit der Anweisungen an die Mitarbeiter für eine subjektiv vermindert empfundene Qualität ursächlich sein könnte. Inwiefern Ulisses eine wirtschaftlich schädliche Personalpolitik betrieb oder betreibt, vermag ich daher nicht zu sagen.

Evident ist demgegenüber für mich, dass Ulisses mit der Marktsättigung zu kämpfen hat – und zwar in größerem Maße, als dies bei TSR der Fall war oder ist. Da die Produkte Ulisses‘ originär oder ausschließlich in deutscher Sprache erscheinen, ist der adressierbare Markt erheblich kleiner – für die Entwicklungskosten dürfte das in deutlich geringerem Umfang gelten. Und in der Tat deuten zahlreiche strategische Entscheidungen an, dass Ulisses bestrebt ist, die eigenen Erträge hochzuhalten oder zu steigern:

  • Es werden Produkte eingeführt, deren Nutzen beim Spiel überschaubar, dafür die Marge aber große sein dürfte, wie zum Beispiel die Acrylmarker, die in steter Regelmäßigkeit erscheinen.
  • Inhalte werden über mehrere Produkte verteilt; man denke nur and das DSA 5-Magieregelwerk in der ersten Variante (das heißt vor dem Kodex-Bänden), bei dem die Bände zudem auch nicht redundanzfrei sind. Inhalte können damit mehrfach verumsatzt werden.
  • Über VTT wird versucht, ein Abonnenten-System zu etablieren (Ulisses erhält vermutlich Lizenzzahlungen von Foundry Gaming.
  • Die schon diskutierte Trennung von Spielwelt und Regeln geht in eine ähnliche Richtung.

Ich habe mir daher die Frage gestellt, wie kommerziell erfolgreich Ulisses wohl in den letzten Jahren war.

Einblicke in die wirtschaftliche Lage Ulisses

Um diese Frage zu beantworten, habe ich mir aus dem Bundesanzeiger die Geschäftszahlen der letzten Jahre beschafft. Da die Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH nur eine kleine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB ist, sind die publizierten Informationen jedoch spärlich (insb. wird nur die Bilanz (und der Anhang), nicht aber die Gewinn- und Verlustrechnung publiziert) und deren Interpretation schwierig. Infolgedessen sind die folgenden Rückschlüsse mit hoher Unsicherheit behaftet.

Quelle: Bundenanzeiger. VGG steht für Vermögensgegenstände.

Für einen ersten Blick zur Einschätzung der Ertragslage lohnt die Betrachtung von Jahresüberschuss und Cashflow. Der Jahresüberschuss („Gewinn“) ist seit dem Geschäftsjahr 2017 bis zum Geschäftsjahr 2020 kontinuierlich und auch erheblich gestiegen – war aber im Geschäftsjahr 2022 jedoch mit minus 98 Tsd. Euro wieder negativ.

Der Cashflow (hier gemessen an der Veränderung des Kassenbestandes) war nur in den Geschäftsjahren 2019 und 2022 negativ. Allerdings wurden im Geschäftsjahr 2022 die Verbindlichkeiten („Schulden“) erheblich zurückgeführt – um rund 725 Tsd. Euro – für ein kleines Unternehmen wie Ulisses keine Kleinigkeit! Dass führt natürlich auch zu einer Verminderung des Kassenbestandes. Ohne diese Begleichung von Schulden ergibt sich ein (ganz überschlägig) gerechneter operativer Cashflow im Geschäftsjahr 2022 von rund 137 Tsd. Euro. Hierbei habe ich zudem beachtet, dass im Geschäftsjahr 2022 augenscheinlich erstmals eine Gewinnausschüttung im Betrachtungszeitraum in Höhe von 13 Tsd. Euro erfolgte.

Aus dem positiven operativen Cashflow kann der Schluss gezogen werden, dass das Unternehmen zumindest nicht ungesund ist. Der negative Jahresüberschuss im Geschäftsjahr 2022 kann auf nicht-zahlungswirksame Geschäftsvorfälle zurückzuführen sein. Unter anderem nimmt das Sachanlagevermögen um rund 86 Tsd. Euro an. Es ist denkbar, dass im Geschäftsjahr 2022 praktisch nichts erneuert wurde um Geld für die Rückzahlung des Darlehens verfügbar zu haben. Dennoch wird z.B. die Betriebs- und Geschäftsausstattung älter, was durch Abschreibungen angezeigt wird. Allein diese Abschreibungen erklären weite Teile des negativen Jahresüberschusses. Richtig ist aber auch: In den Vorjahren war der Jahresüberschuss deutlich höher. Gleiches gilt für den (sehr überschlägig ermittelten) operativen Cashflow. Eine Verschlechterung der operativen Performance ist daher naheliegend.

Resümee

Über Ulisses muss man sich gegenwärtig wohl keine Sorgen machen – obgleich das Geschäftsjahr 2022 nicht glänzend war. Dieser Drache wird darauf basierend nicht „versehentlich“ erschlagen. Bilanz und Anhang des Geschäftsjahres 2023 ist jedoch noch nicht publiziert. Interessant dürfte sein, ob dieses Geschäfsjahr besser abgeschlossen werden konnte. Allerdings war die Analyse der Bilanzen Ulisses‘ bis zum Geschäfsjahr 2022 Auslöser weiterer Recherchen: Im Geschäftsjahr 2022 wurden nämlich Geschäftsanteile zurückgekauft. Und das ist nur die erste gesellschaftsrechtliche Maßnahme.

Analyse der (wichtigen) Ankündigungen zu DSA auf der CCC 2023

Auf der Collector’s Club Convention („CCC“) Ulisses‘ am vorvergangenen Wochenende wurden vor allem zwei erwähnenswerte Neuigkeiten für DSA verkündet. Hierzu habe ich mir ein paar Gedanken gemacht. Voilá:

1. Trennung zwischen Regel- und Hintergrundbänden

Als Folge der Turbulenzen rund um die Open Gaming Licence („OGL“) und hierbei insbesondere der Ankündigung, die DSA-Regelwerke im Zuge einer Open RPG Creativ („ORC)-Version für Ulisses-Regelwerke allgemein und unentgeltlich verfügbar zu machen, ist eine Trennung der Regelwerke von Hintergrundmaterialien (d.h. der Weltbeschreibung) nur folgerichtig.

Wir erinnern uns: Ulisses kündigte an, eigene Regelwerke in einer Art zur Verfügung zu stellen, wie es heute schon für das D&D-Regelwerk („D20“) der Fall ist – welches für eine Vielzahl von, auch fremden, Hintergrundwelten verwendet wird. Diese Verwendung des D&D-Regelwerkes erfolgt für die Verwender kostenfrei und wird über die sog. OGL, einem Lizenzvertrag, abgedeckt. Dieser umfasst aber nur das Regelwerk. Die (originären, Wizards of the Coast gehörenden) Hintergrundwelten sind nicht frei verfügbar. Auch die Marken, allen voran „Dungeons & Dragons“, nicht.

Dies soll perspektivisch auch für die Ulisses-Regelwerke möglich sein. Hierdurch könnte, zumindest theoretisch, erreicht werden, dass diese Regelwerke eine größere Verbreitung erfahren und hierdurch als Nebeneffekt Werbung für Ulisses gemacht wird.

Allein dieses Vorhaben macht eine strikte Trennung von Regel- und Hintergrundbänden zumindest zwecksmäßig: Durch eine solche Trennung ist auch im Zweifel klar, welche Teile des Spielsystems (als Überbegriff für Regelwerk und Hintergrundmaterial) frei verfügbar sind, und welche nicht. Dies wäre dann schon daran erkennbar, in welchem Band diese veröffentlicht worden sind.

Ergänzend war der von DSA5 beschrittene Weg, Hintergrundbände mit Regelelementen anzureichern auch vorher nicht immer wohlgelitten. Das ist verständlich: Eine Trennung in Regel- und Hintergrundbände ist alles andere als unüblich.

Die Ankündigung ist damit nicht nur konsequent sondern auch begrüßenswert, da sie zu einer besseren Struktur innerhalb des Spielsystems führen dürfte.

Freilich gibt es etwas Wasser im Weine.

Grundlegend frage ich mich, wie viele Spieler, die nicht die offizielle DSA-Welt bespielen möchten, Interesse an Regeln für Regionen in just dieser Welt haben. Aber gut – das mag für bestimmte Spezialregeln oder –ausrüstungsgegenstände auch der Fall sein.

Zudem soll es nunmehr für DSA-Hintergrundbände, die Regionen beschreiben, nicht, was erwartbar gewesen wäre, zwei, sondern drei Bände geben. Der dritte Band soll sog. Meisterinformationen beinhalten (nur für den Spielleiter bestimmte Informationen) und zudem ein zu der jeweilige Region passendes Abenteuer. Obgleich auch die Trennung zwischen Spieler- und Spielleiterwissen schon vielfach gefordert und gut begründbar ist, stelle ich mir zwei Fragen:

  1. Die Kombination aus Abenteuer und Meisterinformationen könnte etwas gekünstelt werden – einfach deshalb, weil das Abenteuer oft in keiner Verbindung zu dem Großteil der Meisterinformationen stehen dürfte.
  2. Kunden (wie ich), die bislang nur die Abenteuer kauften, werden über dieses neue Kuppelprodukt nun auch die Meisterinformationen erwerben. Umgekehrt gibt es sicher Kunden, die bislang keine Abenteuer kauften, sondern die Meisterinformationen nutzten, um eigene Abenteuer zu entwerfen. Diese Kunden werden nun diese offiziellen Abenteuer „zwingend“ miterwerben müssen.

Ich nehme an, dass der zweite Punkt ursächlich für die Entscheidung Ulisses‘ ist, drei Bände anzubieten. Die Kuppelprodukte werden naheliegenderweise, da sie mehr Inhalt bieten, teurer sein und die beschriebenen Kundengruppen daher höhere Preise zu entrichten haben – was für dem Ulisses-Umsatz zuträglich ist. Das umgekehrte Risiko, dass sich die beschriebenen Kunden dazu entschließen, die Produkte gar nicht mehr zu kaufen, wird Ulisses-seitig vermutlich weniger stark gewichtet. Aus meiner Sicht eine wohl realistische Einschätzung.

Weniger schwer wiegt aus meiner Sicht dass Käufer, die bereits die kombinierten Produkte für bislang abgedeckte Regionen erwarben, nunmehr nicht damit rechnen dürfen, dass künftige Regionen auch in dieser kombinierten Form angeboten werden – den dies würde nicht nur die Ankündigung konterkarieren, sondern auch mit erheblichen Mehrkosten einhergehen.

Erforderlich wäre eine solche „Doppelauflage“ auch nur, um den geschilderten Käufern die Möglichkeit zu geben, ihre Sammlung mit einheitlich gestalteten Büchern fortzuführen. Dieses Interesse dürfte seitens Ulisses als weniger wichtig gewertet werden – zumal auch während DSA3 ein Umbruch in der Gestaltung erfolgte – nämlich als Fanpro das Spielsystem von Schmidt Spiele übernahm. Man mag jedoch einwenden, dass eine solche Übernahme einen herberen Einschnitt darstelle und andere Ursachen hatte als die aktuelle Entwicklung.

Vielmehr zeigt sich aus der künftigen Gestaltung der Hintergrundbände meines Erachtens noch ein anderes Vorhaben Ulisses‘: Deren Gestaltung ist gegenwärtig sehr schlicht vorgesehen und nicht der aktuellen Edition entsprechend. Ich kann mir daher gut vorstellen, dass derartige Bände auch (sonst) von Regeleditionen unabhängig sein sollten, und keiner erwarten darf, dass die Weltbeschreibung noch während der aktuellen fünften Regeledition komplettiert werden wird. Sie könnte vielmehr nahtlos bei möglichen künftigen Regeleditionen weitergeführt werden.

Mit Blick auf das Editionsproblem begrüße ich dies.

2. DSA4.1 wird wieder aufgelegt

Das ist wirklich ein Ding. Es wurde angekündigt, die alten Wege-Bände wieder aufzulegen. Später wurde zudem annonciert, ergänzend dazu auch noch die Bücher Liber Cantiones und Liber Liturgium neu aufzulegen.

Dieses Vorhaben lässt einige Thesen zu.

These 1: Es gibt eine große Nachfrage nach DSA4.1-Regelwerken

Dass allein vergriffene Bücher wieder aufgelegt werden, hat jüngst eine gewisse Regelmäßigkeit erfahren. Es begann mit der „Kaiser-Retro-Box“ und setzte sich zuletzt über vergriffene Abenteuer fort. Insofern könnte man anführen, dass die Wiederauflage von DSA4.1 nur ein weitere Schritte in dieser Tradition sind. Das ist bei Lichte betrachtet aber nicht so: Ausgenommen der Kaiser-Retro-Box, die DSA1 zum Inhalt hatte, wurden Hintergrundbände und Abenteuer neu aufgelegt. Und bei DSA1 ist unbedingt davon auszugehen, dass dieses Regelwerk aus verschiedenen Gründen nicht in Konkurrenz zur aktuellen fünften Auflage des Regelwerkes zählt. Bei DSA4.1 ist dies jedoch so: Ich ließ mir jüngst sagen, dass über 50% der Spieler DSA4.1 spielten. Ob das stimmt kann ich nicht sagen – aber in meinem Umfeld ist DSA4.1 weit weiter verbreitet als DSA5. Und aus zahlreichen Foren-Diskussionen lässt sich entnehmen, dass DSA4.1 weiterhin viele Spieler hat. Davon gehe ich aufgrund meiner Datenlage nachfolgend aus und unterstelle damit, dass Netzwerkeffekte keine der beiden Editionen begünstigen (was sonst der entscheidende Faktor sein dürfte).

DSA5 ist deshalb aber nicht gescheitert – vielmehr scheint die Zahl der DSA4.1-Spieler so groß zu sein, dass es sich Ulisses nicht (mehr) leisten kann, diesen Markt nicht zu bedienen. Allein – wird dies kommerziell erfolgreich sein?

In der Tat sind auf dem Sekudärmarkt die Preise für DSA4.1-Regelwerke sehr hoch. Es läge daher der Schluss nahe, dass es eine große Nachfrage nach DSA 4.1-Produkten gibt. Allein – das kann so sein, muss es aber nicht: Alternativ zu einer hohen Nachfrage würde auch eine unelastische Nachfrage die hohen Preise erklären: Das bedeutet, dass es nur ein paar wenige Interessenten für die alten Regelwerke gibt (und zwar etwas mehr als Anbieter) – diese Interessenten aber bereit sind, sehr hohe Preise zu bezahlen. Sobald aber diese wenigen Interessenten fündig geworden wären, würde der Preis fallen. Der Markt wäre schnell gesättigt.

Aufgrund dieser Zusammenhänge werden im Übrigen Abenteuer, nach denen die Nachfrage schon grundsätzlich geringer ist, selten neu aufgelegt. Dies ist bei Regelwerken grundsätzlich anders: Diese nutzen nicht nur dem Spielleiter, sondern auch den Spielern. Die Nachfrage und damit auch die Zahl der verkauften Exemplare ist daher höher.

Zudem kann gehofft werden, dass Ulisses aufgrund der Erfahrungen mit den bereits erfolgten Neuveröffentlichungen eine Vorstellung hat, welche Nachfrage nach neuen DSA4.1-Regelwerken besteht. Im Übrigen sollen, ausweislich der vorhandenen Bilder, die Einbände der Bücher mit den Illustrationen der DSA4.0-Boxen versehen sein. Das bedeutet zum einen, dass Sammler einen „Grund“ haben, diese neuen Auflagen auch zu erwerben, da sie insoweit verschieden sind. Zum anderen aber auch, dass Kunden, wie ich, welche die Umschlag-Illustrationen der Wege-Bände für missraten halten, sich möglicherweise die Neuauflagen kaufen werden.

In meinem Umfeld schätze ich, dass rund zehn Spieler die neuen Bände erwerben werden. Ich werde dies allein der anderen Titel-Illustrationen wegen tun. Meine Mitspieler meistenteils deshalb, weil sie erst vor einiger Zeit bei uns mit DSA (und damit DSA4.1) angefangen haben, und die Regelbände gerne besäßen.

Nicht nur deshalb, sondern auch aufgrund der anderen genannten Punkte, gehe ich davon aus, dass die DSA4.1-Bände freudige Abnehmer finden werden. Im Übrigen sind für Ulisses die Kosten minimal, da die Bücher bereits druckfertig existieren. Es müsse keine Kosten für das Verfassen von Texten, das Lektorat etc. gedeckt werden – der Deckungsbeitrag ist weit höher und die Amortisation beginnt schon bei kleineren Stückgrößen. Ich denke daher, dass Ulisses profitieren wird.

These 2: DSA 4.1 läuft DSA5 den Rang ab

An anderer Stelle habe ich mich über das Editionsproblem im Rollenspiel ausgelassen. Und – die Wiederauflage der Wege-Bände könnte genau dieses Problem aus Spielersicht mindern. Da die beiden Regelwerke ohnehin schon de facto im Wettbewerb miteinander stehen, könnte fraglich sein, welche Edition nach der Ankündigung wohl langfristig besser angenommen wird. Folgende Aspekte könnten eine Rolle spielen:

Aktualität

Für DSA5 spricht mit Sicherheit, dass es schlichtweg die jüngste Edition ist und daher die, zu der Neueinsteiger wohl am ehesten greifen werden – nur könnte die Zahl der Rollenspiel-Neueinsteiger überschaubar sein, da diese eher D&D wählen, welches durch die sozialen Medien eine umfassende Bewerbung erfährt. Inwiefern dies durch die Zurverfügungstellung des DSA-Regelwerks durch eine ORC-Variante eine Änderung erfährt, bleibt zunächst abzuwarten (ich bin aber skeptisch).

Weitere Punkte sprechen für DSA5: Die neuen Abenteuer werden mit Sicherheit für die Standardversion, das heißt gegenwärtig DSA5, erscheinen. Wer DSA4.1 spielt, müsste diese also „konvertieren“. Erfahrenen Spielleitern dürfte dies leichtfallen (ich konvertiere die Werte von Gegnern üblicherweise, während der Würfel rollt), andere mögen damit hadern.

Vollständigkeit

Ergänzend ist bislang keine Ankündigung dahingehend erfolgt, ob auch die weiteren „regelnahen“ DSA4.1-Bände neu aufgelegt werden. Allen voran ist das Zoo Botanica Aventurica zu nenne, welches die Werte von Kreaturen (und ferner: Pflanzen) enthält. Des Weiteren könnten die Wege der Alchemie, das Aventurische Arsenal und der Meisterschirm als fehlend empfunden werden. All diese Werke stehen für DSA5 zur Verfügung oder sind erwartbar. DSA5 wäre also insofern zu präferieren.

Ganz anders fällt die Würdigung aus, wenn man eine Gruppe hat, welche die Spielwelt DSAs „ganzheitlich“ bespielen möchte: Für Myranor, Tharun, Rakshazar und auch Die Dunklen Zeiten stehen keine DSA5-Regeln zur Verfügung. Solche Spieler werden daher höchstwahrscheinlich auf DSA4.1 zurückgreifen. Allerdings – und dies kann kaum hoch genug bewertet werden – Bände für die oben genannten Schauplätze sind gegenwärtig nur mit großer Mühe und unter hohen Kosten erwerbbar – die Neuauflage nur der Wege-Bände hilft solchen Spielgruppen daher nur wenig. Schwerer wiegt vermutlich, dass die „großen“ ikonischen Kampagnen (7G, Phileasson, Simyala, Königsmacher, Jahr des Greifen, Jahr des Feuers) alle für DSA4.1 verfügbar sind – gegenwärtig nicht aber für DSA5. Für DSA5 gibt es „nur“ die jüngeren Theaterritter– und die Sternenträger-Kampagne.

Ein Punkt für DSA5 könnte die Verfügbarkeit einer englischen Ausgabe sein. Ich meine zwar, dass internationale Runden selten sind (ich kenne nur eine, bei der aber alle deutsch sprechen) – aber für solche Spielgruppe dürfte wenig an DSA5 vorbeiführen.

Ergänzend, aber keineswegs nachrangig, muss gesehen werden, dass es (nur) für DSA5 eine vernünftige VTT-Unterstützung gibt. Online-Runden dürften dieses „Manko“ DSA4.1s vermutlich hoch gewichten und das Regelwerk daher eher weniger schätzen. Auch das DSA5-Regelwiki ist ein ähnlich gelagerter Vorteil.

Struktur

Auch wenn DSA-Regelwerke nicht gerade für ihre intuitive Struktur gelobt werden, mag diese für Käufer doch eine Rolle spielen. Ich wage zu behaupten, dass DSA4.1 besser strukturiert ist, bzw. war: Die große Schwäche von DSA5, Regeln über zahlreiche Bände zu verteilen oder nicht frei von Redundanzen zu sein, könnte über die Kodex-Bände geheilt werden. Die Regelwerke könnten hier also vergleichbar sein bzw. werden.

DSA5 liegt aber vermutlich vorne, wenn es um die Struktur innerhalb eines Buches geht – aber hier bin ich mir keineswegs sicher.

Stil

Sehr subjektiv – aber dennoch relevant: Bei DSA5 wird die vollfarbige Aufmachung oft gelobt. DSA4.1 war stets in schwarz-weiß gehalten. Nach meiner Einschätzung finden farbige Seiten mehr Anklang. Eine völlig andere Frage ist, inwiefern die Sprache der Edition 5 oder 4.1 vorziehenswürdig ist. In meinem Umfeld wird oft (aber keinesfalls unisono) beklagt, dass DSA5 „gegenderte“ Texte hat. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass andere, insbesondere jüngere Spieler, genau dies vorziehenswürdig finden.

Fazit

Mir scheint, als ob die Wiederauflage der DSA4.1-Bände für „Altspieler“ erfolgt, die möglicherweise neue Mitspieler haben, oder die Exemplare ihres Regelwerkes ersetzen möchten. Hierfür spricht insbesondere:

  1. Insbesondere derartige Spieler dürften noch DSA4.1. spielen.
  2. VTT und dergleichen spielt für langjährige Spieler, die feste Gruppen haben dürften, eine untergeordnete Rolle.
  3. „Altspielern“ ist es eher egal, ob die neuen Abenteuer zu ihrem verwendeten Regelwerk passend sind. Wenn sie solche überhaupt spielen, fällt ihnen die Konvertierung leicht.
  4. Solche Spieler dürfte auch am Ehesten die anderen Kontinente bespielen – diese waren schon immer speziell und wurden meines Erachtens kaum von Einsteigern gewählt.
  5. Zudem dürfte diese Spielergruppe am meisten Sammler aufweisen und die höchste Bereitschaft sowie die finanzielle Möglichkeit, für alte Regelwerke nochmal in die Tasche zu greifen. Ob sie, DSA5 gekauft haben, darf in eigen Fällen wohl in Zweifel gezogen werden.

Es liefe damit auf eine (verlagsseitig gewissermaßen akzeptierte oder gar geförderte) Teilung der Spielerschaft hinaus. Außerhalb von Cons dürfte das keine große praktische Rolle spielen.

Ein „Rang ablaufen“ gibt es dann nicht, sondern eine Koexistenz. In Kombination mit der Trennung von Spielregeln und Hintergrundbänden besteht für Ulisses sogar die Hoffnung, dass Spieler früherer Editionen (allen voran Spieler von DSA4.1) die neuen Hintergrundbände kaufen, da diese nun nicht im Widerspruch zu ihrem Regelwerk stehen. Jeder weitere so verkaufte Hintergrundband ist für Ulisses ein gutes Geschäft. Für den Verlag daher ein kommerziell sinnvoller Zug.

Und weiter? Eine Vision.

Ich versuchte schon aufzuzeigen, welche Synergien für Ulisses aus der Kombination der beiden Ankündigungen denkbar sind.

Darüber hinaus wird aber auch die Möglichkeit sichtbar, DSA zu einem gezielt „regelagnostischen“ System zu machen. Dies geht weit über die Ankündigungen im Zusammenhang mit der OGL hinaus, die keinesfalls das Nachdrucken alter Editionen zwingend machten (auch Hasbro druckt die alten D&D-Regelwerke meines Wissens nicht nach): Ulisses möchte nun DSA4.1-Regelwerke publizieren. Das Ilaris-Regelwerk gibt es ebenfalls als gedruckte Ausgabe im f-shop. Den Band „Harteschales Hausregeln“ gab es ebenfalls mal gedruckt zu erwerben, wenn auch nicht von Ulisses unterstützt. Über einen Nachdruck von DSA3 und DSA2 wird zumindest spekuliert.

Mit jeder unterstützten Regelvariante hat Ulisses die erhöhte Chance, dass deren Anhänger die neuen „regelagnostischen“ Bände (das heißt Hintergrundbände) erwerben. Gleichzeitig geht der Verlag das Risiko ein, sein primäres Regelwerk (DSA5) und dessen Verkäufe zu schwächen. Jede Drucklegung muss daher von Ulisses sorgsam abgewogen werden, wenn man nicht darauf baut, dass Sammler ohnehin alles kaufen (was bis zu einem bestimmten Grad aber denkbar ist). Grundsätzlich dürften aber die Fixkostendegressionseffekte pro als Buch erhältlicher Regelversion sinken. Allen voran gilt dies für die aktuelle Version, deren ungedeckte Fixkosten am höchsten sind, da sie in Erstellung befindlich ist.

Interessant könnte ein DSA-Regelwerk auf D20-Basis sein (gibt es inoffiziell auch schon). Damit könnnten vor allem Spieler angesprochen werden, die durch die sozialen Medien bei D&D gelandet sind. Wäre dies für Ulisses ein Problem, wenn sie DSA-D20-Regelbücher unter der OGL verkaufen können? Wohl kaum: Ich denke, das Erschließen dieser Zielgruppe wäre für Ulisses hochinteressant. Dies würde auch dann gelten, wenn diese neuen Spieler so zahlreich wären, dass die DSA-D20-Version über Netzwerkeffekte der neue Standard würde. Für Ulisses könnte dies sogar von Vorteil sein, weil man sich keine Mühe machen müsste, neue Regeleditionen grundständig zu entwickeln, sondern auf die D20-Vorlagen zurückgreifen könnte. Auch etwas kleinere Auflagen (wegen Kunden, die beispielsweise das DSA4.1-Regelwerk kaufen), wären dann profitabel.

Unbenommen von einem DSA-D20-Regelwerk ist künftig eine Koexistenz verschiedener DSA-Regelwerke denkbar. Für die Community bietet sich damit die Möglichkeit, die Editionsstreitigkeiten ad acta zu legen. Jede Spielgruppe könnte nach ihrer Façon glücklich werden – da der Wettbewerb um das „bessere“ Regelwerk weniger wichtig würde. Ein zumindest denkbares und doch auch schönes Szenario.

Die Entwicklungen um die OGL – der Versuch einer Einordnung

Einführung

Wer, wie ich, nicht zumindest wöchentlich die Entwicklungen in der Rollenspiel-Szene verfolgt, erfährt von den Turbulenzen um die OGL eben aus der regulären Presse: Wizard of the Cost (Teil des Hasbro-Konzerns) überlegte die Open Game Licence (kurz: OGL) in der (noch) aktuellen Form 1.0a zurückziehen.

Ich wusste bislang nicht einmal, was das ist.

Im Kern ist die Lizenz der Grund, warum so viele Systeme auf das D&D-Regelwerk bauen. Ich dachte immer, dies läge (nur) an seiner weiten Popularität. Der, zumindest ergänzende, Punkt ist jedoch, dass diese Lizenz es im Kern ermöglicht, das D&D-Regelwerk kostenfrei zu verwenden. Die D&D-Welt ist davon nicht abgedeckt.

Nach dieser Erkenntnis stellte ich fest, dass beispielsweise das Iron Kingdoms-Rollenspielregelwerk unter dieser Lizenz veröffentlicht wurde. Sie findet sich auch ganz hinten im Regelbuch.

Der Stein des Anstoßes ist nicht (nur), dass die OGL in der Version 1.0a zurückgezogen werden sollte. Sie sollte offenbar auch durch eine neue Version 1.1 ersetzt werden.

Dies wurde bereits am 21. Dezember 2022 von Wizards of the Coast angekündigt. Auch, dass ab einem Umsatz mit Produkten unter der OGL ab 50.000 USD eine Registrierung vorgesehen sein würde. Ab einem Umsatz in Höhe von ab 750.000 USD wurde eine Lizenzgebühr in Aussicht gestellt, über deren Höhe sich jedoch im Dezember noch ausgeschwiegen wurde. Ergänzend sah die Version 1.1 der OGL vor, dass nur noch für gedruckte, „statische“ Medien („printed media or static electronic files (like epubs and PDF)s“), aber nicht mehr für elektronisch Produkte, wie insbesondere virtuelle Pen & Paper-Umgebungen wie VTT („other content such as video games or virtual tabletops (VTTs)“) gelten soll.

Diese Ankündigung, mehr aber noch die, von Wizard of the Cost nicht bewilligte Veröffentlichung einer Vorabversion der OGL 1.1 im Januar 2023 löste jedoch ein mannigfaltiges Echo aus. Der Tenor, der sich in den Stellungnahmen des Hasbro-Konzern wiederfindet, deutete an, dass die Vorlage einigermaßen akkurat dem tatsächlichen Vorhaben entsprach.

Ab einem Umsatz von 750.000 USD sollte, so die im Januar 2023 veröffentlichte Entwurfsversion der OGL 1.1, nunmehr eine Lizenzgebühr in Höhe von i.d.R. 25 % des Umsatzes (u.U. 20 %) fällig werden. Zudem sieht dieser Entwurf vor, dass der Lizenzgeber die Rechte zur Reproduktion und zum Vertrieb an solchen Produkten erhält, die unter der OGL 1.1 veröffentlicht wurden.

Wenige Wochen nach der Veröffentlichung dieses Entwurfs, veröffentlichte Wizards of the Coast am 19. Januar 2023 einen neuen Entwurf einer Version 1.2 der OGL. Dieser durfte kommentiert werden.

Diese Version der OGL enthält keine Registrierungspflicht mehr für Lizenzinhaber und sieht auch keine Lizenzzahlungen mehr vor. Auch sieht diese kein Recht des Lizenzgebers mehr vor, Produkte der Lizenznehmer zu vervielfältigen. Gleichwohl sieht sie eine Sonderbehandlung für nicht gedruckte Medien (wie VTT) vor.

Die Kommentierung der OLG 1.2 wurde am 27. Januar 2023 vorzeitig beendet. In diesem Zusammenhang verkündete Wizards of the Coast, dass die OGL 1.0a in Kraft bleibt und keine Änderung vorgenommen werden.

Reaktionen

Die Veröffentlichung der OGL 1.1, obgleich nicht von Wizards of the Coast beabsichtigt, wurde in mehreren Kommentaren sehr negativ aufgenommen. Es wurde insbesondere hinterfragt, ob die OGL 1.0a überhaupt zurückgezogen werden könne.

Zahlreiche. Benutzer kündigten ihr Abonnement bei D&D Beyond (angeblich wurde die Abmeldefunktion abgeschaltet und nur noch eine Kündigung per E-Mail wurde ermöglicht, wobei schließlich 10.000 E-Mails unbeantwortet gewesen seien), um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Angeblich unterschrieben über 77.000 Personen einen offenen Brief, um sich gegen die Version 1.1 zu positionieren.

Schließlich kündigte zuerst Paizo, dann Ulisses an, ihre jeweiligen Regelwerke (d.h. u.a. das Pathfinder-Regelwerk, die Versionen der DSA-Regelwerke [soweit möglich] und das Hexxen-Regelwerk) in einem ähnlichen Rahmen, wie es mit der OGL 1.0a der Fall war (bzw. noch ist) freizugeben, und diese Freigabe unwiderruflich zu erklären.

Zu den vorgenannten Punkte kann ich auf die Next Quest-Videos Ulisses vom 16. Januar 2023 und 19. Januar 2023 verweisen, wo die jüngsten Entwicklungen aber auch die Historie der OGL ausführlich erklärt werden.

Einordnung

Im Folgenden möchte ich mich mit folgenden Aspekten befassen:

  1. Was ist der Anreiz, die OGL überhaupt zurückzuziehen oder zu ändern?
  2. Geht das rechtlich? Was sind die Konsequenzen oder Probleme?
  3. War der Druck der Öffentlichkeit ursächlich, die Version 1.1 durch eine Version 1.2 zu ersetzen oder die Pläne schließlich insgesamt ad acta zu legen?
  4. Wie ist die Ankündigung anderer Verlage einzuschätzen, ihre Regelwerke ebenfalls freigeben zu wollen?

Ad 1:

Dies wird aus meiner Sicht in weiten Teilen in Video Ulisses‘ gut erklärt. Hintergrund der Lizenzänderung ist freilich die Generierung von Erlösen. Die Lizenz wurde aus meiner Sicht in Version 1.0a zunächst freigegeben, um das D&D-Regelwerk weitgehend zu etablieren. Wenn möglichst viele Systeme und damit Spieler das D&D-Regelwerk verwenden (auch wenn es so nicht firmiert, sondern als 5E), etabliert es sich als de facto-Standard.

Ökonomisch spielen hierbei Netzwerkeffekte die entscheidende Rolle: Bei einer weiten Verbreitung des D&D-Regelwerkes wird die Verwendung eines anderen Regelwerkes zunehmend schwieriger Viele Spieler wollen gerne bei dem vertrauten Regelwerk bleiben, zumal es dieses für viele Spielwelten gibt. Andere Spielwelten können hierdurch einen kompetitiven Nachteil erleiden. Für Wizards of the Coast stellt sich ein finanzieller Vorteil ein, da das Grundregelwerk vielfach verkauft wird. Auch Zusatzprodukte, die mit allen Spielwelten kompatibel sind, werden in größerer Zahl nachgefragt. Durch die größeren Verkaufszahlen werden Skaleneffekterealisiert, die Fixkosten pro Stück fallen und der Gewinn steigt.

Gelingt es nun, auch von den anderen Büchern, die nicht von Wizards of the Coast, sondern anderen Verlagen unter der OGL veröffentlicht werden, einen Teil des Erlöses abzuschöpfen, ist dieser Zusatzerlös praktisch in Gänze unmittelbar gewinnerhöhend.

Ad 2:

Grundlegend könnte in Frage stehen, ob man ein Regelwerk überhaupt schützen kann. Dies sieht legal eagle kritisch. Er meint, reine Ideen seien nicht schützbar. In der Tat sind bloße Ideen nicht schutzfähig, nur die Form, in der eine Idee dargebracht wird. Dungeons & Dragons als Idee wäre damit nicht geschützt, wohl aber die Art und Weise, wie diese Idee umgesetzt wird, auch in der Spielanleitung. Mit Blick darauf, dass keiner der bisherigen Lizenznehmer ernsthaft die Schutzfähigkeit in Frage gestellt hat, dürfte diese Auffassung überwiegend geteilt werden.

Zahlreiche Kommentatoren meinen demgegenüber, die OGL könne in der Version 1.0a nicht zurückgezogen werden, da diese auf eine unbefristete Dauern („perpetual“) vorsieht (Punkt 4.). Gleichwohl sieht Punkt 9. Die Möglichkeit einer Aktualisierung („Updating“) der Lizenz vor.

Nach meiner Lesart ist daher eine Änderung der OGL zu einer OGL 1.1 oder 1.2 möglich.

Im Grunde kann nämlich jede Vereinbarung gekündigt werden. Falls keine Kündigungsfrist zwischen den Parteien bei der Nutzungsaufnahme festgelegt wurde, ist eine angemessene zu wählen. Zudem macht Punkt 9. explizit eine Änderung möglich und wäre daher im Zweifel als „Spezialfall“ gegenüber der allgemeinen Aussage aus Punkt 4. prärogativ. Selbst dann, falls die Kündigung ausdrücklich nicht vorgesehen oder sogar ausgeschlossen sein sollte, wäre sie aus wichtigem Grund in der Regel möglich.

Diese Erkenntnis hat sich mittlerweile meines Erachtens durchgesetzt; andernfalls hätte zum Beispiel Ulisses in dem zweiten vorstehenden Video nicht die Kündigung ausgiebig diskutiert und deren Folgen, zum Beispiel für unter der Lizenz veröffentlichte Inhalte ihrer Internetplattform („Scriptorium“) angerissen.

Die Möglichkeit einer Kündigung ist bei Lichte betrachtet auch keinesfalls verwunderlich: Mir bekannt ist die Rücknahme der Myranor-Lizenz vom Uhrwerk-Verlag durch Ulisses oder, ganz aktuell, die absehbare Rücknahme der Battletech-Lizenz von Ulisses durch Catalyst. Der Uhrwerk-Verlag musste infolgedessen offenbar das fast fertig Myranor-Regelwerk für DSA5 einstellen; Battletech muss anscheinend die Romanreihe „Kell Hounds“ vom Markt nehmen. Angeblich müssen sogar nicht verkaufte Bücher vernichtet werden. Insofern sollte die Verwunderung darüber, dass bislang unter der OGL 1.0a veröffentlichte Bücher nicht weiter vertrieben werden dürfen, eigentlich überschaubar sein.

Allein bereits verkaufte, also vom Endkunden bereits erworbene, Produkte bleiben freilich bestehen. Das ergibt sich schon daraus, dass die Endkunden gar keinen Vertrag mit dem Lizenzgeber Wizards of the Coast haben, sondern nur die Rollenspiel-Verlage.

Eine bestenfalls andiskutierte Frage ist, welches Recht überhaupt anwendbar ist. Für den hier vorliegenden Fall ist vor allem die zivilrechtliche Zuständigkeit relevant.

Die OGL 1.0a enthält keine Festlegung, welches Recht Anwendung finden soll. Der reinen Lehre nach ist dann das sog. Kollisionsrecht einschlägig. Im deutschen Recht ist dieses im EGBGB beschrieben, wobei die sog. ROM-I-VO in der Regel prioritär gilt. Diese Regelungen sind jedoch nicht mit den US-Kollisionsrecht abgestimmt. De facto wird die Jurisdiktion daher auch davon abhängen, wer Klage einreicht und wo.

Hasbro oder Wizards of the Coast würden vermutlich Unterlassungs- oder Leistungsklage in den USA erheben; ein deutscher Lizenznehmer vermutlich Feststellungsklage in Deutschland. Schon allein die Frage, wer dies zuerst tut, kann relevant sein, da das jeweils andere Verfahren üblicherweise pausieren würde. Realiter wird auch eine Rolle spielen, welches Gericht angerufen wird und wie komod sich die Richter mit dem grenzüberschreitenden Sachverhalt fühlen, um diesen zuzulassen.

Im vorliegenden Fall ist es tendenziell wahrscheinlicher, dass der Lizenzgeber seine vermeintlichen Ansprüche aus der OGL 1.1 (oder .2) durchsetzen möchte. Es käme daher zur Unterlassungs- oder Leistungsklage, die bei entsprechender Vorbereitung in den USA verhandelt werden würde.

Ergo: Rechtliche Probleme dürften bei der Entscheidung, die OGL in der Version 1.0a zu belassen im Ergebnis eine untergeordnete Rolle gespielt haben.

Ad 3:

Unter andern in der Washington Post wird angeführt, die zahlreichen Kündigungen der Wizard of the Coast-Plattform D&D Beyond hätten zur Änderung der OGL von der Version 1.1. zu der Version 1.2 geführt. Dies wäre typischerweise der Fall gewesen, wenn die Umsatzeinbrüche aufgrund dieser Kündigungen so hoch gewesen wären, dass die Geschäftsführung Wizards of the Coasts eine Schädigung des Unternehmenswertes vermutete.

Ein Abonnement bei D&D Beyond kostet 2,99 USD für Spieler und 5,99 USD für Spielleiter im Monat. Angenommen, basierend auf den angeblich 10.000 unbeantworteten E-Mails, nachdem die übliche Kündigungsmöglichkeit per Klick herausgenommen wurde, es hätten 20.000 Abonnenten gekündigt. Dann ergäbe sich, unter den Annahme, dass jeder fünfte ein Spielleiter ist, ein monatliche Umsatzausfall in Höhe von 4.000 x 5,99 USD + 16.000 x 2,99 USD = 71.800 USD. Das sind 861.600 USD im Jahr. Der Hasbro-Konzern soll im Geschäftsjahr 2022 Umsatzerlöse in Höhe von 5,9 Mrd. USD ausweisen (letzte Konsensus-Schätzung). Der mögliche Wegfall der 20.000 Abonnenten macht also gerade mal 0,015% der Umsatzerlöse aus. Immerhin dürften diese Umsatzerlöse, aufgrund von Grenzkosten nahe Null, voll auf den Jahresüberschuss durchschlagen. Dieser soll für das Geschäftsjahr 2022 analog bei 623 Mio. USD liegen. Der mögliche Verlust macht also 1,4% des Jahresüberschuss aus.

Es ist also zunächst nicht naheliegend, dass diese Kündigungen an der Entscheidung des Hasbro-Konzerns etwas geändert haben. Zumal, da im Falle einer Umsetzung der OGL in der Version 1.1 diesen Erlösrückgängen mutmaßliche Lizenzerlöse gegenübergestanden hätten.

Auch der Börsenkurs Hasbros reagierte kaum im Zusammenhang mit diesen Geschehnissen:

Eigene Recherche

Zwar schließt der Aktienkurs in der 5. Januar 2023, an dem die OGL 1.1 in der Presse diskutiert wird, 1,9% höher. In gleicher Weise steigen aber auch die hier als Vergleich gewählte Indices. Als am 13. Januar 2023, eine Pressemitteilung über D&D Beyond veröffentlicht wird, bleibt der Aktienkurs praktisch konstant (+0,02%). Nur am Tage der Ankündigung der OGL 1.2 geht der Kurs um 4% zurück – wobei ebenfalls bei den Indices ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen war.

Mit Blick darauf, dass ökonometrisch der Kurs Hasbros (sonst) weniger schwankt als die Indices (für Feinschmecker: Der Betafaktor ist kleiner als 1), spricht in der zunächst einiges für eine Marktreaktion aufgrund der Entwicklungen um die OGL. Andererseits steigt der Hasbro-Kurs über den Betrachtungszeitraum (schaffierte Fläche) – und zwar stärker als die Indices. Wenn überhaupt, schätze der Kapitalmarkt die Entwicklung offenbar positiv ein.

Ich neige daher zu der Schlußfolgerung, dass die Kündigungen bei D&D Beyond zunächst bestenfalls einen nachrangigen Einfluss auf die wirtschaftliche Lage des Hasbros-Konzerns hatten.

Darüber hinaus scheint mir bei näherer Betrachtung die Anpassungen in der OGL 1.2 nicht verwunderlich, sondern erwartbar – ungeachtet der Reaktionen von Kunden oder Vertragspartnern. Dies führe ich auch zwei Überlegungen zurück.

  1. Lizenzrate unrealistisch hoch
    Zum einen halte ich die avisierte Lizenzrate von 25 % ab einem Umsatz des Lizenznehmers mit OGL-lizenzierten Produkten von 750.000 USD für absurd überzogen. Ich habe recht viel Erfahrung mit der Festlegung marktüblicher Lizenzraten (steuerlich spricht man von Drittvergleichstauglichkeit).

    Eine (ganz) grobe Faustregel besagt, dass 25 % bis 33 % der EBIT-Marge eines Unternehmens auf das Vorhandensein eines geistigen Eigentumsrechts zurückzuführen ist (dies ist die sog. Knoppe-Formel). Unterstellt man (mangels anderer Daten), dass die EBIT-Marge Hasbros auch für das D&D-Geschäft maßgeblich ist, könnte einen Lizenzrate in Höhe von 3,88% bis 5,12% ermittelt werden (die erwartete EBIT-Marge Hasbros für das Geschäftsjahr 2022 beträgt 15,52%).

    Die kolportierte Lizenzrate von 25% ist weit oberhalb der EBIT-Marge Hasbros. Man muss sich auch bewusst sein, dass die Margen im Pen & Paper-Rollenspiel-Bereich nach allem was ich höre, sehr dünn sind. Auch vor diesem Hintergrund dürfte eine Lizenzrate in Höhe von 25% schichtweg utopisch sein.

    Aus meiner Erfahrung heraus schätze ich (ohne dedizierte Analyse), dass eine Lizenzrate von 5% für das D&D-System als Ganzes, also nicht nur das Regelwerk, angemessen sein könnte.

    Als Vergleich mögen die Lizenzrate für Star Wars herangezogen werden. Angeblich liegt diese bie 16,7% für Videospiele oder 15 bis 20% für Hasbro als Lizenznehmer für Spiele. Die Star Wars-Lizenz sollte aber weitaus wertvoller sein, als die des Dungeons & Dragons-Regelwerks (nicht etwa der Spielwelt!). Auch dies zeigt, dass eine Lizenzrate von 25% höchstwahrscheinlich völlig unrealistisch ist. Ausweislich der zweiten genannte Quelle, war die Lizenzrate für die Star Wars-Welt vor 1990 übrigens bei 5%.

    Die Lizenzrate von 25% dürfte daher nicht ernsthaft in Erwägung gezogen worden sein. Da der Entwurf der OGL 1.1 auch ohne Wollen des Hasbro-Konzerns veröffentlicht wurde, ist es gut denkbar, dass dieser wenig ausgegoren war.
  2. Lizenzgebühren aus praktischen Gründen nicht erhebbar

    Zum anderen wird sich das in dem Entwurf der OGL 1.1. angesprochene und bereits am 22. Dezember 2022 angekündigte Lizenzsystem aus praktischen Gründen nicht implementieren lassen. Verträge können nur zwischen natürlichen oder juristischen Personen (also z.B. einzelnen Unternehmen), nicht aber mit einem Konzern geschlossen werden. Das bedeutet, dass zunächst jede einzelne rechtlich selbstständige Teil eines Konzerns separat 750.000 USD überschreiten müsste, bis eine Lizenzzahlung fällig werden würde Mir ist unklar, wie der kombinierte Umsatz bei beispielsweise mehreren Vertriebsunternehmen erfasst werden soll.

    Selbst im Falle einer kombinierten finanziellen Berichterstattung, dem sog. Konzernabschluss, sind Umsätze nach Lizenzen oft in der Regel nicht mal buchhalterisch, aber sicher nicht öffentlich, verfügbar.

    Dieses Problemfeld ist auch steuerlich oft relevant, weil die Verschiebung von Umsatzerlösen auf bestimmte Gesellschaften oder Regionen innerhalb eines Konzerns zur Verminderung der Steuerlast genutzt werden kann. Allein – die Finanzämter haben mannigfaltige, gesetzlich festgeschriebene Informationsrechte und können Gestaltungen prüfen. Der Hasbro-Konzern hat diese Möglichkeiten in der Regel wohl nicht.

    Fragen der Währungsumrechnung kommen noch dazu.

    Andere Lizenzabkommen werden üblicherweise bilateral geschlossen, so dass derartige Feinheiten vertraglich zwischen spezifischen Vertragspartnern geklärt werden können. Eine pauschale Lizenz, die allein durch konkludentes Handeln verwendet wird, kann dies vertraglich kaum leisten.

    Als Gegenargument könnte angeführt werden, dass zahlreiche der Lizenznehmer über keine Konzernstruktur verfügen und daher nur mit einer Gesellschaft tätig sind. Dies ist für Wizards of the Coast aber nicht ersichtlich. Zudem werden gerade kleinere Lizenznehmer tendenziell ohnehin unter die 750.000 USD-Schwelle fallen.

    Ich kann mir daher gut vorstellen, dass man seitens des Hasbro-Konzerns beziehungsweise seitens Wizard of the Coast zwischenzeitlich zu dem Ergebnis kam, das Lizenzmodell aus der Entwurfs-Version 1.1 der OGL aufgrund der problematischen Operationalisierbarkeit zu verwerfen. Für diese These spricht auch, dass in der Stellungnahme vom 21. Dezember 2022 angekündigt wurde, dass überhaupt nur rund 20 Lizenznehmer zahlungspflichtig werden würden. Mit so einer überschaubaren Anzahl kann man bilateral Lizenzverträge schließen und umgeht die oben stehenden Probleme. Da zumindest einer, der wohl wichtigste, Lizenznehmer, Roll a Die ohnehin kein gedrucktes, „statisches“ Medium anbietet, wäre dieser nach Aufhebung der OGL 1.0a ohnehin ohne Lizenz und müsste verhandeln.

Die OLG 1.1 und .2 könnten daher eine geringere Rolle gespielt haben; die Reaktionen hierauf wären dem Kapitalmarkt dann gleichgültig gewesen.

Gleichwohl ist festzustellen, dass am 27. Januar 2023 der Beibehalt der OGL 1.0a verkündet wurde. Der Kurs am darauffolgenden Tag fiel überaus stark, ohne dass diese Bewegung auch bei den Indices beobachtet werden kann. Letztlich gab es also doch einen Grund, die OGL in der aktuellen Form beizubehalten, was vom Kapitalmarkt so nicht gesehen wurde, beziehungsweise in der Relevanz unterschätzt wurde. Dies dürfte an Folgendem liegen:

Ad 4:

Paizo, aber auch Ulisses, kündigten an, nunmehr ihre Regelwerke (ebenfalls) kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Hierzu möchte Paizo ein der OGL ähnliches Abkommen erstellen, die Open RPG Creative Licence („ORC“). Auch diese Lizenz (als rechtliches Dokument) soll frei verfügbar sein, so dass Ulisses auf dieser Basis eine deutsche Version für den deutschen Rechtsraum entwickeln möchte. Insbesondere soll diese so angelegt sein, dass sie nicht zurückgezogen oder geändert werden kann.

Für die Rollenspiel-Branche ist dies aus Kundensicht eine positive Entwicklung. Aus meiner Sicht vor allem deshalb, weil die Regelwerke unterschiedliche Spielstile bedienen. Während das DSA-Regelwerk eher simulationistisch geprägt ist (wenn auch, in der Version 5, mit stärkeren gameistischen Elementen), hat das Hexxen-Regelwerk einen eher narrativistischen Einschlag. Das Pathfinder-Regelwerk ist im Vergleich zum DSA-Regelwerk weitaus weniger komplex und, meines Wissens, ähnlich zum D&D-Regelwerk.

Für die Hersteller verbirgt sich hinter dieser Strategie, so denke ich, die Hoffnung, ihre jeweiligen Regelwerke als de facto-Standard(s) etablieren zu können – ganz ähnlich, wie das bei Wizards of the Coast mit dem D&D-Regelwerk gelang. Wie oben geschildert, könnten Netzwerkeffekte anschließend einen Wechsel zu anderen Systemen erschweren und den Absatz der jeweils eigenen Regelwerke stärken.

Im Grunde ist das ein tragfähiger Gedanke. Man sollte aber im Blick haben, dass der Pen & Paper-Rollenspielmarkt überschaubar groß ist – und in weiten Teilen von dem D&D-Regelwerk besetzt ist, dass bereits den Vorteil des Netzwerkeffekts auf seiner Seite hat (sog. „First Mover Advantage“). Inwiefern sich hier weitere Sub-Märkte herausbilden können, die über Netzwerkeffekte zusammengehalten werden, vermag ich nicht zu erkennen. Hierbei hat das Pathfinder-Regelwerk eine besondere Rolle: Als D&D-Abspaltung hat es den Vorteil, dass es dem D&D-Regelwerk vergleichbar sein dürfte. Der Wechsel sollte den Spielern daher leichter fallen.

Zudem könnte die Ulisses-Regelwerke auftrumpfen, deren Regelwerke anders gestaltet sind. Bedauerlicherweise sind diese aber auch international weniger bekannt, so dass die Etablierung eines internationalen Sub-Marktes, der groß genug ist, um über Netzwerkeffekte weiter zu wachsen oder selbsttragend zu sein, unwahrscheinlicher oder teurer wird.

Im Extremfall folgen weitere Regelwerke dem Beispiel von Paizos und Ulisses – dann wäre die Marktstruktur insoweit relativ unverändert – und der Vorteil, dass bestimmte Regelwerke offen sind, bestünde im Vergleich nicht mehr. Nur im relativen Vergleich zum D&D-Regelwerk wäre ein Vorteil erlangt worden (bzw. der vormalige Vorteil des D&D-Regelwerks aufgehoben). Das D&D-Regelwerk  ist jedoch bereits, wie geschildert, der de facto-Standard. Dies düfte sich gerade in diesen Monaten nochmals verfestigen, weil just in Bälde, am 30. März 2023, der Film Dungeons & Dragons: Honor Among Thieves erscheinen wird. Ich sprach jüngst mit einigen maßgeblichen Vertretern der Kinobranche der DACH-Region. Demnach wird dieser Film als einer der erfolgreichsten im Jahr 2023 eingeschätzt (bzw. dies erhofft). Zuschauer, die den Film sehen werden und sich künftig für Pen & Paper-Rollenspiel interessieren, dürften naheliegenderweise zu Dungeons & Dragons greifen. Daher könnte es als fraglich gelten, ob sich die Marktstruktur substantiell verändern wird.

Dennoch wurde die OGL-Änderung am 27. Januar 2023 zurückgezogen. Für mich gibt es damit eigentlich nur eine Erklärung: Die Spieler haben D&D (zunächst wohl D&D Beyond) in einem Maße den Rücken gekehrt oder dies wurde befürchtet, dass zwar Wizards of the Coast vermuten musste, ihre Vormachtstellung zu verlieren. In der Tat ergab die Umfrage zur OGL 1.2 offenbar, dass rund 90% der Kunden eine OGL-Änderung nicht begrüßen und sogar ihr Geschäftsmodell umstellen wollen. 90% ist eine ganze Menge.

Unabhängig von den überschaubaren wegfallenden Einnahmen durch D&D Beyond kann dies für das System dramatisch sein und insbesondere auch Lizenzprodukte der Spielwelt, wie den Film, künftig verhindern oder in Mitleidenschaft ziehen. Dann gäbe es im Extremfall einen noch viel stärkeren negativen Einfluss auf die Umsatzerlöse. Unter kommerziellen Gesichtspunkten mag man da zum Ergebnis kommen, besser auf mögliche Erlöse aus einer neuen OGL-Version zu verzichten als auf aktuelle Erlöse aus der Spielerschaft.

Denn: Falls die abgewanderten Spieler schnell ein neues System finden, mit dem sie ebenfalls gut zurechtkommen (dies wäre gerade bei Pathfinder gut denkbar), sind sie verloren und kommen absehbar auch nicht zurück. Die Netzwerkeffekte laufen dann gegen D&D. Ich könnte mir daher vorstellen, dass diese Sorge für Hasbro und Wizards of the Coast zu groß war und letzlich eingelenkt wurde.

Merke: Der Kunde entscheidet. Gerade in einem so kleinen Markt, wie dem Rollenspielmarkt haben auch (in absoluten Zahlen) kleine und damit recht leicht zu mobilisierende Gruppen schon maßgeblichen Einfluss.