Rollenspiel
Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen bei Ulisses
Basierend auf meinen Überlegungen, inwiefern die historischen Probleme TSRs auf Ulisses übertragbar waren (offenbar allenfalls teilweise), fand ich heraus, dass das Geschäftsjahr 2022 Ulisses‘ (das ist das letzte, für das zum heutigen Tage Bilanz und Anhang publiziert wurden), Besonderheiten aufweist:
Dem Leser dieser Unterlagen fällt zum einen die veränderte Struktur des Anhangs, aber auch des Bilanzausweises auf. Zudem wurde die Unterlagen erst sehr spät, nämlich am 27. September 2023 veröffentlicht, also mehr als 15 Monate nach Geschäftsjahresende (30. Juni 2022). Die Finanzinformationen der Vorjahre ließen auch schon länger auf sich warten (März bis August des Folgejahres) – aber nicht so lange.
Zudem wird im Geschäftsjahr 2022 erstmals das Halten eigener Anteile ausgewiesen (100 Tsd. Euro). Offenbar kaufte Ulisses also Anteile von ihren Gesellschaftern. Ergänzend ist dies das einzige Geschäftsjahr im Betrachtungszeitraum der Geschäftsjahre 2018 bis 2022, in dem eine Gewinnausschüttung (nämlich in Höhe von rund 13 Tsd. Euro) erfolgt.
Dies im Blick habe ich mir Handelsregisterauszüge, Gesellschaftsvertrag und Gesellschafterlisten Ulisses‘ beschafft.
Das Geschäftsjahr 2022 war insofern unspektakulär. Der Erwerb der eigenen Anteile wurde notariell am 15. Dezember 2022 durch Abtretung beurkundet, wie sich aus der Gesellschafterliste ergibt.
Allerdings zeigte sich, dass zum 30. September 2023 (also vor wenigen Wochen) eine Anpassung des Gesellschaftervertrages Ulisses‘ in das Handelsregister eingetragen wurde (notariell verhandelt am 9. Juni 2023). Hierbei wurde der Zweck des Unternehmens angepasst auf „das Erstellen von sowie den Handel mit Spielwaren und Spielmedien“. In der Alt-Fassung war vom „Großhandel mit An- und Verkauf von Spielwaren und Spielmedien“ die Rede. Da Ulisses jedoch realiter schon länger den „neuen“ Geschäftszweck verfolgt, gehe ich davon aus, dass diese Änderungen eine Formsache war.
Warum diese Formsache? Sieht man die Gesellschafterlisten Ulisses‘ durch, so wird ersichtlich, dass 90% der Anteile seit dem 3. Februar 2023 der Infiniverse AG gehören. Diese Gesellschaft wurde ebenfalls am 3. Februar 2023 errichtet. Bei der Gründung wurden 90% der Geschäftsanteile Ulisses‘ als sog. Sachagio eingebracht. Diese Infiniverse, die nun die Muttergesellschaft Ulisses‘ ist, hatte zur Gründung nur Markus Plötz als Gesellschafter. Ob die Gesellschafterstruktur mittlerweile verändert wurde, kann nicht gesagt werden, da das Aktienregister nicht öffentlich einsehbar ist.
Davon unbenommen stellt sich die Frage, welchen Hintergrund diese Umstrukturierung hat. Naheliegend (aber natürlich nicht zwingend) ist, dass Investoren gesucht werden. Die Anteile an einer AG sind ohne Weiteres übertragbar; insbesondere ist hierfür, im Gegensatz zur GmbH, kein Notar erforderlich. Die Infiniverse verfügt zudem ein sogenanntes genehmigtes Kapital. Dies ermöglicht es sehr einfach, weitere Aktien an neue Aktionäre auszugeben. Eine rein steuerlich motivierte Struktur ist nicht naheliegend, weil hierzu die Errichtung und Erhaltung einer GmbH höchstwahrscheinlich günstiger gewesen wäre.
Zudem sieht der Geschäftszweck der Infiniverse explizit vor, dass weitere Gesellschaften erworben werden können. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass neben Ulisses weitere Beteiligungen erworben werden – möglicherweise mit den Mitteln, die ein neuer Investor zur Verfügung stellt. Auch ein Zusammenschluss mit einem anderen Unternehmen ist denkbar. Der Geschäftszweck der Infiniverse sieht auch Due Diligence-Tätigkeiten (also Untersuchungen im Vorfeld eines Unternehmenserwerbs) bei dem Kauf weiterer Gesellschaften vor. Da der Geschäftszweck der Infiniverse aber nicht auf das Halten von Unternehmen wie Ulisses beschränkt ist, sind grundsätzlich auch völlig andere Erwerbe denkbar.
Jedoch wurde mit Urkunde vom 30. September 2023 Markus Plötz vom Wettbewerbsverbot gegenüber Ulisses befreit. Er darf damit Tätigkeiten aufnehmen, die in Konkurrenz zu Ulisses‚ stehen. Dies drüfte ein Hinweis darauf sein, dass völlig Neuartiges nicht geplant ist.
Man darf also gespannt sein, was bei Ulisses respektive der Infiniverse in der nächsten Zeit ins Haus steht.

„Slaying the Dragon“ – Lehren von TSR?
Gedanken nach einer Lektüre
Im Urlaub jüngst las ich „Slaying the Dragon“, ein Buch von Ben Riggs, dass im Grunde den Untergang TSRs vor der Übernahme von Wizards of the Coast beschreibt. Der Drache ist Dungeons and Dragons – und dem ist zwar schwer beizukommen, aber er wurde dann doch niedergestreckt, indem das Unternehmen TSR, das Dungeons & Dragons vertrieb (und bis heute vertreibt), nahe an die Insolvenz gebracht wurde.
Freilich behauptet der Autor nie, dass diese „Drachenhatz“ gewollt war (dass also das TSR-Management das Unternehmen beziehungsweise das Spielsystem zerstören wollte) – aber es wird doch deutlich, dass Riggs der Auffassung ist, dass vor allem Missmanagement zum Untergang TSRs als eigenständiges Unternehmen führte. Im Kern werden nach meiner Lesart drei Ursachen für den Niedergang identifiziert:
- Die Not, fortlaufend neue Produkte zu publizieren
- Fehlender Wille beziehungsweise die fehlende Bereitschaft, herausragende Autoren und Zeichner zu behalten
- Fehlende Qualifikation des Managements
Beim Lesen fragte ich mich, inwiefern diese Probleme auf andere Rollenspiel-Unternehmen übertragbar sein könnten. Naheliegenderweise ziehe ich hierzu den deutschen Primus Ulisses heran, der lustigerweise auch einen Drachen im Logo führt. Hierbei kamen einige für mich interessante Einsichten zu Tage, die ich nach einer Zwischenbetrachtung zu den obenstehenden Fragestellungen darlege.
Der ebenfalls im Buch diskutierte Vertrag mit dem Vertriebspartner Random House, welcher der Überschuldung TSRs Vorschub leistete, bleibt bei meiner Betrachtung außen vor, da ich freilich keine Einblicke in die Verträge Ulisses habe.
Ad 1. Die Not, fortlaufend neue Produkte zu publizieren
Dies ist im Grunde das von mir schon an anderer Stelle geschilderte, der Rollenspielbranche immanente, Problem: Der Markt ist recht schnell gesättigt, die Produkte (die Bücher aber auch der Nutzen hieraus) sind jedoch langlebig. Infolgedessen ist ein Rollenspielverlag stets mit der Frage befasst, woher die Umsätze von Morgen kommen. Damit laufen die Interessen von Kunden und Hersteller diametral auseinander: Während der Kunde mit seinem Produkt grundsätzlich noch lange leben kann, benötigt der Hersteller etwas Neues. Dieses Problem kann einige Zeit mit Zusatzprodukten wie weiteren Quellenbüchern, man denke nur an DSA am Ende der vierten Edition, kaschiert werden – aber irgendwann ist dieses Mittel ausgeschöpft. Für den Hersteller bietet es sich dann an, eine neue Edition zu publizieren, um damit bei Null zu starten. Allein, ob die Kunden hierbei mitgehen, ist zumindest nicht sicher. Ebenfalls ist auch der Mehrwert einer neuen Edition nicht immer gegeben.
Ausweislich des vorstehenden Buches war TSR sehr früh mit diesem Problem konfrontiert. Die Lösung war die „Fish bait-Strategie“. Diese bestand im Grunde darin, neue Welten für D&D zu erschaffen. Die immer neuen Quellenbücher, welche diese neuen Welten beschrieben, wurden gekauft, wodurch Umsatzerlöse für TSR generiert werden. Soweit jedenfalls die Theorie. In der Praxis war es offenbar so, dass die Einführung weiterer Spielwelten zu einer Aufsplitterung des Marktes führten und hierdurch die Stückzahlen der verkauften Bücher pro Spielwelt zurückgingen. Ergänzend schreibt Riggs, dass hierdurch die Stück-Produktionskosten schließlich über den Stückpreisen der Bücher lagen und hierdurch in vielen Fällen Verluste gemacht wurden. Sprich: Die Bücher wurden in so geringer Zahl gekauft, dass die Herstellungskosten die Umsatzerlöse überstiegen.
Mit der Übernahme TSRs durch Wizards of the Coast wurden zahlreiche Spielwelten eingestellt. Augenscheinlich wurde sich stattdessen darauf verlegt, Bücher zu produzieren, die grundsätzlich für den gesamten Kundenstamm, und nicht nur für die Spieler einzelner Welten, von Interesse waren. Dies sind üblicherweise Regelbücher. So zeigt sich, dass bis zur Übernahme durch Wizards of the Coast 1997 nur drei Editionen des Regelwerks produziert wurden: Nämlich das Original im Jahre 1974, die AD&D-Version 1977 und eine zweite AD&D-Version im Jahre 1989. Es wird also eine neue Edition rund alle fünf Jahre veröffentlicht.
Demgegenüber wurden nach der Übernahme vier Editionen veröffentlicht – durchschnittlich alle vier Jahre eine. Die gegenwärtig fünfte Edition, die es seit 2014 gibt, ist mit Blick darauf „überfällig“ ersetzt zu werden – und in der Tat soll im Jahr 2024 eine Aktualisierung der fünften Edition erfolgen. Es wurde zudem mit D&D Beyond eine Möglichkeit geschaffen, dauerhaft Umsatzerlöse in Form von Abonnementgebühren zu erwirtschaften. Damit wird das „Editionsproblem“ zumindest abgemildert.
Bei Ulisses ,beziehungsweise DSA, besteht das brancheninhärente Problem freilich analog. Parallelwelten wurden bei DSA aber nur in geringem Umfang geschaffen – und alle nicht weiter fortgeführt. Myranor, Utharia oder auf DSA Chutulhu werden gegenwärtig nicht weiter bedient – dies soll sich aber zeitnah ändern, wenn auch nicht durch Produkte Ulisses‘. DSA 5 war meiner Einschätzung nach (zumindest auch) aus der Not geboren, dass für DSA 4.1 so ziemlich alles erschienen war, was man sich vorstellen konnte (wenn man die aktuellen Publikationen ansieht, wird aber klar, dass noch viel mehr möglich gewesen wäre).
Ad 2. Fehlender Wille beziehungsweise die fehlende Bereitschaft, herausragende Autoren und Zeichner zu behalten
Das Buch schildert eindrücklich mehrere Fälle, in denen sehr begabte Mitarbeiter TSR verließen. Im Kern ging es hierbei stets um fehlende Anerkennung: Das Gehalt war zu niedrig, Maler durften ihre Bilder nicht behalten, Lizenzgebühren wurden Kreativen vorenthalten und dergleichen mehr.
Auch bei Ulisses gab es schon mehrfach unglückliche Personalrochaden. In vielen Fällen wurden hierbei auch besonders begabte Talente verloren: Man denke nur an Thomas Römer oder Uli Lindner, die schließlich beim Uhrwerk-Verlag eine neue berufliche Heimat fanden. Hierbei ging es meines Wissens weniger ums Geld, als mehr um die Arbeitsbedingungen. Bei Michael Masberg oder Bernd Ochs schienen persönliche Gründe eine Rolle zu spielen. Demnach spielte anscheinend ein fehlender Wille oder die mangelnde Fähigkeit, Personal zu halten, auch bei Ulisses schon eine Rolle. Dennoch bewerte ich die Sachverhalte in gewisser Weise verschieden: Riggs schildert in seinem Buch, dass viele der Angestellten die TSR verlassen hatten, später eine besser bezahlte Anstellung fanden. Das scheint mir bei den früheren Mitarbeitern Ulisses zumindest nicht immer der Fall zu sein. Hierbei spielt aber sicherlich auch die geringere Größe des Arbeitsmarktes, und damit die Nachfrage nach solchen Talenten, eine Rolle.
Neben dem Ersatz der Mitarbeiter als solche waren aber sowohl TSR als auch Ulisses in der Vergangenheit mit dem Problem konfrontiert, dass Autoren verloren wurden, die für die Fortsetzung einer Reihe erforderlich waren. So wurden deshalb weder die Galotta– nach die Answin-Romane fortgestetzt. Und dass die Fortsetzung von Salon der Schatten nicht erscheinen wird, schmerzt mich bis heute.
Ich komme daher zu dem Schluss, dass Ulisses zumindest teilweise Probleme in der Personalpolitik hat (oder zumindest hatte), die mit denen TSRs vergleichbar sind.
Ad 3. Fehlende Qualifikation des Managements
Bis zur Übernahme im Jahre 1997 gab es bei TSR zwei CEO: Garry Gygax und Lorraine William (ab 1985). Garry Gygax wird im Buch vorgeworfen, über keinerlei betriebswirtschaftliche Ausbildung zu verfügen. Dieselbe Kritik wird auch bezüglich dem übrigen Management TSRs aus dieser Zeit geübt.
Lorraine William wird demgegenüber ein mangelndes Produktverständnis attestiert. Riggs zeichnet das Bild, dass sie offenbar teilweise gar nicht wusste, wie das Produkt „Rollenspiel“ oder D&D funktionierte.
Beide Vorwürfe kann man dem Ulisses von heute nicht machen. Markus Plötz ist Diplom-Kaufmann und selbst Rollenspieler, der sich zudem regelmäßig zu aktuellen oder historischen Rollenspielthemen äußert.
Exkurs: Versteht Ulisses das USP DSAs? Ich persönlich frage mich zuweilen, ob das Ulissses-Management den USP der Spielwelt DSA verstanden hat. Dies ist aus meiner Sicht die engmaschig beschriebene Spielwelt und deren ebenfalls vielfach verzahnte Hintergrundgeschichte. Genau darauf nehmen aktuelle Publikationen meines Erachtens aber weniger Bezug, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war, wo sich zahlreiche Rückverweise auf frühere Werke fanden, samt einem Abkürzungsverzeichnis für diese. Im Gegenteil: Die meisten Abenteuer heute sollen „für sich“ spielbar sein – ein Anspruch, der, sobald Vorprodukte eine maßgebliche Rolle spielen, nicht oder nur schwer erfüllbar ist. Dann aber wird das von mir idendifizierte USP jedoch nicht genutzt. Das Spielsystem wird dadurch austauschbarer. Demgegenüber ist jedoch zu sehen, dass hierdurch die Einstiegsbarrieren für neue Spieler gesenkt werden. Wenn das Ulissses-Management zu dem Ergebnis gelangt, dass dies wichtiger ist als der Erhalt des USP vor allem für Altspieler, kann es sinnvoll sein, diesen Weg einzuschlagen. Zumal viele Altspieler angeblich unbesehen (fast) alles kaufen. Es ist daher für Ulissses nicht vordringlich relevant, es diesen recht zu machen. Mit Blick auf die für mich erkennbare Qualifikation des Managements gehe ich daher prima facie davon aus, dass die getroffene Strategie sinnvoll ist. |
Zwischenbetrachtung
Ulisses hat, zumindest mit Blick auf die von mir auf Basis des Buches von Riggs identifizierten Themen, vermutlich primär das dem Markt immanente Problem, neue Produkte bei Marktsättigung zu produzieren, beziehungsweise die Marktsättigung herauszuschieben.
Das Management kommt, zumindest aus der Außensicht, nicht mit den Kompetenzmängeln einher, die das TSR-Management hatte.
Nicht ganz eindeutig ist, ob Ulisses maßgebliche Mängel im Umgang mit seinen Mitarbeitern hat. Die mitunter unschönen Trennungen sprechen klar dafür. Und die nicht erschienenen Produkte auch – schließlich hätten diese zumindest potentiell einen postiven Deckungsbeitrag erwirtschaften können. Allerdings gelang es Ulisses auch immer wieder Nachbesetzungen vorzunehmen. Nur wenn man annimmt, dass die aktuellen Autoren und Zeichner nicht an das Niveau der Früheren herankommen, ist dies aus Verlagssicht problematisch. Bei einem solchen Urteil darf aber nicht übersehen werden, dass auch die Strategie des Verlages und damit der Anweisungen an die Mitarbeiter für eine subjektiv vermindert empfundene Qualität ursächlich sein könnte. Inwiefern Ulisses eine wirtschaftlich schädliche Personalpolitik betrieb oder betreibt, vermag ich daher nicht zu sagen.
Evident ist demgegenüber für mich, dass Ulisses mit der Marktsättigung zu kämpfen hat – und zwar in größerem Maße, als dies bei TSR der Fall war oder ist. Da die Produkte Ulisses‘ originär oder ausschließlich in deutscher Sprache erscheinen, ist der adressierbare Markt erheblich kleiner – für die Entwicklungskosten dürfte das in deutlich geringerem Umfang gelten. Und in der Tat deuten zahlreiche strategische Entscheidungen an, dass Ulisses bestrebt ist, die eigenen Erträge hochzuhalten oder zu steigern:
- Es werden Produkte eingeführt, deren Nutzen beim Spiel überschaubar, dafür die Marge aber große sein dürfte, wie zum Beispiel die Acrylmarker, die in steter Regelmäßigkeit erscheinen.
- Inhalte werden über mehrere Produkte verteilt; man denke nur and das DSA 5-Magieregelwerk in der ersten Variante (das heißt vor dem Kodex-Bänden), bei dem die Bände zudem auch nicht redundanzfrei sind. Inhalte können damit mehrfach verumsatzt werden.
- Über VTT wird versucht, ein Abonnenten-System zu etablieren (Ulisses erhält vermutlich Lizenzzahlungen von Foundry Gaming.
- Die schon diskutierte Trennung von Spielwelt und Regeln geht in eine ähnliche Richtung.
Ich habe mir daher die Frage gestellt, wie kommerziell erfolgreich Ulisses wohl in den letzten Jahren war.
Einblicke in die wirtschaftliche Lage Ulisses‘
Um diese Frage zu beantworten, habe ich mir aus dem Bundesanzeiger die Geschäftszahlen der letzten Jahre beschafft. Da die Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH nur eine kleine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB ist, sind die publizierten Informationen jedoch spärlich (insb. wird nur die Bilanz (und der Anhang), nicht aber die Gewinn- und Verlustrechnung publiziert) und deren Interpretation schwierig. Infolgedessen sind die folgenden Rückschlüsse mit hoher Unsicherheit behaftet.

Für einen ersten Blick zur Einschätzung der Ertragslage lohnt die Betrachtung von Jahresüberschuss und Cashflow. Der Jahresüberschuss („Gewinn“) ist seit dem Geschäftsjahr 2017 bis zum Geschäftsjahr 2020 kontinuierlich und auch erheblich gestiegen – war aber im Geschäftsjahr 2022 jedoch mit minus 98 Tsd. Euro wieder negativ.
Der Cashflow (hier gemessen an der Veränderung des Kassenbestandes) war nur in den Geschäftsjahren 2019 und 2022 negativ. Allerdings wurden im Geschäftsjahr 2022 die Verbindlichkeiten („Schulden“) erheblich zurückgeführt – um rund 725 Tsd. Euro – für ein kleines Unternehmen wie Ulisses keine Kleinigkeit! Dass führt natürlich auch zu einer Verminderung des Kassenbestandes. Ohne diese Begleichung von Schulden ergibt sich ein (ganz überschlägig) gerechneter operativer Cashflow im Geschäftsjahr 2022 von rund 137 Tsd. Euro. Hierbei habe ich zudem beachtet, dass im Geschäftsjahr 2022 augenscheinlich erstmals eine Gewinnausschüttung im Betrachtungszeitraum in Höhe von 13 Tsd. Euro erfolgte.
Aus dem positiven operativen Cashflow kann der Schluss gezogen werden, dass das Unternehmen zumindest nicht ungesund ist. Der negative Jahresüberschuss im Geschäftsjahr 2022 kann auf nicht-zahlungswirksame Geschäftsvorfälle zurückzuführen sein. Unter anderem nimmt das Sachanlagevermögen um rund 86 Tsd. Euro an. Es ist denkbar, dass im Geschäftsjahr 2022 praktisch nichts erneuert wurde um Geld für die Rückzahlung des Darlehens verfügbar zu haben. Dennoch wird z.B. die Betriebs- und Geschäftsausstattung älter, was durch Abschreibungen angezeigt wird. Allein diese Abschreibungen erklären weite Teile des negativen Jahresüberschusses. Richtig ist aber auch: In den Vorjahren war der Jahresüberschuss deutlich höher. Gleiches gilt für den (sehr überschlägig ermittelten) operativen Cashflow. Eine Verschlechterung der operativen Performance ist daher naheliegend.
Resümee
Über Ulisses muss man sich gegenwärtig wohl keine Sorgen machen – obgleich das Geschäftsjahr 2022 nicht glänzend war. Dieser Drache wird darauf basierend nicht „versehentlich“ erschlagen. Bilanz und Anhang des Geschäftsjahres 2023 ist jedoch noch nicht publiziert. Interessant dürfte sein, ob dieses Geschäfsjahr besser abgeschlossen werden konnte. Allerdings war die Analyse der Bilanzen Ulisses‘ bis zum Geschäfsjahr 2022 Auslöser weiterer Recherchen: Im Geschäftsjahr 2022 wurden nämlich Geschäftsanteile zurückgekauft. Und das ist nur die erste gesellschaftsrechtliche Maßnahme.

Hobby und Urlaub
Hier war es lang ruhig. Der Grund dafür ist ganz simpel: Ich war im Urlaub. Und während ich über Weihnachten und Silvester noch Zeit und Lust fand, hier regelmäßig etwas zu schreiben, war dies diesmal eben nicht der Fall. Und bei insgesamt vier Wochen Abwesenheit, passiert dann eben nicht viel. Sogar das Bild des Monats August ist eben auch das Bild des Monats September geworden.
Man könnte sich dennoch die Frage stellen, ob bei hinreichender Passion (die mir offenbar fehlt!) nicht auch stets im Urlaub etwas für das Hobby geschehen sollte. Und – wie es der Zufall will – dazu gibt es ein Video vom „Weekend Wizard“. Dieser überlegt sich, was man im Urlaub nicht alles für das Tabletop-Hobby tun könnte. Und das ist so einiges! So wird eruiert, ob man nicht Farben mitnehmen könnte, um Figuren im Hotelzimmer zu bemalen. Oder ob man nur zusammenkleben soll? Mir schien es jedenfalls einigermaßen lebensfern, in der Hotelanlage auf Kreta, wo ich im August war, Figuren zusammenzubauen, zu grundieren und/ oder zu bemalen. Der Transport der fertigen Werke im Flugzeug kommt noch dazu! Zwar habe ich ich eine Army-Box, die man grundsätzlich als Handgepäck nehmen könnte. Aber ob die aufrecht steht? Und was ist mit den Gegenständen, die ich gerne in der Kabine hätte?
Kurzum: Mir schien da alles irgendwo im Spektrum zwischen Unpraktikabel und irgendwie Weltfremd.
Zunächst jedenfalls. Denn mit etwas Abstand wurde mir klar, dass ich doch auch schon einschlägige Urlaubsgestaltungsideen umsetzte: Schon zweimal schaltete ich mich aus dem Urlaub für eine Pen & Paper-Runde dazu. Und, um das vorstehende Lügen zu strafen: Als Kind war ich einst im Urlaub in Frankreich – und malte den ganzen Urlaub Miniaturen für das DSA-Brettspiel „Burg des Schreckens“ an. Mit meine ersten Bemalversuche überhaupt (vielleicht malte ich vorher schon Mechs an – da bin ich mir nicht mehr sicher). Schlimmer noch: Meine Schwestern und mein Vater malten mit.
Das, so finde ich, relativiert meine Einschätzung des Spektrums „ zwischen Unpraktikabel und irgendwie Weltfremd“ doch ein wenig.
Daneben hat Erlebnisurlaub einen indirekt förderlichen Effekt auf das Pen & Paper-Rollenspiel-Hobby: Man weiß plötzlich viel besser, wie bestimmte Dinge tatsächlich sind. Sei es fremdländisch Architektur, Gerüche oder Bräuche – all das erfährt man und das konkrete Wissen darob kann unmittelbar ins Rollenspiel einfließen und das Spielerlebnis plastischer werden lassen.
Das war zwar nie die Idee für einen meiner Urlaube. Gleichwohl habe ich zumindest bei meinem letzten Urlaub ganz von selbst auch jede Menge Zeit für das Hobby aufgebracht.
Mit einem neuen Pen & Paper-Rollenspielsystem anfangen
Immer wieder werde ich mit der Situation konfrontiert, dass ein neues Rollenspiel ausprobiert oder sogar gleich langfristig gestartet werden soll. Mir wird hierbei zunehmend klar, dass mir dies immer mehr schwerfällt.
Hierbei bin ich nicht (so) dogmatisch wie andere („Wenn wir Fantasy spielen, können wir auch gleich DSA spielen, das ist am besten.“ – womit zahlreiche Systeme per se keine Chance haben), aber einfach aufgrund meiner Präferenzen schwierig.
Zur Welt
Einerseits erwarte ich von der Welt, dass sie so innovativ ist, dass es sich „lohnt“ diese auszuprobieren. Auch kann ich nur anhand einer solchen Welt einen für mich schönen Charakter erstellen oder aber, als Spielleiter, mir eine Geschichte ausdenken. Dazu bedarf es in beiden Fällen einer recht guten Beschreibung der Spielwelt – den sonst finde ich nur schwer Anknüpfungspunkte. Andererseits, meine gerade angebrachte Forderung konterkarierend, möchte ich mich möglichst wenig einlesen. Diese beiden Anforderungen schließen praktisch einander aus – und (leider) fallen damit viele System hinten runter. Dennoch gibt es zwei mögliche Auswege:
- Ich kann die Welt anderweitig erfahren. Hier sind Romane an erster Stelle zu nennen. Sowohl das Witcher- als auch das Splittermond-Universum habe ich mir über Romane erschlossen und könnte mir nun gut vorstellen, hier mal zu spielen. In ähnlicher Weise haben sich die Iron Kingdoms über das Tabletop für mich erschlossen.
- Das System spielt auf der Erde. Hexxen ist hier für mich das jüngste Beispiel. Wenn man sich ein wenig mit Geschichte auskennt, kann man mit „echtem“ Wissen die Spielwelt erfahren. Problematisiert wird dies allein dadurch, dass Spielwelten in aller Regel einem alternativen Geschichtsverlauf folgen, was die Nutzbarkeit eigenen Wissens einschränkt.
Zu den Regeln
Ich lese im Grunde keine neuen Regeln mehr. Das ist nicht einmal böse gemeint. Selbst wenn ich es mir fest vornehme und ein neues System gerne spielen möchte – ich tue es einfach nicht. Zu einem konkreten Zeitpunkt, wenn ich das Regelwerk lesen könnte, scheint mir stets eine andere Beschäftigung attraktiver.
Zudem schätze ich narrativistische Elemente nicht, wie sie heute in Regelwerken üblich sind. Ich verweise hierzu auf meinen Beitrag zur Spielphilosophie.
Zum Spielsystem
Mich interessieren heutzutage kampflastige Systeme weniger. Der Fokus sollte für mich auf der Charakterdarstellung liegen. Das ist aber weniger etwas, was aus dem Spielsystem erwächst, sondern ist eine Spielstilfrage, die durch die Spielgruppe maßgeblich beeinflusst wird. Aus meiner Sicht bietet jedes System die Möglichkeit, ein intensives Charakterspiel zu betreiben.
In Kürze: Ich bin vermutlich ein schwerer Fall, wenn man neue Systeme ausprobieren möchte. Aber zum Glück habe ich genug Runden und Spielsysteme.
Vielleicht bin ich auch einfach alt und eingefahren.

Übertragung von Werten in die Spielwelt
In meinem letzten Beitrag befasste ich mich mit dem Thema, dass Spielercharaktere beim Pen & Paper-Rollenspiel oft die gleiche Entlohnung für alle einfordern, andere aber mit Blick auf ihren Stand oder seltene Fähigkeiten genau dem nicht zustimmen wollen. Ich identifizierte als Ursachen die Übertragung der Gleichheit am Spieltisch auf die Gleichheit der Charaktere.
Ähnlich gelagert ist die Frage einer Übertragung von realweltlichen (hier: europäisch-westlichen in der aktuellen Zeit) Werten auf die Spielwelt beim Pen & Paper-Rollenspiel. Während realweltlich die Demokratie akzeptiert ist, ist dies beim Fantasy-Rollenspiel oft gerade nicht der Fall: Bei DSA ist die meistverbreitete Staatsform die Monarchie. Bei Battletech ebenfalls bzw. die Aristokratie. Bei den Warhammer-Systemen sind meines Wissens sogar Diktaturen prägend.
In gleicher Weise ist es mit der Gleichheit. Realtweltlich gilt ein rechtlicher Gleichheitsgrundsatz. In den Spielwelten muss dies keineswegs so sein. Es gibt oft Stände (Adel, Klerus, Rest), Leibeigenschaft, Sklaverei, Rassentrennung – je nach System das volle Programm. Nun soll es mir nicht, zumindest nicht vordergründig, darum gehen, zu hinterfragen, ob solche Systeme als Spielweltsysteme akzeptabel sind. Mir geht es um die beizeiten vorzufindende Beobachtung, diese Systeme aus Sicht der Charaktere in Frage zu stellen – weil die Spieler sie realweltlich nicht teilen.
Vor einiger Zeit spielte ich kurz bei einer DSA-Gruppe mit, die in Mirham zu Gast an der dortigen Akademie war. Mirham ist Teil des Al’Anfanischen Imperiums, das ein Sklavenhalterstaat ist. Die Charaktere stammten demgegenüber mehrheitlich aus dem Mittelreich, wo man Sklaverei ablehnt. Soweit so gut – die Charakter konnten also begründet gegen Sklaverei sein, ohne aus der typischen Rolle zu fallen. Erstaunlich fand ich aber, dass Spieler und Charaktere übereinkamen, dass es richtig wäre, nunmehr in Mirham gegen die Sklaverei vorzugehen. So wurden bei einer Exkursion in den Dschungel die Sklavenfänger der Akademie festgesetzt und die „Wilden“ unterstützt. Gleichzeitig war man sich aber aufgrund der realweltlichen Akzeptanz dieses Tuns, sicher, dass die Akademieführung damit kein Problem haben würde. Das fand ich, gelinde gesagt, grotesk.
Ein häufiger auftretendes Spannungsfeld, liegt in der sozialen „Hackordnung“ der Charaktere begründet. Grundsätzlich ist einer mittelalterlichen Ständegesellschaft zu eigen, dass Mitglieder höherer Stände über die niederen Stände „verfügen“ können. Ergänzend werden niedere Stände höheren Ständen in einer solchen Gesellschaft Respekt entgegenbringen. Beides passt natürlich in kleinster Weise in das realweltliche Wertekonstrukt. Wenn Spieler sich darüber mokieren und eine Ständegesellschaft nicht darstellen zu wollen, dann meiner Erfahrung nach, weil, zumindest implizit, Gleichberechtigung der Realität entsprechend eingefordert wird.
Diese realweltliche Forderung kann grundsätzlich um am einfachsten in die Spielwelt übertragen werden, indem die betreffenden Spieler Revoluzzer oder Vertreter anderer Kulturen spielen. Sie geht aber oft darüber hinaus und wird auch sonst vertreten.
Wie geht mit einem solchen Konflikt um? Im Grunde gibt es meines Erachtens drei Lösungen:
- Man passt die Spielweise dergestalt an, bis sie eine für alle hinreichende Kompatibilität mit realweltlichen Werten aufweist. So könnte die Ständegesellschaft aufgeweicht sein, vielleicht sogar teilweise mit historischem Vorbild, wo Kaufleute große Macht erlangen konnten. Oder die Spieler adliger Charaktere spielen diese liberaler.
- Es wird der Konflikt akzeptiert. Im besten Fall bleibt dieser im Spiel, also auf Charakterebene. Dies klappt vor allem dann, wenn, wie oben dargestellt, zum Beispiel ein Revoluzzer gespielt wird. Die Parteien versuchen sich dann mit ihren innerweltlichen Mitteln durchzusetzen. Im schlechtesten Fall bricht der Konflikt aus der Spielwelt auf die Realwelt aus und führt zu Kontroversen, wie „richtig“ zu spielen sei. Hierbei wird schnell über die Meinungshoheit bezüglich der Funktionsweise respektive Setzung der Spielwelt gerungen – man ist damit im Punkt 1.
- Man ist sich des Problems realweltlich bewusst und nutzt die Macht der Charaktere höheren Standes dazu, Anweisungen und dergleichen zu erteilen, welche die Spieler der Charaktere niederen Standes ohnehin wünschen.
Variante 3 ist vermutlich der Königsweg. Aber auch dieser ist nicht ohne Hindernisse. Zum einen erfordert diese Lösung Abstimmung zwischen den Spielern, damit klar wird, welche Anweisungen zu erteilen sind. Zum anderen darf nicht per se vorausgesetzt werden dass die Spieler der höhergestellten Charaktere auch tatsächlich genau die von Spieler der niedriger gestellten Charaktere gewünschten Anweisungen durch seinen Charakter geben möchte. In diesem Falle scheidet Lösung 3 aus.
Sowohl die Variante 1, wie die Variante 2 führen schnell zu der realweltlichen Frage, wie die Spielwelt zu gestalten ist. Dies kann und sollte natürlich grundsätzlich konsensual festgelegt werden – im Zweifel ist es für mich aber am Spielleiter, Festlegungen zu treffen. Er schafft, interpretiert und repräsentiert die Spielwelt. Bei seinen Festlegungen kann er Vorstellungen und Wünsche wie in Variante 1 angesprochen, berücksichtigen. Er muss es meines Erachtens aber nicht.
Nach einer solchen Festlegung und Kommunikation des Ergebnisses durch den Spielleiter steht einer innerweltlichen Lösung des Konfliktes im Sinne der Lösung 2 nichts im Wege. Dies dürfte auch rollenspielerisch am interessantesten sein.
Im Ergebnis plädiere ich damit für
- eine Festlegung und Kommunikation der Interpretation durch den Spielleiter vorab im Allgemeinen. Im Speziellen kann er natürlich, wenn die Spielsituation es verlangt, die maßgebliche Interpretation klarstellen.
- Hierbei sollen die Spieler anstreben, dass Situationen, bei denen ein Charakter und der Spieler düpiert werden, möglichst vermieden werden, und
- sind Konflikte innerweltlich zu lösen. Hierbei dient die Weltinterpretation des Spielleiters als Referenzrahmen.
Nach meinem Dafürhalten ist damit auch das Problem des Umgangs mit der einer Sklavenhaltergesellschaft in der Spielwelt gelöst: Der Spielleiter entschied in meinem Fall (wohl implizit), dass eine solche Gesellschaft Kritik akzeptiert und wertschätzt. Meine persönliche, anders gelagerte Vorstellung ist unerheblich.
Wichtig ist freilich, dass man den Interpretationsreferenzrahmen des Spielleiters vorab kennt, da dies Auswirklungen auf die Auswahl des Charakters haben kann. Auch können sich Spieler aufgrund der getroffenen Festlegungen im Extremfall entschließen, die Runde zu verlassen – oder, alternativ, sich freilich selbst als Spielleiter mit anderen Festlegungen vorschlagen. Im Ergebnis könnnten sich so alle mit dem Referenzrahmen anfreunden.

Unterschiedliche Entlohnungen von Charakteren innerhalb der Spielwelt
Kürzlich kam mal wieder die Frage auf, ob alle Mitglieder einer Abenteurergruppe im Fantasy-Pen & Paper-Rollenspiel die gleiche Entlohnung für einen Auftrag erhalten sollten. Für mich treffen hierbei zwei mögliche Ansichten aufeinander:
- Die innerweltliche Logik. Häufig gibt es entweder Stände oder ökonomische Gründe oder beides, zur Rechtfertigung einer unterschiedlichen Bezahlung. Dass der Adel mehr erhält (einfach weil er adlig ist), ist eine Standesfrage – und findet ihre Entsprechung in der historischen Standesgesellschaft. Dass hingegen ein Magiekundiger mehr Entlohnung enthält, ist, zumindest ergänzend, mit der Seltenheit seiner Fähigkeiten begründet – in der Regel gibt es nicht viele Zauberer, auch in Fantasy-Welten. In beiden Fällen liegt ein simulationistisches Argument vor.
- Der Fairness-Gedanke. Wichtig ist, dass im hier skizzierte Fall nicht allein die Gegebenheiten der Realwelt übertragen werden. Zwar ist die Ständegesellschaft in der hier besprochenen Form nicht mehr existent. Das ökonomische Argument ist aber einschlägig: Es gibt auch realiter unterschiedlich hohe Löhne und Gehälter. Vielmehr kommt beim Fairness-Gedanken die Gleichheit der Spieler zu Tragen und wird auf die Charaktere übertragen. Da jeder Spieler (für gewöhnlich) gleiche Rechte hat, sollten dies auch die Spieler haben. Damit handelt es sich um ein gameistisches Argument.
Im Besonderen ist zu beachten, dass die Frage nach dem Mehr an Geld unmittelbare Auswirkungen auf die Stärke (d.h. die Macht) der Charaktere haben kann: Wenn der adlige Zauberer, oder ein anderer im Folgenden deshalb als „Privilegierter“ bezeichneter, viel mehr Geld hat, wird es sich in der Spielwelt oft auch eine bessere Ausrüstung leisten können und dadurch nur deshalb „besser“ sein. Dies dürfte für viele Spieler ein gewichtiges Problem sein.
Falls die Stärke des Charakters den Spielern wichtig ist, könnten diese daher einen Anreiz haben, nur noch Charaktere zu spielen, die einen hohen Stand haben. Falls man dies nicht möchte, müsste man überlegen, den Zugang zu solchen gesellschaftlichen Charakteren zu limitieren. Zum Beispiel könnte ein adliger Charakter weniger sonstige Fähigkeiten haben (umgesetzt dadurch, dass der Vorteil „Adlig“ Erschaffungs- oder Generierungspunkte benötigt, die nicht für Anderes zur Verfügung stehen – so regelmäßig auch regelseitig umgesetzt). Dies ist aber ebenfalls unschön, da eigentlich davon ausgegangen werden könnte, dass Vertreter privilegierter Schichten zumindest keine schlechteren Fähigkeiten mitbringen (wegen der besseren Ausbildung) und nicht körperlich beeinträchtigt sind (wegen besserer Ernährung und Gesundheitsvorsorge).
Aus diesem Grund ist das ökonomische Argument, zumindest auf den ersten Blick, weniger schwerwiegend: Wer viel Zeit in die Ausbildung zum Beispiel zum Zauberer gesteckt hat, wird in der Regel andere Fähigkeiten weniger stark entwickelt haben. Hintergrund hierfür ist, dass jeder gleich viel Zeit hat. Es hat aber nicht jeder gleich viel Geld. Die Geldmenge wird bei der Charaktererschaffung durch den Stand der Eltern bestimmt. Wobei jedoch Geld teilweise in Zeit getauscht werden kann (bessere Lehrer). Auf den zweiten Blick folgt das ökonomische Argument damit dem „Ständeargument“.
Die ganze Sache kann leicht ins Weltanschauliche abdriften. Eine einfache Lösung könnte sein, dass der Stand der Eltern schlicht ausgewürfelt wird. Das dürfte aus Sicht Vieler auch der realen Situation am ehesten, wenn auch unter Vorbehalten, entsprechen.
Dieser Gedanke führt aber Charaktere potentiell per se ad absurdum: Man möchte vielleicht ganz gezielt einen Ritter spielen. Oder einen (mittellosen) Dieb. Daher kommt dieser „Auswürfelmechanismus“ vermutlich mit größeren Problemen einher, als er welche löst. Die Schwierigkeit, dass man einfach mehrfach würfeln könnte, bis das „richtige“ Ergebnis feststeht, ist davon unbenommen vorhanden.
Aus meiner Sicht ist das ganze Argument der Ungleichheit aber auch ein Stück weit konstruiert. Mir leuchtet durchaus ein, dass fremde Dritte sich in der Spielwelt so verhalten, dass sie ihrem Stande nach bezahlt werden. In aller Regel sind die Spielercharaktere jedoch nach kurzer Zeit keine fremden Dritten mehr, sondern Gefährten und Freunde. Und dann sollte das Argument, dass auch am Spieltisch für Gleichheit sorgt, greifen: Wenn die Charaktere wissen, dass ihnen allen besser geholfen ist, wenn der (arme) Dieb zum Beispiel den magischen Bogen bekäme, so werden sie dies (hoffentlich) so entscheiden und die monetären Mittel entsprechend allokieren – was zumindest im Ergebnis einer Gleichverteilung der Belohnung entspricht. Damit ist das gewichtige Problem, dass nur oder eher die privilegierten Charaktere die Mittel haben, bessere Ausrüstung zu erwerben, gemindert oder gelöst.
Aber auch mit diesem Ansatz bleiben (mindestens) zwei mögliche Probleme bestehen:
- Wie verhält es sich mit dem „Lebensstand“? Wer schläft in der Taverne in der Suite, wer im Stall? Wer kann sich teure oder günstige Kleidung leisten etc.?
- Was ist, wenn der oben geschilderte, kollaborative Einigungsprozess nicht zustande kommt, weil die Spieler der privilegierten Charaktere auf ihrem Stand pochen?
Ad 1)
Wenn im Laufe der Zeit eine Gleichverteilung der Belohnungen eintritt, stellt sich schnell der (m.E. unschöne) Effekt ein, dass die Einkommensverhältnisse der Charaktere identisch werden. Der adlige Zauberer wird nicht mehr im Stande sein, die Suite im Gasthaus zu beziehen; der (eigentlich) mittellose Dieb hat keinen Grund mehr, im Stall zu nächtigen. Das ist für mich deshalb nicht wünschenswert, weil sich die Spieler ja gerade dazu entschieden haben, einen reichen oder armen Charakter zu spielen – mithin also ihren Charakter nicht mehr wie vorgesehen (glaubhaft) darstellen können.
Ich kenne hierzu drei mögliche Lösungen, dargestellt am Beispiel der Unterbringung:
- Der „arme“ Charakter wird so gespielt, dass er das Geld fortlaufend sinnlos verprasst. Er hat daher im Ergebnis immer weniger Mittel übrig und muss im Stall schlafen. Ich bin kein Freund dieser Lösung, weil es auch reiche Charaktere geben kann, die ihr Geld verprassen und auch (ursprünglich) arme, die ihr Geld sparen.
- Es wird zwar die Belohnung augenscheinlich gleich verteilt. Der Spielleiter nimmt jedoch hintergründig eine Ungleichverteilung vor. Diese erfolgt aber nicht explizit sondern implizit in der Gestalt, dass „reiche“ Charaktere immer das bessere Zimmer mieten können. Hierfür muss auch nichts explizit aus dem Vermögen des Charakters bezahlt werden, dies erfolgt implizit. In gleicher Weise muss der arme Charakter auch nichts für den Stall zahlen. Dessen Bezahlung erfolgt ebenfalls implizit. Nur wenn ein Charakter über seinen Stand hinaus etwas möchte, muss er hierzu auf seinen explizites Geldvermögen zurückgreifen.
Diese Lösung ist angelehnt an das Konzept des Lebensstils bei Shadowrun. Für zum Beispiel 5.000 Euro oder Nuyen pro Monat hat ein Charakter dort einen mittleren Lebensstil, der alle damit verbundenen Ausgaben abdeckt. Übertragen auf das Fantasy-Rollenspiel würde bei Belohnungen immer ein Fixbetrag zur Seite gelegt, der die jeweiligen Lebensstile der Charaktere finanziert. Bei DSA5 gibt es den bereits erwähnten Vorteil Einkommen, der aber meines Wissens nur bei Charaktererschaffung erworben werden kann, während der Shadowrun-Lebensstil flexibel anpassbar ist – aber auch monatlich Kosten veursacht. Die Spieler werden jedoch in beiden Fällen an den Lebensstil nicht erinnert, es passiert völlig automatisch im Hintergrund. Im Spiel könnte auch nur die Belohnung genannt werden, welche die Charakter explizit als Geldvermögen erhalten.
Ich finde diese Lösung hat einiges für sich. Die implizite „Lebensstilfinanzierung“ hat jedoch manchmal etwas Abstraktes und Künstliches an sich – kann aber auch willkommene Erleichterung sein. Meines Erachtens ist ein denkbares Problem, dass auch mal eine Situation angestrebt werden könnte, in der die Charakter mittellos sind. Im Falle einer impliziten Verwaltung des Lebensstils wäre dies in der Darstellung leicht unglücklich und könnte als beliebig aufgefasst werden („Gerade jetzt reicht das Geld nicht, dabei habe ich nie soviel ausgegeben.“). - „Reiche“ Charaktere bekommen eine Geldquelle zugesprochen (im Myranor-Regelwerk als Vorteil Apanage in ähnlicher Form erwerbbar, vergleichbar bei DSA5 als Vorteil Einkommen) für die Diskussion hier nun quasi Folge eines hohen Sozialstatus). Zum Beispiel könnte ein reicher Charakter jeden Monat 50 Goldstücke von seiner Familie erhalten, um seinen Lebensstandard zu finanzieren. Es scheint mir plausibel, dass Charaktere mit einem gewissen sozialen Stand Zugriff auf einen Vermögensstock haben. Hierdurch gibt es auch keine indirekte und intransparente Schattenbuchhaltung. Zudem mag ein drohender Wegfall der Geldquelle (wie kriegerische Aktivitäten in der Heimat des Charakters), Anknüpfungspunkt für Abenteuer sein.
Im Einzelfall könnte überlegt werden, wie dieses Geld zum Charakter gelangt (falls es kein Bankwesen gibt). Zudem klappt die Idee vor allem bei Charakteren, die ihre Privilegien durch Geburt erlangt haben. Für Charaktere, die durch ihre Ausbildung Spezialisten geworden sind (die also aus ökonomischen Gründen eine höhere Bezahlung erhalten), muss oft noch eine Brücke geschlagen werden, woher das Geld innerweltlich kommt. Denkbar könnten aber Lizenzerträge für Forschungsergebnisse sein. Meiner Erfahrung nach besteht realiter das Problem der „gerechten“ Entlohnung aber eher bei Charakteren, die durch ihre Familie privilegiert sind (wie Adlige), weniger für solche, die durch ihre Fähigkeiten privilegiert sind.
Ad 2)
Die mögliche Schwierigkeit, dass Spieler der privilegierten Charaktere, deren Privilegien bei der Entlohnung auch dann voll einfordern, wenn die Charaktere einander gut kennen und aufeinander angewiesen sind, ist meines Erachtens durch Rollenspiel zu lösen. So könnten die anderen Charaktere den auf sich bedachten Charakter zur Rede stellen oder, im Extremfall, auch verlassen. Hier hilft es sich vielleicht zu fragen, warum ein Charakter ursprünglich die Heimat verlassen hat. Diese Gründe könnten innerweltlich der Grund sein, sich von der Gruppe zu trennen. Idealerweise bleibt freilich der nur auf sich bedachte Charakter zurück.
Eng mit dem hier skizzierten Problem, gerade im letztgeannten Punkt der Werte innerhalb der Gruppe, steht die Frage nach der Gültigkeit von Werten im Allgemeinen: Akzeptiert ein Charakter oder auch ein Spieler Zustände in der Spielwelt, die aus Sicht der Realwelt inakzeptabel sind? Zum Beispiel ist die Realwelt in Europa stark durch demokratische Prozesse gekennzeichnet – im Fantasy-Rollenspiel sind oft Monarchien vorherrschend; bei Warhammer 40k sogar eine Diktatur. Realweltlich gilt in Europa die rechtliche Gleichheit aller Menschen. In der Rollenspielwelt mag Sklaverei oder Leibeigentum Usus sein.
Änderung am 9. April 2023: DSA 5-Vorteil „Einkommen“ nach Hinweis ergänzt.

Charaktertod mal X – der „Total Party Kill“
Charaktertod ist immer eine sehr doofe Sache. Zumindest nach einiger Zeit wachsen Charaktere den Spielern ans Herz und ein Charaktertod kann zu Frust im „echten Leben“ führen.
Daher gibt es zahlreiche Theorien dazu, wie damit umzugehen ist. Ein Extrem ist die „Pech gehabt“-Position: Diese besagt einfach, dass ein Charakter eben tot ist, wenn es die „Würfel so wollen“. Am anderen Ende des Spektrums steht die sog. Opferregel (eher im Kontext Liverollenspiel verwendet): Demnach darf sich der Spieler aussuchen, ob und wann der Charakter stirbt.
Offenkundiger Nachteil der „Pech gehabt“-Position ist, dass dies für die Spieler frustrierend sein kann und oft auch einfach eine unschöne Geschichte ist. Gleichfalls offensichtlicher Nachteil der „Opferregel“ ist, dass die Spannung verloren gehen kann – faktisch können die Charaktere damit unsterblich sein.
Nun bin eher simulationistisch geprägt und tendiere insofern zunächst zu der „Pech gehabt“-Position. Allerdings weiche ich diese mehrfach auf, da mir die Nachteile freilich bewusst sind. Zum einen kann ich alles ändern, was noch nicht gesetzt ist. Im plumpesten Fall schließt das den Trick ein, sehr behutsam auf Würfelwürfe Einfluss zu nehmen. Aber auch zum Beispiel ein Heiltrank könnte gefunden werden, wenn vorher nicht klar war, dass keiner zu finden ist und es grundsätzlich Sinn macht (in der Wüste also nicht). Zum anderen kann man Zeit und Raum in einem bestimmten Rahmen denen, um die rettende Heilung noch zu ermöglichen. Zum Dritten gibt es bei uns bei DSA (4.1) Schicksalspunkte. Hat man fünf davon zusammen, kann man dem Tode einmal entkommen (was aber nicht heißt, dass die Situation sich insgesamt entspannt – im schlimmsten Fall lauert der Tod schon einen Augenblick später wieder auf den Charakter).
Dennoch wird mir vorgeworfen, dass bei mir recht viele Charakter stürben. So man dues akzeptiert, liegt dies schlicht daran, dass die oben stehenden Mechanismen im Einzelfall nicht ausreichen. Im Extremfall habe ich zwei Möglichkeiten:
- Ich ziehe mir (doch noch) irgendetwas aus den Fingern, damit der Charakter überlebt. Hierzu habe ich aber wenig Zeit und es muss meinem Anspruch gerecht werden, die innerweltlich zumindest nicht „unlogisch“ zu sein.
- Ich lasse den Charakter sterben.
Vor einigen Jahren war ich jedoch, unerwartet mit der Tatsache konfrontiert, dass alle Charaktere starben. Was war geschehen? In der schönen güldenländischen Stadt Vinerata, suchten die Charaktere im Rahmen des Abenteuers Totentanz eine Gruft auf. Verkürzt gab es dort eine Art Lichlord, der mit so vielen Untoten ausgestattet war, dass die Spieler fliehen mussten. Soweit, so gut. Womit sie nicht rechneten war aber, dass der Lichlord Nächtens einen „untoten Meuchler“ auf die Charaktere ansetzte. Diese hatten sich getrennt, und so traf der Meuchler nur zwei Charaktere an. Aufgrund erschöpfter Kräfte und sehr schlechter Würfelergebnisse, obsiegte der Meuchler. Hier war ich schon am Überlegen, ob das eine gute Lösung ist. Die ganze Kampagne war aber „High Fantasy“, so dass ich Möglichkeiten sah in einem künftigen Abenteuer, die Verstorbenen zurückzuholen. Das wäre sogar ziemlich gut und passend gewesen.
Leider aber war es für den zweiten Teil der Gruppe kaum besser. Nicht auf einen Schlag – es entwickelte sich sukzessive. Keiner rechnete damit – Spieler und Spielleiter waren unvorsichtig. Und mit einem mal wusste ich, dass ich am Scheideweg stehe. Und mir fiel nichts ein, um die Situation glaubwürdig zu retten. Und so starben alle. „Total Party Kill“.
Die Reaktionen darauf waren sehr unterschiedlich. Es gab vor allem einen Spieler, der wirklich traurig war, dass sein über lange Jahre gespielter Charakter (er war der Einzige, der seit Beginn der Gruppe überhaupt noch dabei war), gestorben war. Ein anderer Spieler aber war völlig begeistert! Er berichtete, dass er von nun an noch viel mehr Spannung beim Spiel haben würde, da er nun wüsste, dass es ernst werden kann. Die anderen lagen irgendwo dazwischen. Die Vor- und Nachteile der eingangs angesprochenen Extrempositionen traten aber deutlich hervor.
Auch ich selbst war erschüttert. Meine noch über viele „Echtjahre“ geplante Kampagne lag in Trümmern und würde wohl nicht weiter gespielt werden. Ich überlegte, den Spielern zu sagen, wie es weitergegangen wäre, damit die Ideen nicht völlig umsonst waren.
Wir waren klug und verabredeten, das weitere Vorgehen ein andermal zu besprechen.
Im Ergebnis kamen wir überein, dass der Charakter des Spielers, der am längsten dabei war und den Plot gewissermaßen „getragen“ hatte, wiederbelebt werden würde. Das war in dem Kontext der Kampagne gut machbar und plausibel. Vor allem ging die Geschichte weiter! Zudem war der Spieler dieses Charakter derjenige, der am meisten frustriert war, was sehr zupass kam. Die anderen machten im Grunde neue Charaktere.
Ex post wurde mir gesagt, dass die neuen Charaktere eine gute Sache waren. Der ein oder andere war daher im Nachhinein sogar ein wenig glücklich über den „Total Party Kill“.
Ich kann daher nicht sagen, dass der „multiple Charkatertod“ im Nachhinein besonders schlimm war. Aber ich glaube auch, dass wir Glück hatten.
In Kürze steht in einer anderen Gruppe der Kampf gegen den Wurm von Windhag an. Die Spieler machen sich, verständlicherweise, Sorgen. Ich hingegen bin zuversichtlich, dass es so schlimm nicht kommen wird: Was den Vorfall des „Total Party Kill“ vor einigen Jahren auszeichnete war ja gerade, dass keiner damit gerechnet hatte. Das wird nun anders sein.

Rollenspielbilder mit künstlicher Intelligenz generieren
Mein früherer, wirklich guter Shadowrun-Spielleiter hatte zu allen wichtige Nichtspielercharakteren ein Portraitbild vorbereitet. Dieses hatte er vor dem jeweiligen Termin per Google-Bildersuche gefunden. In frühen Tagen waren diese ausgedruckt und wurden herumgereicht. Später zeigte er es auf einem großen Monitor an.
Ich fand das immer klasse und wollte dies übernehmen. Allerdings bin ich in der Regel DSA-Spielleiter. Für Fantasy-Charaktere gibt es aber nicht ansatzweise so viele Portraitbilder im Internet, wie für Charaktere, die in ähnlicher Weise auch in der Jetzt-Zeit existieren könnten. So weiß ich noch, dass ich für Dalida d’Abbastanza aus der Lamea-Kampagne sehr lange, und letztlich erfolglos, das Internet durchsuchte.
Auch mühevoll, aber letztlich doch einfacher, ist das Finden von Spielercharakterportraits über pinterest und dergleichen. Da man diese zum Glück nur selten benötigt (nämlich bei der Erstellung) und ich mich zudem hier etwas freier wähne (schließlich wird gerade erstellt), klappt das einigermaßen. Details stimmen oft aber nicht – so gelang es mir noch nie, ein gutes Bild mit für mich passendem Zauberstab für einen Magiercharakter zu finden. Oder ich bin mit dem Stil nicht in Gänze zufrieden und dergleichen.
Jüngst aber lernte ich, dass diese Probleme der Vergangenheit angehören könnten. Ein guter Freund von mir kaufte sich jüngst einen neuen Computer – und zwar einen der (aktuellen) Spitzenklasse. Relevant ist insbesondere, dass der Arbeitsspeicher der Graphikkarte zwölf Gigabyte groß ist. Dies ist Voraussetzung zur sinnvollen Nutzung von Stable Diffusion. Mit einer Beschreibung erstellt diese „Künstliche Intelligenz“ mit der Oberfläche Automatic1111 in kurzer Zeit Bilder, z.B. Portraits – und kann diese auch weiter nach unten, im Wege des sog. outpaintings, ausbauen, so dass der Oberkörper dazukommt. Im Nachgang kann man noch jede Menge verfeinern („inpainting“). Mit etwas Zeit gelang es uns so, recht gute Bilder zu erstellen. Das folgende Bild benötigte zum Beispiel nur wenige Minuten zur Erstellung:

Auch der erste Versuch ist oft schon recht ordentlich – und für Nichtspielercharaktere genügt das in aller Regel. Wichtig ist vor allem, dass das Programm einen Zufallsfaktor hat – die erstellten Bilder sind daher nicht identisch (solange man nicht den gleichen „Seed“, so heißt der Zufallsfaktor, benutzt). Ein paar Vorlagen mit Beschreibungen genügen also.
Dieses Programm dürfte es ermöglichen, insbesondere auch ad hoc, passende oder zufallsgenerierte Portraitbilder für Nichtspielercharaktere zu generieren. Großartig! Das dürfte der Immersion sehr zuträglich sein.
Mein einziger Wehmutstropfen ist, dass mein Laptop bei weitem nicht über genug Graphikkarten-Arbeitsspeicher verfügt (zwei Gigabyte statt zwölf) – aber dieses Problem wird die Zeit lösen. Zudem sei der Vollständigkeit halber auf die Möglichkeit hingewiesen, über eine „Plugin“ externe Rechenleistung aus der Cloud für Automatic1111 zu verwenden – das haben wir aber bislang nicht getestet.
Aktuell experimentiert der besagte Freund übrigens damit, Bilder im Yüce-Stil zu generieren. Hierzu haben wir das Programm mit Yüce-Bildern „gefüttert“, damit es den Stil immitieren kann. Der „erste Schuß“ ist zwar sicher nicht wirklich gut, sieht aber auch nicht schlecht aus. Vor allem der Hintergrund ist gelungen. Die Figur im Vordergrund ist aber etwas zu „knallig“ für meinen Geschmack. Details sind auch noch nicht ideal.


Verhalten im Rollenspiel: Im Charakter bleiben. Sollen, können, wollen…?
Um es gleich vorwegzunehmen: Beim Rollenspiel sollte der Spaß immer im Vordergrund stehen.
Aber da fängt die Schwierigkeit schon an! Für den Einen reicht es, irgendeinen Charakter zu entwickeln und dadurch einfach eine gute Zeit zu haben und vielleicht sogar im Grunde sich selbst zu spielen oder so, wie der Spieler im echten Leben gerne wäre. Andere wieder nutzen den Rollenspielabend eher als spaßige Plauderstunde und Trinkrunde. Der nächste möchte einfach nur den Plot vorantreiben und achtet evtl. gar nicht auf die Welt und die Charaktere um sich herum. Ein wieder anderer würde am liebsten in einer mittelalterlichen Sprache sprechen. Andere wieder bevorzugen das Ausleben des erstellten Charakters in allen Details und der Plot ist eventuel gar nicht so wichtig.
Das „Problem“ ist, dass die meisten Gruppen aus Mitgliedern verschiedener Interessenlagen bestehen. Deshalb werde ich im Folgenden meine Sicht der Dinge wiedergeben.
Ich persönlich habe einen Leitsatz im Leben, dem ich folge und der sich bis jetzt immer bewährt hat: Extrem ist nie gut und die Wahrheit liegt immer in der Mitte. Also sollte es auch möglich sein, mit Toleranz und Rücksicht einen guten Kompromiss für alle Spieler zu finden.
Mir persönlich kann man jeden beliebigen Charakter in die Hand drücken und ich werde den schon einigermaßen gut spielen können. Nach fast 30 Jahren Rollenspiel, erkenne ich Stärken und Schwächen normalerweise schnell und weiß die Fähigkeiten und Eigenschaften auszuspielen. Schwieriger wird es allerdings den jeweiligen Charakter als dessen „wahre“ Persönlichkeit im Kontext der jeweiligen Welt und der kulturellen Interaktion zu spielen. Dies zu schaffen, ist ein wahres Meisterwerk und muss vielleicht auch gar nicht das oberste Ziel sein. Dennoch finde ich es wichtig, eine Annäherung zu schaffen. Dafür sind viele Systeme leider jedoch nicht ausgelegt. Eine sehr ausführliche Weltbeschreibung, Fähigkeiten und Sonderfertigkeiten, hunderte von unterschiedlichen Waffen und Rüstungen, Stammbäume, die weit zurückreichen, komplexe Götter- und Kultbeschreibungen, Historie bis ins Kleinste, kulturelle Abhandlungen und dergleichen – alles kein Problem. Aber etwas konkretere Charakterzüge sind oft Fehlanzeige. Klar, die kann man sich selber ausdenken aber nach meiner Erfahrung machen viele das nicht und die Meisten werfen dieser erdachten Eigenschaften schnell in verschiedenen Situationen über Bord. Aspekte wie Vor- und Nachteile gehen in verregelter Form in diese Richtung, sind dann aber oft auch gleich extrem. Wie z.B. bei DSA der Fall: Goldiger, Jähzorn, Raumangst und so weiter.
Aber warum nicht sowas:
- Still, zurückhaltend, vorsichtig aber auch berechnend
- Selbstbewusst, mutig, wachsam aber auch streitlustig
- Wissbegierig, neugierig, gelehrt aber auch unachtsam
Solche und ähnliche Eigenschaft, bringen doch gleich viel mehr Würze in die Charakterdarstellung ohne gleich extrem penibel zu werden und helfen dem Charakter in verschiedenen Situationen auch den Charakter zu spielen und nicht sich selbst.
Ein weiterer Punkt, den ich auch oft beobachte, ist der Umgang mit Sozialstatus, Wissen und Kulturkreisen. Spieler – besonders solche, die auch Spielleiter sind und/oder die Regeln sehr gut kennen – sind oft viel zu forsch bis hin zu arrogant, übermütig gegenüber Nichtspielercharaktern und agieren im Spiel mit einem Wissen, dass der von Ihnen gespielte Charakter gar nicht haben dürfte. Ein einfacher Soldat weiß eben nicht viel von der Welt. Obrigkeit (Adel, Militär und Geistig) wird geachtet und auf Befehle gehört. Ein Waldläufer kennt vielleicht eher die Welt, kann aber wahrscheinlich mit Etikette und sozialem Gebaren nur wenig anfangen und wird oft ins Fettnäpfchen treten. Gelehrte, wie Magier, sind wahrscheinlich vielwissens aber oft nur in der Theorie. Auch solche Aspekte spiegeln sich in der Darstellung oft nur bedingt wieder.
Barbaren haben nicht den Durchblick im adligen Intrigenspiel, Eine Gruppe von Lowlevel-Charakteren reagiert cool und routiniert bei Ihrem ersten Kampf oder bei Kreaturen die sie nicht kennen. Der erste Untote wird einfach niedergekloppt. Magier benehmen sich oft arrogant und anmaßend. Das Alles hat mit einer Wirklichkeit nichts zu tun (auch wenn sie fiktiv ist). Das finde ich oft schade. Warum dann überhaupt Charaktere mit Klassen und Kulturhintergrund entwickeln? Dann reicht doch ein Einheitscharakter mit wenigen stark ausgeprägtem Schwerpunkten und sehr grober Hintergrundgeschichte.
Zum Thema Wissen hat Shadowrun einen guten Ansatz. Hier gibt es eine Palette von vorgefertigter Wissensfähigkeiten aber der Spieler kann sich auch welche ausdenken. So ergeben sich auch weiter Detaillierungsgrade von Spielern.
Beispiel, welche nicht unbedingt regeltechnisch vorhanden sein müssen
- Dieb: Gassenwissen, Stadtwissen der Stadt X…; Gildenwissen, Hehler wissen, Wissen über Verstecke/Geheimgänge, Geheimnisse Adlige, Wissen Straßenkinder, Schwarzmärkte usw.
- Söldner: Waffenkunde, Rüstungskunde, Militärwesen, Kriegskunde, Allgemeinwissen, Belagerungsgeräte, Rassenkunde, Kulturwissen, Wissen Söldnereinheiten usw.
- Magier: Allgemeinwissen, Magiekunde, Kreaturenkunde, Kulturen, Rasen, Wissen magische Gegenstände, Wissen Mythen und Legenden usw.
- Waldläufer: Kreaturenkunde, Allgemeinwissen, Wissen Natur und Naturphänomene, Wissen Schusswaffen, Wissen lokale Gerüchte und Geheimnisse in der Region X…, und wo weiter
Das würde wiederum dazu führen, dass ein weiter Detaillierungsgrad entsteht, an dem sich die Spieler orientieren können. Und wenn der Dieb nun mal kein Wissen über Kreaturen hat, erstarrt er halt vor seinem ersten Zombie. Klar kann man sich das Alles ausdenken auch ohne Alles aufzuschreiben aber nach meiner Erfahrung (mich eingeschlossen) verfällt man schnell wieder zu dem „Allwissenden Ich“ zurück. Hier entsteht natürlich auch das ewige Thema zwischen zu detaillierten Charakteren/Systemen und zu simple Charaktere/Systemen.
Mein Fazit:
Tja das ist jetzt gar nicht so leicht. Einfach aber nicht simpel. Detailliert aber nicht streng und dogmatisch. Komplex aber nicht kompliziert. Lustig aber nicht albern. Unterhaltsam aber nicht langatmig
Berechnen wie lange das Feuerholz brennt. Beim Schuss, Sichtverhältnisse, Windgeschwindigkeit, Sonnenstand, Nebel usw. einfließen lassen. Ein Soldat weiß außer dem Kriegshandwerk nichts – definitiv nein.
Ein Barbar der weiß, wo man Einhörner fängt, Schwachstellen von Dämonen kennt, sich bei Hofe richtig verhält und auch in der Stadt eine Idee hat, wo man die Diebgilden findet. Zugleich je nach Situation mal forsch, mal zurückhaltend, mal wissbegierig mal uninteressiert. Mal nach vorne rennt, mal zwei Schritt zurückgeht. Wie es halt situativ am besten für den Charakter ist – definitiv auch nein.
Bleibt mir nur noch zu sagen: Die Wahrheit liegt in der Mitte und Spaß ist, was ihr draus macht.

Unterschiede zwischen Spielercharakteren und Nichtspielercharakteren (?)
„You seem trustworthy“ – so begrüßen die Charaktere im Film „The Gamers“ ihren neuen Magier nach sehr kurzer Vorstellung, der damit Teil der Heldengruppe wird. In der Film-Parodie wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Charakter, weil er ein Spielercharakter und kein Nichtspielercharakter ist, sofort Teil der Gruppe wird.
Logisch ist dies freilich nicht. In der Spielwelt können die Charaktere realistischerweise nicht erkennen, ob eine Figur von einem Spieler oder von dem Spielleiter geführt wird. Dennoch ist eine solche Unterscheidung immer wieder zu beobachten: Eine Spielerfigur liegt in ihrem Blut? – Kein Problem, der Spielermagier hilft aus, auch wenn dies so anstrengend ist, dass es seine Zauberkraft dauerhaft schwächt. Eine Nichtspielerfigur in der sonst identischen Szene (mit vergleichbarer Vorgeschichte) – muss sterben. C’est la vie. Oder eben: C’est la mort.
Ich finde das zumindest unglücklich. Ich kann in Einzelfällen verstehen, dass auf einer sehr abstrakten Metaebene Unterscheidungen getroffen werden (dazu später mehr) – aber die plumpe Art der vorstehenden Beispiele ist für mich nicht wünschenswert. Wie ist das innerweltlich zu erklären? Ich kenne kein Rollenspielsystem, wo innerweltlich zwischen Figuren erster Klasse (Spielercharakteren) und Figuren zweiter Klasse (Nichtspielercharakteren) unterschieden wird.
Leider pflegen, der fehlenden Entsprechung in der Spielwelt ungeachtet, auch viele Rollenspielregelwerke einer solche Unterscheidung:
- Bei DSA stand zumindest in alten Versionen bei bestimmten Zaubern, dass diese nur mächtigen Nichtspielercharakteren vorbehalten seien. Man fragt sich, was wohl geschähe, wenn die Spielercharaktere einen solchen Nichtspielercharakter träfen und überzeugen (oder zwingen) sein Wissen zu teilen – was geschieht dann?
- In Hexxen erfüllt es mich immer wieder aufs Neue mit Verwunderung, dass Spielercharaktere nicht sterben können, wenn nicht die ganze Gruppe im Sterben liegt. Nichtspielercharaktere aber schon! Ich habe deshalb schon angeregt, dass ein Spielercharakter Kämpfen doch fernbleiben sollte, um die anderen unbesiegbar werden zu lassen. Die Resonanz auf diesen Vorschlag war nur bedingt positiv.
Im Internet stieß ich kürzlich auf eine Diskussion, in der erörtert wurde, ob die Eltern eines Spielercharakters sterben dürften, wenn dies der Handlung dienlich wäre. Mir ist in weiten Teilen völlig unklar, was dagegen sprechen könnte. Sollte es der Lebenserfahrung der in der Spielwelt Lebenden entsprechen, dass bestimmte Familien geschützt werden, weil eines der Kinder auf Abenteuer auszieht. Falls dies bejaht wird: Warum senden die anderen Familien dann nicht auch jemanden aus…?
Zum Glück bin ich häufig Spielleiter und kann Auswüchse wie die Vorstehenden recht gut beschneiden. Natürlich kann bei DSA jeder Spielercharakter theoretisch jeden Zauber beimir erlernen. Es kann allerdings sehr schwer sein – nicht aber schwerer, als es für Nichtspielercharaktere ist.
Als besonders gelungen fand ich, dass ich mal einen Gastspieler in eine Spielgruppe einschleuste, der sich später als Verräter herausstellte. Da sich alle Spieler im Realleben kannten und der Gastspieler einen den Spielern (nicht aber den Charakteren) bekannten Charakter spielte, wurde dieser nach dem oben stehenden Motto „You seem trustworthy“ unmittelbar in die Gruppe aufgenommen. Er konnte von dort wunderbar alle möglichen Geheimnisse erfahren und an die Antagonisten der Spielercharakter spiegeln. Im Endkampf, der kritisch verlief, stellte sich der eingeschleuste Spielercharakter plötzlich gegen die Gruppe. Das Entsetzen war natürlich groß. Aber gelobt wurde die Sache im Nachgang auch. Zudem ist dies nun eine der meist erinnerten Rollenspielszenen überhaupt.
In einer Dark Heresy-Runde, in der ich war, gab es etwas Ähnliches – allerdings war der entsprechende Verräter-Charakter bereits von Anfang an bei den anderen Charakteren und die Überraschung vielleicht noch etwas größer.
Eine andere Idee, die ich dem (überaus gelungenen) DSA-Abenteuer „Die Unsichtbaren Herrscher“ entnahm, ist die Spielercharaktere ob ihrer Taten zu Rede zu stellen: Eine weitere Imparität besteht nämlich darin, dass diese auf ihren Abenteuern regelmäßig jede Menge Nichtspielercharaktere erschlagen, dies jedoch folgenlos bleibt. Realiter sollten dies aber alles Personen mit einer Familie und Freunden sein. Je nach Handlung sind die Antagonisten der Spielercharaktere auch nicht klar böse. Dies im Blick war das Geschehen nur naheliegend: Die Spielercharaktere wurden von einem Familienangehörigen gejagt – schließlich von einer anderen Heldengruppe, welche die „Mörder“ der Gerichtsbarkeit überstellen wollte. Das Spieler- und Charakterverhalten war überaus interessant.
Es zeigt sich also: Ich bin der Meinung, dass innerhalb der Spielwelt keine Unterscheidung zwischen Spieler- und Nichtspielercharakteren gemacht werden sollte.
Der entscheidende Punkt, und damit kommen wir zur Ausnahme, ist der Einschub „innerhalb der Spielwelt“. Wie auch schon beim meinem Plädoyer für Simulationismus in der Spielwelt bzw. dem -system, kann außerhalb der Spielwelt, eine Unterscheidung erfolgen – und sogar hilfreich sein.
So erwarte ich von Spielleiter und Spielerschaft auf einer dem Spiel vorgelagerten Ebene beispielsweise, dass eine Kompatibilität zwischen Charakteren zu der Geschichte bestehen muss. Wenn nämlich klar ist, dass, um das oben stehende Beispiel aufzugreifen, das Überleben der Familie eines Spielercharakters für dessen Konzept wichtig ist, sollte diese natürlich nicht dahingerafft werden. Allein – in diesem Falle sollte dies auch nicht hilfreich für die Handlung sein, sondern es sollte sinnvoll sein, dass die Familie am Leben bleibt!
In ähnlicher Weise erwarte ich auch, dass die Charaktere untereinander so zusammengestellt sind, dass es zwar gerne Konflikte geben darf – aber bitte keine, die gar nicht oder nur mit der de facto Verunmöglichung der Darstellung eines Charakters lösbar sind.
Bei einer Gestaltung auf einer der Spielwert übergeordnete Ebene, wird die gekünstelte Unterscheidung zwischen den Spieler- und Nichtspielercharakteren aus „Metagründen“ in der Regel gar nicht benötigt. Darüber hinaus ist sie meines Erachtens ohnehin verfehlt.
