Pen & Paper

Unterschiede zwischen Spielercharakteren und Nichtspielercharakteren (?)

„You seem trustworthy“ – so begrüßen die Charaktere im Film „The Gamers“ ihren neuen Magier nach sehr kurzer Vorstellung, der damit Teil der Heldengruppe wird. In der Film-Parodie wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Charakter, weil er ein Spielercharakter und kein Nichtspielercharakter ist, sofort Teil der Gruppe wird.

Logisch ist dies freilich nicht. In der Spielwelt können die Charaktere realistischerweise nicht erkennen, ob eine Figur von einem Spieler oder von dem Spielleiter geführt wird. Dennoch ist eine solche Unterscheidung immer wieder zu beobachten: Eine Spielerfigur liegt in ihrem Blut? – Kein Problem, der Spielermagier hilft aus, auch wenn dies so anstrengend ist, dass es seine Zauberkraft dauerhaft schwächt. Eine Nichtspielerfigur in der sonst identischen Szene (mit vergleichbarer Vorgeschichte) – muss sterben. C’est la vie. Oder eben: C’est la mort.

Ich finde das zumindest unglücklich. Ich kann in Einzelfällen verstehen, dass auf einer sehr abstrakten Metaebene Unterscheidungen getroffen werden (dazu später mehr) – aber die plumpe Art der vorstehenden Beispiele ist für mich nicht wünschenswert. Wie ist das innerweltlich zu erklären? Ich kenne kein Rollenspielsystem, wo innerweltlich zwischen Figuren erster Klasse (Spielercharakteren) und Figuren zweiter Klasse (Nichtspielercharakteren) unterschieden wird.

Leider pflegen, der fehlenden Entsprechung in der Spielwelt ungeachtet, auch viele Rollenspielregelwerke einer solche Unterscheidung:

  • Bei DSA stand zumindest in alten Versionen bei bestimmten Zaubern, dass diese nur mächtigen Nichtspielercharakteren vorbehalten seien. Man fragt sich, was wohl geschähe, wenn die Spielercharaktere einen solchen Nichtspielercharakter träfen und überzeugen (oder zwingen) sein Wissen zu teilen – was geschieht dann?
  • In Hexxen erfüllt es mich immer wieder aufs Neue mit Verwunderung, dass Spielercharaktere nicht sterben können, wenn nicht die ganze Gruppe im Sterben liegt. Nichtspielercharaktere aber schon! Ich habe deshalb schon angeregt, dass ein Spielercharakter Kämpfen doch fernbleiben sollte, um die anderen unbesiegbar werden zu lassen. Die Resonanz auf diesen Vorschlag war nur bedingt positiv.

Im Internet stieß ich kürzlich auf eine Diskussion, in der erörtert wurde, ob die Eltern eines Spielercharakters sterben dürften, wenn dies der Handlung dienlich wäre. Mir ist in weiten Teilen völlig unklar, was dagegen sprechen könnte. Sollte es der Lebenserfahrung der in der Spielwelt Lebenden entsprechen, dass bestimmte Familien geschützt werden, weil eines der Kinder auf Abenteuer auszieht. Falls dies bejaht wird: Warum senden die anderen Familien dann nicht auch jemanden aus…?

Zum Glück bin ich häufig Spielleiter und kann Auswüchse wie die Vorstehenden recht gut beschneiden. Natürlich kann bei DSA jeder Spielercharakter theoretisch jeden Zauber beimir erlernen. Es kann allerdings sehr schwer sein – nicht aber schwerer, als es für Nichtspielercharaktere ist.

Als besonders gelungen fand ich, dass ich mal einen Gastspieler in eine Spielgruppe einschleuste, der sich später als Verräter herausstellte. Da sich alle Spieler im Realleben kannten und der Gastspieler einen den Spielern (nicht aber den Charakteren) bekannten Charakter spielte, wurde dieser nach dem oben stehenden Motto „You seem trustworthy“ unmittelbar in die Gruppe aufgenommen. Er konnte von dort wunderbar alle möglichen Geheimnisse erfahren und an die Antagonisten der Spielercharakter spiegeln. Im Endkampf, der kritisch verlief, stellte sich der eingeschleuste Spielercharakter plötzlich gegen die Gruppe. Das Entsetzen war natürlich groß. Aber gelobt wurde die Sache im Nachgang auch. Zudem ist dies nun eine der meist erinnerten Rollenspielszenen überhaupt.

In einer Dark Heresy-Runde, in der ich war, gab es etwas Ähnliches – allerdings war der entsprechende Verräter-Charakter bereits von Anfang an bei den anderen Charakteren und die Überraschung vielleicht noch etwas größer.

Eine andere Idee, die ich dem (überaus gelungenen) DSA-Abenteuer „Die Unsichtbaren Herrscher“ entnahm, ist die Spielercharaktere ob ihrer Taten zu Rede zu stellen: Eine weitere Imparität besteht nämlich darin, dass diese auf ihren Abenteuern regelmäßig jede Menge Nichtspielercharaktere erschlagen, dies jedoch folgenlos bleibt. Realiter sollten dies aber alles Personen mit einer Familie und Freunden sein. Je nach Handlung sind die Antagonisten der Spielercharaktere auch nicht klar böse. Dies im Blick war das Geschehen nur naheliegend: Die Spielercharaktere wurden von einem Familienangehörigen gejagt – schließlich von einer anderen Heldengruppe, welche die „Mörder“ der Gerichtsbarkeit überstellen wollte. Das Spieler- und Charakterverhalten war überaus interessant.

Es zeigt sich also: Ich bin der Meinung, dass innerhalb der Spielwelt keine Unterscheidung zwischen Spieler- und Nichtspielercharakteren gemacht werden sollte.

Der entscheidende Punkt, und damit kommen wir zur Ausnahme, ist der Einschub „innerhalb der Spielwelt“. Wie auch schon beim meinem Plädoyer für Simulationismus in der Spielwelt bzw. dem -system, kann außerhalb der Spielwelt, eine Unterscheidung erfolgen – und sogar hilfreich sein.

So erwarte ich von Spielleiter und Spielerschaft auf einer dem Spiel vorgelagerten Ebene beispielsweise, dass eine Kompatibilität zwischen Charakteren zu der Geschichte bestehen muss. Wenn nämlich klar ist, dass, um das oben stehende Beispiel aufzugreifen, das Überleben der Familie eines Spielercharakters für dessen Konzept wichtig ist, sollte diese natürlich nicht dahingerafft werden. Allein – in diesem Falle sollte dies auch nicht hilfreich für die Handlung sein, sondern es sollte sinnvoll sein, dass die Familie am Leben bleibt!

In ähnlicher Weise erwarte ich auch, dass die Charaktere untereinander so zusammengestellt sind, dass es zwar gerne Konflikte geben darf – aber bitte keine, die gar nicht oder nur mit der de facto Verunmöglichung der Darstellung eines Charakters lösbar sind.

Bei einer Gestaltung auf einer der Spielwert übergeordnete Ebene, wird die gekünstelte Unterscheidung zwischen den Spieler- und Nichtspielercharakteren aus „Metagründen“ in der Regel gar nicht benötigt. Darüber hinaus ist sie meines Erachtens ohnehin verfehlt.

Sprachstile und Rollenspiel

Bei einem Fantasy-Rollenspielabend vor wenigen Wochen hatten wir eine neue Spielerin dabei, die zudem vergleichsweise jung war (Mitte 20). Ich kannte sie bereits ein wenig und eine bei uns sehr etablierte Spielerin kennt sie seit vielen Jahren. Der Abend war auch sehr lustig.

Mir fiel allerdings eine, für meine Begriffe, umfassende Verwendung von Anglizismen auf, die ich, offen gestanden, nur suboptimal fand. So misslang eine Probe nicht, sie wurde „gefailt“. Etwas gelang nicht sicher sondern „save“. Dies wurde als „Jugendsprache“ bezeichnet.

Auch in einer anderen Runde, verwendet vor allem ein, mit mir vergleichbar alter, Spieler, der jedoch seit langem im Ausland lebt, häufig englische Lehnwörter wie „Meeting“ (statt Zusammenkunft oder Austausch). Vor vielen Jahren hatte wir mal einen Magier der „Bannbaladin – ging, ey“ sagte, um einen erfolgreichen Zauber darzustellen. Darüber wurde noch lange gesprochen.

Die Beobachtung ist nicht auf Anglizismen beschränkt. Auch Wörter wie „Alter“ oder „Digga“ (statt Freund) „geil“ (statt großartig, man beachte die hier kontrovers diskutierten Varianten der Herr der Ringe-Übersetzung), finde ich beim Fantasy-Rollenspiel unpassend.

Perspektivisch frage ich mich, ob irgendwann im Fantasy-Rollenspiel gegendert wird. Auch dies empfände ich als höchst unschicklich.

Es stellen sich damit zwei Fragen für mich:

  1. Ist das überhaupt ein Problem?
  2. Wie soll ich damit umgehen?

Mir wurde verdeutlicht, das meine „Ausgangslage“ mein persönlicher Sprachstil ist. Diesen würde ich als klassisch hochdeutsch bezeichnen. Abweichungen davon fallen mir auf. Auch im beruflichen Kontext, sofern das Gespräch auf deutsch geführt wird, fällt mir die vermehrte Verwendung von Anglizismen durchaus auf.

Man muss aber freilich sehen, dass jemand anderes schlicht einen anderen Referenzrahmen haben kann. Dann sind andere Ausdrücke üblich.

Ich bin, wie bereits geschildert, der Auffassung, dass gerade Pen & Paper-Rollenspiel ganz wesentlich von der Sprache lebt. Bei einem Fantasy-Rollenspiel ist daher, aufgrund der Anleihen am Mittelalter, eine etwas altertümliche Sprache meines Erachtens naheliegend.

Nun weiß freilich auch ich, dass beim Fantasy-Rollenspiel mitnichten das Deutsch des Mittelalters gesprochen wird – gleichwohl war es für mich immer Usus, sich zumindest einer subjektiv altertümlichen Sprache zu bedienen – auch wenn diese so vielleicht historisch nicht existierte (am ehesten dürfte es das Deutsch von Dichtern wie Goethe oder Schiller sein).

Der Versuch der Förderung der Immersion ist auch keineswegs auf die Sprache beschränkt – man denke nur an die Hintergrundmusik, „stimmige“ „Handouts“ oder ggf. Kerzen. In einzelnen Abenteuern werden sogar Empfehlungen für die Farbe des Lichtes oder für das Essen gemacht. Jüngst las ich, man solle den Spielern die Augen verbinden, um die Situation der Charaktere möglichst gut nacherlebbar zu machen.

Dies im Blick finde ich es ist nicht vermessen, von jedem individuellen Bezugspunkt aus einen Schritt in eine etwas „stimmigere“ Sprache zu machen.

Wie also damit umgehen? Die Sache ist kniffelig. Schnell schließt man mit zu forschen Forderungen Spieler aus und die  Exklusivität der Alt-Rollenspieler getadelt. Ich möchte nicht ausgrenzend sein. Aber gleichzeitig möchte ich auch ein, ich denke nicht nur für mich, schönes Rollenspiel.

Zu Lösungen innerhalb des Spieles bieten sich an:

  1. Als Notbehelf kann man einzelne Wörter in die Spielwelt einfügen. „Okay“ ist beispielsweise in Aventurien ein mohisches Wort. Ein netter Kunstgriff – in den meisten anderen Fällen aber nicht umsetzbar.
  2. Man könnte die Spielwelt auf das unbekannte Wort reagieren lassen. Bei „Wir machen ein Meeting.“ könnte die Reaktion sein: „Was sagt Ihr? Ihr wollt einen Mietling machen? Nun Söldner findet ihr dort vorne zuhauf – allein, ich weiß nicht, wie uns das nützen mag.“

Das kann an schon mal machen – hat aber auch etwas Oberlehrerhaftes.

Es bleiben daher Lösungen außerhalb des Spieles: Jeder kann einfach ein wenig an seiner Wortwahl feilen. Auch das Ihrzen muss erst mal gelernt sein. Daher ist vielleicht die beste Lösung, den Wunsch nach einer etwas modifizierten Sprache mit Bedacht zu äußern, aber im Grunde jedem auch Zeit zu geben, sich insoweit zu entwickeln. Im Übrigen: Ganz anders sieht es ja bei SciFi-Rollenspielen aus! Bei Shadowrun zum Beispiel finde ich jedes der oben stehenden Wörter sehr passend!

Eine Lösung für das Editionsproblem – oder: Die Zukunft des Rollenspiels

In meinem ersten Beitrag beschwerte ich mich ausführlich über die „Plage“ neuer Editionen. Ich schilderte dort auch, dass diese für Verlage wichtig sein können, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Das aus meiner Sicht (der Sicht des Marktgläubigen) frappierende ist, dass bei Rollenspiel- und Tabletop-Systemen nach einiger Zeit die Präferenzen von Kunden und Produzenten diametral auseinander liegen. Während die Kunden mit einem System möglicherweise noch glücklich sind, „braucht“ der Produzent eine neue Edition, um Umsatz zu erzielen.

Als Ökonom fragte ich mich daher lange, wie dieses Dilemma gelöst werden kann. Einen ersten Ansatz zeigte ich im ursprünglichen Artikel auch auf: Der Wechsel auf eine Abonnement-Modell. In den letzten Monaten habe ich diesen Gedanken weiter verfolgt. Viel Dank geht an das Team vom eskapodcast, die bereits vor einiger Zeit eine Folge veröffentlicht hatten, die ich nun hörte und viele ähnliche Gedanken aufnehmen konnte.

In dieser Folge wurden zunächst Parallelen zu anderen Medieninhalten gezogen, die mittlerweile im in der Regel im Abonnement konsumiert werden. Genannt wurden Musik, Filme und auch Videospiele. Warum sollte nicht also auch Rollenspiele diesen Weg gehen?

Meines Erachtens ist das eine solche Entwicklung in der Tat wahrscheinlich und unter einem bestimmten Blickwinkel auch wünschenswert. Wenden wir uns zunächst dem Editionsproblem zu. Gelänge es über eine Abonnement-Modell für die Verlage einen dauerhaften Zahlungsstrom zu generieren, wäre das Editionsproblem lösbar. Inhalte könnten sein:

  • Zugriff auf alle Regelwerke. Diese könnten so miteinander verknüpft sein, dass verwandte Regeln nur einen Klick entfernt sind.
  • Zugriff auf weitere Inhalte, wie Karten, Abenteuer, Regionalbeschreibungen – ebenfalls mit dem vorstehenden Vorteil. Vor allem bei Stadtplänen könnte bei einem Klick auf ein Haus dessen Beschreibung folgen.
  • Sofort einsetzbare Inhalte für Programme wie VTT oder roll20.
  • Passende Hintergrundmusik.
  • Ein Verwaltungsprogramm für den Spielleiter, dass nicht nur die vorstehenden Funktionen umfasst, sondern auch eine Datenbank mit Nichtspielercharakteren.

All dies freilich regelmäßig aktualisiert.

Des Weiteren könnte man anbieten:

  • „Miete“ von kleineren Gebieten durch Spieler mit entsprecherr Möglichkeit, auf die Welt Einfluss zu nehmen.
  • Einfügen von Spielercharakteren (gegen eine monatliche Gebühr) in die Welt, die damit offiziell werden.

Ich könnte mir vorstellen, dass Angebote wie die beiden Letzten nicht nur Freude hervorrufen. Gleichwohl glaube ich, dass gerade diese Angebote für viele andere reizvoll sind.

Bei einer geschickten Preisgestaltung bestünde somit die Möglichkeit, das Editionsproblem zu lösen. Ich kann mir vorstellen, dass die Zahlungsbereitschaft der Spielerschaft sehr uneinheitlich ist. Daher wären unterschiedliche Pakete hilfreich.

Als Nebeneffekt würden weitere Probleme gelöst werden:

  • Digitale Inhalte sind nie „vergriffen“. Wer einfach nur alte Abenteuer spielen möchte, braucht hierzu nicht mühevoll auf eBay zu suchen, sondern kann zum Beispiel das „Retro-Paket“ dazubuchen – und schon stehen alle Abenteuer zur Verfügung.
  • Rollenspielwerke sind selten arm an Fehlern. Redaktionelle Fehler können in digitalen Produkten sehr einfach korrigiert werden.
  • Notorisch schlecht strukturierte Werke werden durch Hyperlinks deutlich zugänglicher.
  • Denkbar wäre es auch, unterschiedliche Versionen von Werken anzubieten. Ein Freund von mir, der sich wirklich sehr an sog. Gender-Sprache stört, forderte jüngst, alle DSA-Werke (auch) orthographisch korrekt und nicht „gegendert“ anzubieten, damit er Letzterem entkommen kann. Eine solche Idee lässt sich bei digitalen Produkten viel einfacher und damit kostengünstiger umsetzen. In ähnlicher Weise könnten fallweise auch Jugendschutzüberlegungen berücksichtigt werden.

Gleichwohl stehen diese Idee Nachteile gegenüber:

  • Gerade Fantasy-Rollenspiel ist mit der digitalen Welt meines Erachtens nur bedingt vereinbar. Realiter wird versucht, am Spieltisch eine bestimmte Atmosphäre aufzubauen; z.B. durch Kerzen, alte Möbel etc. Moderne, elektronische Komponenten könnten demgegenüber als störend empfunden werden.
  • Viele Spieler dürften, schon aus Sammelleidenschaft, gedruckte Bücher bevorzugen. Ich gehe aber davon aus, dass diese ergänzend angeboten werden können.
  • Wie auch in der Folge des eskapodcast geschildert, besteht bei derartigen digitalen Inhalten, die in der Regel auch ein digitales Spiel begünstigen, die zumindest latente Gefahr, dass sich das Spiel immer mehr zu einem Online-Rollenspiel hinentwickeln und hierdurch ihre Spieltiefe verlieren.
  • Beide Aspekte bedeuten im Grunde, dass aus „Pen & Paper“ „Processor & Phablet“ werden könnte.
  • Die Verlage werden du diskretionärem Verhalten ermuntert. So könnte einfach der Preis für die Nutzung des Dienstes erhöht werden oder sogar doch eine neue Edition eingeführt werden. Dieses Problem ist sehr relevant, da, im Gegenzug zu anderen Medien, die Verlage das Monopol über ihre Spielsysteme besitzen.
  • Im Falle einer Verlagsinsolvenz oder der Einstellung des Spielsystems ist dieses nicht mehr zugänglich.

Einige dieser Nachteile dürften relativierbar sein. So ist es im Grunde jeder Runde selbst überlassen, ob sie sich in Richtung eines Online-Rollenspiels entwickelt oder nicht. In gleicher Weise genügt es, wenn nur der Spielleiter einen Rechner am Spieltisch hat. Bei uns ist das auch heute schon (nur) so. Auf dem Spielleiter-Rechner wird Musik abgespielt oder digitale Inhalte zur Unterstützung des Spielleiters angezeigt. In diesen Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass ich es sehr bevorzugen würde, wenn über VTT oder Roll20 nur eine (freilich bunte) Karte angezeigt werden kann, die in Form eines LCD-Monitors quasi die Tischplatte bildet. Hierauf könnten dann Zinnfiguren oder auch Gebäude gestellt werden, um zum Beispiel eine Kampfsituation darzustellen Dies wäre für mich die ideale Kombination aus digitaler und analoger Welt – und würde viel klassischen Rollenspielcharakter erhalten.

In gleicher Weise gibt es keine Erfordernis, Würfelwürfe über Software abzubilden. Selbst bei meinen Runden über Videokonferenz würfeln die Meisten ganz normal „für sich“ am Schreibtisch.

Lediglich die beiden letzten Punkte, das diskretionären Verlagsverhalten oder die Insolvenz bzw. Einstellung des Spielsystems, bleiben erhalten. Gleichwohl bestehen diese Probleme, in abgewandelter Form, auch im aktuellen Markt. Und zumindest die Plage der neuen Editionen wäre weit weniger virulent.

Die Idee des Co-Spielleiters (mit Stellenanzeige!)

In einem anderen Beitrag wies ich auf die Mühen hin, die (nur) der Spielleiter hat. Ein Ansatz, diese zu mindern, ist der Co-Spielleiter.

Wir hatten ein solches Spielleitergespann für einige Jahre im Einsatz. Der „Haupt-Spielleiter“ wurde durch einen Co-Spielleiter unterstützt. Vorab mussten die beiden sich freilich abstimmen, was zusätzlichen Zeit- und Organisationsaufwand mit sich brachte. Demgegenüber standen aber Vorteile beim Spieltermin:

  1. Szenen im Abenteuer konnten aufgeteilt werden.
  2. Bei Kämpfen konnten zahlreiche Aufgaben zwischen beiden geteilt und die Kämpfer hierdurch beschleunigt werden.
  3. Bei einem Gespräch mit mehreren Nichtspielercharakteren konnten diese auf die Spielleiter aufgeteilt werden – ein unschätzbarer Vorteil!
  4. Man konnte, im Falle einer getrennten Gruppe, beide Gruppenteile simultan betreuen.
  5. Falls ein Charakter gerade im Mittelpunkt stand, konnten die anderen durch den Co-Spielleiter dennoch eine kleine Szene erleben.
  6. Sofern erforderlich, konnte ein Spielleiter eine Regel nachschlagen, ohne das das Spiel ausgebremst wurde.

Diese Vorteile sind für meine Begriffe erheblich.

Gleichwohl habe ich ein Störgefühl dahingehend, dass, gerade bei komplexen Plots, der Abstimmungsaufwand recht groß sein kann. Der vermeintliche weitere (offensichtliche) Vorteil, dass der Plot gemeinsam ersonnen werden kann, könnte im Falle unterschiedlicherer Präferenzen eingeschränkt sein.

Ein weiterer Vorteil, nämlich dass auch bei Abwesenheit eines Spielleiters ein Spieltermin dennoch stattfinden kann, könnte durch eine geringe Verbindlichkeit zu einer Last werden, wenn ein Spielleiter schlicht oft fehlt. Dies geschah übrigens bei uns, so dass der Co-Spielleiter mehr oder weniger Haupt-Spielleiter wurde.

Dennoch bin ich mit etwas Abstand zu dem Ergebnis gekommen, dass ich das Konzept klasse finde. Ich möchte es daher einfach ausprobieren. Daher die folgende (nur halb scherzhafte)

Stellenanzeige für Co-Spielleiter (m/w/d)

Anforderungen:

  • Spaß an Fantasy-Rollenspielen, vor allem DSA
  • Anpassungsfähigkeit – an neue Situationen und Rollen
  • Zumindest grundlegende Kenntnisse der DSA-Welt (primär Aventurien) und der Regeln in der Version 4.1
  • Freude an einem Rollenspiel, das im besten Fall Emotionen auslöst
  • Akzeptanz, oder besser noch: Teilen, meiner Spielphilosphie
  • Wohnsitz im Großraum München

Ich biete:

  • Frei Entscheidung, welche Teile der Spielleitung übernehmen werden
  • Aktuell drei Gruppen – für jedes Erfahrungslevel ist was dabei
  • Tolle Spieler
  • Komplexe Plots mit einer Vielzahl von Handlungssträngen
  • Im Falle von Präsenzterminen einen großartige Darstellung von Kämpfen mit zahlreichen bemalten Zinnfiguren und Gelände
  • Zugriff auf eine umfassende DSA-Bibliothek
  • Erinnerungen für die Ewigkeit

Bei Interesse gerne melden!

Spielphilosphie – ein Selbstporträt

Vor einigen Wochen diskutierte ich mit einigen Freunden lustig die halbe Nacht über diverse Nerd-Themen. Hierbei hingen wir recht lange bei Rollenspiel-Theorie fest und ich erfuhr einiges über mich als Spielertyp, was mir in dieser Deutlichkeit bislang nicht klar war. Da diese Einstellungen meine Wertungen hier maßgeblich beeinflussen gebe ich dieses „Selbstporträt“ im Folgenden wieder. Es wird also subjektiv und oberlehrerhaft. Das Folgende bezieht sich zudem ausdrücklich auf das Pen & Paper-Rollenspiel, nur im weiteren Sinne auf LARP und gar nicht auf Tabletop.

Wir griffen bei unserem Austausch auf die Unterscheidung in einen gameistischen, narrativen und simulationistischen Spielstil zurück. Ohne hierbei ins Detail zu gehen – das wurde im Internet schon ausufernd getan – hier nur eine schlagwortartige Beschreibung:

  1. Gamestischer Spielstil legt Wert auf Fairness. Alle Spielern soll also durch das Spielsystem gleichwertige Möglichkeiten eingeräumt werden. Dies bezieht sich mitunter auch auf den Einbezug anderer Charaktere in die Handlung. Mir wurde zudem zugetragen, dass auch im Verhältnis Spielleiter-Spieler Ausgewogenheit herrschen sollte. Teilweise wird auch ein Spielziel als gamestischer Aspekt angefügt. Insgesamt sind die Anforderungen nahe denen, die man an ein typisches Brettspiel stellt.
  2. Der narrativistische Spielstil möchte die Geschichte in den Vordergrund rücken. Diese soll funktionieren. Konsistenz oder Entscheidungsfreiheit sind diesem unterzuordnen. Ein wenig erinnert mich dies an ein Theaterstück, dass wohl die größtmögliche Ausprägung in dieser Weise darstellt. Hier wird praktisch „nur“ die Geschichte rezipiert. Ich habe eine Freundin, die aus dem Theater kommt und nun LARPs veranstaltet – und ihre narrativistische Sichtweise ist unverkennbar.
  3. Beim simulationistischen Spielstil wird versucht, die Spielwelt möglichst schlüssig und „realistisch“ zu gestalten. Mit dem Realismus ist das so eine Sache. Einer meiner Mitspieler sage hierzu: „Realismus ist halt die einfachste Methode zumindest die Illusion von Konsistenz zu haben, da wir einfach nur aus dem echten Leben interpretieren und -polieren, und keine komplexen eigenen Mechanismen erfinden muss.“ Dies im Blick soll Realismus im Folgenden eher im Sinne von Konsistenz oder Schlüssigkeit verstanden werden – wobei ich denke, dass realweltliche Maßstäbe für diese Einwertung Pate stehen.

Ich wusste, dass ich vor allem Simulationist bin. Wie sehr dies jedoch richtig ist, wurde mir erst in diesem Gespräch klar.

Wie ist meine Entwicklung zu einem Vertreter dieses Spielstils zu erklären? Mich fasziniert beim Rollenspiel vor allem die Unendlichkeit der Möglichkeiten. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich beim DSA-Videospiel „Schatten über Riva“ nicht in den Magierturm kam, weil man hierzu einen Schlüssel (oder etwas Vergleichbares) benötigte. Das Spiel bot jedoch nicht die Möglichkeit an, einfach durch das Fenster rechts oberhalb der Türe in den Turm einzusteigen. Das war für mich ein Beleg, dass das Videospiel „unrealistisch“ und Pen & Paper-Rollenspiel viel besser ist: Den dort hätte man mir die Idee nicht so einfach verwehren können.

Im Grunde stelle ich an alle Rollenspiele die Erwartungshaltung, dass sie als Startpunkt eine realweltliche Epoche haben, und diese dann um Aspekte erweitern, welche die Spielwelt ausmachen (geographische Gegebenheiten außen vor gelassen).

In diesem Sinne ist Fantasy für mich in etwa „Mittelalter + Magie + Fabelwesen“. Folglich kann ich mit einem System, dass vereinfachend festlegt, dass ein Magier-Spielercharakter zum Beispiel keinen Zweihänder tragen kann (D&D), nichts anfangen. Denn, realiter, konnte mit Sicherheit jeder Mensch, unabhängig von der Profession, im Mittelalter dem Grunde nach einen Zweihänder führen – wenn auch nicht notwendigerweise gut.

Daher folgend meine Einstellung zum…

1. Narrativismus

Narrativistische Systeme legen aus meiner Sicht häufig zahlreiche unzulässige Beschränkungen auf. So versuchen narrativistische Systeme durch Abstraktion der Regeln diese in den Hintergrund zu drängen um der vorgesehenen Geschichte mehr Raum einzuräumen. In ähnlicher Weise (oder daher) werden die Handlungsmöglichkeiten der Spielercharaktere beschränkt – auch hier vor dem Hintergrund, dass die Geschichte „ungestörter“ ablaufen kann. Typischen Beispiele sind Systeme, die zum Beispiel eine bestimmte Handlung nur ermöglichen, wenn abstrakte Ressourcen dafür vorhanden sind. So könnte eine Behandlung im Krankenhaus die Ressource „Einfluss“ erfordern – egal, ob man die Ärzte besticht oder erpresst oder sogar selbst Arzt ist (Fragged Empire).

Mit Blick auf das obenstehende sollte klar sein, dass ich hierfür wenig übrig habe. Gleichwohl hat der Gedanke des Narrativismus als Spielleiter einen Platz bei mir: Bevor eine Tatsache in der Spielwelt verankert wird, überlege mich mir, ob diese der Geschichte hilft. So erwarte ich, dass die Spieler Charaktere erschaffen, die grundsätzlich in die Handlung passen, diese bereichern – oder zumindest nicht stören. Dies kann sich auf die geographische Herkunft der Charaktere beziehen, aber auch auf deren Einstellung. Auch erwarte ich, dass nur Charaktere erschaffen werden, die eine grundsätzliche Motivation oder zumindest Motivationspotential mitbringen, um an einer Kampagne mitzuwirken.

Sobald ein Charakter aber die „Eignungsprüfung“ bestanden hat, gibt es meinerseits keine Einschränkungen mehr, was der Charakter „tun darf“.

In ähnlicher Weise weiche ich von meinen vorherigen Überlegungen, wie eine bestimmte Gegebenheit in der Spielwelt gestaltet ist, ab, wenn es der Geschichte dienlich ist sowie sonst nicht schädlich – und hier noch keine Festlegung getroffen wurde. War beispielsweise mein eigentlicher Plan, dass die Charaktere eine wichtige Person an Ort A suchen, diese von mir aber an Ort B vorgesehen war, so verschiebe ich sie geschwind an Ort A, wenn dies hilfreich ist – aber nur, wenn keiner weiß, dass sie eigentlich an Ort B sein sollte. Die Spieler merken daher von diesem narrativistischen Eingriff nichts; in der Außenwahrnehmung ist die Welt also konsistent.

Ein weiterer narrativistisch geprägter Aspekt ist, dass ich es bevorzuge, wenn die Charaktere Probleme selbst lösen und nicht zum Beispiel Söldner anheuern. In praxi ist das oft kein Thema, weil die Spieler schließlich die Abenteuer selbst erleben wollen. Falls das im Einzelfall gleichwohl ein Problem ist, sollte sich das Anheuern von Mietlingen nicht per se lohnen: Wäre dem so, wäre der Markt in der Spielwelt „unvollkommen“ – die Spielercharaktere würden besser Konditionen bei Nichtspielercharakteren vorfinden als die Nichtspielercharaktere bei den Spielercharakteren. Das sollte, wenn auch aus simulationistischen Gründen, nicht der Fall sein.

Dem steht übrigens nicht entgegen, wenn Charaktere NSC-Begleiter haben wie Lehrlinge, Leibwächter oder -diener.

2. Gamismus

Gamismus in Sinne von Fairness zwischen den Spielern spielt bei mir eine deutlich untergeordnete Rolle. Da ich beobachten kann, dass reale Menschen unterschiedliche Erfahrungsniveaus haben können, erscheint es mir schlüssig, dass dies auch in der Spielwelt möglich ist. Daher haben Charaktere in meinem Spielrunden sehr häufig unterschiedliche Erfahrungsniveaus. Es ist mir auch ziemlich egal, wenn einzelne Charaktere zur Geschichte nichts beitragen können – solange dies ein temporärer Effekt ist: Wie oben geschildert, überlege ich mir ex ante, ob Charaktere überhaupt Raum in der Kampagne finden. Als „Ausgleich“ achte ich mittel- bis langfristig auf ausgewogene Partizipationsmöglichkeiten.

Hierbei achte ich als Spielleiter auch, gewissermaßen ebenfalls in gameistischer Tradition durchaus darauf, dass die Herausforderungen angemessen für die Charaktere sind. Bedingt durch den, insofern narrativistisch geprägte, „Zulassungsprozess“ der Charaktere, ist dies in praxi nur sehr selten ein Problem.

Es ist auch keineswegs so, dass bei mir als Spielleiter alle Spieler gleich viele Erfahrungspunkte erhalten. Sollte ein Charakter während eines Spielabends, verschuldet oder nicht, nicht an dem Abenteuer teilnehmen, so kann dieser Charakter bei mir weniger Erfahrungspunkte erhalten. In gleicher Weise gebe ich Charakteren, deren Spieler nicht zugegen sind, in der Regel nur 66% der Erfahrungspunkte. Gleichwohl muss ich darauf hinweisen, dass ich de facto in der Regel durchaus gleich viele Erfahrungspunkte verteile – aber eben nicht immer.

Mir völlig unverständlich ist eine gameistische Regel bei DSA 5, dass ein im Spiel erlittener Nachteil (z.B. der Verlust einer Hand), dem betreffenden Charakter Erfahrungspunkte in der Höhe einbringen sollte, als ob er den Charakter bei der Erschaffung gewählt habe.

Ein möglicherweise als gameistisch zu betrachtender Aspekt, im Sinne der Spieler-Spielleiter-Fairness, ist jedoch, dass ich gerne auch die (anderen Spieler) entscheiden lasse, auf welche Charaktere zusätzliche Erfahrungspunkte verteilt werden sollten, weil ich denke, nicht davon ausgehen zu können, dass allein sachgerecht einordnen zu können.

Obgleich mir als Spielleiter natürlich daran gelegen ist, dass die Spieler den Plot verfolgen, so lasse ich es durchaus zu, dass dieser aus dem Augen verloren wird. Wenn ich merke, dass die Hinweise zum Plot hin nicht verfangen, dann gebe ich dieses „Spielziel“ eben auf – und es geschieht etwas anderes. Oder auch, zumindest für den Moment, nichts.

Mit Blick darauf, dass ich aber vorab darauf achte, dass die Charaktere Interesse an den großen Linien haben, kam dieses „Liegenlassen“ beim Hauptplot noch nicht vor. Nebenplots wurden jedoch schon häufiger außer Acht gelassen.

3. Simulationismus

Die vorstehenden Argumentationslinien verdeutlichen bereits mein simulationistisch geprägtes Denken.

Gleichwohl soll im Folgenden meine Sichtweise noch etwas weiter untermauert werden.

Zum einen finde ich es, wie dargestellt, sehr wichtig, dass das Potential des Rollenspiels voll ausgenutzt wird. Das bedeutet für mich, dass den Spielern keine Einschränkungen auferlegt werden, was ihre Charaktere versuchen können. Bei einem Fantasy-Rollenspiel muss zumindest alles möglich sein, weil auch im Mittelalter möglich war. Regelmechanismen die dies verhindern empfinde ich als unzulässig. Hieraus ist nicht zu schließen, dass diese Handlungen von Erfolg gekrönt sein müssen – ein Fehlschlag ist sogar sehr wahrscheinlich, wenn das Streben (zu) ambitioniert ist. Oder, anders gewendet: Dem Grunde nach darf alles versucht werden – dem Erfolge nach muss man sehen, was die Spielwelt dem entgegenstellt.

Zum anderen möchte ich, dass die Welt glaubhaft und konsistent ist. Das kann ich im Folgenden anhand einiger Beispiele verdeutlichen:

  • Für den unglücklichen Fall, dass ein Konvertierung des Charakters erforderlich sein sollte, verfolge ich grundsätzlich nicht den Ansatz die vorhandenen Erfahrungspunkte (meinetwegen auch nach Multiplikation mit einer Zahl), neu zu verteilen. Ich finde es vielmehr angemessen, im neuen Regelwerk die alten Fähigkeiten des Charakters möglichst nachzuzeichnen und dann Erfahrungspunkte in einer Höhe zu vergeben, dass dieses Ziel genau erreicht wird.
  • In ähnlicher Weise bin ich der Meinung, dass eine Weiterbildung (z.B. ein Zweitstudium für Magier bei DSA) keine Erfahrungspunkte kostet, sondern Erfahrungspunkte bringt. Realiter ist es auch so, dass zum Besuch der Schule oder Universität nicht erst einige Jahre irdisches „Abenteuerleben“ erforderlich ist. Ich plädiere daher für die Vergabe von Erfahrungspunkten für ein Studium in der Höhe, dass dieses genau „bezahlt“ werden kann.
  • Einmal erreichte Setzungen will ich unverändert wissen. Das gilt zum einen für Aspekte, die ich selbst vornehme (Nichtspielercharakter X ist an Ort A wohnhaft – nicht an Ort B; siehe oben) als auch von solchen Setzungen, die durch die Rollenspielproduzenten vorgenommen werden: (Auch) aus diesem Grund bin ich in der Regel auch gegen neue Editionen eines Regelwerks, da diese Setzung häufig missachtet wird. Aus meiner Sicht ist eine neue Regeledition schlicht nicht ermächtigt, Eingriffe in die Spielwelt vorzunehmen. Dies darf nur im Rahmen der organischen Entwicklung innerhalb der Spielwelt selbst geschehen (so aber möglicherweise eine Änderung im Regelwerk begründen oder rechtfertigen). DSA 5 hat hierbei durch das (zwischenzeitliche) Weglassen des ikonischen Reversalis für mich den Erzfrevel begangen. Anders der Wechsel von DSA 3 zu 4: Das Ändern von Spezialgebieten zu Merkmalen hin wurde mit inneraventurischer Forschung begründet – und zudem konnte man sich nach beiden Regelwerkseditionen einen Charakter mit sehr vergleichbaren Fähigkeiten konstruieren.
  • Ich vertrete die Meinung, dass ein bestimmte Herausforderung „für sich“ besteht. Wie stark die Spieler sind, ist nebensächlich. Ein Gegner z.B. ist genauso stark, wie er ist. Wenn nur zwei Charaktere gegen ihn kämpfen würden, wäre mir das gleich. Bestünde die Gruppe nur aus Nicht-Kämpfern (und käme gleichwohl in Konflikt mit diesem Gegner), auch.
  • In meinen Runden starten die Spielabende genau dort, wo der letzte endete. Zeit- oder Raumsprünge finden nicht statt, nur weil das nächste Abenteuer woanders belegen ist. Es ist immer eine Begründung innerhalb der Spielwelt zu finden, warum die Charaktere nun woanders sind und zum Beispiel Reisezeit einzuplanen.
  • Bei Kaufsystemen bei der Charaktererschaffung kosten Stände wie „Adlig“ mitunter Erschaffungspunkte. Das erscheint mir höchst unplausibel. Dies bedeutet nämlich, dass, ceteris paribus, adlige Menschen im Schnitt schwächer/ weniger gebildet etc. sind. Mit Blick auf deren in der Regel bessere Ausbildung und bessere Ernährungsmöglichkeiten, finde ich dies höchst fraglich. Ich neige daher dazu, adligen Charakteren die Punkte zum Erwerb des Vorteils „zurückzugeben“.
  • Solchen Charaktere würde ich auch ohne Weiteres mit NSC-Begleitern ausstatten (siehe oben; gemeint sind zum Beispiel Diener, Leibwächter etc. – auch als Spielercharakter sind solche Rollen natürlich möglich).
  • Die Regelmechanismen müssen grundsätzlich geeignet sein, eine einigermaßen plausible Weltsimulation sicherzustellen. Dies bedeutet nicht nur, dass sie nichts verbieten. Es meint vielmehr auch, dass die Ergebnisse den Erwartungen entsprechen. Ein schönes Beispiel, wo dies nicht erfolgt, ist D&D. Dort wird nur mit einem W20 gewürfelt. Die Standardabweichung ist sehr hoch, gleichzeitig sind alle Ergebnisse (1-20) gleichverteilt. Die Chance eine Probe nicht zu schaffen, ist damit, auch bei hohen Werten, recht hoch. Das entspricht jedoch nicht der Lebenserfahrung – erfahrungsgemäß gelingen erfahrenen Menschen übliche Tätigkeiten recht sicher. D&D hat damit einen unplausiblen Regelmechanismus.
  • In ähnlicher Weise erwarte ich auch, dass das Regelwerk die Spielwelt widerspiegelt. Dies erfolgt beispielsweise bei DSA 4.1 (möglicherweise auch bei 5, da bin ich mir nicht sicher) im folgenden Beispiel nur bedingt: Gemäß der Weltsetzung ist das Rufen von Dämonen mit großen Gefahren verbunden, verspricht aber auch große Macht. Entsprechend bedienen sich gerade mächtige Zauberer der Hilfe von Dämonen. So weit, so gut. Dummerweise ist jedoch das Rufen von Elementaren kaum schlechter (mit dem Ergänzungsband Elementare Gewalten bei DSA 4.1 vielleicht sogar besser). Da diese Spielart der Zauberei nicht mit Gefahren der Dämonologie einhergeht, ist die Regelsystematik hier missglückt. Unter diesen Umständen würde nämlich keiner Dämonen beschwören; das Rufen von Elementaren wäre dominant dazu.

Ich denke, das vorstehende macht meinen bevorzugten Spielstil deutlich. Ich kann mir gut vorstellen, dass dieser teilweise befremdlich wirken mag. Sei es drum: Ein Mitspieler sagte jüngst, dass Freunde langer Kampagnen oft Simulationisten seien. Ob das stimmt, weiß ich nicht. Aber falls ja, könnte ich beruhigt sein: Die meisten meiner Mitspieler schätzen lange Kampagnen.

Die imparitätische Lastenverteilung beim Pen und Paper-Rollenspiel

Immer wieder finde ich Gesuche von Rollenspielrunden für Spielleiter. Manchmal gar mit Vorgaben, was gespielt werden soll („Wir möchten gerne mit der Borbarad-Kampagne starten. Hierzu suchen wir Dich als Spielleiter“).

Es herrscht also, zumindest, tendenziell, Spielleitermangel. Ich persönlich habe meist mehr Rollenspiel spielen wollen, als ich konnte – oft weil keiner meistern wollte oder konnte. Daher machte ich aus der Not eine Tugend und wurde selbst Spielleiter. Seit über 30 Jahren bin ich daher ganz überwiegend Spielleiter gewesen – und es sieht nicht so aus, als ob sich dies ändern würde.

Warum ist das so? Ein großer Reiz des Rollenspiels macht die Charakterdarstellung aus. Und ich kenne es als Spieler und aus zahlreichen Gesprächen – man „verliebt“ sich in seinen Charakter. Diesen kann man dann immer weiter ausarbeiten, neue Facetten entdecken (lassen), weitere Fähigkeiten erlernen, immer diffizileres Charakterspiel erleben – es ist großartig!

Genau das kann der Spielleiter nicht. Es ist sogar schädlich. „Verliebt“ sich der Spielleiter in einen Nichtspielercharakter besteht die große Gefahr, dass dieser den Spielercharakteren die „Show“ stiehlt. Protagonisten sollen aber, zumindest mittel- bis langfristig, Spielercharaktere sein.

Ich habe als Spielleiter daher begonnen, mir nicht einen Charakter, sondern eine Spielwelt zu erschaffen. In „meinem“ Aventurien wird jedes Abenteuer nur einmal gespielt. Diese Spielercharaktere sind damit in meinem Aventurien dafür gruppenübergreifend definiert. Es kreuzen sich mitunter auch die Handlungsfäden verschiedener Gruppen. Es gibt Nichtspielercharaktere, die in unterschiedlichen Kampagnen auftauchen. Und was eine Spielgruppe macht, kann zum Guten oder Bösen für eine andere sein.

Damit habe ich diesen Aspekt, den ich am Spielersein schätze, einigermaßen nachgezeichnet. Einigermaßen, weil mich ein toller eigener Charakter oft nochmals mehr begeistert. Allerdings mag ich meine Geschichten ebenfalls schon sehr. Dann gibt es für mich insoweit häufig keinen Unterschied mehr. Ich glaube aber, dass es den meisten nicht so geht und das Erlebnis als Spieler vorgezogen wird. Zudem zerstören neue Regeleditionen oft, zumindest in der offiziellen Setzung die Konsistenz einer geschaffenen Spielwelt.

Es gibt darüber hinaus (weitere) Nachteile, die allein dem Spielleiter anheimfallen und die nur bedingt ausgeglichen werden können. Hier sind zum einen die Kosten für sämtliche Regelwerke und Abenteuer zu nennen. Ich lese zwar immer wieder, dass man die Kosten für Regelwerke ja aufteilen könne – nach meiner Erfahrung ist das aber unpraktikabel, weil man bei der Vorbereitung als Spielleiter die Regeln griffbereit haben möchte und sollte.

Viel schwerer noch wiegt genau diese Vorbereitungszeit. Zum einen müssen die Regeln gelernt werden. Auch hierzu wird mitunter vorgeschlagen, dass ja verschiedene Gruppenmitglieder unterschiedliche Regelbereiche verantworten könnten. Ich halte diesen Ansatz für untauglich. Als Spielleiter möchte ich vielmehr bei der Vorbereitung wissen, was die Spielercharaktere werden tun können und mich nicht auf eine diffuses Gefühl oder Halbwissen verlassen müssen.

Vor allem aber ist die individuelle Vorbereitungszeit pro Abenteuer zu beachten. Je nach Komplexität des Abenteuers und Erfahrung des Spielleiters ist es mit einem einmaligen Lesen keineswegs getan – und selbst ein einmaliges Lesen kann mitunter einige Zeit in Anspruch nehmen. Gleiches gilt bei selbstgestrickten Abenteuern, wenn nicht sogar in größerem Umfang. Hinzu kommen Vorbereitungen in Form von Anpassungen an die Gruppe oder für die Kampagne sowie Mühen für Handouts, Musik, Karten und dergleichen mehr. Ich habe zudem auch immer den Anspruch gehabt, zumindest wichtige Kämpfe mit passenden, bemalten Figuren darstellen zu können, was ebenfalls Zeit und Geld kostet. Dies kann aber als persönlicher Marotte abgetan werden und zudem teilweise auch von Spielern übernommen werden.

In jüngster Vergangenheit kommen, zumindest potentiell, weitere Vorbereitungstätigkeiten hinzu. Mittlerweile braucht es mitunter Karten für VTT oder Roll20. Auch das muss fast zwingend der Spielleiter übernehmen. Daher forderte ich an anderer Stelle, dass diese Dinge ohne weitere Vorbereitung einsetzbar sind.

Der Spielleiter hat damit nicht nur ein für viele weniger attraktives Spielerlebnis. Er muss auch deutlich mehr Arbeit (und Geld) für das Hobby bereitstellen.

Die letztgenannten Nachteile sind meiner Erfahrung nach deutlich schwieriger zu mitigieren. Eine Möglichkeit sind wechselnde Spielleiter. Das hat bei uns aber nie langfristig funktioniert. Ich finde es aber auch deshalb suboptimal, weil die Geschichte dann nicht mehr aus einer Hand heraus geplant wird und daher weniger konsistent oder zusammenhängend werden kann. Zudem gibt es ganz spezielle Gestalten, die sich selbst für die Spielleiterrolle kategorisch ausschließen.

Die Aufteilung der monetären Belastung auf alle Spieler ist sicher machbar. Das habe ich aber noch nie gesehen – und ist auch schwierig, weil vorab geklärt werden müsste, wem zum Beispiel das Abenteuerbuch am Ende gehören soll. Gedanklich könnte ich mir aber vorstellen, dass man sich darauf verständigt, dass die gemeinsam angeschafften Spielmittel dem Spielleiter gehören sollen – gewissermaßen als Ausgleich für seine Mühen. Auch das habe ich noch nie gesehen oder gar selbst vorgeschlagen – naheliegenderweise, denn da ich meist, trotz allem, Spielleiter bin, würde das schnell selbstsüchtig wirken.

Eine Variante, von der ich hörte, ist, dass der Spielleiter immerhin nicht die Outgame-Organisation verantworten muss. Das heißt, er muss nie Spieltermine koordinieren, sich nicht um die Verpflegung kümmern und dergleichen mehr.

Ich weiß, dass dies ein guter Freund von mir umzusetzen versucht. Seitdem hat es in dieser Runde keinen Spieltermin mehr gegeben.

Es wird spätestens damit für mich deutlich, dass den Spielleiter vor allem auch eine besonders große Passion für das Hobby auszeichnet. Das kann allerdings problematisch sein und weitere Probleme begründen.

Ich weiß von mir selbst, dass ich mich überaus zufrieden macht, wenn von den Spielern ein positives Feedback kommt. Einmal wurde nach dem Kampagnenabschluss sogar geklatscht. Das fand ich sehr rührend. Damit wären oder waren für mich alle Mühsal vergessen.

Leider ist aber oft das genaue Gegenteil der Fall: Die, von mir im Folgenden postulierte, geringere (nicht zwingend geringe!) Begeisterung von Spielern für das Hobby führt regelmäßig dazu, dass Prioritäten anders gesetzt werden. Das kann dazu führen, dass Spieltermine, auch kurzfristig, abgesagt werden. Die Gründe dafür mögen für den Absagenden subjektiv völlig einleuchtend sein – für den Spielleiter, der andere Präferenzen hat und vorab viel Arbeit investierte, könnten sie das jedoch, erneut subjektiv, gerade das nicht sein. Ich erlebte es daher oft, dass mir Absagen beziehungsweise deren Begründungen (erneut subjektiv) als Affront erschienen.

Als Teillösung hierfür plädiere ich dafür, dass sich Gruppen über ein Maß der Wichtigkeit des Spiels verständigen – und sich daran halten. Möglicherweise passen manchmal einfach die Erwartungshaltungen nicht zusammen und es braucht für den ein oder anderen eine andere Gruppe.

Zudem möchte ich, davon unabhängig, dazu raten, dem Spielleiter regelmäßig eine positive Rückmeldung zu geben. Das geht freilich über den vorgenannten Punkt des Mitmaches im Rahme des gemeinsamen Konsenz‘ hinaus. Und die anderen oben stehenden Punkte könnten doch auch wohlwollend in Betracht gezogen werden.