D&D

„Slaying the Dragon“ – Lehren von TSR?

Gedanken nach einer Lektüre

Im Urlaub jüngst las ich „Slaying the Dragon“, ein Buch von Ben Riggs, dass im Grunde den Untergang TSRs vor der Übernahme von Wizards of the Coast beschreibt. Der Drache ist Dungeons and Dragons – und dem ist zwar schwer beizukommen, aber er wurde dann doch niedergestreckt, indem das Unternehmen TSR, das Dungeons & Dragons vertrieb (und bis heute vertreibt), nahe an die Insolvenz gebracht wurde.

Freilich behauptet der Autor nie, dass diese „Drachenhatz“ gewollt war (dass also das TSR-Management das Unternehmen beziehungsweise das Spielsystem zerstören wollte) – aber es wird doch deutlich, dass Riggs der Auffassung ist, dass vor allem Missmanagement zum Untergang TSRs als eigenständiges Unternehmen führte. Im Kern werden nach meiner Lesart drei Ursachen für den Niedergang identifiziert:

  1. Die Not, fortlaufend neue Produkte zu publizieren
  2. Fehlender Wille beziehungsweise die fehlende Bereitschaft, herausragende Autoren und Zeichner zu behalten
  3. Fehlende Qualifikation des Managements

Beim Lesen fragte ich mich, inwiefern diese Probleme auf andere Rollenspiel-Unternehmen übertragbar sein könnten. Naheliegenderweise ziehe ich hierzu den deutschen Primus Ulisses heran, der lustigerweise auch einen Drachen im Logo führt. Hierbei kamen einige für mich interessante Einsichten zu Tage, die ich nach einer Zwischenbetrachtung zu den obenstehenden Fragestellungen darlege.

Der ebenfalls im Buch diskutierte Vertrag mit dem Vertriebspartner Random House, welcher der Überschuldung TSRs Vorschub leistete, bleibt bei meiner Betrachtung außen vor, da ich freilich keine Einblicke in die Verträge Ulisses habe.

Ad 1. Die Not, fortlaufend neue Produkte zu publizieren

Dies ist im Grunde das von mir schon an anderer Stelle geschilderte, der Rollenspielbranche immanente, Problem: Der Markt ist recht schnell gesättigt, die Produkte (die Bücher aber auch der Nutzen hieraus) sind jedoch langlebig. Infolgedessen ist ein Rollenspielverlag stets mit der Frage befasst, woher die Umsätze von Morgen kommen. Damit laufen die Interessen von Kunden und Hersteller diametral auseinander: Während der Kunde mit seinem Produkt grundsätzlich noch lange leben kann, benötigt der Hersteller etwas Neues. Dieses Problem kann einige Zeit mit Zusatzprodukten wie weiteren Quellenbüchern, man denke nur an DSA am Ende der vierten Edition, kaschiert werden – aber irgendwann ist dieses Mittel ausgeschöpft. Für den Hersteller bietet es sich dann an, eine neue Edition zu publizieren, um damit bei Null zu starten. Allein, ob die Kunden hierbei mitgehen, ist zumindest nicht sicher. Ebenfalls ist auch der Mehrwert einer neuen Edition nicht immer gegeben.

Ausweislich des vorstehenden Buches war TSR sehr früh mit diesem Problem konfrontiert. Die Lösung war die „Fish bait-Strategie“. Diese bestand im Grunde darin, neue Welten für D&D zu erschaffen. Die immer neuen Quellenbücher, welche diese neuen Welten beschrieben, wurden gekauft, wodurch Umsatzerlöse für TSR generiert werden. Soweit jedenfalls die Theorie. In der Praxis war es offenbar so, dass die Einführung weiterer Spielwelten zu einer Aufsplitterung des Marktes führten und hierdurch die Stückzahlen der verkauften Bücher pro Spielwelt zurückgingen. Ergänzend schreibt Riggs, dass hierdurch die Stück-Produktionskosten schließlich über den Stückpreisen der Bücher lagen und hierdurch in vielen Fällen Verluste gemacht wurden. Sprich: Die Bücher wurden in so geringer Zahl gekauft, dass die Herstellungskosten die Umsatzerlöse überstiegen.

Mit der Übernahme TSRs durch Wizards of the Coast wurden zahlreiche Spielwelten eingestellt. Augenscheinlich wurde sich stattdessen darauf verlegt, Bücher zu produzieren, die grundsätzlich für den gesamten Kundenstamm, und nicht nur für die Spieler einzelner Welten, von Interesse waren. Dies sind üblicherweise Regelbücher. So zeigt sich, dass bis zur Übernahme durch Wizards of the Coast 1997 nur drei Editionen des Regelwerks produziert wurden: Nämlich das Original im Jahre 1974, die AD&D-Version 1977 und eine zweite AD&D-Version im Jahre 1989. Es wird also eine neue Edition rund alle fünf Jahre veröffentlicht.

Demgegenüber wurden nach der Übernahme vier Editionen veröffentlicht – durchschnittlich alle vier Jahre eine. Die gegenwärtig fünfte Edition, die es seit 2014 gibt, ist mit Blick darauf „überfällig“ ersetzt zu werden – und in der Tat soll im Jahr 2024 eine Aktualisierung der fünften Edition erfolgen. Es wurde zudem mit D&D Beyond eine Möglichkeit geschaffen, dauerhaft Umsatzerlöse in Form von Abonnementgebühren zu erwirtschaften. Damit wird das „Editionsproblem“ zumindest abgemildert.

Bei Ulisses ,beziehungsweise DSA, besteht das brancheninhärente Problem freilich analog. Parallelwelten wurden bei DSA aber nur in geringem Umfang geschaffen – und alle nicht weiter fortgeführt. Myranor, Utharia oder auf DSA Chutulhu werden gegenwärtig nicht weiter bedient – dies soll sich aber zeitnah ändern, wenn auch nicht durch Produkte Ulisses‘. DSA 5 war meiner Einschätzung nach (zumindest auch) aus der Not geboren, dass für DSA 4.1 so ziemlich alles erschienen war, was man sich vorstellen konnte (wenn man die aktuellen Publikationen ansieht, wird aber klar, dass noch viel mehr möglich gewesen wäre).

Ad 2. Fehlender Wille beziehungsweise die fehlende Bereitschaft, herausragende Autoren und Zeichner zu behalten

Das Buch schildert eindrücklich mehrere Fälle, in denen sehr begabte Mitarbeiter TSR verließen. Im Kern ging es hierbei stets um fehlende Anerkennung: Das Gehalt war zu niedrig, Maler durften ihre Bilder nicht behalten, Lizenzgebühren wurden Kreativen vorenthalten und dergleichen mehr.

Auch bei Ulisses gab es schon mehrfach unglückliche Personalrochaden. In vielen Fällen wurden hierbei auch besonders begabte Talente verloren: Man denke nur an Thomas Römer oder Uli Lindner, die schließlich beim Uhrwerk-Verlag eine neue berufliche Heimat fanden. Hierbei ging es meines Wissens weniger ums Geld, als mehr um die Arbeitsbedingungen. Bei Michael Masberg oder Bernd Ochs schienen persönliche Gründe eine Rolle zu spielen. Demnach spielte anscheinend ein fehlender Wille oder die mangelnde Fähigkeit, Personal zu halten, auch bei Ulisses schon eine Rolle. Dennoch bewerte ich die Sachverhalte in gewisser Weise verschieden: Riggs schildert in seinem Buch, dass viele der Angestellten die TSR verlassen hatten, später eine besser bezahlte Anstellung fanden. Das scheint mir bei den früheren Mitarbeitern Ulisses zumindest nicht immer der Fall zu sein. Hierbei spielt aber sicherlich auch die geringere Größe des Arbeitsmarktes, und damit die Nachfrage nach solchen Talenten, eine Rolle.

Neben dem Ersatz der Mitarbeiter als solche waren aber sowohl TSR als auch Ulisses in der Vergangenheit mit dem Problem konfrontiert, dass Autoren verloren wurden, die für die Fortsetzung einer Reihe erforderlich waren. So wurden deshalb weder die Galotta– nach die Answin-Romane fortgestetzt. Und dass die Fortsetzung von Salon der Schatten nicht erscheinen wird, schmerzt mich bis heute.

Ich komme daher zu dem Schluss, dass Ulisses zumindest teilweise Probleme in der Personalpolitik hat (oder zumindest hatte), die mit denen TSRs vergleichbar sind.

Ad 3. Fehlende Qualifikation des Managements

Bis zur Übernahme im Jahre 1997 gab es bei TSR zwei CEO: Garry Gygax und Lorraine William (ab 1985). Garry Gygax wird im Buch vorgeworfen, über keinerlei betriebswirtschaftliche Ausbildung zu verfügen. Dieselbe Kritik wird auch bezüglich dem übrigen Management TSRs aus dieser Zeit geübt.

Lorraine William wird demgegenüber ein mangelndes Produktverständnis attestiert. Riggs zeichnet das Bild, dass sie offenbar teilweise gar nicht wusste, wie das Produkt „Rollenspiel“ oder D&D funktionierte.

Beide Vorwürfe kann man dem Ulisses von heute nicht machen. Markus Plötz ist Diplom-Kaufmann und selbst Rollenspieler, der sich zudem regelmäßig zu aktuellen oder historischen Rollenspielthemen äußert.

Exkurs: Versteht Ulisses das USP DSAs?

Ich persönlich frage mich zuweilen, ob das Ulissses-Management den USP der Spielwelt DSA verstanden hat. Dies ist aus meiner Sicht die engmaschig beschriebene Spielwelt und deren ebenfalls vielfach verzahnte Hintergrundgeschichte. Genau darauf nehmen aktuelle Publikationen meines Erachtens aber weniger Bezug, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war, wo sich zahlreiche Rückverweise auf frühere Werke fanden, samt einem Abkürzungsverzeichnis für diese. Im Gegenteil: Die meisten Abenteuer heute sollen „für sich“ spielbar sein – ein Anspruch, der, sobald Vorprodukte eine maßgebliche Rolle spielen, nicht oder nur schwer erfüllbar ist. Dann aber wird das von mir idendifizierte USP jedoch nicht genutzt. Das Spielsystem wird dadurch austauschbarer.

Demgegenüber ist jedoch zu sehen, dass hierdurch die Einstiegsbarrieren für neue Spieler gesenkt werden. Wenn das Ulissses-Management zu dem Ergebnis gelangt, dass dies wichtiger ist als der Erhalt des USP vor allem für Altspieler, kann es sinnvoll sein, diesen Weg einzuschlagen. Zumal viele Altspieler angeblich unbesehen (fast) alles kaufen. Es ist daher für Ulissses nicht vordringlich relevant, es diesen recht zu machen. Mit Blick auf die für mich erkennbare Qualifikation des Managements gehe ich daher prima facie davon aus, dass die getroffene Strategie sinnvoll ist.

Zwischenbetrachtung

Ulisses hat, zumindest mit Blick auf die von mir auf Basis des Buches von Riggs identifizierten Themen, vermutlich primär das dem Markt immanente Problem, neue Produkte bei Marktsättigung zu produzieren, beziehungsweise die Marktsättigung herauszuschieben.

Das Management kommt, zumindest aus der Außensicht, nicht mit den Kompetenzmängeln einher, die das TSR-Management hatte.

Nicht ganz eindeutig ist, ob Ulisses maßgebliche Mängel im Umgang mit seinen Mitarbeitern hat. Die mitunter unschönen Trennungen sprechen klar dafür. Und die nicht erschienenen Produkte auch – schließlich hätten diese zumindest potentiell einen postiven Deckungsbeitrag erwirtschaften können. Allerdings gelang es Ulisses auch immer wieder Nachbesetzungen vorzunehmen. Nur wenn man annimmt, dass die aktuellen Autoren und Zeichner nicht an das Niveau der Früheren herankommen, ist dies aus Verlagssicht problematisch. Bei einem solchen Urteil darf aber nicht übersehen werden, dass auch die Strategie des Verlages und damit der Anweisungen an die Mitarbeiter für eine subjektiv vermindert empfundene Qualität ursächlich sein könnte. Inwiefern Ulisses eine wirtschaftlich schädliche Personalpolitik betrieb oder betreibt, vermag ich daher nicht zu sagen.

Evident ist demgegenüber für mich, dass Ulisses mit der Marktsättigung zu kämpfen hat – und zwar in größerem Maße, als dies bei TSR der Fall war oder ist. Da die Produkte Ulisses‘ originär oder ausschließlich in deutscher Sprache erscheinen, ist der adressierbare Markt erheblich kleiner – für die Entwicklungskosten dürfte das in deutlich geringerem Umfang gelten. Und in der Tat deuten zahlreiche strategische Entscheidungen an, dass Ulisses bestrebt ist, die eigenen Erträge hochzuhalten oder zu steigern:

  • Es werden Produkte eingeführt, deren Nutzen beim Spiel überschaubar, dafür die Marge aber große sein dürfte, wie zum Beispiel die Acrylmarker, die in steter Regelmäßigkeit erscheinen.
  • Inhalte werden über mehrere Produkte verteilt; man denke nur and das DSA 5-Magieregelwerk in der ersten Variante (das heißt vor dem Kodex-Bänden), bei dem die Bände zudem auch nicht redundanzfrei sind. Inhalte können damit mehrfach verumsatzt werden.
  • Über VTT wird versucht, ein Abonnenten-System zu etablieren (Ulisses erhält vermutlich Lizenzzahlungen von Foundry Gaming.
  • Die schon diskutierte Trennung von Spielwelt und Regeln geht in eine ähnliche Richtung.

Ich habe mir daher die Frage gestellt, wie kommerziell erfolgreich Ulisses wohl in den letzten Jahren war.

Einblicke in die wirtschaftliche Lage Ulisses

Um diese Frage zu beantworten, habe ich mir aus dem Bundesanzeiger die Geschäftszahlen der letzten Jahre beschafft. Da die Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH nur eine kleine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB ist, sind die publizierten Informationen jedoch spärlich (insb. wird nur die Bilanz (und der Anhang), nicht aber die Gewinn- und Verlustrechnung publiziert) und deren Interpretation schwierig. Infolgedessen sind die folgenden Rückschlüsse mit hoher Unsicherheit behaftet.

Quelle: Bundenanzeiger. VGG steht für Vermögensgegenstände.

Für einen ersten Blick zur Einschätzung der Ertragslage lohnt die Betrachtung von Jahresüberschuss und Cashflow. Der Jahresüberschuss („Gewinn“) ist seit dem Geschäftsjahr 2017 bis zum Geschäftsjahr 2020 kontinuierlich und auch erheblich gestiegen – war aber im Geschäftsjahr 2022 jedoch mit minus 98 Tsd. Euro wieder negativ.

Der Cashflow (hier gemessen an der Veränderung des Kassenbestandes) war nur in den Geschäftsjahren 2019 und 2022 negativ. Allerdings wurden im Geschäftsjahr 2022 die Verbindlichkeiten („Schulden“) erheblich zurückgeführt – um rund 725 Tsd. Euro – für ein kleines Unternehmen wie Ulisses keine Kleinigkeit! Dass führt natürlich auch zu einer Verminderung des Kassenbestandes. Ohne diese Begleichung von Schulden ergibt sich ein (ganz überschlägig) gerechneter operativer Cashflow im Geschäftsjahr 2022 von rund 137 Tsd. Euro. Hierbei habe ich zudem beachtet, dass im Geschäftsjahr 2022 augenscheinlich erstmals eine Gewinnausschüttung im Betrachtungszeitraum in Höhe von 13 Tsd. Euro erfolgte.

Aus dem positiven operativen Cashflow kann der Schluss gezogen werden, dass das Unternehmen zumindest nicht ungesund ist. Der negative Jahresüberschuss im Geschäftsjahr 2022 kann auf nicht-zahlungswirksame Geschäftsvorfälle zurückzuführen sein. Unter anderem nimmt das Sachanlagevermögen um rund 86 Tsd. Euro an. Es ist denkbar, dass im Geschäftsjahr 2022 praktisch nichts erneuert wurde um Geld für die Rückzahlung des Darlehens verfügbar zu haben. Dennoch wird z.B. die Betriebs- und Geschäftsausstattung älter, was durch Abschreibungen angezeigt wird. Allein diese Abschreibungen erklären weite Teile des negativen Jahresüberschusses. Richtig ist aber auch: In den Vorjahren war der Jahresüberschuss deutlich höher. Gleiches gilt für den (sehr überschlägig ermittelten) operativen Cashflow. Eine Verschlechterung der operativen Performance ist daher naheliegend.

Resümee

Über Ulisses muss man sich gegenwärtig wohl keine Sorgen machen – obgleich das Geschäftsjahr 2022 nicht glänzend war. Dieser Drache wird darauf basierend nicht „versehentlich“ erschlagen. Bilanz und Anhang des Geschäftsjahres 2023 ist jedoch noch nicht publiziert. Interessant dürfte sein, ob dieses Geschäfsjahr besser abgeschlossen werden konnte. Allerdings war die Analyse der Bilanzen Ulisses‘ bis zum Geschäfsjahr 2022 Auslöser weiterer Recherchen: Im Geschäftsjahr 2022 wurden nämlich Geschäftsanteile zurückgekauft. Und das ist nur die erste gesellschaftsrechtliche Maßnahme.

Die Entwicklungen um die OGL – der Versuch einer Einordnung

Einführung

Wer, wie ich, nicht zumindest wöchentlich die Entwicklungen in der Rollenspiel-Szene verfolgt, erfährt von den Turbulenzen um die OGL eben aus der regulären Presse: Wizard of the Cost (Teil des Hasbro-Konzerns) überlegte die Open Game Licence (kurz: OGL) in der (noch) aktuellen Form 1.0a zurückziehen.

Ich wusste bislang nicht einmal, was das ist.

Im Kern ist die Lizenz der Grund, warum so viele Systeme auf das D&D-Regelwerk bauen. Ich dachte immer, dies läge (nur) an seiner weiten Popularität. Der, zumindest ergänzende, Punkt ist jedoch, dass diese Lizenz es im Kern ermöglicht, das D&D-Regelwerk kostenfrei zu verwenden. Die D&D-Welt ist davon nicht abgedeckt.

Nach dieser Erkenntnis stellte ich fest, dass beispielsweise das Iron Kingdoms-Rollenspielregelwerk unter dieser Lizenz veröffentlicht wurde. Sie findet sich auch ganz hinten im Regelbuch.

Der Stein des Anstoßes ist nicht (nur), dass die OGL in der Version 1.0a zurückgezogen werden sollte. Sie sollte offenbar auch durch eine neue Version 1.1 ersetzt werden.

Dies wurde bereits am 21. Dezember 2022 von Wizards of the Coast angekündigt. Auch, dass ab einem Umsatz mit Produkten unter der OGL ab 50.000 USD eine Registrierung vorgesehen sein würde. Ab einem Umsatz in Höhe von ab 750.000 USD wurde eine Lizenzgebühr in Aussicht gestellt, über deren Höhe sich jedoch im Dezember noch ausgeschwiegen wurde. Ergänzend sah die Version 1.1 der OGL vor, dass nur noch für gedruckte, „statische“ Medien („printed media or static electronic files (like epubs and PDF)s“), aber nicht mehr für elektronisch Produkte, wie insbesondere virtuelle Pen & Paper-Umgebungen wie VTT („other content such as video games or virtual tabletops (VTTs)“) gelten soll.

Diese Ankündigung, mehr aber noch die, von Wizard of the Cost nicht bewilligte Veröffentlichung einer Vorabversion der OGL 1.1 im Januar 2023 löste jedoch ein mannigfaltiges Echo aus. Der Tenor, der sich in den Stellungnahmen des Hasbro-Konzern wiederfindet, deutete an, dass die Vorlage einigermaßen akkurat dem tatsächlichen Vorhaben entsprach.

Ab einem Umsatz von 750.000 USD sollte, so die im Januar 2023 veröffentlichte Entwurfsversion der OGL 1.1, nunmehr eine Lizenzgebühr in Höhe von i.d.R. 25 % des Umsatzes (u.U. 20 %) fällig werden. Zudem sieht dieser Entwurf vor, dass der Lizenzgeber die Rechte zur Reproduktion und zum Vertrieb an solchen Produkten erhält, die unter der OGL 1.1 veröffentlicht wurden.

Wenige Wochen nach der Veröffentlichung dieses Entwurfs, veröffentlichte Wizards of the Coast am 19. Januar 2023 einen neuen Entwurf einer Version 1.2 der OGL. Dieser durfte kommentiert werden.

Diese Version der OGL enthält keine Registrierungspflicht mehr für Lizenzinhaber und sieht auch keine Lizenzzahlungen mehr vor. Auch sieht diese kein Recht des Lizenzgebers mehr vor, Produkte der Lizenznehmer zu vervielfältigen. Gleichwohl sieht sie eine Sonderbehandlung für nicht gedruckte Medien (wie VTT) vor.

Die Kommentierung der OLG 1.2 wurde am 27. Januar 2023 vorzeitig beendet. In diesem Zusammenhang verkündete Wizards of the Coast, dass die OGL 1.0a in Kraft bleibt und keine Änderung vorgenommen werden.

Reaktionen

Die Veröffentlichung der OGL 1.1, obgleich nicht von Wizards of the Coast beabsichtigt, wurde in mehreren Kommentaren sehr negativ aufgenommen. Es wurde insbesondere hinterfragt, ob die OGL 1.0a überhaupt zurückgezogen werden könne.

Zahlreiche. Benutzer kündigten ihr Abonnement bei D&D Beyond (angeblich wurde die Abmeldefunktion abgeschaltet und nur noch eine Kündigung per E-Mail wurde ermöglicht, wobei schließlich 10.000 E-Mails unbeantwortet gewesen seien), um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Angeblich unterschrieben über 77.000 Personen einen offenen Brief, um sich gegen die Version 1.1 zu positionieren.

Schließlich kündigte zuerst Paizo, dann Ulisses an, ihre jeweiligen Regelwerke (d.h. u.a. das Pathfinder-Regelwerk, die Versionen der DSA-Regelwerke [soweit möglich] und das Hexxen-Regelwerk) in einem ähnlichen Rahmen, wie es mit der OGL 1.0a der Fall war (bzw. noch ist) freizugeben, und diese Freigabe unwiderruflich zu erklären.

Zu den vorgenannten Punkte kann ich auf die Next Quest-Videos Ulisses vom 16. Januar 2023 und 19. Januar 2023 verweisen, wo die jüngsten Entwicklungen aber auch die Historie der OGL ausführlich erklärt werden.

Einordnung

Im Folgenden möchte ich mich mit folgenden Aspekten befassen:

  1. Was ist der Anreiz, die OGL überhaupt zurückzuziehen oder zu ändern?
  2. Geht das rechtlich? Was sind die Konsequenzen oder Probleme?
  3. War der Druck der Öffentlichkeit ursächlich, die Version 1.1 durch eine Version 1.2 zu ersetzen oder die Pläne schließlich insgesamt ad acta zu legen?
  4. Wie ist die Ankündigung anderer Verlage einzuschätzen, ihre Regelwerke ebenfalls freigeben zu wollen?

Ad 1:

Dies wird aus meiner Sicht in weiten Teilen in Video Ulisses‘ gut erklärt. Hintergrund der Lizenzänderung ist freilich die Generierung von Erlösen. Die Lizenz wurde aus meiner Sicht in Version 1.0a zunächst freigegeben, um das D&D-Regelwerk weitgehend zu etablieren. Wenn möglichst viele Systeme und damit Spieler das D&D-Regelwerk verwenden (auch wenn es so nicht firmiert, sondern als 5E), etabliert es sich als de facto-Standard.

Ökonomisch spielen hierbei Netzwerkeffekte die entscheidende Rolle: Bei einer weiten Verbreitung des D&D-Regelwerkes wird die Verwendung eines anderen Regelwerkes zunehmend schwieriger Viele Spieler wollen gerne bei dem vertrauten Regelwerk bleiben, zumal es dieses für viele Spielwelten gibt. Andere Spielwelten können hierdurch einen kompetitiven Nachteil erleiden. Für Wizards of the Coast stellt sich ein finanzieller Vorteil ein, da das Grundregelwerk vielfach verkauft wird. Auch Zusatzprodukte, die mit allen Spielwelten kompatibel sind, werden in größerer Zahl nachgefragt. Durch die größeren Verkaufszahlen werden Skaleneffekterealisiert, die Fixkosten pro Stück fallen und der Gewinn steigt.

Gelingt es nun, auch von den anderen Büchern, die nicht von Wizards of the Coast, sondern anderen Verlagen unter der OGL veröffentlicht werden, einen Teil des Erlöses abzuschöpfen, ist dieser Zusatzerlös praktisch in Gänze unmittelbar gewinnerhöhend.

Ad 2:

Grundlegend könnte in Frage stehen, ob man ein Regelwerk überhaupt schützen kann. Dies sieht legal eagle kritisch. Er meint, reine Ideen seien nicht schützbar. In der Tat sind bloße Ideen nicht schutzfähig, nur die Form, in der eine Idee dargebracht wird. Dungeons & Dragons als Idee wäre damit nicht geschützt, wohl aber die Art und Weise, wie diese Idee umgesetzt wird, auch in der Spielanleitung. Mit Blick darauf, dass keiner der bisherigen Lizenznehmer ernsthaft die Schutzfähigkeit in Frage gestellt hat, dürfte diese Auffassung überwiegend geteilt werden.

Zahlreiche Kommentatoren meinen demgegenüber, die OGL könne in der Version 1.0a nicht zurückgezogen werden, da diese auf eine unbefristete Dauern („perpetual“) vorsieht (Punkt 4.). Gleichwohl sieht Punkt 9. Die Möglichkeit einer Aktualisierung („Updating“) der Lizenz vor.

Nach meiner Lesart ist daher eine Änderung der OGL zu einer OGL 1.1 oder 1.2 möglich.

Im Grunde kann nämlich jede Vereinbarung gekündigt werden. Falls keine Kündigungsfrist zwischen den Parteien bei der Nutzungsaufnahme festgelegt wurde, ist eine angemessene zu wählen. Zudem macht Punkt 9. explizit eine Änderung möglich und wäre daher im Zweifel als „Spezialfall“ gegenüber der allgemeinen Aussage aus Punkt 4. prärogativ. Selbst dann, falls die Kündigung ausdrücklich nicht vorgesehen oder sogar ausgeschlossen sein sollte, wäre sie aus wichtigem Grund in der Regel möglich.

Diese Erkenntnis hat sich mittlerweile meines Erachtens durchgesetzt; andernfalls hätte zum Beispiel Ulisses in dem zweiten vorstehenden Video nicht die Kündigung ausgiebig diskutiert und deren Folgen, zum Beispiel für unter der Lizenz veröffentlichte Inhalte ihrer Internetplattform („Scriptorium“) angerissen.

Die Möglichkeit einer Kündigung ist bei Lichte betrachtet auch keinesfalls verwunderlich: Mir bekannt ist die Rücknahme der Myranor-Lizenz vom Uhrwerk-Verlag durch Ulisses oder, ganz aktuell, die absehbare Rücknahme der Battletech-Lizenz von Ulisses durch Catalyst. Der Uhrwerk-Verlag musste infolgedessen offenbar das fast fertig Myranor-Regelwerk für DSA5 einstellen; Battletech muss anscheinend die Romanreihe „Kell Hounds“ vom Markt nehmen. Angeblich müssen sogar nicht verkaufte Bücher vernichtet werden. Insofern sollte die Verwunderung darüber, dass bislang unter der OGL 1.0a veröffentlichte Bücher nicht weiter vertrieben werden dürfen, eigentlich überschaubar sein.

Allein bereits verkaufte, also vom Endkunden bereits erworbene, Produkte bleiben freilich bestehen. Das ergibt sich schon daraus, dass die Endkunden gar keinen Vertrag mit dem Lizenzgeber Wizards of the Coast haben, sondern nur die Rollenspiel-Verlage.

Eine bestenfalls andiskutierte Frage ist, welches Recht überhaupt anwendbar ist. Für den hier vorliegenden Fall ist vor allem die zivilrechtliche Zuständigkeit relevant.

Die OGL 1.0a enthält keine Festlegung, welches Recht Anwendung finden soll. Der reinen Lehre nach ist dann das sog. Kollisionsrecht einschlägig. Im deutschen Recht ist dieses im EGBGB beschrieben, wobei die sog. ROM-I-VO in der Regel prioritär gilt. Diese Regelungen sind jedoch nicht mit den US-Kollisionsrecht abgestimmt. De facto wird die Jurisdiktion daher auch davon abhängen, wer Klage einreicht und wo.

Hasbro oder Wizards of the Coast würden vermutlich Unterlassungs- oder Leistungsklage in den USA erheben; ein deutscher Lizenznehmer vermutlich Feststellungsklage in Deutschland. Schon allein die Frage, wer dies zuerst tut, kann relevant sein, da das jeweils andere Verfahren üblicherweise pausieren würde. Realiter wird auch eine Rolle spielen, welches Gericht angerufen wird und wie komod sich die Richter mit dem grenzüberschreitenden Sachverhalt fühlen, um diesen zuzulassen.

Im vorliegenden Fall ist es tendenziell wahrscheinlicher, dass der Lizenzgeber seine vermeintlichen Ansprüche aus der OGL 1.1 (oder .2) durchsetzen möchte. Es käme daher zur Unterlassungs- oder Leistungsklage, die bei entsprechender Vorbereitung in den USA verhandelt werden würde.

Ergo: Rechtliche Probleme dürften bei der Entscheidung, die OGL in der Version 1.0a zu belassen im Ergebnis eine untergeordnete Rolle gespielt haben.

Ad 3:

Unter andern in der Washington Post wird angeführt, die zahlreichen Kündigungen der Wizard of the Coast-Plattform D&D Beyond hätten zur Änderung der OGL von der Version 1.1. zu der Version 1.2 geführt. Dies wäre typischerweise der Fall gewesen, wenn die Umsatzeinbrüche aufgrund dieser Kündigungen so hoch gewesen wären, dass die Geschäftsführung Wizards of the Coasts eine Schädigung des Unternehmenswertes vermutete.

Ein Abonnement bei D&D Beyond kostet 2,99 USD für Spieler und 5,99 USD für Spielleiter im Monat. Angenommen, basierend auf den angeblich 10.000 unbeantworteten E-Mails, nachdem die übliche Kündigungsmöglichkeit per Klick herausgenommen wurde, es hätten 20.000 Abonnenten gekündigt. Dann ergäbe sich, unter den Annahme, dass jeder fünfte ein Spielleiter ist, ein monatliche Umsatzausfall in Höhe von 4.000 x 5,99 USD + 16.000 x 2,99 USD = 71.800 USD. Das sind 861.600 USD im Jahr. Der Hasbro-Konzern soll im Geschäftsjahr 2022 Umsatzerlöse in Höhe von 5,9 Mrd. USD ausweisen (letzte Konsensus-Schätzung). Der mögliche Wegfall der 20.000 Abonnenten macht also gerade mal 0,015% der Umsatzerlöse aus. Immerhin dürften diese Umsatzerlöse, aufgrund von Grenzkosten nahe Null, voll auf den Jahresüberschuss durchschlagen. Dieser soll für das Geschäftsjahr 2022 analog bei 623 Mio. USD liegen. Der mögliche Verlust macht also 1,4% des Jahresüberschuss aus.

Es ist also zunächst nicht naheliegend, dass diese Kündigungen an der Entscheidung des Hasbro-Konzerns etwas geändert haben. Zumal, da im Falle einer Umsetzung der OGL in der Version 1.1 diesen Erlösrückgängen mutmaßliche Lizenzerlöse gegenübergestanden hätten.

Auch der Börsenkurs Hasbros reagierte kaum im Zusammenhang mit diesen Geschehnissen:

Eigene Recherche

Zwar schließt der Aktienkurs in der 5. Januar 2023, an dem die OGL 1.1 in der Presse diskutiert wird, 1,9% höher. In gleicher Weise steigen aber auch die hier als Vergleich gewählte Indices. Als am 13. Januar 2023, eine Pressemitteilung über D&D Beyond veröffentlicht wird, bleibt der Aktienkurs praktisch konstant (+0,02%). Nur am Tage der Ankündigung der OGL 1.2 geht der Kurs um 4% zurück – wobei ebenfalls bei den Indices ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen war.

Mit Blick darauf, dass ökonometrisch der Kurs Hasbros (sonst) weniger schwankt als die Indices (für Feinschmecker: Der Betafaktor ist kleiner als 1), spricht in der zunächst einiges für eine Marktreaktion aufgrund der Entwicklungen um die OGL. Andererseits steigt der Hasbro-Kurs über den Betrachtungszeitraum (schaffierte Fläche) – und zwar stärker als die Indices. Wenn überhaupt, schätze der Kapitalmarkt die Entwicklung offenbar positiv ein.

Ich neige daher zu der Schlußfolgerung, dass die Kündigungen bei D&D Beyond zunächst bestenfalls einen nachrangigen Einfluss auf die wirtschaftliche Lage des Hasbros-Konzerns hatten.

Darüber hinaus scheint mir bei näherer Betrachtung die Anpassungen in der OGL 1.2 nicht verwunderlich, sondern erwartbar – ungeachtet der Reaktionen von Kunden oder Vertragspartnern. Dies führe ich auch zwei Überlegungen zurück.

  1. Lizenzrate unrealistisch hoch
    Zum einen halte ich die avisierte Lizenzrate von 25 % ab einem Umsatz des Lizenznehmers mit OGL-lizenzierten Produkten von 750.000 USD für absurd überzogen. Ich habe recht viel Erfahrung mit der Festlegung marktüblicher Lizenzraten (steuerlich spricht man von Drittvergleichstauglichkeit).

    Eine (ganz) grobe Faustregel besagt, dass 25 % bis 33 % der EBIT-Marge eines Unternehmens auf das Vorhandensein eines geistigen Eigentumsrechts zurückzuführen ist (dies ist die sog. Knoppe-Formel). Unterstellt man (mangels anderer Daten), dass die EBIT-Marge Hasbros auch für das D&D-Geschäft maßgeblich ist, könnte einen Lizenzrate in Höhe von 3,88% bis 5,12% ermittelt werden (die erwartete EBIT-Marge Hasbros für das Geschäftsjahr 2022 beträgt 15,52%).

    Die kolportierte Lizenzrate von 25% ist weit oberhalb der EBIT-Marge Hasbros. Man muss sich auch bewusst sein, dass die Margen im Pen & Paper-Rollenspiel-Bereich nach allem was ich höre, sehr dünn sind. Auch vor diesem Hintergrund dürfte eine Lizenzrate in Höhe von 25% schichtweg utopisch sein.

    Aus meiner Erfahrung heraus schätze ich (ohne dedizierte Analyse), dass eine Lizenzrate von 5% für das D&D-System als Ganzes, also nicht nur das Regelwerk, angemessen sein könnte.

    Als Vergleich mögen die Lizenzrate für Star Wars herangezogen werden. Angeblich liegt diese bie 16,7% für Videospiele oder 15 bis 20% für Hasbro als Lizenznehmer für Spiele. Die Star Wars-Lizenz sollte aber weitaus wertvoller sein, als die des Dungeons & Dragons-Regelwerks (nicht etwa der Spielwelt!). Auch dies zeigt, dass eine Lizenzrate von 25% höchstwahrscheinlich völlig unrealistisch ist. Ausweislich der zweiten genannte Quelle, war die Lizenzrate für die Star Wars-Welt vor 1990 übrigens bei 5%.

    Die Lizenzrate von 25% dürfte daher nicht ernsthaft in Erwägung gezogen worden sein. Da der Entwurf der OGL 1.1 auch ohne Wollen des Hasbro-Konzerns veröffentlicht wurde, ist es gut denkbar, dass dieser wenig ausgegoren war.
  2. Lizenzgebühren aus praktischen Gründen nicht erhebbar

    Zum anderen wird sich das in dem Entwurf der OGL 1.1. angesprochene und bereits am 22. Dezember 2022 angekündigte Lizenzsystem aus praktischen Gründen nicht implementieren lassen. Verträge können nur zwischen natürlichen oder juristischen Personen (also z.B. einzelnen Unternehmen), nicht aber mit einem Konzern geschlossen werden. Das bedeutet, dass zunächst jede einzelne rechtlich selbstständige Teil eines Konzerns separat 750.000 USD überschreiten müsste, bis eine Lizenzzahlung fällig werden würde Mir ist unklar, wie der kombinierte Umsatz bei beispielsweise mehreren Vertriebsunternehmen erfasst werden soll.

    Selbst im Falle einer kombinierten finanziellen Berichterstattung, dem sog. Konzernabschluss, sind Umsätze nach Lizenzen oft in der Regel nicht mal buchhalterisch, aber sicher nicht öffentlich, verfügbar.

    Dieses Problemfeld ist auch steuerlich oft relevant, weil die Verschiebung von Umsatzerlösen auf bestimmte Gesellschaften oder Regionen innerhalb eines Konzerns zur Verminderung der Steuerlast genutzt werden kann. Allein – die Finanzämter haben mannigfaltige, gesetzlich festgeschriebene Informationsrechte und können Gestaltungen prüfen. Der Hasbro-Konzern hat diese Möglichkeiten in der Regel wohl nicht.

    Fragen der Währungsumrechnung kommen noch dazu.

    Andere Lizenzabkommen werden üblicherweise bilateral geschlossen, so dass derartige Feinheiten vertraglich zwischen spezifischen Vertragspartnern geklärt werden können. Eine pauschale Lizenz, die allein durch konkludentes Handeln verwendet wird, kann dies vertraglich kaum leisten.

    Als Gegenargument könnte angeführt werden, dass zahlreiche der Lizenznehmer über keine Konzernstruktur verfügen und daher nur mit einer Gesellschaft tätig sind. Dies ist für Wizards of the Coast aber nicht ersichtlich. Zudem werden gerade kleinere Lizenznehmer tendenziell ohnehin unter die 750.000 USD-Schwelle fallen.

    Ich kann mir daher gut vorstellen, dass man seitens des Hasbro-Konzerns beziehungsweise seitens Wizard of the Coast zwischenzeitlich zu dem Ergebnis kam, das Lizenzmodell aus der Entwurfs-Version 1.1 der OGL aufgrund der problematischen Operationalisierbarkeit zu verwerfen. Für diese These spricht auch, dass in der Stellungnahme vom 21. Dezember 2022 angekündigt wurde, dass überhaupt nur rund 20 Lizenznehmer zahlungspflichtig werden würden. Mit so einer überschaubaren Anzahl kann man bilateral Lizenzverträge schließen und umgeht die oben stehenden Probleme. Da zumindest einer, der wohl wichtigste, Lizenznehmer, Roll a Die ohnehin kein gedrucktes, „statisches“ Medium anbietet, wäre dieser nach Aufhebung der OGL 1.0a ohnehin ohne Lizenz und müsste verhandeln.

Die OLG 1.1 und .2 könnten daher eine geringere Rolle gespielt haben; die Reaktionen hierauf wären dem Kapitalmarkt dann gleichgültig gewesen.

Gleichwohl ist festzustellen, dass am 27. Januar 2023 der Beibehalt der OGL 1.0a verkündet wurde. Der Kurs am darauffolgenden Tag fiel überaus stark, ohne dass diese Bewegung auch bei den Indices beobachtet werden kann. Letztlich gab es also doch einen Grund, die OGL in der aktuellen Form beizubehalten, was vom Kapitalmarkt so nicht gesehen wurde, beziehungsweise in der Relevanz unterschätzt wurde. Dies dürfte an Folgendem liegen:

Ad 4:

Paizo, aber auch Ulisses, kündigten an, nunmehr ihre Regelwerke (ebenfalls) kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Hierzu möchte Paizo ein der OGL ähnliches Abkommen erstellen, die Open RPG Creative Licence („ORC“). Auch diese Lizenz (als rechtliches Dokument) soll frei verfügbar sein, so dass Ulisses auf dieser Basis eine deutsche Version für den deutschen Rechtsraum entwickeln möchte. Insbesondere soll diese so angelegt sein, dass sie nicht zurückgezogen oder geändert werden kann.

Für die Rollenspiel-Branche ist dies aus Kundensicht eine positive Entwicklung. Aus meiner Sicht vor allem deshalb, weil die Regelwerke unterschiedliche Spielstile bedienen. Während das DSA-Regelwerk eher simulationistisch geprägt ist (wenn auch, in der Version 5, mit stärkeren gameistischen Elementen), hat das Hexxen-Regelwerk einen eher narrativistischen Einschlag. Das Pathfinder-Regelwerk ist im Vergleich zum DSA-Regelwerk weitaus weniger komplex und, meines Wissens, ähnlich zum D&D-Regelwerk.

Für die Hersteller verbirgt sich hinter dieser Strategie, so denke ich, die Hoffnung, ihre jeweiligen Regelwerke als de facto-Standard(s) etablieren zu können – ganz ähnlich, wie das bei Wizards of the Coast mit dem D&D-Regelwerk gelang. Wie oben geschildert, könnten Netzwerkeffekte anschließend einen Wechsel zu anderen Systemen erschweren und den Absatz der jeweils eigenen Regelwerke stärken.

Im Grunde ist das ein tragfähiger Gedanke. Man sollte aber im Blick haben, dass der Pen & Paper-Rollenspielmarkt überschaubar groß ist – und in weiten Teilen von dem D&D-Regelwerk besetzt ist, dass bereits den Vorteil des Netzwerkeffekts auf seiner Seite hat (sog. „First Mover Advantage“). Inwiefern sich hier weitere Sub-Märkte herausbilden können, die über Netzwerkeffekte zusammengehalten werden, vermag ich nicht zu erkennen. Hierbei hat das Pathfinder-Regelwerk eine besondere Rolle: Als D&D-Abspaltung hat es den Vorteil, dass es dem D&D-Regelwerk vergleichbar sein dürfte. Der Wechsel sollte den Spielern daher leichter fallen.

Zudem könnte die Ulisses-Regelwerke auftrumpfen, deren Regelwerke anders gestaltet sind. Bedauerlicherweise sind diese aber auch international weniger bekannt, so dass die Etablierung eines internationalen Sub-Marktes, der groß genug ist, um über Netzwerkeffekte weiter zu wachsen oder selbsttragend zu sein, unwahrscheinlicher oder teurer wird.

Im Extremfall folgen weitere Regelwerke dem Beispiel von Paizos und Ulisses – dann wäre die Marktstruktur insoweit relativ unverändert – und der Vorteil, dass bestimmte Regelwerke offen sind, bestünde im Vergleich nicht mehr. Nur im relativen Vergleich zum D&D-Regelwerk wäre ein Vorteil erlangt worden (bzw. der vormalige Vorteil des D&D-Regelwerks aufgehoben). Das D&D-Regelwerk  ist jedoch bereits, wie geschildert, der de facto-Standard. Dies düfte sich gerade in diesen Monaten nochmals verfestigen, weil just in Bälde, am 30. März 2023, der Film Dungeons & Dragons: Honor Among Thieves erscheinen wird. Ich sprach jüngst mit einigen maßgeblichen Vertretern der Kinobranche der DACH-Region. Demnach wird dieser Film als einer der erfolgreichsten im Jahr 2023 eingeschätzt (bzw. dies erhofft). Zuschauer, die den Film sehen werden und sich künftig für Pen & Paper-Rollenspiel interessieren, dürften naheliegenderweise zu Dungeons & Dragons greifen. Daher könnte es als fraglich gelten, ob sich die Marktstruktur substantiell verändern wird.

Dennoch wurde die OGL-Änderung am 27. Januar 2023 zurückgezogen. Für mich gibt es damit eigentlich nur eine Erklärung: Die Spieler haben D&D (zunächst wohl D&D Beyond) in einem Maße den Rücken gekehrt oder dies wurde befürchtet, dass zwar Wizards of the Coast vermuten musste, ihre Vormachtstellung zu verlieren. In der Tat ergab die Umfrage zur OGL 1.2 offenbar, dass rund 90% der Kunden eine OGL-Änderung nicht begrüßen und sogar ihr Geschäftsmodell umstellen wollen. 90% ist eine ganze Menge.

Unabhängig von den überschaubaren wegfallenden Einnahmen durch D&D Beyond kann dies für das System dramatisch sein und insbesondere auch Lizenzprodukte der Spielwelt, wie den Film, künftig verhindern oder in Mitleidenschaft ziehen. Dann gäbe es im Extremfall einen noch viel stärkeren negativen Einfluss auf die Umsatzerlöse. Unter kommerziellen Gesichtspunkten mag man da zum Ergebnis kommen, besser auf mögliche Erlöse aus einer neuen OGL-Version zu verzichten als auf aktuelle Erlöse aus der Spielerschaft.

Denn: Falls die abgewanderten Spieler schnell ein neues System finden, mit dem sie ebenfalls gut zurechtkommen (dies wäre gerade bei Pathfinder gut denkbar), sind sie verloren und kommen absehbar auch nicht zurück. Die Netzwerkeffekte laufen dann gegen D&D. Ich könnte mir daher vorstellen, dass diese Sorge für Hasbro und Wizards of the Coast zu groß war und letzlich eingelenkt wurde.

Merke: Der Kunde entscheidet. Gerade in einem so kleinen Markt, wie dem Rollenspielmarkt haben auch (in absoluten Zahlen) kleine und damit recht leicht zu mobilisierende Gruppen schon maßgeblichen Einfluss.